Protocol of the Session on January 24, 2018

Wie Sie in der Tagesordnung gesehen haben, hat der Ältestenrat die Aktuelle Stunde in der Weise aufgeteilt, dass heute die Anträge der Fraktion der CDU und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und morgen die Anträge der anderen drei Fraktionen

behandelt werden sollen. Diese Aufteilung soll auch in Zukunft praktiziert werden.

In unserer Geschäftsordnung für den Ablauf der Aktuellen Stunde geregelten Bestimmungen setze ich bei allen Beteiligten als bekannt voraus.

Ich eröffne die Besprechung zu

a) Bepöbelt, bedroht und angegriffen - Hass und Gewalt gegen Bürgermeister nehmen zu - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 18/198

Ich erteile für die CDU-Fraktion Herrn Kollegen Schünemann das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Niedersächsische Städte- und Gemeindebund hat vor wenigen Tagen Alarm geschlagen. Immer mehr Bürgermeisterinnen und Bürgermeister und kommunale Mandatsträger werden Opfer von Pöbeleien, von Übergriffen bis hin sogar zu Morddrohungen. Und das vor dem Hintergrund einer unfassbaren Straftat: Am 26. April 2013 ist der damalige Landrat Rüdiger Butte in seinem Amtszimmer brutal ermordet worden.

Wir können uns gerade vor psychisch Gestörten nicht zu 100 % schützen. Aber das, was uns damals fassungslos zurückgelassen hat, hat uns nicht nur bewegt, sondern wir sind auch davon ausgegangen, dass Morddrohungen, solche Angriffe auf Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in Niedersachsen danach nicht mehr stattfinden werden.

Wir müssen aber fünf Jahre später feststellen, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Das Bundeskriminalamt hat in seiner Statistik für das Jahr 2016 insgesamt 1 841 solcher Straftaten registriert. Und das sind nur diejenigen, die angezeigt worden sind. Die Dunkelziffer wird erheblich höher sein. Wir müssen also davon ausgehen, dass in Niedersachsen jedes Jahr zwischen 200 und 250 solcher Straftaten stattfinden.

Meine Damen und Herren, die kommunale Selbstverwaltung ist das Rückgrat unserer Demokratie. Wir sehen, wie sich Bürgerinnen und Bürger vor Ort einsetzen und Verantwortung übernehmen. Das ist etwas, von dem wir sagen können, davon lebt unsere Demokratie, und deshalb ist jede Straftat gegenüber Amtsträgern auf der kommunalen

Ebene und Ehrenamtlichen ein Anschlag auf unsere Demokratie. Und dagegen müssen wir uns eindeutig wehren! Von diesem Parlament muss ein Signal ausgehen.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP)

Die kommunalen Spitzenverbände erwarten von uns aber auch, dass wir handeln. Deshalb schlagen wir Ihnen einen Fünf-Punkte-Plan vor:

Erstens. Wir brauchen eine Wertschätzungskampagne. Obwohl gerade Feuerwehr- und Rettungskräfte besondere Wertschätzung für ihr Engagement verdienen, gibt es auch auf sie Übergriffe. Sie, die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister und alle Amtsträger insbesondere auf kommunaler Ebene sind für die Bürgerinnen und Bürger da. Die Verunglimpfungen insbesondere im Internet zeigen aber, dass nicht jeder in unserer Gesellschaft die Arbeit dieser Amtsträger schätzt. Deshalb, Herr Innenminister, sollten wir zusammen mit den kommunalen Spitzenverbänden eine Wertschätzungskampagne voranbringen, gerade auch in den sozialen Netzwerken. Das ist ein erster wichtiger Punkt.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der SPD)

Zweitens. Wir müssen uns an die eigene Nase fassen. Wir hier im Parlament müssen Vorbild sein. Wir haben schon darüber gesprochen: Wir brauchen eine Selbstverpflichtung, dass wir in der politischen Auseinandersetzung - auch wenn wir hart um den richtigen Weg für die Bürgerinnen und Bürger kämpfen - respektvoll miteinander umgehen.

Drittens. Wir brauchen eine Selbstschutzfibel des Landeskriminalamtes, in der Tipps und Hinweise gegeben werden, wie man sich vor Übergriffen schützen kann und wie man, wenn sie stattgefunden haben, darauf reagieren kann. Ich glaube, das wäre sehr hilfreich. Die schwedischen Sicherheitsbehörden haben bereits eine entsprechende Fibel erstellt und allen Amtsträgern auf der kommunalen Ebene zur Verfügung gestellt.

Viertens. Übergriffe müssen konsequent angezeigt werden. Dazu kann eine solche Fibel beitragen.

Fünftens. Wir brauchen eine konsequente Strafverfolgung. Dazu müssen wir die Polizei in die Lage versetzen. Angriffe im Internet dürfen nicht anonym bleiben. Die Polizei muss diese Straftäter dingfest machen können. Die Justizministerin und ich sind

uns einig, dass solche Strafverfahren nicht routinemäßig eingestellt werden dürfen.

Ein Weiteres müssen wir überlegen: Nach den besonderen Straftatbeständen in den §§ 113 und 114 des Strafgesetzbuches werden Angriffe auf Vollstreckungsbeamte, auf Polizei und Feuerwehr besonders hart bestraft. Aus meiner Sicht müssen Angriffe auf kommunale Amtsträger, auch wenn sie keine Vollstreckungsbeamten sind, genauso hart bestraft werden.

Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen: In den letzten Monaten sind ehrenamtliche Bürgermeisterinnen und Bürgermeister von ihrem Amt zurückgetreten. Wir dürfen aber nicht zulassen, dass sich einige Kandidatinnen und Kandidaten bei der nächsten Kommunalwahl nicht zur Verfügung stellen, weil sie nicht angepöbelt werden wollen oder weil sie vielleicht Angst vor Übergriffen haben. Wir müssen daher ein Zeichen setzen. Hier heißt es: Wehret den Anfängen! Lassen Sie uns gemeinsam dagegen vorgehen!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Schünemann. - Für die AfD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Ahrends das Wort. Bitte!

(Beifall bei der AfD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste auf den Rängen! Wir von der AfD sind etwas überrascht, dass gerade die CDU das Thema Gewalt ins Plenum bringt. Aber die AfDFraktion unterstützt ihr Anliegen in vollem Umfang. Wir schließen uns den Ausführungen meines Vorredners an.

Wir als AfD sind angetreten, um politische Lösungen auf demokratischem Wege zu finden. Wir verurteilen jede Form der politischen Gewalt.

(Beifall bei der AfD)

Als Mitglied der AfD-Fraktion weiß ich: Angriffe auf Büros, Abgeordnete und Mitglieder der AfD sind an der Tagesordnung. Die AfD konnte während des Wahlkampfes kaum eine Veranstaltung durchführen, ohne mit massiven Angriffen, Drohungen gegen ihre Mitglieder oder gegen Gaststätten- und

Hotelbetreiber, die der AfD Räumlichkeiten vermieten wollten, rechnen zu müssen.

(Beifall bei der AfD)

Allein in den letzten 18 Monaten sind mehr als 1 200 Angriffe gegen die AfD und ihre Mitglieder durchgeführt worden - eine wahrliche schreckliche Bilanz für eine Demokratie!

(Beifall bei der AfD - Zuruf von Doris Schröder-Köpf [SPD])

- Sie können nachher etwas sagen, Frau SchröderKöpf.

Einige Beispiele: Im Dezember 2017 wurde die Landesgeschäftsstelle der AfD in Lüneburg Opfer eine Farbangriffes. Schaden: 20 000 Euro.

Beim Bundesparteitag hier in Hannover wurde unser Bundestagsabgeordneter Kay Gottschalk überfallen. Ihm wurde die Hand gebrochen, und seine Aktentasche wurde geraubt. Nur das beherzte Eingreifen der Polizei konnte Schlimmeres verhindern. Bis heute wurde Herr Gottschalk weder angerufen und gefragt, wie es ihm geht, noch erhielt er ein Schreiben des Bedauerns. Oder doch, Herr Minister Pistorius?

Die AfD distanziert sich ausdrücklich von jeder Art der politischen Gewalt, ganz egal, ob sie von Rechtsextremen, von Linksextremen oder von Islamisten angewendet wird.

(Beifall bei der AfD)

So haben wir uns auch ausdrücklich von dem jüngst erfolgten Angriff auf den Bürgermeister von Altena distanziert. Der Angriff auf Herrn Hollstein, der in der Presse sehr breit thematisiert wurde, wurde von uns klar verurteilt, obwohl dieser nicht politisch motiviert, sondern eher eine Verzweiflungstat eines Hartz-IV-Empfängers war, dem das Wasser abgedreht worden war.

Ebenso verurteilen wir den Messerangriff auf Frau Reker oder auch den Tortenwurf auf Frau Wagenknecht.

Der Angriff auf Herrn Gottschalk wird allerdings von der Öffentlichkeit und den Medien weitestgehend ignoriert, vielleicht sogar von einigen wohlwollend zur Kenntnis genommen. Medial schaffte er es gerade in die HAZ mit einem Dreizeiler als Randnotiz in negativem Zusammenhang mit einem Zitat, das er in dieser Erregung von sich gab, während im Falle des Angriffs auf Herrn Hollstein und seiner „15 Zentimeter langen Schnittwunde“ die Medien förmlich hyperventilierten. Man kann hier

wirklich vollkommen zu Recht von einer Berichterstattung mit zweierlei Maß sprechen.

(Beifall bei der AfD)

Zur Erinnerung: Am 8. Mai 2016 forderte der führende SPD-Politiker Ralf Stegner über Twitter dazu auf, „Positionen und Personal der Rechtspopulisten (zu) attackieren“. Ich wiederhole: „attackieren“. Das ist die Wortwahl eines SPD-Spitzenpolitikers!

Erst jüngst wurde der AfD-Fraktionschef im Landtag von Rheinland-Pfalz, Herr Uwe Junge, Opfer eines Brandanschlages. Der Wagen seiner Frau wurde in seinem Carport unter dem Haus entzündet. Die Flammen hätten beinahe auf das Haus übergegriffen und die Familie im Schlaf getötet; die Tochter schlief direkt oberhalb des brennenden Fahrzeuges.

Erst im August 2016 wurde ebendieser Herr Junge überfallen und niedergeschlagen; ihm wurde das Jochbein gebrochen.

Am gleichen Tag, als das passierte, wurde eine gefrorene Torte in Form eines Eisblocks gegen unseren Bundessprecher, Herrn Professor Dr. Meuthen, geschleudert, die ihn Gott sei Dank nur leicht verletzte.

Auch das Auto von Guido Reil wurde zerstört, sein Haus wurde mit Farbe und Fäkalien beschmiert.

Ich frage Sie: Wo war bei dieser Gewalt der Aufschrei?

(Beifall bei der AfD)