Protocol of the Session on September 12, 2019

Dieses Parlament hat 128 Abgeordnete, die sich in trauter Einigkeit hinter der völlig verfehlten Migrationspolitik der Kanzlerin versammeln. Damit müssten aus Niedersachsen mindestens 128 Anträge zu dem oben genannten Programm vorliegen. Das tun sie aber nicht. Bislang, meine Damen und Herren, liegen bundesweit insgesamt 25 Anträge vor. Das berichtet die WELT im August 2019. Das muss sich ändern, und zwar umgehend.

Die Evangelische Kirche hat 20 000 Pfarrer; die CDU und die SPD haben zusammen ca. 1 Million Mitglieder, die Grünen 65 000, die FDP 64 000. Das macht insgesamt 1,149 Millionen potenzielle Helfer. Keine Sorge: Die, die sich eine persönliche finanzielle Hilfestellung nicht leisten können, erhalten sogar Darlehen von der Evangelischen Kirche.

Worum geht es also? Im NesT gibt es sogenannte Mentoren. Diese finden sich in Gruppen zu mindestens fünf Teilnehmern zusammen. Man stellt auf eigene Kosten eine Wohnung für zwei Jahre oder räumt ein Wohnrecht ein. Man unterstützt bei Behördengängen, Anmeldungen, Spracherwerb etc. Man errichtet ein Konto, auf welches sofort 2 500 Euro bei Einzelpersonen oder 5 000 Euro bei Familien einzuzahlen sind. Und wenn allen behördlichen Auflagen Genüge getan ist, dann steht der Aufnahme der Resettlement-Umsiedler nichts mehr im Wege. Das dürfte doch für Sie kein

Problem sein! Fünf Abgeordnete teilen sich die Kaltmiete für zwei Jahre und helfen bei Behördengängen. Ich sehe hier bei Ihnen das Potenzial für 25 Mentorengruppen.

Was sind die Folgen? Die Umsiedler erhalten sofort den Aufenthaltsstatus für drei Jahre, danach den Antrag auf unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Nebenkosten, Kosten für Lebenshaltung und medizinische Versorgung, Mietkaution, Kosten der Wohnungseinrichtung trägt die Gemeinschaft. - Wer wurde gefragt, ob er das möchte?

Asylanträge müssen nicht gestellt werden; der Status steht fest. Anträge auf Familiennachzug müssen nicht gestellt werden. Denn - ich zitiere - Anträge auf Nachzug der Kernfamilie sind in der Regel nicht erforderlich, da grundsätzlich die Kernfamilie neu angesiedelt wird.

Zitat: Alle Maßnahmen und Unterstützungsangebote haben sich an den Interessen und Fähigkeiten der Flüchtlinge zu orientieren. Ob die Angebote angenommen werden, ist ausschließlich die alleinige Entscheidung der Flüchtlinge.

Sprach- und Integrationskurse, Ausbildungs- und Arbeitsplätze - alleinige Entscheidung der Flüchtlinge. Das erklären Sie mal deutschen Hartz-IVEmpfängern!

(Beifall bei der AfD)

Das NesT-Programm, meine Damen und Herren, ist der Gradmesser, der Punkt, an dem Sie sich von wohlfeilen Anträgen - siehe auch Tagesordnungspunkt 44: „Sicherer Hafen Niedersachsen“ mit Formulierungen wie „wir sollen“ oder „wir müssen“ - verabschieden müssen. Wer ist „wir“? - „Wir“ sind nach Ihrem Verständnis die Menschen in diesem Land, die ehrenamtlichen Helfer vor Ort, die Mitarbeiter in den Behörden, Lehrer, Erzieher, Ärzte, Sozialarbeiter. „Wir“, das ist auch die Gesellschaft, die ungefragt für Ihre Politik vollumfänglich zur Kasse gebeten wird.

„Wir“, meine Damen und Herren, das sind auch Sie. Jeder von Ihnen, der sich diesem Programm nicht anschließt, führt seine eigenen Beiträge und Abstimmungen in diesem Plenum ad absurdum. Jeder von Ihnen, der nicht zu einem Mentor wird - „keine Zeit“ gilt im Übrigen nicht; denn jedes Team hat ja fünf Mitglieder -, beweist, dass er selbst die Opferbereitschaft, die Sie von jedem Menschen in diesem Land fordern, nicht aufbringt.

Also, wohlan: Bauen Sie Nester! Gehen Sie mit einem Beispiel voran, und unterstützen Sie das NesT-Programm!

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank. - Für die Fraktion der SPD hat sich nun die Kollegin Doris Schröder-Köpf zu Wort gemeldet. Bitte sehr!

(Beifall bei der SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! „Taten statt Worte - Nestbau in Niedersachsen voranbringen“, das hört sich erst einmal positiv und freundlich an. Doch bei Anträgen oder Aktuellen Stunden von Rechtsextremen ist völlig klar:

(Zurufe von der AfD: Ah! - Dana Guth [AfD]: Respektvoll!)

Egal, was drauf oder drüber steht - es ist immer Rassismus, Islamhass oder Hetze gegen Geflüchtete drin.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Aber auch dieses Mal, Frau Guth - bleiben Sie lieber bei Landwirtschaftsthemen! -,

(Christian Meyer [GRÜNE]: Nein, da kommt auch nichts!)

werden Sie das Gegenteil von dem erreichen, was Sie eigentlich wollten.

„Ich bin ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft.“ Das sagt Mephisto in Vers 1336 in Faust I. Was also erreichen Sie Gutes mit dieser Aktuellen Stunde?

(Dana Guth [AfD]: Dass Sie sich be- teiligen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die AfDFraktion ermöglicht es mir, einem guten Projekt öffentliche Aufmerksamkeit zu verschaffen, die es bisher wegen der Kürze der Laufzeit gar nicht gab. Im Mai ist das Programm gestartet, und im Juli wurden die ersten Erlaubnisse erteilt. Im Oktober treffen die ersten Geflüchteten ein.

Worum geht es also bei „NesT - Neustart im Team“? Es ist ein Gemeinschaftsprojekt von Bundesinnenministerium, meiner Kollegin, der Bun

desbeauftragten für Migration, dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, Wohlfahrtsverbänden, Stiftungen und Kirchen.

Das Pilotprogramm sieht vor, dass erst einmal 500 besonders schutzbedürftige Personen im Rahmen des Resettlements unter eigens gestalteten Regeln nach Deutschland kommen dürfen. 500 dürfen! Es geht um Menschen, die schon lange in Flüchtlingslagern in Drittstaaten ausharren müssen und dort nicht gut aufgehoben sind, etwa allein reisende Frauen mit Kindern, kranke Menschen, Traumatisierte. Nur zur Erinnerung: Wir reden über Menschen, die seit Monaten oder gar Jahren in Camps sind. Im Flüchtlingscamp in Moria auf Lesbos etwa harren derzeit mehr als 10 000 Menschen auf einem Platz aus, der nur für 3 000 ausgelegt ist.

Wie funktioniert NesT? Eine Gruppe aus mindestens fünf Menschen - eine Kirchengemeinde, ein Verein - meldet nach reiflicher Überlegung ihre Bereitschaft, sich um eine Geflüchtete oder einen Geflüchteten kümmern zu wollen. Sie haben bereits eine preiswerte Wohnung für die Person gefunden. Sie melden sich bei der eigens geschaffenen Zivilgesellschaftlichen Kontaktstelle - kurz ZKS genannt. Nach Angaben der ZKS warten trotz der kurzen bisherigen Laufzeit des Programms bereits 30 Teams - die Zahl ist übrigens von gestern - ungeduldig und gut vorbreitet auf ihre Flüchtlinge - was man von Ihnen jetzt so nicht sagen kann.

(Heiterkeit und lebhafter Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der FDP sowie Zustimmung bei der CDU)

Die Auswahl erfolgt durch den UNHCR. Über die Anträge auf Mentorenschaft entscheidet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Rechtsgrundlage ist § 23 Abs. 4 des Aufenthaltsgesetzes. Ein Asylverfahren ist nicht nötig. Der Aufenthaltstitel und die Arbeitserlaubnis gelten zunächst für drei Jahre.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, was macht nun das Besondere von NesT aus? Die Mentorengruppen verpflichten sich schon vor Eintreffen ihrer Ankommenden, sie in Deutschland zu begleiten und zu unterstützen; Staat und Zivilgesellschaft arbeiten von Anfang an Hand in Hand zusammen; die Mentoren übernehmen für zwei Jahre die Kaltmiete und müssen sich übrigens auch in einem eintägigen Kurs vorbereiten.

Es ist ein Experiment, das es nicht verdient hat, von Ihnen schlechtgeredet zu werden. Mein Gott, was stört Sie eigentlich daran, wenn Menschen Gutes tun wollen?

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Sehr geehrte Damen und Herren, trotz Hass und Häme der Rechtsradikalen haben sich nach Auskünften des Bundesfamilienministeriums seit dem Jahr 2015 55 % der Deutschen über 16 Jahre für Geflüchtete eingesetzt - mit viel Herz, aber übrigens auch mit der Hand am eigenen Geldbeutel. Sie kriegen dieses Engagement nicht kleingeredet. Sie schaffen das nicht!

(Beifall bei der SPD sowie Zustim- mung bei der CDU - Dana Guth [AfD]: Das tun wir gar nicht!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der amerikanische Schriftsteller Henry Louis Mencken hat einmal gesagt: Zyniker sind Menschen, die nach dem Sarg Ausschau halten, wenn sie Blumen sehen. - Sie von der AfD haben sich für die dunkle Seite entschieden, für Zynismus, für Hass, Häme und Hetze. Aber Sie werden nicht gewinnen. Die allermeisten Menschen zieht es nämlich zum Guten hin, zum Hellen und zum Helfen.

Gestatten Sie mir einen ganz persönlichen Schluss - auch das ist eine schöne Folge dieses Antrags zur Aktuellen Stunde: Egal, wie viele Finanzmittel Ihre Spender für Framing, für Rechtsdesign und für Begriffebesetzen zur Verfügung stellen: Sie werden mir die Freude am Himmelblau und an den Kornblumen nicht nehmen und den Niedersachsen ganz gewiss nicht die Freude am Helfen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Starker, lang anhaltender Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜ- NEN und bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schröder-Köpf.

Es gab hier im Präsidium eben eine kurze Diskussion darüber, ob der Begriff „Rechtsextreme“ eines Ordnungsrufes würdig sei oder nicht. Ich persönlich kann das so nicht erkennen; es steht aber allen frei, das gegebenenfalls an geeigneter Stelle, im Ältestenrat, zur Sprache zu bringen.

Es hat sich nun für die Fraktion der FDP der Kollege Dr. Genthe gemeldet. Bitte schön!

Herr Präsident! Es ist alles gesagt; ich ziehe die Wortmeldung zurück.

(Lebhafter Beifall bei der FDP, bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜ- NEN)

Herzlichen Dank. Großer Beifall für diese Wortmeldung.

Mir liegt noch eine Wortmeldung vor, und zwar die der Landesregierung von Frau Ministerin Dr. Reimann. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst für die Landesregierung vorwegstellen: Niedersachsen ist ein weltoffenes Land, das sich zu seiner Vielfalt bekennt. Wir stehen in einer Tradition der Einwanderung. Das zeigt sich auch an der Einstellung der Menschen in unserem Land. Die Menschen in Niedersachsen begegnen sowohl dem Fremden als auch den Fremden mit Respekt und Toleranz, und sie haben keine Angst vor Vielfalt - anders als es kleine Gruppen hier im Parlament haben.

(Beifall bei der SPD)

Die Bereitschaft zu solidarischem Handeln ist bei uns in Niedersachsen sehr ausgeprägt. Das ist auch gut so.