Protocol of the Session on October 23, 2019

Zum Anstand gehört ja manchmal, dass man die Menschen ausreden lässt.

(Beifall bei der CDU und der AfD - Helge Limburg [GRÜNE]: Das sagt der Richtige, Sie und Anstand!)

Vielleicht war das, was wir vorhin oben auf der Tribüne gesehen haben, ein ganz kleines Mosaiksteinchen. Ich mache mir in Sachen Diskussion über den Klimaschutz ganz große Sorgen, dass einige versuchen, den Menschen Dinge überzustülpen, mit denen sie nicht klarkommen werden. Wir dürfen es an der Stelle nicht übertreiben. Die große Mehrheit in diesem Land will den Klimaschutz. Die große Mehrheit in diesem Land will den Weg auch gehen, aber wir dürfen sie nicht verlieren; denn wenn wir sie verlieren, dann produzieren wir so enttäuschte und frustrierte Menschen wie diejenigen, die auf der rechten Seite hier im Landtag sitzen, die einfach nur all das, was vorgelegt wird, kritisieren, die darüber hinaus sowieso ständig behaupten, es gebe überhaupt keinen Klimawandel,

(Zuruf von den AfD: Das ist falsch!)

die die Verantwortung des Menschen an der Stelle leugnen und die überhaupt keinen eigenen Vorschlag machen.

(Unruhe)

Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen auf der rechten Seite, stehen am Rande, schauen sich das an, sagen, dass alles, was da kommt, blöd ist, aber haben keinen eigenen Vorschlag. Ich ermahne Sie ganz dringend: Fangen Sie mal an zu arbeiten!

(Beifall bei der CDU, bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der FDP - Klaus Wichmann [AfD]: Sie müssen das mal lesen! Sie wissen ja gar nicht, was wir schreiben!)

Vielleicht verzeihen Sie mir das, aber ich habe das große Bedürfnis, das hier an dieser Stelle zu sagen, auch mit Blick auf die Debatte, die wir heute Morgen geführt haben. Manches, liebe Kolleginnen und Kollegen, was Sie da auf der Seite produzieren, was ich als jemand, der relativ nahe bei Ihnen sitzt, manchmal auch zu hören bekomme, finde ich beschämend. Und ich sage Ihnen an dieser Stelle ganz deutlich: Es reicht! Und zwar mit einem „S“. Sie wissen, was ich meine und warum ich das so sage.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD - Dana Guth [AfD]: Hören Sie doch auf!)

Vielen Dank, Herr Bäumer. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, sodass ich die Beratung schließen kann und zur Ausschussüberweisung komme.

Herr Kollege Bäumer hat beantragt, mit der Federführung den Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen zu beauftragen. Gibt es dagegen einen Widerspruch? - Das sehe ich nicht. Dann werden wir so verfahren. Federführend soll der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen, mitberatend der Ausschuss für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz sein. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Dann haben Sie so beschlossen.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 7: Erste Beratung: Entwurf eines Informationsfreiheits- und

Transparenzgesetzes für Niedersachsen - Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/4843

Zur Einbringung erteile ich Herrn Limburg, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, das Wort. Bitte, Herr Limburg, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor rund zehn Jahren habe ich in diesem Hohen Hause das erste Mal zu einem Grünen-Gesetzentwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz geredet. In der vergangenen Wahlperiode hat dann der Kollege Belit Onay zu einem

entsprechenden Gesetzentwurf, diesmal aus einem Grünen-Ministerium, dem Justizministerium, gesprochen. Nun, im Jahr 2019, darf wieder ich einen Grünen-Gesetzentwurf vorlegen. Dazu

kommt noch, das soll nicht vergessen werden, dass der Kollegen Dr. Genthe in der vergangenen Legislaturperiode einen entsprechenden Gesetzentwurf der FDP-Fraktion eingebracht hat.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, so gerne ich zu den Themen Informationsfreiheit und Transparenz rede, würde ich mich doch sehr freuen, wenn wir in dieser Frage einmal zu einem echten Fortschritt, also zur Verabschiedung eines Informationsfreiheitsgesetzes in Niedersachsen, kommen würden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Als ich 2009 den damaligen Gesetzentwurf eingebracht habe, gab es außer Niedersachsen noch vier andere Bundesländer, die kein entsprechendes Gesetz hatten. Ich hatte damals vom Kartell der Amtsverschwiegenheit gesprochen. Mittlerweile ist aus diesem Kartell ein Trio geworden. Außer Niedersachsen haben lediglich Bayern und Sachsen ebenfalls keine entsprechenden Gesetze. Wenn Sie von SPD und CDU so weitermachen, dann wird Niedersachsen bald das letzte Land in Deutschland sein, das seinen Bürgerinnen und Bürgern den Zugang zu amtlichen Informationen vorenthält. Das letzte Land, das noch in Amtsverschwiegenheit und Herrschaftswissen verharrt, das kann es nicht sein. Das darf so nicht kommen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deswegen legen wir Ihnen heute diesen Gesetzentwurf vor. Zukünftig soll gelten, dass grundsätzlich jede und jeder ohne Angabe von konkreten Gründen, ohne Nennung eines konkreten Anlasses Zugang zu amtlichen Informationen und auch Informationen - das ist wichtig - von Unternehmen der öffentlichen Hand haben soll. Der Zugang zur Information soll nicht eine Art Gnadenakt sein, der ausnahmsweise gewährt wird, sondern er soll in einem freien demokratischen Rechtsstaat eine Selbstverständlichkeit sein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Natürlich sehen wir im Gesetzentwurf auch diverse Ausnahmen und Einschränkungen vor, z. B. zum Schutz von Sicherheitsbelangen, zum Schutz der Unabhängigkeit der Rechtsprechung und natürlich auch zum Schutz persönlicher Daten Dritter. Aber wichtig ist uns dabei, dass es bei all diesen Ausnahmen zu keiner Pauschalverweigerung des In

formationszuganges kommen darf. Es muss stets in den Fällen eine Abwägung zwischen den Sicherheitsbelangen oder auch den schutzbedürftigen Daten Dritter und dem Informationsinteresse stattfinden. Und wenn Informationen verweigert werden, dann darf dies nur solange und auch nur so weit geschehen, wie in der Tat diese anderen Interessen bestehen. Es müssen im Zweifel Teilinformationen herausgegeben oder Schwärzungen oder Ähnliches vorgenommen werden. Insgesamt muss gelten, liebe Kolleginnen und Kollegen: nur so viel Zurückhaltung von Informationen wie nötig, aber so viel Transparenz wie irgendwie möglich in diesem Land.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Unser Gesetzentwurf sieht die Möglichkeit vor - nicht die Pflicht, aber die Möglichkeit -, Gebühren zu erheben. Diese dürfen in keinem Fall so hoch bemessen sein, dass der Informationszugang tatsächlich eingeschränkt wird. Es gibt da einige Beispiele aus anderen Ländern bzw. aus dem Bundesinformationsfreiheitsgesetz, dass sozusagen durch einen hohen Gebührenbescheid de facto der Informationszugang behindert wird. Einfache Auskünfte müssen ebenso gebührenfrei sein wie Auskünfte an öffentliche Schulen oder Hochschulen. Wir meinen, Informationen zum Zwecke der Bildung dürfen nicht noch mit Gebühren belastet werden.

(Zustimmung von Christian Meyer [GRÜNE])

Im zweiten Teil des Gesetzentwurfes, der sich nur an die Landesregierung und die Landesbehörden und nicht an die Kommunen richtet, schlagen wir schließlich eine Auflistung von Dingen vor, die proaktiv veröffentlicht und ins Internet gestellt werden müssen. Die Auflistung enthält einiges, was jetzt schon an verschiedenen Stellen zu finden ist; sie geht aber auch darüber hinaus. Wichtig finden wir insbesondere, dass nicht nur Gesetze und Verordnungen, sondern auch Erlasse, die ja zur Auslegung und Anwendung von Gesetzen oft entscheidend sind, regelmäßig im Internet veröffentlicht werden. Das sollte in einem demokratischen Rechtsstaat selbstverständlich sein; denn nur dadurch können Bürgerinnen und Bürger ja tatsächlich den Hintergrund von Verwaltungshandeln und Verwaltungsentscheidungen nachvollziehen.

Aber auch öffentlich-rechtliche Verträge und Ähnliches müssen proaktiv veröffentlich werden. Transparenz über Verwaltungshandeln soll hier auf Landesebene selbstverständlich werden.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe es eingangs gesagt: Wir haben schon oft über dieses Thema gesprochen. Ich hoffe, dass die Beratung dieses Mal zu einem positiven, zu einem konstruktiven Abschluss kommen wird und dass wir schließlich in dieser Wahlperiode in Niedersachsen ein Informationsfreiheitsgesetz beschließen - entweder diesen Gesetzentwurf oder vielleicht auch einen eigenen der Großen Koalition oder einen Entwurf der FDP oder was auch immer, vielleicht einen gemeinsamen Entwurf. Jedenfalls finde ich es wichtig, dass wir in dieser Frage im Jahr 2019 endlich, endlich vorankommen. Transparenz und Informationszugang müssen ein

selbstverständliches Recht in Niedersachsen werden.

Bewegen Sie sich, liebe Große Koalition, bewegen Sie sich zu Transparenz und Informationsfreiheit, und lassen Sie es nicht zu, dass Niedersachsen Schlusslicht in Sachen offener Informationszugang bleibt!

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Vielen Dank. - Es spricht nun für die FDP-Fraktion Herr Kollege Dr. Genthe. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Viele Bürger haben ein berechtigtes Interesse, sich im Vorfeld politischer Entscheidungen zu informieren, um sich eine qualifizierte Meinung überhaupt erst bilden zu können. Die Verfasser des Grundgesetzes haben zu Recht in Artikel 5 unserer Verfassung formuliert, dass jeder sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert unterrichten darf.

Eine moderne Verwaltung sollte daher danach streben, die Zugänglichkeit zu Informationen, die Transparenz und damit auch die Akzeptanz von Verwaltungshandeln zu erhöhen. Auch die Politik im Übrigen sollte ein Interesse daran haben, dass Entscheidungsprozesse verstanden und am Ende auch von den Bürgerinnen und Bürgern akzeptiert werden.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE])

Meine Damen und Herren, bereits jetzt gibt es vielfältige Auskunfts- und Beteiligungsrechte der Bürger sowie Veröffentlichungspflichten von Behörden. Allerdings - der Kollege Limburg hat zu Recht darauf verwiesen - ist Niedersachsen eines von wenigen Bundesländern, die über kein Informationsfreiheitsgesetz verfügen. Aus diesem

Grund hat die FDP-Fraktion bereits 2013, also vor sechs Jahren, einen Gesetzentwurf zur Regelung der Informationsfreiheit in Niedersachsen zur Diskussion vorgelegt.

Zweck dieses Gesetzentwurfs war es, den freien Zugang zu den an verschiedenen Stellen vorhandenen Informationen zu gewährleisten. Es wurden die grundlegenden Voraussetzungen festgelegt, unter denen die entsprechenden Daten zugänglich gemacht werden sollten.

Der Gesetzentwurf sollte einen umfassenden Anspruch der Bürger und juristischen Personen auf Informationszugang gegenüber den Landesbehörden und gegenüber juristischen Personen begründen, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen oder dazu beliehen wurden.

Bei unserem Entwurf, meine Damen und Herren, sollten aber die Kommunen ausgenommen werden. Das ist bei dem nunmehr vorliegenden Entwurf der Grünen anders.

(Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE])

Selbstverständlich müssen in jedem Fall Gerichte, Strafverfolgungs- und Vollstreckungsbehörden

ausgenommen werden, soweit sie als Organe der Rechtspflege tätig geworden sind. Das ist im Entwurf der Grünen auch so vorgesehen. Spezielle Regelungen für den Verfassungsschutz sowie für den Landtag - auch das findet sich wieder - sind ebenfalls selbstverständlich.

Bedauerlicherweise kam es nicht zur Verabschiedung unseres Gesetzentwurfs. Ein solches Gesetz, meine Damen und Herren, ist aber auch nicht unkompliziert. Der Informationsanspruch kann nur unter Beachtung des Datenschutzes gewährt werden, und gleichzeitig sollte es nicht zu einem überbordenden Aufbau neuer Verwaltungsstrukturen kommen. Letzteres war insbesondere die Befürchtung der kommunalen Spitzenverbände. Diese werden diesen Entwurf der Grünen vermutlich in genau diese Richtung kritisieren. Allein die vorgesehenen Fristen für die Auskunftserteilungen in den §§ 7 und 8 des Entwurfes werden zwangsläufig zu mehr Personalkosten insbesondere bei den

kleineren Kommunen führen. Dagegen werden die anfallenden Gebühren in § 11 des Entwurfes - jedenfalls für meinen Geschmack - nicht konkret genug geregelt.