Protocol of the Session on October 23, 2019

(Beifall bei den GRÜNEN)

Denn sonst haben wir die gleiche Problematik, die wir schon beim Atomausstieg hatten. Ich erinnere nur an Frau Merkel und den Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg. Das ist keine Planungssicherheit; das ist keine gute Politik. Ich erinnere auch an die Kohleausstiegsdebatte, wo wir jetzt wieder über hohe Entschädigungssummen debattieren, weil keine langfristige Politik gemacht worden ist.

Sehr geehrte Damen und Herren, das sollten wir doch beim Thema „Erdgas und Erdöl“ besser hinbekommen - angefangen beim Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke auch Ihnen. - Zu Wort gemeldet hat sich nun der Umweltminister, Herr Olaf Lies.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben beim letzten Mal sehr intensiv über die

Frage einer möglichen neuen Erdgasförderung vor Borkum auf niederländischem Gebiet gesprochen. In der Diskussion ist deutlich geworden, dass das von uns allen abgelehnt wird. Die Konsequenz ist, sich nicht nur damit zu beschäftigen, wie es mit Erdöl- und Erdgasförderung auf der niederländischen Seite aussieht, sondern auch mit der Frage, was das für uns auf der deutschen Seite bedeutet.

Es ist völlig klar, dass die Erdöl- und Erdgasförderung in einem Wattenmeer, in einem Nationalpark, ausgeschlossen ist. Diese Haltung war beim letzten Mal sehr eindeutig, und sie ist auch dieses Mal sehr eindeutig: In einem Nationalpark, der zudem auch noch als Weltnaturerbe anerkannt ist, kann und wird es auch künftig keine Erdöl- und Erdgasförderung geben. Das ist nur konsequent und auch absolut richtig.

Neue Infrastrukturvorhaben sind gemäß dem Gesetz über den Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer grundsätzlich unzulässig. Eine Befreiung ist nur dann möglich, wenn daran ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht. Ein überwiegendes öffentliches Interesse für die Errichtung von Infrastruktur in einem Nationalpark kann es im Übrigen durchaus geben. Ich verweise auf den JadeWeserPort; dort haben wir genau so entschieden. Man hat für seine Entscheidung also durchaus Spielräume, muss aber sehr genau abwägen, was wirklich sinnvoll und richtig ist. Es ist aber definitiv so, dass wir eine Erdgas- und Erdölförderung und die damit verbundenen Bohrtürme in unserem Nationalpark Wattenmeer nicht wollen.

Wir sind an einer zukunftssicheren Energieversorgung interessiert. Wir haben heute mit großer Mehrheit das Klimagesetz beschlossen. Deshalb brauchen wir draußen im Nationalpark und auch vor Borkum keine weiteren Erdgasförderstätten. Da sind wir uns einig, denke ich.

Dahinter stehen aber noch weitere Fragen. Wir diskutieren heute ja über drei Komplexe. Das geht leider immer ein bisschen durcheinander.

Der erste Punkt ist die Situation vor Borkum. Was da beabsichtigt wird, lehnen wir ab. Dort sind aber die Einflussmöglichkeiten auf deutscher Seite begrenzt, weil wir nicht direkt für das Genehmigungsverfahren zuständig sind, sondern uns nur im Genehmigungsverfahren einbringen können.

Der zweite Punkt ist die grundsätzliche Frage, Erdöl- oder Erdgasförderung im Nationalpark zuzulassen.

Der dritte Punkt ist die Aufsuchungserlaubnis. Mit der Aufsuchungserlaubnis ist noch nicht die Bohrung verbunden, aber zumindest die Möglichkeit, z. B. Bohrtürme zu stellen, um die ersten Bohrungen durchzuführen.

Alle drei Aspekte müssen gut beleuchtet werden.

Deswegen ist in Bezug auf den ersten Punkt klar - ich habe es gesagt -: Naturschutzfachlich ist das Bestreben, diese Erdöl- und Erdgasbohrungen im Nationalpark zu verbieten, und zu sehen, an welcher Stelle das mit welchen Möglichkeiten geht.

Die Änderung des Nationalparkgesetzes ist keine Lösung in Bezug auf die Aktivitäten auf der niederländischen Seite; das wissen wir. Eine Klarstellung im Nationalparkgesetz würde uns aber definitiv helfen. Insofern sollte man darüber nachdenken, das, was wir hier ja in großer Einigkeit deutlich gemacht haben, auch im Gesetz zu verankern, dass sowohl die Aufsuchung wie auch das Fördern von Erdöl und Erdgas im Nationalpark ausgeschlossen sind. Das halte ich für einen klugen Weg, den man jetzt im Ausschuss diskutieren muss. Er schadet definitiv nicht.

Zu prüfen, ob er am Ende an jeder Stelle genau den Erfolg mit sich bringt, den wir uns vorstellen, oder ob hier das Bundesbergrecht überwiegt, ist dann der zweite Schritt, den wir gehen müssen. Den ersten Schritt, unsere eindeutige Position im Nationalparkgesetz in Niedersachsen abzubilden, halte ich aber für den absolut richtigen Schritt. Er macht auch ganz deutlich, dass wir im Nationalpark Wattenmeer keine Erdöl- und Erdgasförderung wollen. Das sollten wir damit noch einmal deutlich zum Ausdruck bringen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir haben vorhin darüber gesprochen, was eigentlich Argumente sind, die man bringen muss, damit man auch oben bleibt, weil man natürlich nicht willkürlich festlegen kann: „Wir wollen das nicht mehr“, sondern das überwiegende öffentliche Interesse deutlich machen muss. Deswegen ist der dritte von mir genannte Punkt - Stichwort „Aufsuchungsgenehmigungen“ - interessant.

Noch einmal: Eine Aufsuchungsgenehmigung bedeutet nicht, dass morgen gebohrt werden kann. Sie ermöglicht es aber, Probebohrungen durchzuführen. Das kann man theoretisch auch auf so kurze Zeit beschränken, dass die vorgenannte Beeinflussung z. B. von Umwelt, Sicht oder Umfeld

nicht greift, weil das innerhalb von drei Monaten zu erledigen ist.

Leider kann man - und das ist unser Problem dabei, weil wir auf Cuxhavener Seite einen landgestützten Teil haben - von der Seite unterbohren. Deswegen sollten wir meines Erachtens im Nationalparkgesetz deutlich machen, dass wir auch diese Aufsuchung nicht wollen und ausschließen. Wir können aber nicht sicher sein, dass das funktioniert. Insofern werden wir im Rahmen der Ausschussberatungen überlegen müssen, ob das allein auf niedersächsischer Seite im Nationalparkgesetz zu lösen ist oder ob wir dafür auch im Bundesbergrecht eine entsprechende Änderung brauchen - die wir nicht hier beschließen können, für die aber von niedersächsischer Seite eine entsprechende Initiative ausgehen kann. Das muss das Vorgehen sein.

Deswegen halte ich die Diskussion darüber für richtig. Auch die Diskussion im Ausschuss darüber ist richtig. Wir wollen keine Erdöl- und Erdgasförderung im Nationalpark Wattenmeer. Der Nationalpark hat die ganz klare Aufgabe, Umwelt und Natur in den Mittelpunkt und unter Schutz zu stellen.

Ich freue mich auf die weitere Diskussion dazu im Ausschuss und sicherlich auch an vielen anderen Stellen.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Danke vielmals, Herr Minister.

Wir kommen nun zur Ausschussüberweisung zu Tagesordnungspunkt 12.

Federführend soll der Ausschuss für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz sein; mitberaten soll der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Das ist nicht der Fall. Gibt es Enthaltungen? - Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung zu Tagesordnungspunkt 13.

Es soll im Ausschuss für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz beraten werden. Wer so entscheiden möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Das ist nicht der Fall. Gibt es Enthaltungen? - Ebenfalls nicht.

Wir kommen somit zu dem

Tagesordnungspunkt 14: Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes über das Niedersächsische Landesamt für Verfassungsschutz (Nie- dersächsisches Verfassungsschutzänderungs- gesetz) - Gesetzentwurf der Fraktion der AfD - Drs. 18/4821

Zur Einbringung hat sich der Abgeordnete Klaus Wichmann für die AfD-Fraktion gemeldet.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Verfassungsschutz ist eine staatliche Behörde. Sie darf selbst keine Politik machen; denn dafür ist sie nicht legitimiert. Sie darf auch nicht auf die Öffentlichkeit derart einwirken, dass dies zum Politikersatz wird. Der Verfassungsschutz soll - das sagt uns der Name - die Verfassung schützen. Er soll Verfassungsfeinde erkennen und diese Erkenntnisse der Politik und in wenigen vom Gesetz definierten Fällen der Öffentlichkeit bekanntgeben.

Es gibt aber keine Pflicht zur Bekanntgabe. Die entsprechende Vorschrift ist eine Kannvorschrift. Bei einer Kannvorschrift gilt es immer abzuwägen. Und wer trifft diese Abwägung und viele andere Ermessensentscheidungen? - Der Präsident des Verfassungsschutzes. Wer benennt ihn in Niedersachsen? - Der Innenminister. Ist der Innenminister unparteiisch? - Wer das glaubt, glaubt auch - ich hoffe, dass jetzt nicht allzu viele Kinder zuhören - an den Weihnachtsmann.

Meine Damen und Herren, nach der derzeitigen Rechtslage ist der Verfassungsschutz eine Unterabteilung des Innenministeriums, deren Leiter vom Minister ernannt und gegebenenfalls auch abgesetzt wird. Zugleich erleben wir mehr und mehr, wie der Verfassungsschutz z. B. auf Bundesebene zum politischen Akteur wird, Politik beeinflusst und Meinung macht - das alles ohne demokratische Legitimation für eine solche Rolle.

Meine Damen und Herren, in den 90er-Jahren - ich bringe Ihnen gerne Beispiele - wurde die Partei Die Republikaner als Beobachtungsfall geführt, was dazu führte, dass diese Partei, die zuvor in mehreren Landtagswahlen Ergebnisse zwischen 10 und 15 % erzielt hatte, politisch erledigt war. Sie verschwand in der Bedeutungslosigkeit. Diese Partei hatte gegen die Beobachtung geklagt. Das Verfah

ren dauerte zehn Jahre - zehn Jahre, in denen die Republikaner als Verfassungsfeinde galten. Nach zehn Jahren kam das letztinstanzliche Urteil: Die Beobachtung der Partei Die Republikaner war rechtswidrig.

Zyniker könnten sagen, der Rechtsstaat habe hier doch funktioniert; es sei ja Recht gesprochen worden. Ja, das stimmt. Aber vorher wurden rechtswidrig Realitäten geschaffen, wurde rechtswidrig Politik gemacht. Meine Damen und Herren, man kann den Rechtsstaat nicht mit rechtswidrigen Mitteln schützen. Mit rechtswidrigen Mitteln erreicht man nur eines: Man schafft den Rechtsstaat ab.

Wenn der damalige bayerische Innenminister Günther Beckstein diese Vorgänge mit den Worten kommentiert, man sei damals an die Grenzen des Rechtsstaates und sogar darüber hinaus gegangen, aber es sei ja letztlich erfolgreich gewesen, dann ist eben nicht alles gut. Vielmehr setzt das dem Zynismus noch die Krone auf. Dann muss sich niemand mehr wundern, wenn das Vertrauen in den Staat sinkt und sinkt und am Ende auch kein Verantwortungsgefühl mehr für eine Gemeinschaft da ist. Wenn sich der Staat nicht an das Recht hält, warum soll ich es dann tun?

Wenn in aller Eile ein Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz nach einer beispiellosen Hetzkampagne in Politik und Medien abgesetzt wird und dann ein neuer, genehmer Präsident eingesetzt wird, dann liegt der Verdacht nahe, dass es eben nicht um den Schutz der Verfassung geht, sondern um eine politische Instrumentalisierung.

Wenn dieser neue Präsident, Herr Haldenwang, als allererste Amtshandlung öffentlich mit großem Trara den „Prüffall AfD“ verkündet, obwohl ihm das Gesetz das verbietet, dann wird selbst der Blinde sehend. Das Verwaltungsgericht Köln bestätigte die Rechtswidrigkeit dieses Vorgehens. Das Bundesamt selbst verzichtete sogar auf die Einlegung von Rechtsmitteln. Es sieht also selbst, dass es hier keine zwei Meinungen geben kann. Und das Bundesamt für Verfassungsschutz macht es trotzdem - und das als erste Amtshandlung eines neuen Präsidenten Haldenwang! Diesem Mann glaubt man doch kein Wort mehr; diesem Amt glaubt man dann nur noch sehr bedingt - und das bei einem so wichtigen Amt.

Meine Damen und Herren, der Verfassungsschutz ist für eine wehrhafte Demokratie unverzichtbar. Wehrhaftigkeit setzt Wehrfähigkeit voraus. Ich bin

nur dann wehrfähig, wenn ich weiß, woher die Gefahren drohen und wie sie aussehen.

Wir in Niedersachsen haben noch keine vergleichbaren Skandale aufgrund politischer Instrumentalisierung erlebt. Können wir aber eine politische Einflussnahme wirklich ausschließen? Haben wir alles getan, um das Risiko gering zu halten?

In diese Richtung stößt unsere Gesetzesinitiative. Sie will, dass der Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz nicht mehr vom Innenminister bestimmt wird, sondern vom Landtag mit einer qualifizierten Mehrheit von zwei Dritteln gewählt wird. Es soll auch der Landtag sein, der den Präsidenten mit einer entsprechenden Mehrheit aus dem Amt entheben kann - wenn der Landtag dies für nötig erachtet.

Nun werden Sie höchstwahrscheinlich einwenden: „Herr Wichmann, der Landtag denkt doch auch politisch. Wie kommen Sie darauf, dass der Landtag keine Interessen bei so einer Wahl verfolgt?“ Sie haben völlig recht. Das ist so. Aber es besteht ein himmelweiter Unterschied, ob ein einzelner Politiker diese Entscheidung trifft oder ein demokratisch gewähltes Gremium mit entsprechenden Mehrheiten. Im Übrigen stellt die vorgesehene Zweidrittelmehrheit sicher, dass sich in normalen Regierungszeiten - Sie sehen, ich betrachte eine Große Koalition durchaus als etwas Unnormales - nicht nur eine politische Kraft durchsetzt.

In dieselbe Richtung wirkt auch unsere Forderung, der Präsident dürfe jedenfalls in den letzten zehn Jahren keiner Partei angehört haben. Auch das stellt mehr Unabhängigkeit sicher.