In dieselbe Richtung wirkt auch unsere Forderung, der Präsident dürfe jedenfalls in den letzten zehn Jahren keiner Partei angehört haben. Auch das stellt mehr Unabhängigkeit sicher.
Erlauben Sie mir an dieser Stelle eine vergleichende Bemerkung, die mich aus der Bundeswehr erreicht hat. Dort gibt es das geflügelten Wort: Ab Oberst brauchen Sie ein Parteibuch, sonst werden Sie nie General. - Was ist das denn für ein Filz? Was ist das für eine Vertrauensschädigung beim Wähler? Unser Vorschlag schafft wenigstens hier mehr Vertrauen.
Schließlich soll auch die Befähigung zum Richteramt eine weitere Voraussetzung sein. Mehr Unabhängigkeit bedeutet auch mehr Verantwortung. Wer diese Verantwortung verfassungskonform ausüben will, der darf sich bei den wichtigsten Fragen nicht nur auf den juristischen Rat seiner Mitarbeiter verlassen; der muss sich eine eigene Meinung bilden können. Dafür muss man das juristische Metier nicht nur kennen, man muss es beherrschen.
Den Verfassungsschutz unabhängiger zu machen, das ist unser Ziel. Das ist kein Misstrauen gegen die Beschäftigten im Amt; das ist ein begründetes Misstrauen gegen die Versuchung der Macht. Zeigen wir den Bürgern, dass der Staat und seine Institutionen für sie da ist und nicht für die Politiker.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich mich diesem Gesetzentwurf inhaltlich widme, möchte ich einige grundsätzliche Kritik an diesem Gesetzentwurf und an der ihm innewohnenden Haltung der AfD loswerden.
Herr Wichmann beklagt sich einerseits über den Tatbestand der Verletzung der Menschenwürde und attackiert den Innenminister andererseits mit folgendem Satz - ich zitiere wörtlich -: Er will sich die FDP als Skalp anheften auf seinem Weg an die SPD-Spitze.
Statt sich in wilder Rhetorik zu üben, Herr Kollege Wichmann, sollten Sie lieber in Ihren eigenen Reihen für Anstand, Respekt und Ordnung sorgen.
Statt sich in eine Opferrolle zu begeben, sollten Sie Verantwortung für sich selbst und Ihre Partei übernehmen, auch vor dem Hintergrund, dass Sie aufgrund des Wählerwillens in diesem Parlament sitzen dürfen.
Nun zu Ihrem Gesetzentwurf, den so zu nennen, mir erhebliche Probleme bereitet, da er handwerklich miserabel gemacht ist. Es fehlen beispielsweise entsprechende Artikelgesetze. Über die Auswirkungen steht ebenfalls nichts darin: Welche Veränderungen und Folgen könnten eintreten? Wo liegt der Mehrwert einer Änderung in der Form, die Sie fordern? Sie behaupten, Ihr Antrag würde zu keinen Mehrkosten führen, jedoch kosten Umorganisationen in Behörden erfahrungsgemäß viel Geld.
Herr Wichmann beklagt eine zunehmende politische Instrumentalisierung des Verfassungsschutzes: Die Kriterien für die Einstufung einer Gruppierung als verfassungsfeindlich hätten sich seit den 90er-Jahren geändert, und die Verfassungsschutzbehörden hätten an dieser Stelle einen breiten Ermessensspielraum.
Herr Wichmann, das Interesse des Verfassungsschutzes an Ihrer Partei ist nicht das Ergebnis von irgendwelchen politischen Vorgaben der Landesregierung. Vielleicht hängt das Interesse des Verfassungsschutzes damit zusammen, dass Sie selbst es für nötig halten, Ihre Parteifreunde darüber aufzuklären, dass Aussagen wie - ich zitiere - „Farbige sind Tiere“ gegen die Menschenwürde verstoßen. Dass man das in Ihrer Partei den Leuten explizit sagen muss, zeigt entlarvend, wie es um Ihren Anstand und Ihren moralischen Kompass bestellt ist.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Trennung von Verfassungsschutz und Polizei ist gesetzlich auch aus gutem historischen Grund festgeschrieben und wird schon heute gesetzeskonform erfüllt.
Ich komme zum Schluss. Das Ganze ist eine müde Showeinlage. Damit soll zum einen das Unvermögen der AfD überspielt werden, parteipolitische und persönliche Standards bezüglich Eigenverantwortung, Respekt und demokratischer Integrität zu implementieren. Zum anderen will sich die AfD als Opfer einer angeblich politisch gelenkten Behörde darstellen, statt einzusehen, dass sie dem Verfassungsschutz durch ihr Verhalten gar keine andere Wahl lässt, als sich mit ihr zu befassen.
Ihre Beweggründe für diesen Gesetzentwurf sind durchschaubar und denkbar einfach gestrickt, genauso wie der vorliegende Entwurf selbst.
Wir als CDU-Fraktion stehen hinter unserem Verfassungsschutz und werden diesen zu einem noch stärkeren Bollwerk gegen Hetze und Extremismus gerade auch im Internet ausbauen.
Vielen Dank, Herr Kollege Adasch. - Auf Ihren Beitrag hat sich Herr Wichmann von der AfDFraktion zu einer Kurzintervention gemeldet.
Herr Adasch, vielen Dank zunächst für Ihre doch sehr offenen Worte. Sie zeigen, wohin die Reise von der CDU aus betrachtet gehen soll: Sie wollen den Verfassungsschutz weiter politisch instrumentalisieren.
- Ja, er hat das offensichtlich nicht gelesen oder nicht ernst genommen. Er möchte gerne weitermachen wie bisher. Und er geht auf die Vorwürfe nicht ein; das ist ein bisschen schade.
Herr Adasch, beantworten Sie mir doch bitte ganz schnell eine Frage, da Sie meinen, es sei überflüssig, die Leute zu den Grenzen der Meinungsfreiheit zu schulen: Wo endet die Meinungsfreiheit des normalen Bürgers? Darf er alles sagen? Können Sie das aus dem Stegreif sofort sagen? Können Sie mir das als Berufspolitiker sagen? Können Sie mir sagen, wo die Unterschiede bei einem Parteimitglied bestehen, ob da Unterschiede bestehen? - Sehen Sie, das können Sie nicht!
- Ja, es gibt da Unterschiede. Herr Limburg, es wird Sie überraschen: Die Meinungsfreiheit zwischen einem normalen Menschen und einem Parteimitglied unterscheidet sich vollständig. Es gibt massive Unterschiede. Sie wissen das nicht, und Herr Adasch kann das auch nicht beantworten, bestreitet aber, dass wir die Leute darüber aufklären dürfen. Das ist ein bisschen armselig.
Es gibt keine Erwiderung. - So kommen wir zu einem Beitrag des Geschäftsführers von Bündnis 90/Die Grünen, Herrn Helge Limburg.
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei Ihrem letzten Beitrag, Herr Wichmann, ging es mir, glaube ich, wie dem Kollegen Adasch und den meisten: Ich habe es, ehrlich
gesagt, nicht verstanden. Soweit Sie Rechtsberatungsbedarf im Bereich der Grenzen der Meinungsfreiheit haben - was ich aus Sicht der AfD verstehen kann, weil Sie diese Grenzen in der Tat oft reißen und überschreiten -,
empfehle ich Ihnen, obwohl Sie selber Anwalt sind: Wenden Sie sich vertrauensvoll an eine Anwaltskanzlei, und lassen Sie sich das ausreichend erläutern!
Ja, zu einem späteren Zeitpunkt. Ich würde gern noch ein paar weitere Sätze sagen, Herr Wichmann. Ich komme darauf zurück - versprochen.
Vielleicht erstens zur allgemeinen Intention, dem Vorwurf der politischen Instrumentalisierung des Verfassungsschutzes, den Sie auch hier in Ihrer Rede erhoben haben. Es ist in der Tat so, dass es auch aus unserer Sicht in der Vergangenheit Fälle gegeben hat, in denen Verfassungsschutzbehörden zumindest politisch einseitig agiert haben - auch hier in Niedersachsen. Ich will da gar nicht länger drauf rumreiten.
Die Frage ist aber, ob das in der aktuellen Situation der Fall ist, wie Sie das unterstellt haben. Da muss ich Ihnen sagen, wie Herr Adasch völlig zu Recht ausgeführt hat: Es ist, ehrlich gesagt, eher umgekehrt erstaunlich, dass Sie sich nach solchen bundesweiten Ausfällen, von denen wir immer wieder gehört haben, und auch nach Ausfällen und Verhalten aus Niedersachsen - es ist ja nicht so, dass das in Niedersachsen gar nicht der Fall wäre - noch über eine Prüfung durch den Verfassungsschutz wundern. Das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen, Herr Kollege Wichmann.
(Zustimmung bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der CDU Von einer politischen Instrumentalisierung kann hier nicht die Rede sein. Schauen Sie sich bei- spielhaft an, was Herr Gauland über das Agieren der Wehrmacht und über die Zeit der NS-Diktatur sagt! Schauen Sie sich vor allem an, was der Spit- zenkandidat in Thüringen, Herr Höcke, den ganzen Tag schreibt, sagt und tut! Dann werden Sie in Wahrheit nachvollziehen können, warum es diese Prüfung gibt. Zweitens geht es aus Ihrer Sicht um die Qualifika- tion der Präsidentin oder des Präsidenten des Verfassungsschutzes. Das finde ich, gelinde ge- sagt, durchaus bemerkenswert, weil Sie hinterher behauptet haben, es gehe nicht um Misstrauen gegen die handelnden Personen. Wenn Ihr Ge- setzentwurf durchkäme, was ich jetzt für eher un- wahrscheinlich halte, dann dürfte der gegenwärtige Präsident, Herr Witthaut, de facto nicht mehr Prä- sident bleiben, weil er nicht die Befähigung zum Richteramt hat. Ich muss Ihnen schon sagen, auch wenn wir in der Opposition sind, Herr Wichmann: Ich habe bislang den Eindruck, dass die Arbeit von Herrn Witthaut durchaus ganz okay ist. Ich sehe überhaupt keine Veranlassung, jetzt seinen Rücktritt oder quasi per Gesetz seine erzwungene Absetzung zu fordern. Dafür gibt es, finde ich, überhaupt keinen Anlass, und das ist wirklich mehr als maßlos, Herr Wich- mann. (Zustimmung bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der CDU)
Herr Limburg, ich darf darauf aufmerksam machen, dass das Präsidium zu Wortmeldungen aufruft. Aber Herr Wichmann darf sehr gern jetzt seine Frage stellen.
Ich habe doch gar nicht aufgerufen. Ich habe nur darauf hingewiesen, dass das aus meiner Sicht jetzt in Ordnung wäre. Aufrufen müssen Sie natürlich. Selbstverständlich.