Aber bei Ihnen bleibt es häufig nicht nur bei der Sprache. Das ist ja das Problem. Noch vor Kurzem wurde der Bundestagsspitzenkandidat aus Rheinland-Pfalz, ein nachweislicher AfD-Hooligan - anders kann man das nicht bezeichnen -, dafür bestraft, einen Überfall auf andere Fußballfans in Kaiserslautern organisiert zu haben. Er war dort auch in Gewalt verwickelt. Meine sehr geehrten Damen und Herren, dazu sollten Sie ruhig in den eigenen Reihen noch einmal das Gespräch suchen.
Ich will noch einmal auf die Aktuelle Stunde, den Redebeitrag und den Fünf-Punkte-Plan eingehen. Die Frage ist, welche Konsequenzen man daraus zieht. Die Strafrechtsnormen sind zum Teil genannt worden. Auch für das Nachstellen, also das Stalking, hat es in § 238 StGB weitere Verschärfungen vom Erfolgsdelikt zum abstrakten Gefährdungsdelikt gegeben. Auch die Angehörigen des Opfers sind nun unter den Schutz dieses Paragrafen gestellt. Das ist meines Erachtens eine wichtige und richtige Errungenschaft.
Wir sehen aber auch, wie schwierig die Strafrechtsanwendung bzw. Durchsetzung des Rechts ist, beispielsweise wenn ich mir die Debatten, die gerade online geführt werden, und das Netzwerkdurchsetzungsgesetz von Heiko Maas, das vor einem Jahr vorgelegt worden ist, ansehe. Die Kritik, die hierzu geäußert wird, ist vernichtend. Das Ziel, den Hass im Netz in irgendeiner Form einzudämmen, war aber zunächst einmal gar nicht schlecht.
Insofern bin ich froh, dass wir hierdurch die Gelegenheit haben, auch mit den kommunalen Spitzenverbänden noch einmal in eine Diskussion dazu zu kommen, wie der tatsächliche Schutz vor Ort praktikabel gewährleistet werden kann.
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst einmal deutlich machen, dass für uns alle als Demokraten - das gilt für uns Freie Demokraten genauso - Gewalt oder die Androhung von Gewalt unabhängig davon, ob sie körperlich oder verbal ist, selbstverständlich inakzeptabel sein muss unabhängig davon, welchen Repräsentanten des Staates sie entgegengebracht wird, und bei kommunalen Mandatsträgern und Politikern auch unabhängig davon, welcher Partei sie angehören.
Belit Onay hat gerade zu Recht gesagt: Kommunale Mandatsträger - das gilt sowohl für Bürgermeister als auch für Ehrenamtliche - sind vor Ort das Gesicht der Demokratie. Insofern ist eine Attacke auf solche Menschen natürlich auch immer ein Anschlag auf die Demokratie. Uwe Schünemann hat recht, wenn er sagt, dass wir da nicht wegsehen dürfen, sondern hinsehen müssen, solidarisch sein müssen und den davon betroffenen Menschen gemeinsam sagen müssen: Wir stehen an deiner Seite! Das darf nicht passieren! Wir müssen uns dagegen wehren! - Ja, da habt ihr recht, liebe Kollegen von der CDU.
Diese Menschen sind aber nicht nur das Gesicht der Demokratie, sondern sie sind auch Repräsentanten der Verwaltung und werden als solche wahrgenommen. Oft stehen diese Attacken im Kontext mit örtlichen Situationen. Belit Onay hat gerade das Thema der Unterbringung von Flüchtlingen angesprochen. Bei diesem sehr emotionalen Thema kommt es oft zu emotionalen Ausbrüchen, auch zu verbaler oder möglicherweise auch physischer Gewalt. Ich habe aber die Erfahrung gemacht, dass die Leute oft schon bei „kleinen“ Themen schnell auf 180 sind. Wenn beispielsweise im Rat über eine Straße diskutiert wird oder in der Gemeinde Entscheidungen getroffen werden, die dem einen oder anderen nicht passen, dann ist oft die Schwelle sehr niedrig, dass Menschen gegenüber kommunalen Mandatsträgern verbal aggressiv werden. Dann heißt es: „Wie könnt ihr da im Rat“ - manchmal geht es uns im Landtag ja auch so: „Wie könnt ihr da in der Politik?“ - „das eigentlich gegen die Bürgerinnen und Bürger so entscheiden?“
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir dürfen wir uns an dieser Stelle nicht nur fragen, wie wir uns dem Thema Gewalt und Verrohung oder -
wie Sie, Herr Kollege, es genannt haben - dem Bepöbeln von kommunalen Mandatsträgern entgegenstellen müssen, sondern wir müssen uns auch viel, viel stärker fragen, woher es kommt, dass die Schwelle sinkt, dass Menschen aggressiv werden.
Wenn man mit Kolleginnen und Kollegen von der Polizei spricht, berichten sie häufig, dass die Schwelle deutlich gesunken ist und dass es viel häufiger als früher vorkommt, dass Polizisten beleidigt werden und aggressiv gegen Ordnungskräfte vorgegangen wird. Björn Försterling kann vonseiten des Deutschen Roten Kreuzes regelmäßig davon berichten. So etwas erleben wir in sehr vielen Bereichen.
Deswegen möchte ich Sie sehr herzlich dazu einladen, nicht nur einen Fünf-Punkte-Plan umzusetzen, lieber Uwe Schünemann - ich bin sehr gespannt, wie die Landesregierung diesen FünfPunkte-Plan im Konkreten umsetzt -, sondern sich viel, viel stärker Gedanken über das Warum zu machen. Ich glaube, dass wir damit sehr früh anfangen müssen. Wenn ich in der Kita sehe, wie Vierjährige mit ihren Eltern und ihren Erziehern reden, dann habe ich den Eindruck, dass dort schon sehr früh sehr viel in eine falsche Richtung läuft, dass schon sehr früh versäumt wird, deutlich zu machen, dass es Grenzen gibt, und dass schon dort das Thema „Respekt gegenüber anderen“, gegenüber Autoritätspersonen ins Hintertreffen gerät. Ich glaube, dass wir uns gesellschaftlich darüber Gedanken machen müssen, welche Werte wir Kindern schon in der Erziehung vermitteln, um zu verhindern, dass Kinder zu einem späteren Zeitpunkt möglicherweise diese Schwelle nicht mehr kennen und deshalb gegenüber anderen, auch gegenüber Autoritätspersonen, aggressiv werden.
Deswegen bedanke ich mich, wie gesagt, sehr herzlich bei der CDU-Fraktion für diesen Anstoß. Aber lassen Sie uns bitte nicht an der Oberfläche bleiben! Lassen Sie uns bitte nicht nur darüber reden, wie wir konsequentes Anzeigeverhalten und Strafverfolgung bekommen! Lassen Sie uns nicht nur darüber reden, wie wir in der Sprache miteinander umgehen! Das sind sicherlich wichtige Punkte, lieber Uwe Schünemann. Aber lassen Sie uns auch darüber reden, wie wir es schaffen, in der Gesellschaft ein Klima zu bekommen, dass es gar nicht erst dazu kommt, dass sich Grenzüberschrei
tung, Aggressivität und Verrohung so sehr in unsere Gesellschaft einnisten, wie dies möglicherweise geschieht!
Vielen Dank, Herr Kollege Oetjen. - Für die Landesregierung hat nun das Wort Herr Innenminister Pistorius. Bitte!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Berichte über Drohungen, Beleidigungen und Übergriffe gegen Amtsträger und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung machen mich ebenso wie auch Sie immer wieder fassungslos. Wir dürfen nicht akzeptieren und werden nicht akzeptieren, dass diejenigen, die sich für unser Gemeinwohl und unser funktionierendes Zusammenleben einsetzen, Angriffen dieser Art ausgesetzt sind.
Der Niedersächsische Städte- und Gemeindebund hat mich dazu aktuell angeschrieben und seiner wachsenden Sorge Ausdruck verliehen. Diese Sorge nehmen wir und nehme ich sehr ernst. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung nehmen für unser Gemeinwesen wichtige Aufgaben mit großem persönlichen Engagement wahr. Ich sage sehr deutlich: Sie verdienen dafür besondere Achtung und Respekt, und zwar auch dann, wenn aus der Sicht der Betroffenen unliebsame Entscheidungen getroffen werden müssen, meine Damen und Herren.
Kränkungen, ehrverletzende Äußerungen oder Verleumdungen sind deshalb nicht hinnehmbar. Sie wiegen besonders schwer, wenn sie in der Öffentlichkeit verbreitet werden. Insbesondere Bürgermeisterinnen und Bürgermeister als Verwaltungsleitungen der Kommunen sind zunehmend das Ziel verbaler und körperlicher Übergriffe. Auch für ihre Familien, die teilweise selbst bedroht werden, ist die Situation sehr belastend.
Deswegen, meine Damen und Herren, bin ich einigermaßen überrascht über die Flut der Krokodiltränen vom rechten Rand dieses Hohen Hauses, die hier gerade über uns hinweggegangen sind.
Dass gerade die Partei, die nicht davor zurückschreckt, ihre Mandatsträger und ihre Basis die übelsten Beschimpfungen über andere verbreiten zu lassen und sich dann halbgar und halbehrlich, wenn überhaupt, davon zu distanzieren, hier an diesem Redepult von Freiheit und Toleranz spricht, finde ich einigermaßen indiskutabel.
Ich habe in den letzten Jahren wiederholt deutlich gemacht, welche Rolle die Verrohung der Sprache für das Klima in unserer Gesellschaft spielt. Ich sage sehr deutlich an die Adresse dieser Partei und dieser Fraktion: Wir werden es Ihnen nicht durchgehen lassen, mit gespaltener Zunge zu sprechen - draußen im Land und in den sozialen Medien so und hier dann von Freiheit und Toleranz zu faseln. Das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen, meine Damen und Herren!
Wenn hier beklagt wird, welches Vokabular andere benutzen, dann will ich noch an ein Zitat von Herrn Gauland erinnern. Ein Zitat von ihm ist hier ja schon gefallen.
Aber zurück zum Thema: Ich habe den jüngsten Pressebericht zu dem Angriff auf den Bürgermeister der Stadt Altena in Nordrhein-Westfalen mit großer Bestürzung zur Kenntnis genommen. Diese Angriffe richten sich eben nicht nur - das ist schlimm genug - gegen einzelne Personen, die sich für unser öffentliches Wohl einsetzen, und sorgen bei diesen für Angst und Schrecken, sondern sie richten sich gegen den Rechtsstaat und unsere demokratische Gesellschaft insgesamt, meine Damen und Herren.
Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit ist kein Freibrief für beleidigende oder verleumderische Äußerungen oder gar für die Androhung oder Anwendung von Gewalt. Übergriffe jeder Art müssen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln des Rechtsstaates verfolgt werden. Das tun wir in Niedersachsen, und wir werden das auch in Zukunft tun. Die Sicherheitsbehörden schöpfen konsequent alle rechtsstaatlichen Mittel aus, um weitere Taten zu verhindern und die Täter ihrer gerechten Strafe zuzuführen. In jedem der der Polizei bekannt gewordenen Fälle findet übrigens auch eine Gefährdungsanalyse statt. Diese kann im Einzelfall auch in Objekt- oder Personenschutzmaßnahmen münden.
Meine Damen und Herren, ich sage es noch einmal sehr deutlich: Hasskriminalität gegenüber kommunalen Mandats- und Amtsträgern, aber auch gegenüber Verwaltungsmitarbeitern, ehrenamtlichen Helfern, Rettungskräften und Polizisten ist nicht zu tolerieren - und zwar ganz egal, mit welcher politischen, extremistischen oder religiösen Begründung auch immer. Dabei mache ich keinen Unterschied.
Wir werden als Landesregierung deshalb die Anregung der kommunalen Spitzenverbände aufnehmen und uns dazu mit ihnen austauschen. Dabei sind vielfältige Ansätze denkbar, die auch die Zuständigkeit anderer Ressort betreffen. Welche Maßnahmen letztlich zum Tragen kommen, werden die Gespräche ergeben. Unser Ziel und unser Anspruch ist, dass die Wertschätzung für Amtsträger insgesamt sowie für ehrenamtlich Tätige auf allen Ebenen verbessert wird und dass die Betroffenen künftig wirksamer geschützt werden.
Ich sage aber auch, meine Damen und Herren: Wir alle sind jeden Tag aufgefordert, den Respekt, den wir an dieser Stelle einfordern, auch gegenseitig aufzubringen. Nur dann wird es uns am Ende auch gelingen, wieder zu einem vernünftigen Umgang in dieser Gesellschaft zu kommen.
Vielen Dank, Herr Minister Pistorius. - Herr Wichmann, Kurzinterventionen sind während der Aktuellen Stunde nicht möglich. Sie haben aber die
Herr Minister Pistorius, das war erschreckend. Also wirklich! Das, was Sie hier vorgetragen haben, war eine Mischung aus Schrecken und Frechheit. Das weise ich ganz eindeutig zurück
Es kann nicht sein, dass Sie hier ausführen: Da faselt jemand von Toleranz und Freiheit. - Das sind Grundwerte der Demokratie. Wenn jemand für sich in Anspruch nimmt, diese Werte zu leben, und eine Fraktion dies in den Landtag einbringt