Protocol of the Session on January 24, 2018

(Ulrich Watermann [SPD]: Wie kön- nen Sie einfach weiterreden, obwohl die Redezeit abgelaufen ist? - Gegen- ruf von Björn Försterling [FDP]: Als hätte der Kollege Watermann das noch nie in seinem Leben getan! - Gegenruf von Ulrich Watermann [SPD]: Ich habe mich bislang immer daran gehalten! Ich lese auch meine Rede nicht ab!)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin dankbar, dass der Gedankenaustausch am Rande jetzt beendet ist, sodass ich die Möglichkeit habe, zu der Frage von Frau Hamburg Stellung zu nehmen.

Liebe Kollegin Hamburg, es wird sehr wohl ein abgestimmtes Verfahren laufen, und es geht nur um die Förderschule Lernen im Sek-I-Bereich. Hier wird immer so getan, als würden wir in 3 000 Schulen in Niedersachsen die Möglichkeit schaffen, den Bereich Lernen wieder einzuführen. Aber das ist mitnichten der Fall. Im Koalitionsvertrag und auch in dem Gesetzentwurf ist klar geregelt, dass es um die Wiedereinführung der Förderschule Lernen im Sekundarbereich I geht, und zwar dort, wo es vor Ort gewünscht wird. Also all die Kommunen, die für sich entscheiden, sie wollen in der inklusiven Schule eine Pause oder eine Streckung einlegen und möchten die Förderschule Lernen im Sekundarbereich I haben, haben die Möglichkeit, das mit entsprechenden Konzepten zu tun. Da geht es nicht um ein Überstülpen oder anderes. Gleiches gilt für die Anträge, die in Kreistagen gestellt werden. Ja, das sind politische Beschlüsse, aber die Schulträger vor Ort werden das für sich entsprechend auf den Weg bringen müssen.

Was den Bereich Sprachförderung anbelangt, so kann ich den Unfug, der darin angeblich liegt, nicht nachvollziehen. Wir schaffen auch hier die Möglichkeit, dass beides möglich ist. Sie hingegen sprechen den Erzieherinnen und Erziehern gerade die Qualifikation für diesen Bereich ab, Herr Försterling und Frau Hamburg.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Nein, nein, nein! - Björn Försterling [FDP]: Das stimmt doch gar nicht! Wir spre- chen ihnen die Ressourcen ab!)

Sie versuchen hier, den Eindruck zu erwecken, als könnten die Erzieherinnen und Erzieher, die vorhanden sind, das nicht machen.

Sie müssen zum Schluss kommen, Herr Politze!

Aber das können sie! Die Relation von 2 : 25 gibt es landesweit nicht. Die gibt es in Ballungsgebieten wie Hannover oder Osnabrück.

Allerletzter Satz!

Aber ansonsten gibt es diese Ballungen an der Stelle nicht. Wir werden die - - -

(Die Präsidentin schaltet dem Redner das Mikrofon ab - Stefan Politze [SPD]: - - - Kitas entsprechend quali- tativ ausstatten, um ihnen die Mög- lichkeit zu geben, meine Damen und Herren! - Beifall bei der SPD und bei der CDU - Björn Försterling [FDP]: Was ist das für ein Unding, einfach weiterzureden!)

Es hat sich jetzt zu Wort gemeldet Herr Harm Rykena von der AfD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute besprechen wir den Schulgesetzentwurf der Großen Koalition. Ich gehe einmal davon aus, dass ihm ein ähnliches Schicksal wie dem Schulgesetzentwurf der FDP im Kultusausschuss erspart bleiben wird. Somit erscheint eine Überweisung zur Beratung diesmal angemessen.

Liebe Genossen der SPD, liebe Kollegen der CDU,

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Ihr Gesetzentwurf enthält mehrere einzelne Punkte. Er ist etwas mager und zeugt nicht wirklich von Mut. Insgesamt kann man aber konstatieren: Es geht in die richtige Richtung. Ein paar Kleinigkeiten der bisherigen rot-grünen Bildungsgesetzgebung wurden bereits angefasst; das meiste blieb allerdings noch unangetastet. Da besteht Nachbesserungsbedarf.

Positiv sehen wir die Flexibilisierung des Einschulungsalters, wenn ich allerdings auch zugeben muss, dass mir die Version von Herrn Försterling besser gefallen hat.

Auch die Absicht, die vorschulische Sprachförderung nicht mehr durch die Grundschule durchführen zu lassen, sondern mit speziell ausgebildeten Kräften im Kindergarten anzusiedeln, war lange überfällig. Das kann ich Ihnen als Grundschullehrer sagen. Wie konnte man das nur so viele Jahre übersehen?

Im Bereich des Erhalts der Förderschule Lernen geht uns der Entwurf nicht weit genug, da er nur eine Auslaufverlängerung der Förderschule und keinen dauerhaften Erhalt vorsieht. Der von der Koalition genutzte Begriff des Bestandsschutzes ist zudem eine Nebelkerze und stellt eine Irreführung dar. Da Sie, liebe Kollegen von der CDU, sich aus Gründen der Koalitionsdisziplin nicht trauen, es offen anzusprechen, tun wir es für Sie und sagen hiermit ganz klar: Der Koalitionsvertrag ermöglicht den Erhalt der Förderschule auf Dauer. Es gibt lediglich zwei zu erfüllende Voraussetzungen dafür:

Erstens. In der nächsten Legislaturperiode dürfen weder Rot noch Grün an der Landesregierung beteiligt sein. Daran arbeiten wir gern mit, und ich würde sagen, es sieht ganz gut aus.

(Beifall bei der AfD)

Zweitens. Die Förderschule vor Ort muss bis dahin erhalten bleiben. Die Verantwortung dafür haben Sie, liebe Koalitionäre, nun an die Kreistagsfraktionen überwiesen. Wir von der AfD - und das kann ich Ihnen hier und heute versprechen - werden mit Argusaugen beobachten, ob Sie von der CDU und Sie von der FDP sich vor Ort auch wirklich dafür einsetzen. Wir jedenfalls werden es tun.

Und eines ist klar: Sollte sich die CDU nicht ebenso energisch dafür einsetzen wie wir, wäre die CDU für konservative und patriotische Wähler in Zukunft unwählbar.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank. - Es hat sich jetzt Minister Grant Hendrik Tonne gemeldet.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für einen Kultusminister ist eine Schulgesetzdebatte ja immer so etwas wie ein Festbankett. Von daher freue ich mich, dass wir heute bereits das zweite Mal die Möglichkeit haben, darüber in diesem Hohen Hause zu beraten und zu diskutieren.

Die Fraktionen von SPD und CDU haben einen gemeinsamen Entwurf vorgelegt. Damit kann das umgesetzt werden, was wir für erforderlich halten, und im Übrigen auch das, was die Fraktionen miteinander besprochen und was sie versprochen haben.

Die Zeitschiene bis zum neuen Schuljahr erfordert in der Tat einen sehr engen Zeitplan. Den kann man kritisieren. Ich will Ihnen aber sagen, was meine Abwägung zu diesem Punkt war. Es war nämlich die Frage: Was sagen wir eigentlich den betroffenen Eltern zur Frage des flexiblen Einschulungsstichtages? Was sagen wir den Eltern zur Frage der Förderschule Lernen im Sek-I-Bereich? Wie gehen wir mit denen um, die noch eine zu schlechte Unterrichtsversorgung haben? Wie gehen wir mit den Belastungen um, die wir Schulen und Lehrkräften bei vielen Abordnungen auferlegen?

Das sind große Herausforderungen, vor denen wir stehen. Vor dem Hintergrund dieser Abwägungen kann man den Betroffenen nicht sagen: Weil wir an dieser Stelle ein längeres Verfahren im Parlament haben, stellen wir alles zurück und können frühestens zum Schuljahr 2019/2020 Umsetzungen herbeiführen. - Das wäre unverantwortlich. Deswegen gibt es die Abwägung, in diesem Fall ein schnelleres Verfahren durchzuführen.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Es ist angesprochen worden, dass wir damit den im Koalitionsvertrag vereinbarten Kompromiss zum Thema „Förderschule Lernen im Sekundarbereich I“ umsetzen. Wir bauen damit einen zusätzlichen wichtigen Zeitfaktor ein. Für einen Übergangszeitraum bis längstens 2028 bleibt es damit bei einer Wahlmöglichkeit im Sek-I-Bereich zwischen inklusiver Beschulung und dem Unterricht im Förderschulsystem für Schülerinnen und Schüler mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung im Förderschwerpunkt Lernen.

Herr Försterling, ich bin ein bisschen überrascht, dass Sie die Möglichkeit, die wir damit gewähren, und auch die Unterschiedlichkeit, die wir damit vor Ort ermöglichen - je nachdem, was vor Ort gewünscht und für erforderlich gehalten wird -, so kritisieren und hier sagen, wir bräuchten eine einheitliche landesweite Linie. Ich habe Sie ansonsten immer so verstanden, dass Sie auch sehr auf die regionalen Unterschiede und die Bedürfnisse vor Ort abstellen. Aber an dieser Stelle machen Sie wieder eine Rolle rückwärts! Ich sehe das als Widerspruch. Ich halte den hier gefundenen Kompromiss, zu sagen: „Wir reagieren auf die Situationen, die sich vor Ort stellen, und werden denen mit einer Auswahl an Möglichkeiten gerecht“, für ausdrücklich richtig.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Ich betone es auch hier noch einmal ausdrücklich, weil das wichtig ist: Daraus die Schlussfolgerung zu ziehen, man schaffe Inklusion ab, ist eine völlig falsche Verlautbarung. Dann hat man nicht verstanden, was hier gemacht wird.

Ich betone es ausdrücklich: Jedes Kind in Niedersachsen, das inklusiv beschult werden möchte, wird inklusiv beschult. Daran ändert auch diese Gesetzesnovelle nichts. Gleichwohl gibt sie mehrere Auswahlmöglichkeiten.

Auch über die Flexibilisierung des Einschulungsstichtags haben wir viel diskutiert. Wir haben zur Kenntnis genommen, dass ein starrer Stichtag eben Proteste und Unzufriedenheit bei den Eltern hervorgerufen hat. Jetzt ermöglichen wir mit diesem Zeitkorridor und dem schlichten Antragsverfahren der Eltern eine gute, einfache, unbürokratische und vernünftige Regelung, damit diese Kinder ein Jahr länger in der Kita bleiben und danach in die Grundschule kommen. Das ist eine sehr simple Lösung, gleichwohl aber auch eine sehr berechtigte. Damit wird die Mehrheit der Kinder nach wie vor wie gewohnt in die Schule gehen. Aber es gibt einen Korridor, damit wir nicht umständliche Wege erfinden müssen, um die Kinder dann eben noch in der Kita zu halten. Die Eltern sagen einfach: Wir möchten, dass unser Kind ein Jahr länger in der Kita bleibt. - Das ist sehr gut und sehr richtig.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Abschließend zum Thema Sprachfördermaßnahmen. Auch da bin ich ein bisschen überrascht über den Gang der Debatte. Bis jetzt gibt es eine klare Regelung im Schulgesetz. Sie lautet: Das ist eine schulische Maßnahme. - Damit gibt es für alle, die darüber diskutieren wollen, keinerlei Möglichkeit, flexibel zu handeln oder eine Auswahl an Möglichkeiten zur Verfügung zu stellen. Es muss eine schulische Maßnahme sein. Das heißt, den Begriff der schulischen Maßnahme zu streichen, ermöglicht danach, sich hinzusetzen und zu überlegen: Wie können wir es denn danach gestalten? Welche Möglichkeiten bieten sich? - Aber das ist die Grundlage, die hier und jetzt sein muss, um überhaupt zu Diskussionen inhaltlicher Art zu kommen. Ansonsten dürften wir es nämlich gar nicht, weil das Schulgesetz eindeutig ist.

Ich stimme Ihnen zu: All das, was wir bis jetzt hören - die alltagsintegrierte Sprachförderung, die Sprachbildung -, ist doch bereits jetzt fester Bestandteil in der Kita. Die wenigen Stunden, die jetzt

durch Grundschullehrkräfte gemacht werden, werden links und rechts davon, davor und danach von den Erzieherinnen und Erziehern bestens gemacht. Deswegen ist es ein richtiger Ansatz, sich darüber Gedanken zu machen, und ein richtiger Ansatz, damit man sich Gedanken darüber machen kann, das Schulgesetz erst einmal so zu ändern, dass wir auch handeln können. Das schlagen wir hiermit vor.

Ich glaube, dass sowohl der Zeitplan als auch der Inhalt gut und auch richtig und dass die Änderungen gut und pragmatisch sind. Damit kommen wir einen wichtigen Schritt voran.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Herzlichen Dank, Herr Minister Tonne. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Federführend soll beraten werden im Kultusausschuss und mitberatend im Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen sowie im Ausschuss für Haushalt und Finanzen. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dann ist das einstimmig so beschlossen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen jetzt zu dem

Tagesordnungspunkt 5: Erste Beratung: Umsetzung der Inklusion verbessern statt verzögern - inklusive Schulen wirkungsvoll unterstützen - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/156

Zur Einbringung hat sich die Kollegin Julia Willie Hamburg von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon bezeichnend, dass die erste Initiative der GroKo nicht etwa - wie Frau Wulf es suggerieren wollte - fragt: „Wie können wir die Probleme der Inklusion lösen?“, sondern vielmehr: „Wie können wir vor Ort ermöglichen, dass sich Inklusion potenziell weiter verschiebt?“