Protocol of the Session on October 23, 2019

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Birkner. - Das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Frau Kollegin Imke Byl. Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Nun ist es also so weit; nun ist es passiert: Nach fast zwei Jahren offensichtlich zäher interner Debatten legen SPD und CDU hier endlich einen Entwurf für ein Klimagesetz vor.

Ja, es ist gut, dass wir nun nicht mehr über das Ob streiten, sondern über das Wie.

Sehr geehrte Damen und Herren, das Problem ist aber: Wir haben hier einen erheblichen, einen riesigen Beratungsbedarf, wie ich feststelle, wenn ich mir diesen Entwurf anschaue. Denn der Klimavertrag von Paris - dieser Begriff ist oft gefallen - sollte Ihnen allen doch zu verstehen geben, dass er die Grundlage eines jeden gesetzlichen Handelns sein muss. Zur Erinnerung: Nicht wir Grünen haben ihn unterschrieben und ratifiziert, sondern es war eine Bundesregierung unter Kanzlerin Merkel, die zugesichert hat, dass wir alles dafür tun werden, um die Erderwärmung auf unter 2 °C, wenn möglich 1,5 °C zu begrenzen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn ich mir diesen Entwurf anschaue, kann ich es nicht anders sagen: Er wird dem Klimavertrag von Paris nicht einmal ansatzweise gerecht. Und ganz ehrlich: Ich habe mir diesen Entwurf ausgedruckt und einmal geblättert. Mein erster Eindruck war: Mist, mein Drucker ist kaputt; er hat mir nicht alles ausgedruckt.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN)

Aber nein; das ist wirklich alles, was Sie hier uns vorlegen. Man kann es ganz einfach zusammenfassen: sehr viel Prosa, ganz wenig Inhalt.

Vor dem ganzen Thema Landwirtschaft haben Sie sich einfach gedrückt. So ehrlich muss man doch sein! Niedersachsen ist aber Agrarland. Darauf können wir auch stolz sein. Das heißt aber auch, dass es für uns eine große Herausforderung sein wird, dort die Treibhausgasemissionen zu senken.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie lassen doch die Landwirtinnen und Landwirte im Regen oder viel eher in der Dürre ganz alleine stehen, statt ihnen zu helfen. Wie wollen Sie die Treibhausgasemissionen im Agrarbereich reduzieren? Wie wollen Sie die Trendwende erreichen und besonders kleine und mittlere Betriebe unterstützen? Kein Wort dazu! So geht das nicht!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch bei einem ganz anderen Sektor habe ich zuerst gedacht, dass er vielleicht auf irgendeinem Blatt steht, das mein Drucker nicht ausgedruckt hat. Aber nein; in Ihrem Gesetzentwurf steht tatsächlich nichts zum wirklich klimarelevanten Gebäudesektor. Es ist doch Wahnsinn, einen für den Klimaschutz so wichtigen Sektor komplett außen vor zu lassen und einfach zu vergessen!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Gerade im Gebäudesektor können derart viele Potenziale gehoben werden! Die Leute könnten von Klimaschutzmaßnahmen dort sogar noch profitieren. Wie das gehen kann, haben wir Ihnen gerade erst mit unserer Solarinitiative gezeigt und werden wir Ihnen in der heutigen Plenarsitzung noch einmal mit unserer Wärmeinitiative vorstellen. Das sind solide Vorschläge. Ich frage mich, wo denn Ihre Vorschläge bleiben. Stattdessen stecken Sie nur den Kopf in den Sand!

Im Haushaltsentwurf schichten Sie zwar ein paar Mittel im Bereich Klimaschutz um und nennen das Ganze ein bisschen anders, aber in der Tat erfolgt sogar eine Reduktion der Mittel. Das kann man mit den politischen Listen überhaupt nicht mehr auffangen. Statt mehr in den Klimaschutz zu investieren, kürzen Sie also sogar. Ich verstehe nicht, wie man das in Zeiten wie diesen machen kann. Stattdessen brauchen wir doch eine Klimaschutzoffensive, sehr geehrte Damen und Herren!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zu dem, was Sie alles betreiben, fällt mir nur ein Satz ein: Das ist feige! - Denn die Folgen Ihrer Arbeitsverweigerung sind Arbeitsplatzverluste wie aktuell zu Tausenden in der Windbranche. Das ist dramatisch.

Die Folge ist auch, dass eine junge Generation merkt, dass ihre Interessen und ihre Zukunft für SPD und CDU anscheinend deutlich weniger wert sind als die der Älteren. Das geht doch so nicht! Draußen stehen die jungen Leute und protestieren. Sie sind Ihnen anscheinend egal.

Die Folge ist eine Klimakrise, deren Auswirkungen wir nicht mehr kontrollieren werden können, und die Folge ist vor allen Dingen auch eine vertane Chance - eine vertane Chance für Niedersachsen.

(Eine Gruppe junger Besucherinnen und Besucher auf der Tribüne lässt ein Transparent von der Tribüne her- unterhängen)

Einen Moment, bitte, Frau Kollegin! - Ich darf darum bitten, das Transparent umgehend zu entfernen und die Tribüne zu verlassen. Das ist eine Missachtung des Parlaments! Das wird hier nicht geduldet.

(Die Gruppe lässt das Transparent weiter von der Tribüne hängen)

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Unterbrechung der Sitzung von 13.10 Uhr bis 13.11 Uhr - Das Transparent wird entfernt - Die Gruppe, die das Transparent entrollt hat, verlässt die Tribüne)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir setzen jetzt die Beratung fort. Bitte, Frau Byl, Sie haben das Wort.

Danke schön. - Offensichtlich sind die jungen Leute nicht nur draußen, sondern auch hier. Das war mir nicht bekannt.

(Zurufe: Nein, natürlich nicht! - Glocke der Präsidentin)

Die Folge dieses Nichtstuns, mit dem wir heute wieder konfrontiert werden, ist vor allem für Niedersachsen eine große vertane Chance, als Vorbild voranzugehen und zu zeigen, dass Klima

schutz machbar und sinnvoll ist, sehr geehrte Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Doch Sie machen Politik gegen den Willen der Menschen. Die Mehrheit will ambitionierten Klimaschutz. Sie will, dass wir jetzt handeln. Den Menschen in und um Fridays for Future gebührt in der Tat Dank. Auch ich möchte behaupten, dass das der Grund ist, weshalb uns überhaupt schlussendlich ein Entwurf der GroKo vorliegt.

Anscheinend haben es SPD und CDU immer noch nicht begriffen; denn wenn man den Entwurf mit dem vergleicht, was jetzt nötig wäre, kommt bei mir ein starker Verdacht auf, und zwar, dass Sie gar nicht regieren wollen. Regieren zu wollen, heißt, sich der Verantwortung - der Regierungsverantwortung! - zu stellen. Wenn Sie diese Verantwortung nicht tragen möchten, geben Sie sie gerne ab. Wir werden Sie nicht daran hindern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dann allerdings geben Sie sie bitte auch offiziell ab, damit wir nicht weiter kostbare Zeit verschwenden.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Nun erhält das Wort für die CDU-Fraktion Herr Kollege Bäumer. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst eine geschäftsordnungsmäßige Klärung: Es war vorgesehen, dass die Federführung für diesen Gesetzentwurf im Umweltausschuss und die Mitberatung im Rechtsausschuss liegt. Ich beantrage, das zu tauschen: Federführung im Rechtsausschuss, weil dort schon andere Gesetzentwürfe zu diesem Thema liegen - das wäre konsequent -, und Mitberatung durch den Umweltausschuss.

(Zustimmung von Wiard Siebels [SPD])

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Schriftsteller Helmut Hallier hat vor mehr als 15 Jahren ein Buch mit dem Titel geschrieben: „Mach langsam, wenn es schnell gehen soll“. Ich muss feststellen: Der Mann hat recht. Wer sein Ziel schnell erreichen will, der tut immer gut daran, sich gründlich vorzubereiten.

Genau das, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben CDU und SPD getan. Wir bringen heute das Ergebnis dieser gründlichen Vorarbeit in den Landtag ein. Der Klimaschutz kommt in die Verfassung, und Niedersachsen bekommt ein Klimaschutzgesetz.

Bei dieser Jahrhundertaufgabe - das sage ich ganz deutlich - kommt es auf ein paar wenige Wochen nicht an. Wer wie die Grünen im Leerlauf Vollgas gibt, der produziert außer ein paar Abgasen weiter nichts. Wer aber etwas erreichen will, muss die Menschen mitnehmen. Genau das tun wir mit diesem Gesetz.

(Beifall bei der CDU - Zuruf von Imke Byl [GRÜNE])

Wir, meine sehr geehrten Damen und Herren, sorgen dafür, dass Niedersachsen einen angemessenen Beitrag für den Schutz unserer Lebensgrundlagen leistet. Wir sorgen dafür, dass wir auf die Folgen des Klimawandels wie den Anstieg des Meeresspiegels und die Verschiebung der Klima- und Niederschlagszonen besser vorbereitet sind. Wir tun das mit Augenmaß, indem wir die Chancen für unsere Wirtschaft in dem Energieland Nummer eins in Deutschland sehen und sie zum Wohle aller Menschen in unserem Bundesland nachhaltig nutzen.

Anders, als einige Vorredner es dargestellt haben, werden wir mit diesem Klimaschutzgesetz einen klaren Rahmen setzen. Wir beschreiben sehr deutlich den Pfad, den wir bis zum Jahr 2050 gehen, und das Ziel, das wir bis dahin erreichen wollen. Wir wollen die Treibhausgasemissionen in Niedersachsen bis zum Jahr 2030 um 55 % und bis zum Jahr 2050 um mindestens 80 % reduzieren. Klar und deutlich steht das im Gesetzentwurf. Wir wollen bis zum Jahr 2050 die Landesverwaltung auf erneuerbare Energien umstellen. Auch das steht klar im Gesetzentwurf.

Das sind anspruchsvolle Ziele, aber sie sind erreichbar, wenn es uns gemeinsam gelingt, Energie effizienter zu nutzen und besser zu speichern. Da gibt es noch viel Potenzial, das wir heben müssen. Aber deutsche Ingenieure scheuen keine anspruchsvollen Aufgaben, sondern nur unklare Ziele.

Der deutsche Wald, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird bei dieser Zielerreichung eine wichtige Rolle spielen. Wir brauchen mehr Holz in den Wäldern und mehr Wälder in der Fläche. Im Sinne einer Kaskadennutzung müssen wir zukünf

tig vermehrt darauf achten, zunächst langlebige Produkte aus Holz herzustellen, bevor diese Produkte am Ende ihrer Nutzung vielleicht zur Energieerzeugung verbrannt werden.

Was den Bau von Holzhäusern angeht, sind unsere eigenen Vorschriften für diesen Ansatz manchmal hinderlich. Wir haben aber die Probleme erkannt und werden das mit der nächsten Novellierung der Bauordnung ändern. Dafür braucht es nicht nur Holz aus Laubwäldern, wir brauchen auch schnell wachsendes Nadelholz. Gerade für den Klimaschutz brauchen wir eine funktionierende Forstwirtschaft. Deshalb ist jeder Euro, den wir in Zukunft für die Aufforstung im Privat- oder Staatswald ausgeben, im Sinne des Klimaschutzes gut angelegtes Geld.