Die konsequente Umsetzung der EU-Richtlinie 2018/0172 ist im Grunde der Kern des Antrags von SPD und CDU. Das Vorsorgeprinzip muss gelten. An allererster Stelle gilt als Wichtigstes die Müllvermeidung. Vorsorge in Form von abbaubaren Plastikprodukten oder von leichter recycelbaren Plastikprodukten ist erst der zweite Schritt. Das Wichtigste ist tatsächlich die Reduzierung des eingesetzten Verpackungsanfalls. Das befürworten wir sehr. Deshalb haben wir diesem Antrag in der geänderten Form zugestimmt.
Insgesamt muss die Ökobilanz ganzheitlich beachtet werden. Das ist auch völlig klar. Wir können nicht glauben, wir stellen ein gut recyclingfähiges - oder überhaupt recyclingfähiges - Plastikprodukt
her und haben dann hinterher doch einen größeren Aufwand zur Nachverarbeitung oder zur Beseitigung. Das muss vorrangig auch mit berücksichtigt werden.
Es gibt auf der Bundesebene bereits einen Gesetzentwurf zum Verbot von Plastiktüten. Der ist dort eingebracht worden. Insofern ist die Forderung nach einer Bundesratsinitiative in Punkt 3 eigentlich ein bisschen überflüssig. Aber, nehmen wir sie sicherheitshalber mit! Doppelt hält besser.
Allerdings umfasst der Entwurf des Bundesumweltministeriums nicht stabile Tragetaschen und die freien Verkaufstüten für Obst und Gemüse, die ja auch viel anfallen. Auch da wäre eigentlich noch eine Nachbesserung notwendig.
Dem Grünen-Antrag in der ursprünglichen Form konnten wir nicht zustimmen. Der GroKo-Antrag war umfassender.
Bei den Grenzwerten - das haben wir in der Anhörung gehört - für Mikroplastik im Trinkwasser und in den Lebensmitteln gibt es keine fundierten Grundlagen. Wir können da nicht schon wieder einen willkürlichen Grenzwert einsetzen. Denn es wurde festgestellt, dass im Grunde noch gar keine belastbaren Informationen oder Studien vorliegen, in welchem Maße ein Plastikkörper gängig ist und ein Problem ausmachen könnte.
Als Beispiel - das vielleicht als letztes - wurde dort ja auch genannt, dass eine einzige magensaftresistente Tablette, die man einnimmt, im Grunde schon der Mikroplastikmenge entspricht, die man sonst im ganzen Jahr mit dem normalen Trinkwasserkonsum aufnimmt. Darüber sollte man vielleicht auch einmal nachdenken, diese Mikroplastiken zu ersetzen.
Wir stimmen zu. Das ist ein insgesamt undramatischer Vorstoß, aber in die richtige Richtung. Dafür sind wir sehr.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Geschichte der Menschheit gab es die Kreidezeit, die Steinzeit, die Eisenzeit und die
Bronzezeit. Wenn man in ferner Zukunft einmal unserer Zeit eine Überschrift geben wird, dann ist das für mich heute schon klar: Historiker werden diese Zeit „Plastikzeit“ nennen. Denn es gibt kaum weitere Stoffe, die sich so in unser Leben gedrängt haben wie die Kunststoffe oder umgangssprachlich „Plastik“.
Das hat viel mit interessanten Stoffeigenschaften zu tun: Plastik lässt sich prima formen, kommt mit Wärme und Kälte klar und ist langlebig. Aber da fängt das Problem auch schon an; denn einmal in die Umwelt eingebracht, dauert es Hunderte von Jahren, bis sich Kunststoffe oder Plastik zersetzt haben. Dabei werden selbst große Plastikteile durch Sonne und Wind immer kleiner gemahlen, bis sie irgendwann unbemerkt von Lebewesen aufgenommen werden. Über die Nahrungskette gelangen sie dann wieder bei uns auf den Teller und reichern sich in unserem Fettgewebe an.
Goethe sprach in seinem „Zauberlehrling“: Die Geister, die ich rief, werde ich nicht mehr los! - Man kann das auch in einem Wort ausdrücken: Bumerang! Plastik gelangt auf vielen Wegen in die Umwelt. Die Plastiktüte, die vom Strand an der Nordsee ins Meer weht, ist dabei nicht das Problem. Viel schlimmer sind der Eintrag von Mikroplastik durch Kosmetika, der Abrieb von Autoreifen, die Auswaschung von Fasern in der Waschmaschine und die Verbreitung von Partikeln durch Kunstrasenplätze. Insgesamt 350 Millionen t werden jedes Jahr produziert. Davon werden aber nur 14 % recycelt. Der Rest wird verbrannt oder deponiert - oder nach Asien exportiert, was wir auf das Schärfste verurteilen. Der Export in Länder wie Malaysia oder die Philippinen ist keine Lösung, sondern beschämend für ein so hoch entwickeltes Land wie Deutschland. Damit, meine sehr geehrten Damen und Herren, muss endgültig Schluss sein.
Der Landtag hat sich in den letzten zwölf Monaten intensiv mit dem Thema Plastik beschäftigt. CDU und SPD haben einen klugen Antrag dazu eingebracht, den wir nach einer intensiven Anhörung noch weiter verbessert haben. Er enthält acht konkrete Forderungen, die wir mit zwölf Erläuterungen weiter konkretisiert haben. Dazu gehört das Verbot von Plastiktüten. Wir sind bei diesem Thema in den letzten Jahren deutlich vorangekommen. Waren es im Jahr 2015 noch 68 Plastiktüten pro Kopf, so sind es im Jahr 2018 nur noch 24. Damit konnte
der Verbrauch mehr als halbiert werden. Aber eigentlich braucht solche Tüten kein Mensch. Denn die normale Plastiktüte hat nur eine Aufgabe: Sie soll die gekaufte Ware sicher und sauber nach Hause transportieren. Danach ist sie in der Regel überflüssig. Dann hilft es auch wenig, wenn diese Tüten mehrfach benutzt werden. Irgendwann ist ihre Lebensdauer beendet, und die Tüte landet im Müll - wenn es gut läuft. Wenn es schlecht läuft, landet sie in der Natur, und dort ist sie über die nächsten Jahrhunderte präsent.
Dabei gibt es längst Alternativen. Manchmal ist es unsere Bequemlichkeit, die uns bei umweltschonenden Lösungen im Wege steht. Deshalb ist das Verbot von Plastiktüten nur konsequent, um beim Umweltschutz besser zu werden. In Neu Delhi in Indien, meine sehr geehrten Damen und Herren, machen das die Menschen schon seit sieben Jahren.
Zu unseren Forderungen gehört zwingend auch ein Verbot von Einwegplastik. Das sind Trinkhalme, Einwegteller, Wattestäbchen, Rührstäbe und Halterungsstäbe für Luftballons. Dazu hat Europa einen klugen Vorschlag gemacht, und jetzt sind wir gefordert, das national zügig umzusetzen. Kritiker sagen gerne, dass das wenig bringen wird. Das kommt aber auf die Betrachtung an. In Kilogramm betrachtet, ist das natürlich relativ wenig. Aber jeder Plastikartikel, der in die Umwelt eingetragen wird, ist einer zu viel. Deswegen müssen wir sehen, dass wir diese Früchte, die relativ niedrig hängen, auch pflücken.
Die Kollegen haben es gesagt: Der Verpackungsmüll wird mehr und mehr - im letzten Jahr waren es 227 kg pro Jahr. Es ist vermeintlich bequem, im Internet einzukaufen und nicht beim Kaufmann im eigenen Dorf. Aber diese Bequemlichkeit hat einen hohen Preis. Über Paketwagen, die die Straßen der Innenstädte verstopfen, haben wir noch gar nicht gesprochen.
Aber mit Verboten alleine ist es nicht getan. Wir brauchen auch Anreize für Mehrwegsysteme in der Gastronomie und bei öffentlichen Veranstaltungen. Wir sind aufgerufen, diese ganzen Ideen auch bei uns umzusetzen: in den Ministerien, in den nachgeordneten Verwaltungen und auch hier im Landtagsgebäude. Jeder kleine Beitrag hilft.
Ich wiederhole gerne meine Bitte aus dem letzten Jahr und sage ganz deutlich: Liebe Unternehmen, liebe Vereine, Verbände, Interessengruppen, liebe Zeitschriftenverlage, bitte verschont uns mit sol
Auch im Bereich der Fischerei ist mehr zu tun - die Kollegen haben davon gesprochen. Wir brauchen Netze, die besser verrotten, und wir brauchen auch eine weitere finanzielle Unterstützung der Fischer, die mit ihren Netzen keine Fische, sondern Müll fangen. Sie müssen wissen, dass sich das lohnt, dass der Müll, den sie fangen, fachgerecht entsorgt wird und sie nicht auf den Kosten sitzen bleiben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir müssen auch bei Kunstrasenplätzen sensibler werden. Kunstrasenplätze haben eine längere Nutzungsdauer. Sie können länger bespielt werden, aber sie bestehen aus Plastik. Das bahnt sich ohne Filtersysteme oftmals seinen Weg in den Regenwasserkanal und von dort in die Gewässer. Das sollten wir nicht mehr tolerieren. Mindestens bei der Neuanlage von solchen Plätzen sollten wir auf intelligentere Lösungen bauen. Das sind wir unseren Kindern schuldig.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit diesem geänderten Antrag - davon bin ich überzeugt - haben wir wegweisende Ideen vorgelegt. Ich würde mich freuen, wenn dieser Antrag breit unterstützt wird. Plastik gehört nur dorthin, wo es sinnvoll und notwendig ist. Überall sonst hat es nichts verloren.
Herzlichen Dank, Herr Kollege Bäumer. - Zu Wort gemeldet hat sich nun abschließend der Minister Olaf Lies.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal freue ich mich über das Ergebnis der Beratungen und die nun vorliegende Beschlussempfehlung. Wenn man die Debatten auf nationaler Ebene auch in vielen anderen Parla
menten verfolgt, dann kann man sagen, dass heute - hoffentlich mit breiter Zustimmung - ein Beschluss gefasst wird, der eine Frage aufgreift, die uns schon seit Jahren beschäftigt, aber die uns vor allem in den nächsten Jahren noch intensiv beschäftigen sollte, nämlich wie wir eigentlich mit Kunststoffprodukten oder - wie wir das umgangssprachlich eher abwertend sagen - mit Plastik umgehen. Das ist fast schon eine Bewertung: Plastik ist das, was wir wegwerfen; Kunststoff klingt eher werthaltig und ist das, was wir benutzen. Vielleicht sollten wir einfach von der Bezeichnung „Plastik“ zur Bezeichnung „Kunststoff“ kommen und den Rohstoff, der dort eingesetzt wird und den wir nutzen, entsprechend wertschätzen.
In den letzten Jahrzehnten ist der Einsatz von Kunststoffprodukten - oder „Plastikprodukten“ - in unserer Gesellschaft extrem gewachsen. Das hat - wir haben es gerade gehört - viel mit der Flexibilität und anderen Vorteilen der Produkte zu tun, die gut einsetzbar sind, die wir aus unserem Leben eigentlich nicht mehr wegdenken können. Es gibt Überlegungen - Horst Kortlang hat vorhin davon gesprochen -, solche Kunststoffe durch pflanzlich gewonnene Kunststoffe zu ersetzen. Dazu gibt es wunderbare Projekte. Ein Problem dabei ist allerdings, dass das, was aus Pflanzen hergestellt wird, eigentlich kompostiert werden müsste, aber dass man nicht in die braune Tonne werfen kann, weil es Monate dauert, bis sich diese Stoffe auflösen. Es gibt also nicht die ganz einfache Lösung.
Das erfordert aber auch ein Umdenken bei uns: Man kann nicht einfach ein Material, das problembehaftet ist, einfach durch ein anderes Material ersetzen. Manchmal stellt sich auch die Frage nach Mehrweg, nach einem anderen Umgang mit Verpackung. Ich glaube, das wird auch ganz entscheidend für uns sein.
Dass es anders geht - das will ich an der Stelle auch sagen -, zeigen allerdings einige Hersteller. In der letzten Woche gab es eine ganz spannende Veranstaltung mit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt in Berlin. Dort ist auch Herr Schneider von dem Unternehmen Werner & Mertz mit den Marken „Frosch“ und „Erdal“ gewesen. Für die Marke „Frosch“ werden seit Jahrzehnten ausschließlich Verpackungen - also Flaschen - verwendet, die zu 100 % aus Recyclingmaterial bestehen. Wenn das möglich ist, fragt man sich, warum nicht alle Unternehmen darauf zurückgreifen.
es im Recyclingkreislauf immer noch zu viele Materialien, die nicht wiederverwendbar sind. Zum anderen ist es einfach so billig, neues Virgin Material, also neuen aus Öl hergestellten Kunststoff, zu verwenden, weil wir - das haben wir klugerweise gemacht - der Chemieindustrie in unserem Land eine Perspektive geben wollten. Die Produkte, die dort hergestellt werden, sind aber so günstig, dass die Recyclingfirmen, die normale Energiesteuern zahlen, im Wettbewerb zu teuer sind.
Das ist eines der großen Probleme. Wenn wir es lösen wollen, müssen wir Überlegungen hinsichtlich des Wertstoffkreislaufs von Beginn an anstellen und uns fragen, warum das Rohmaterial Kunststoff so günstig in der Herstellung und das Sammeln, Recyceln und Wiederverwenden eher teuer sind. Da werden wir heran müssen.
Herr Schneider hat beschrieben, dass die Flasche von „Frosch“ 4 oder 5 Cent mehr kostet. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es nicht möglich ist, Produkte, wie sie in diesem Bereich verkauft werden, für 4 oder 5 Cent mehr am Markt zu platzieren. Das heißt, das wäre möglich. Wir würden mit einer deutlichen Steigerung des Recyclings dazu beitragen, den Kunststoffmüll erheblich zu reduzieren.
Dazu gehören auch ganz einfache, banale Dinge, die wir diskutiert haben: Der Kunststoff müsste z. B. farblos sein. Eine schwarze Kunststoffflasche, wie wir sie manchmal kaufen, weil diese Produkte werbetechnisch gelungen sind und für uns attraktiv sind, ist ein Riesenproblem. Denn im Wertstoffkreislauf, im Recycling, sind gerade die farbigen Kunststoffe ein Problem. Würde es ausschließlich farblose Kunststoffprodukte geben, wären die Kunststoffe sortenrein und in hohem Maß wiederverwendbar. Auch das ist ein einfaches Beispiel.
Wir müssen auch dafür sorgen - das wird die große Aufgabe sein -, den Kunststoff tatsächlich im Wertstoffkreislauf zu halten. Heute ist der Gelbe Sack aus meiner Sicht nicht mehr die perfekte Lösung. Denn das, was im Gelben Sack landet, landet allzu oft in der Verwertung. Die Verwertung ist dann die Verbrennung.
Dass Rohstoffe, aus denen Kunststoffprodukte hergestellt werden, morgen einfach nur verbrannt werden, kann nicht im Sinne der Nutzung sein. Deshalb bin ich sehr froh, dass sich der Antrag mit der Frage der Erarbeitung eines Wertstoffgesetzes und einer Wertstofftonne befasst.
Bei uns im Landkreis wurde zum 1. Januar die O-Tonne, die orangene Tonne, eingeführt. Dann muss ich nicht mehr überlegen, was da hineinkommt. Ich glaube, 90 % der Bevölkerung haben immer noch Schwierigkeiten, zu beantworten, was in den Gelben Sack gehört und was dort nicht hineingehört. Diese Frage stellt sich dann nicht mehr; denn Kunststoffprodukte jeglicher Art, aber auch andere Wertstoffe kommen in diese Tonne. In den entsprechenden mechanischen Anlagen zur Mülltrennung können die Wertstoffe problemlos sortenrein wieder aufgeteilt werden. Damit würde irgendwann die klassische Reststofftonne, die es im Moment noch gibt, vielleicht überflüssig werden können.
Ich möchte noch den Punkt aufgreifen, der vorhin angesprochen worden ist: Wir brauchen schnell ein Verbot, Kunststoffe, Plastik oder anderen Müll aus unserem Land, den wir loswerden wollen, in Länder zu exportieren, die keine Chance bzw. keine wirtschaftlichen Möglichkeiten haben, sachgerecht damit umzugehen. Das ist unanständig und müssen wir sehr schnell ändern. Das muss unsere Aufgabe sein, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Das heißt, wir stehen auch vor Chancen. Ich finde, wir dürfen Kunststoffe auch nicht verurteilen. Wir müssen vielmehr überlegen, wo sie wirklich notwendig sind und wie man in einem geschlossenen Wertstoffkreislauf Produkte und Materialien recyceln und wiederverwenden kann.
Zu den vielen Themen, die in den Punkten dort aufgeführt worden sind, gehört z. B. auch ein Flaschenpfand für alle Flaschen. Es lässt sich kaum vermitteln, warum es Einwegflaschen mit Pfand und Einwegflaschen ohne Pfand gibt. Auch das muss relativ schnell umgesetzt werden - wie auch das Verpackungsgesetz, das dafür notwendig ist und den Rahmen setzt.