Protocol of the Session on October 24, 2019

An vielen Stellen wird ja immer darauf eingegangen: Ja, das ist alles nicht wissenschaftlich, das sind nur irgendwelche NGOs! - Das, was die AfD hier vorgetragen hat, hörte sich ja schon nach Verschwörungstheorien an.

Natürlich berufen wir uns bei der Kritik an Pestiziden und an Glyphosat auf die Wissenschaft. Der Teil der WHO, der für das Thema Krebs und die Bewertung zuständig ist, hat gesagt: Glyphosat ist wahrscheinlich krebserregend! - Sie müssen sich ja nur einmal die Gerichtsurteile in den USA angucken. Das ist jetzt keine grüne Idee, dass Glyphosat durchaus auch Probleme mit sich bringen kann. Solange das BfR - das Bundesinstitut für Risikobewertung - und auch die efsa - das Pendant auf europäischer Ebene - sich immer nur auf

Herstellerstudien verlassen, muss man sich nicht wundern, dass dabei immer herauskommt: Alles unbedenklich!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zu dem Punkt Direktzahlungen: Unser Ansatz ist, dass die Gemeinsame Agrarpolitik und Förderung der EU wirklich quasi auf den Kopf gestellt wird, dass wir noch sehr viel stärker, als das jetzt in dem Agrarpaket vorgeschlagen wird, zukünftig diejenigen Maßnahmen unterstützen, die gesellschaftlich auch gewollt und notwendig sind, was den Umwelt- und Wasserschutz etc. angeht.

Ich gebe Ihnen aber recht bei der Kritik am Tierwohllabel. Ich fürchte fast, dass dieses freiwillige Tierwohllabel, das keine sonderlich hohen Standards hat, wenn man sich das einmal genau anguckt, tatsächlich eher schaden als nützen wird. Man kann froh sein, dass der Handel mit seiner Kennzeichnung schon weiter ist. Aber das kann sicherlich kein Grund sein, jetzt zu sagen: Dieses ganze Agrarpaket ist falsch. Es muss halt strenger gemacht und in der Umsetzung verbessert werden.

Noch ein Punkt zur Düngeverordnung: Wir haben hier grundsätzlich ein Problem. Ich gebe Ihnen ja recht, dass die Düngeverordnung sehr bürokratisch und sehr kompliziert ist. Kaum ein Landwirt kann die Anforderungen selber erfüllen, sondern er muss sich jemanden holen, der die Anträge und Formulare ausfüllt. Das ist auch sehr schwer zu kontrollieren. Der Grund liegt darin, dass man sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner verständigt hat. Auf der einen Seite wurde immer nur blockiert, blockiert, blockiert. Das kam dann dabei heraus. Man müsste an die tatsächlichen Ursachen heran. Dann hat man auch Planungssicherheit, wenn man sich einmal gemeinsam in einem Agrarkonsens auf einen großen Wurf verständigt.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Staudte. - Zu Ihrem Wortbeitrag liegt eine Kurzintervention des Abgeordneten Hermann Grupe vor. Herr Grupe, 90 Sekunden! Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich wollte das Wort eigentlich gar nicht mehr in den Mund nehmen. Aber liebe Kollegin Staudte, in der Wissenschaft herrscht überhaupt keine Differenz, dass

Glyphosat bei ordnungsgemäßer Anwendung keinerlei gesundheitliches Risiko bedeutet.

(Beifall bei der FDP - Dr. Stefan Birk- ner [FDP]: So ist es! - Miriam Staudte [GRÜNE]: Das stimmt nicht!)

- Lassen Sie mich doch aussprechen!

Wenn man Glyphosat mehrtausendfach überdosiert und dann in Versuchen diese Toxikologie untersucht wie auch bei anderen Stoffen, dann ist es nicht auszuschließen. Das ist wie bei fast jedem Medikament und anderen Pflanzenschutzmittel. Auch ein Medikamentenmissbrauch - man sollte jeden warnen - wird ganz schnell giftig. - Das zu den Fakten.

(Vizepräsidentin Petra Emmerich- Kopatsch übernimmt den Vorsitz)

Vielleicht können wir uns ja wenigstens darauf verständigen, dass Insektenschutz und Glyphosat gar nichts miteinander zu tun haben. Mit Glyphosat können wir Mulchsaat machen, indem wir nicht pflügen müssen. Das Glyphosat macht das Gleiche wie der Pflug: Er schafft ein reines, sauberes Saatbett. Er beseitigt nur die grün-orangene Substanz. Es wirkt nicht über den Boden usw. Dann kann ich dort hineinsehen und damit Erosion verhindern. Das ist wirklich das Einzige. Mit Insekten hat das nun gar nichts zu tun.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Grupe. - Frau Staudte möchte erwidern.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Eigentlich muss ich mich bei Ihnen für Ihre Kurzintervention bedanken, weil sie mir noch einmal Gelegenheit gibt, auf das eine oder andere einzugehen.

Zu Glyphosat: Wir hatten in der letzten Wahlperiode Herrn Professor Greiser, einen Epidemiologen, im Ausschuss. Ich meine, Sie waren dabei auch anwesend. Er hat die Studien des BfR und die Arbeitsweise regelrecht auseinandergenommen. Sie können sich hier nicht hinstellen und sagen: Die Wissenschaft ist sich einig! - Dem ist nicht so. Es gibt zumindest einen sehr großen Streit.

Wie gesagt: Wem soll man denn bitte vertrauen? Sie sagen immer: Ja, wir Landwirte! - Die Landwirte sind doch diejenigen, die diese Substanzen

handhaben müssen. Ich meine, vielleicht der eine oder andere nicht, weil er das seine Angestellten machen lässt. Aber die gesundheitliche Gefahr liegt doch bei denen, die damit befasst sind.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Nicht, wenn man sachgerecht damit umgeht!)

Sie sollten sich eigentlich ganz vorne in die Reihe derjenigen stellen, die sagen: Wir müssen bei den Risiken ganz genau hingucken!

(Beifall bei den GRÜNEN - Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Auch noch einmal zu dem Punkt, Glyphosat sei für Insekten nicht schädlich. Glyphosat ist zwar ein Herbizid; das ist klar. Aber es gibt genügend Studien - damit muss man sich dann halt auch einmal befassen -, die sagen, es hat auch extreme Auswirkungen auf Darmbakterien und schädigt deswegen Insekten - aber nicht nur Insekten, sondern auch größere Säuger. Es ist inzwischen wirklich von verschiedenen Studien wissenschaftlich belegt, dass es durchaus einen direkten Zusammenhang gibt und es jetzt nicht nur darum geht, dass quasi nichts mehr blüht und deswegen die Insekten geschädigt werden. Das kommt natürlich auch noch hinzu.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch das ganze Thema Humusaufbau - - -

Frau Staudte, Ihre Redezeit ist jetzt beendet. Vielen Dank.

Gut. Den Rest klären wir mal wieder bilateral.

Genau. - Für die SPD-Fraktion erhält jetzt Kollegin Thordies Hanisch das Wort.

Sehr geehrte Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Geehrte Kolleginnen und Kollegen der FDP-Fraktion, danke schön für diesen Antrag! Damit haben Sie fast alle brennenden Punkte im Spannungsfeld zwischen Gesellschaft, Umwelt und Landwirtschaft angerissen und geben uns damit auch die Möglichkeit, dazu Stellung zu nehmen.

(Christian Grascha [FDP]: So soll es sein!)

Wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten streben natürlich den vernünftigen Weg an. Es nützt nämlich nichts, bei einer so komplexen Sachlage der einen oder anderen Seite hinterherzulaufen. Auf einige der Herausforderungen will ich im Folgenden kurz eingehen.

Zunächst zum Markt: Da bin ich ziemlich nah bei Ihnen, Herr Grupe. Wie, bitte, soll man erklären, dass sich unsere Landwirte bei Insektiziden, Anbauweisen und genmanipulierten Pflanzen an Vorgaben halten müssen, an die sich Landwirte aus anderen Staaten nicht halten müssen, obwohl unsere Landwirte ihre Produkte auf dem gleichen Markt anbieten sollen? Wenn wir landwirtschaftliche Produkte importieren, für die nicht die gleichen Regelungen gelten wie für unsere in Deutschland produzierten Weizen, Hopfen, Rüben, Rinder und Schweine, dann ist das erst einmal absurd. Aber das ist dem Umstand geschuldet, dass wir Autos und Technik exportieren wollen und damit in internationalen Handelsabkommen festgelegt wird, was importiert und was exportiert werden darf. Hier wird abgewogen, wie in Deutschland der Wohlstand erhalten bleiben kann.

Genau dieser Wohlstand ermöglicht es aber offenbar nicht, für Nahrungsmittel auch einen angemessenen Preis bezahlen zu können oder zu wollen. Bei der Wirtschaftskraft liegt Deutschland im EUVergleich weit vorn in der oberen Hälfte, bei den Konsumausgaben für Nahrungsmittel ganz weit im hinteren Feld. Da kommen dann die billig importierten Lebensmittel ins Spiel, zu denen offensichtlich ganz gern gegriffen wird und die der Lebensmitteleinzelhandel so auch anbieten möchte.

Dazu kommt, dass unsere niedersächsischen Landwirte nicht nur Niedersachsen versorgen, sondern ganz Deutschland. Dabei ist die ImportExport-Bilanz im landwirtschaftlichen Bereich in Deutschland keineswegs so, dass wir landwirtschaftliche Produkte in großen Mengen exportieren. Vieles müssen wir dazukaufen. Das heißt unter dem Strich: Jeder Rückgang bei der Produktion in Deutschland führt zu mehr Import und dazu, dass wir Probleme exportieren.

Zudem steht unsere Landwirtschaft in Flächenkonkurrenz. Während von 2011 bis 2017 die Siedlungs- und Verkehrsfläche für unsere Straßen, unser Gewerbe und unsere Häuser in Niedersachsen angewachsen ist, wurde etwas mehr als die gleiche Fläche der Landwirtschaft entzogen, und zwar ungefähr ein Zehntel der Fläche des Saarlandes allein in sechs Jahren. Da, wo die Fläche

knapp ist, steigen die Pachtpreise an. Während Regenwälder billig gerodet werden, wird es für unsere Landwirte also immer teurer zu produzieren.

Mich erreichen die Rufe verzweifelter Landwirte. Die grünen Kreuze auf den Äckern machen ihre Verzweiflung sichtbar. Diese Verzweiflung kann ich nicht nur verstehen; ich fühle sie auch. Es geht um existenzielle Bedrohungen für die Betriebe. In Niedersachsen gab es von 2003 bis 2016 einen Rückgang von 50 000 Beschäftigten in landwirtschaftlichen Betrieben. Das waren in vielen Fällen auch Familien, die über Generationen ihre Existenz in den Betrieben gesichert haben. Mit der Düngeverordnung, der Ausweisung der „roten Gebiete“ und der weiteren Verschärfung stellen wir landwirtschaftliche Betriebe wieder vor Herausforderungen.

Wenn ich daran denke, dass bei uns in Niedersachsen die Nitratwerte im Grundwasser auch so hoch sind, weil wir hier viele Landwirte haben, die eng beieinander wirtschaften und die Bevölkerung über Niedersachsen hinaus versorgen, und dass es Landwirte gibt, die verantwortungsbewusst wirtschaften und in Kooperation mit Wasserverbänden freiwillig Programme zur weiteren Senkung der Nitrateinträge umgesetzt haben, die nun auch mit weniger Nährstoffen zurechtkommen sollen, dann bringt mich das vor allem bei der Suche nach einer Lösung zur Verzweiflung, weil es hier mal wieder keine einfache Lösung geben wird.

Ich sage an dieser Stelle aber auch immer wieder: Mit unserem Trinkwasser können wir uns keine Spielchen erlauben.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Ausweisung der „roten Gebiete“ ist gerade auf niedersächsischer Ebene abgeschlossen. Die Unterrichtungen und Diskussionen dazu laufen. Die Gebiete wurden, wie heute schon öfter erwähnt wurde, nicht „über den dicken Daumen“ ausgewiesen, sondern binnendifferenziert. Ja, es gibt Brunnen in „roten Gebieten“, die nicht belastet sind - ganz wörtlich gemeint. Diese Brunnen liegen in Bereichen eines gemeinsamen Grundwasserleiters, der dann aber belastet ist.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Genau!)

Ich bin gespannt, was Sie da wie ändern wollen, sodass wir am Ende Landwirte entlasten, Nitratwerte senken und den Vorgaben der EU entsprechen. Mir scheint das doch eher eine der einfache

ren Lösungen zu sein, die sich gut anhört, von der Opposition gern gefordert wird und am Ende - - - Aber ich will jetzt keinen Ordnungsruf riskieren.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Ich habe Sie nicht verstanden, Frau Kollegin!)

Es gibt weitere Herausforderungen. Gleichzeitig tragen wir Verantwortung für unsere Landwirte. Hier muss es uns darum gehen, Lösungen zu finden, die uns weiterbringen.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Was sind denn die Antworten?)