Nach dem Motto: Wenn es freiwillig nicht funktioniert - was es die ganze Zeit schon nicht hat -, dann kann man diesen Paragrafen eventuell anwenden. - Ich glaube, das ist vergebliche Liebesmüh. Wir sollten hier auch mal etwas beschließen!
Vielen Dank, Frau Kollegin Staudte. - Für die Fraktion der SPD hat nun die Kollegin Karin Logemann das Wort. Bitte sehr!
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! 22 % der gesamtlandwirtschaftlichen Nettowertschöpfung in Deutschland kommen aus der Milchwirtschaft. Unsere Milch in Niedersachsen - das möchte ich ausdrücklich betonen - wird vorwiegend von Familienbetrieben erzeugt.
Die Preise für Milch unterliegen einer hohen Volatilität. Dafür sind zum Teil - das wurde eben schon gesagt - zunehmende Schwankungen bei Nachfragemengen auf dem internationalen Markt verantwortlich. Risikoabschätzung, Wechselkurse, Klimaveränderungen - viele Faktoren bestimmen den Preis.
Diese Schwankungen führten in den Jahren 2009, 2012, 2015 und 2016 zu Krisen, die unsere Familienbetriebe finanziell stark belastet haben. Wir sind uns bewusst, dass wir hier eingreifen müssen, um unsere Landwirtschaft zu schützen und zu unterstützen. Wir benötigen Mechanismen, um vorbeugen und im Falle einer Krise einschreiten zu können.
Mein Wahlkreis, die Wesermarsch, eine der größten zusammenhängenden Grünlandregionen Europas, ist von Milchviehhaltung geprägt. Exemplarisch stelle ich hier einen Landwirt vor, der Milch produziert. Er hat die genannten Krisenjahre halbwegs überstanden, aber eine neue Krise könnte ihn und seinen Familienbetrieb in arge Probleme stürzen. Weiden und Wiesen prägen nicht nur in der Wesermarsch, sondern in weiten Teilen von Niedersachsen das Landschaftsbild. Dauergrünland bildet den Lebensraum für zahlreiche wild lebende Tiere, fördert die Biodiversität und dient dem Grundwasser- und Klimaschutz.
Dann wundert es doch niemanden, wenn wir die Förderung von Flächen in benachteiligten Regionen im Rahmen der neuen Förderperiode der Gemeinsamen Agrarpolitik 2020 der EU fordern. Die Ministerin hat heute Morgen dazu ausgeführt. Herzlichen Dank für die Unterstützung!
größtenteils aus Grünland bestehen. Damit kann gleichzeitig ein Beitrag zum Natur- und Umweltschutz geleistet werden.
Zurück zu meinem Milchbauern in der Wesermarsch: Er lässt seine Kühe auf Grünland weiden und weiß, dass Grünland viel CO2 speichert, dass es seinen Kühen auf der Weide gut geht und die Milch seiner Kühe außerdem besonders begehrt ist. Er steigt auf eine GVO-freie Fütterung um. Das bedeutet, er verzichtet auf gentechnisch veränderte Futtermittel. Er möchte aber z. B. gerne noch wissen, wie er sich weiter absichern kann, falls demnächst die Preise wieder fallen.
Wie ihm geht es vielen anderen Landwirten auch. Die Beratung der Landwirte hinsichtlich der Abfederung von Preisschwankungen muss entsprechend verbessert werden. Dies kann z. B. durch bisher nicht genutzte Potenziale bei der Erzeugung und Vermarktung von Milch und Milchprodukten geschehen. Wie sinnvoll ist z. B. die Direktvermarktung der Milch von meinem Landwirt? Gibt es vielleicht doch noch irgendwo eine Möglichkeit, auf dem Hof effizienter zu arbeiten? Wo könnte eine Nische sein? Potenziale müssen erkannt und gehoben werden.
Niedersachsen muss sich auf Bundesebene dafür einsetzen, dass börsenbasierte Festpreismodelle und Warenterminbörsen im Milchsektor weiter positiv begleitet werden. Sie ermöglichen Landwirten, das Risiko zu streuen und sich im Falle eines Preissturzes etwas besser abzusichern, als es bei vergangenen Krisen möglich war.
Der Artikel 148 der Gemeinsam Marktorganisation, der eben angesprochen wurde, muss weiterhin Anwendung finden dürfen, wenn die Sektorstrategie 2030 der Molkereiwirtschaft nicht ausreichend Steuerungskraft entwickelt. Das Bundeslandwirtschaftsministerium hatte der Molkereiwirtschaft auferlegt, ein eigenes Steuerungskonzept zu erarbeiten, um zukünftige Preisschwankungen besser abfedern zu können. Bis Ende des Jahres soll diese Sektorstrategie fertiggestellt sein. Dann werden wir sehen, ob durch die Nutzung des Artikels 148 der Gemeinsamen Marktorganisation der EU vonseiten des Staates eingegriffen werden muss. Dieser Artikel besagt, dass ein EU-Mitgliedstaat in die Vertragsbeziehung eingreifen und das Verhältnis zwischen Preis und Menge der gelieferten Milch festlegen kann. Im Sinne der Erzeuger und meines Wesermarschbauern muss das weiterhin möglich sein.
Die Milchmarkt-Beobachtungsstelle der EU muss ein voll funktionsfähiges Instrument der Marktanalyse und Krisenintervention werden. Nur so kann sie sich zu einem guten und erfolgreichen Frühwarnsystem entwickeln. Das findet auch mein Wesermarschlandwirt besonders wichtig; denn er muss auf Krisen möglichst früh reagieren können. Durch eine verlässliche Beobachtungsstelle, die frühzeitig Warnungen ausspricht, wäre es für ihn deutlich einfacher, zu handeln und sich anzupassen.
Die Familienbetriebe, die Milchkühe halten, sind das schwächste Glied in der Kette der Produktion. Ihre Stellung in der Wertschöpfungskette müssen wir verbessern, wenn wir gewährleisten wollen, dass solche Betriebe Teil unserer Landwirtschaft bleiben und Landwirtinnen und Landwirte mit ihren Familien ihren Lebensunterhalt verdienen können. Diese Menschen sind es, die uns mit Nahrungsmitteln versorgen und unsere Kulturlandschaft pflegen. Von ihnen sind außerdem die vor- und nachgelagerten Unternehmen und Betriebe abhängig.
Ausdrücklich begrüßen wir auch das Pro-Weideland-Label des Grünlandzentrums Niedersachsen/Bremen - aus meiner Heimat. Unter diesem erfolgreichen Label sind verschiedene Molkereien sowie ein Schlachtbetrieb versammelt. Dahinter verbirgt sich das, was Verbraucher wollen: eine klare Produktkennzeichnung für Milch- und
Fleischprodukte, deren Herstellung besonderen Kriterien wie der Weidehaltung unterliegt. Auch mein Wesermarschlandwirt beteiligt sich an dem Label und erhält dafür einen etwas höheren Milchpreis.
Gemeinsam wollen wir erreichen, dass weidende Kühe auch in Zukunft unser Landschaftsbild prägen und wir damit die Wünsche von Verbrauchern bestmöglich erfüllen können. Trinken nicht wir alle lieber regional hergestellte Milch, und essen wir alle nicht lieber regional hergestellten Käse, Joghurt und regional hergestellte Butter? Ich gehe mal davon aus, dass das so ist. Deshalb stimmen wir heute für den Antrag in geänderter Fassung.
Vielen Dank, Frau Kollegin Logemann. - Für die CDU-Fraktion hat nun die Kollegin Anette Meyer zu Strohen das Wort. Bitte sehr!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in Niedersachsen noch über 9 200 Milchviehbetriebe - oder: leider nur noch. Diese sind überwiegend familiengeführt. Die Milchviehhaltung ist ein wichtiger Bestandteil unserer Landwirtschaft und in vielen Regionen prägend für unsere Kulturlandschaft - das haben wir gerade schon ausführlich von unserer Kollegin gehört.
Die Milchviehhaltung und die damit oft verbundene Weidehaltung gehören aber nicht nur zu unserem Landschaftsbild, sondern die Milchviehhaltung leistet auch einen wichtigen Beitrag zum Natur- und Artenschutz. Bundesweit wird das Insektensterben hoch und runter diskutiert. Die Ursachen sind vielfältig; das wissen wir: Klimaveränderungen, Veränderungen der Kulturlandschaft. Aber fehlen die Tiere auf der Weide - und das sind in erster Linie Kühe von Milchviehbetrieben -, fehlt vielen Insekten die Nahrung und eine Brutstätte für die Fortpflanzung. Es geht dabei nicht nur um Wildbienen und Schmetterlinge; es geht auch um Käfer- und Fliegenarten. Viele von diesen können ohne tierischen Dung nicht überleben.
Wir brauchen also die Weidetierhaltung in Niedersachsen und ganz Deutschland und müssen sie entsprechend unterstützen.
Wir wollen deshalb, dass die GAP 2020 für den Bereich der Förderung benachteiligter Gebiete finanziell gut ausgestattet wird. So bekommen wir in Niedersachsen die Möglichkeit, Weidetierhalter gezielt zu unterstützen und die Grünlandbewirtschaftung flächendeckend zu erhalten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Liberalisierung des EU-Milchmarkts und insbesondere die Entwicklung des Milchmarktes hin zu einem globalen Markt haben einerseits zu großen Chancen für unsere heimische Molkereiwirtschaft und anderseits - das ist die Kehrseite derselben Medaille - zu einer höheren Volatilität der Erzeugerpreise geführt. Dies hat in den vergangenen zehn Jahren und gerade in den letzten Jahren mehrere schwere Preiskrisen verursacht, die die Milcherzeuger in erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten und in Liquiditätsengpässe gebracht haben. Diese Preiskrisen gab es zwar immer, aber die letzten waren besonders heftig. Daher ist es abso
Die Erzeuger müssen z. B. dabei unterstützt werden, wie sie sich stärker einem betriebsindividuellen Risikomanagement zuwenden. Dafür haben wir in Niedersachsen bereits ein gutes Beratungsangebot, z. B. durch die Landwirtschaftskammer. Dieses Angebot gilt es weiter auszubauen und gezielt weiterzuentwickeln, damit die Milcherzeuger auch selbst Preiskrisen wirksam begegnen können. Frau Logemann hat schon ausgeführt, wie man die eigentlichen Betriebsabläufe noch optimieren kann.
Eine Aufstockung der finanziellen Flankierung aus ELER-Mitteln wäre eine Möglichkeit, hier noch passgenauere Angebote zu schaffen, die einen niedrigschwelligen Zugang für alle Milchviehhalter bieten. Ein Beispiel für eine sinnvolle Maßnahme sind Schulungen für den Umgang mit Warenterminbörsen. Diese gehören in der Schweinehaltung schon lange zum Werkzeugkasten der Betriebsleiter, um Preise an der Börse abzusichern. Der Umgang mit solchen Instrumenten muss fester Bestandteil der Beratungsangebote sein, aber auch bereits in der landwirtschaftlichen Ausbildung zum kleinen Einmaleins für angehende Landwirte gehören.
Wir sind darüber hinaus der Auffassung, dass die Etablierung solcher Instrumente - also börsenbasierter Festpreismodelle ebenso wie von Warenterminbörsen auf der Bundesebene - weiter positiv begleitet werden muss.
Eine wichtige Aufgabe kommt aber der Branche insgesamt zu. Wir alle sind, wie vorhin schon erwähnt, auf die Sektorstrategie 2030 gespannt, die in Zusammenarbeit von Molkereiwirtschaft und Vertretern der Erzeugerverbände derzeit im Endspurt der Erarbeitung ist. Zur Grünen Woche im Januar 2020 soll die Strategie vorgestellt werden. Hier erwarten wir eindeutige Antworten auf die Frage, wie Lieferbeziehungen künftig ausgestaltet werden können, um Milchviehhalter und Molkereien in den offenen Märkten von heute Planungs-, Absatz- und Preissicherheit zu bieten.
Ebenso gilt es, eine moderne Branchenkommunikation und eine erfolgreiche Absatzförderung zu etablieren. Die Milchwirtschaft hat noch großes Potenzial zum Ausbau ihrer Wertschöpfung; denn mit Magermilchpulver wird kein Geld verdient.
Die Molkereien müssen also auf innovative und hoch verarbeitete Produkte setzen und neue Ideen dafür entwickeln. Deutsche Milchprodukte - Käse, Joghurt etc. - müssen eine weltweite Marke werden und mit einem entsprechenden Marketing zum Erfolg gebracht werden. Wie man das macht, machen uns z. B. die Iren vor.
Die Erwartungen an die Branche sind also hoch. Sollten diese nicht erfüllt werden, muss es möglich sein, den Artikel 148 der Gemeinsamen Marktordnung zur Anwendung zu bringen und den Aspekt der Milchmengenplanung notfalls staatlicherseits zu regeln. Ich bin aber der Meinung, dass dieses nur EU-weit erfolgen kann - und niemals eine Lex Deutschland; denn das würde unsere einheimische Wirtschaft schwächen.
Wenn alle Europäer und europäischen Nachbarn munter weiterproduzieren, bringt das auch nichts. Außerdem würde ein riesiger Apparat aufgebaut und müsste sozusagen auf Stand-by gehalten werden, um tatsächlich im Krisenfall handlungsfähig zu sein.
- der Forderung der Politik nach einer Milchmengenplanung nachkommen kann. Ich sage nur: Unterstützen Sie die niedersächsischen Milchbauern auf ihrem Weg in den Markt! Unterstützen Sie unseren Antrag!
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben eben schon in allen Redebeiträgen gehört, wie wichtig unsere Landwirte und unsere Milchwirtschaft sind. Das ist ein Fakt, den wir selbstverständlich uneingeschränkt unterschreiben und auch unterstützen würden.
Wenn Ihnen dieser Bereich allerdings so wichtig ist, wäre die Frage: Warum braucht dieser Antrag fast anderthalb Jahre, bis er jetzt mal zu einer endgültigen Beratung kommt?
Ich habe eine kurze Chronologie zusammengefasst: Der Antrag der Grünen stammt vom 12. Juni 2018 und war am 21. Juni das erste Mal im Plenum. Am 15. August wurde im Ausschuss eine Unterrichtung beantragt. Dann sahen wir die Milchkrise wieder am 9. Januar mit der Unterrichtung, und die GroKo kündigte einen Änderungsantrag an. Am 30. Januar wurde die Beratung im Ausschuss zurückgestellt. Am 20. März wurde ein Verschiebungsantrag durch die SPD-Fraktion gestellt, die einen Änderungsantrag ankündigte. Am 16. Oktober 2019 war dieser Änderungsantrag endlich da. - So viel zum Thema Wichtigkeit! Gott sei Dank war in der Zwischenzeit keine Milchkrise.
Am 30. Oktober empfahl der Ausschuss dann natürlich die Annahme des Änderungsantrages der Regierungsfraktionen. Heute, am 20. November, stehen wir hier zur abschließenden Beratung und schauen uns jetzt die bahnbrechenden Veränderungen an, die nach fast zehn Monaten Bearbeitungszeit durch die Regierungsfraktionen zustande kamen.