Wir haben dann zusammen mit der FDP einen Antrag mit den vielen notwendigen Änderungen formuliert. Heute liegt uns ein Entwurf der GroKo vor, der, wie gesagt, im Ausschuss nicht mehr diskutiert werden konnte, weil er erst kurz vor der Sitzung übermittelt wurde.
Vielleicht deswegen kommen wir zu ein bisschen unterschiedlichen Einschätzungen. Wir Grüne werden uns zu diesem Entwurf enthalten. Wir sehen schon, dass in ihm sehr viele Punkte angesprochen sind, die auch unser gemeinsamer Antrag mit der FDP enthielt.
Wenn man bedenkt, dass wir von einer Debatte kamen, in der vonseiten des Ministeriums nur gesagt wurde, man wolle mit einer Videoüberwachung durch die Betriebe selbst reagieren, dann muss man wirklich von einem großen Fortschritt sprechen. Das ist richtig. Aber angesichts der gravierenden Verstöße gegen das Tierschutzrecht, die in der Anhörung zur Sprache kamen und die in Form bewegter Bilder öffentlich wurden, reicht die Beschlussempfehlung aus unserer Sicht nicht wirklich aus.
Ein zentraler Punkt unseres gemeinsamen Antrags mit der FDP-Fraktion war das Verbot der Akkordarbeit; denn wir sagen, dass man unter Zeitdruck nicht tierschutzgerecht schlachten kann.
In dem Antrag der GroKo ist nun formuliert, dass die Akkordarbeit nur für den Bereich der Betäubung und des Tötens verboten werden soll. Das klingt erst einmal sinnvoll. Aber wir haben in der Anhörung gehört, dass in den Schlachtbetrieben ein immenser Gruppendruck herrscht. Wenn vorne im Bereich der Betäubung und des Tötens langsam gemacht wird, wird hinten am Zerlegefließband weniger Geld verdient. Und wenn man dann bedenkt, dass die Menschen zusammen untergebracht sind und in denselben Zimmern übernachten: Da wird sich niemand diesem Gruppendruck entziehen können und wirklich langsam und sorgsam arbeiten. Wir haben sogar gehört, dass die Kontrolleurinnen und Kontrolleure nicht nur unter Druck gesetzt werden, sondern sich regelrecht bedroht fühlten.
Ich komme auf einen weiteren Punkt zu sprechen, der sich in dem Antrag der GroKo ebenfalls nicht wiederfindet, und zwar auf die Übertragung der Zuständigkeit von den Kommunen auf das Land.
Wir lesen zu den unterschiedlichsten Themen aus dem Zuständigkeitsbereich der Veterinärämter immer wieder, dass die Kommunen die Erfüllung dieser Aufgabe im Moment nicht gewährleisten können. Deswegen halten wir daran fest, dass das auf Landesebene erfolgen muss. Daran, dass es unangekündigte Schwerpunktkontrollen der Veterinärämter zusammen mit dem LAVES gibt, sieht man ja, dass das Land es den Kommunen anscheinend auch nicht mehr zutraut, das alleine hinzubekommen. Deswegen sollten man den konsequenten Schritt wagen und diese Übertragung zumindest überprüfen.
Ansonsten finden sich in dem Antrag der GroKo viele Appelle und Selbstverständlichkeiten: Runde Tische, Schulungen, die Forderung nach kontinuierlicher und nachhaltiger Fachaufsicht. Eigentlich ist es eine Ohrfeige, wenn man fordern muss, dass die Aufsicht ausgeübt wird. Gleiches gilt auch für die Forderung an den Bund, einheitliche Anforderungen an die Verifizierung der Einhaltung von Vorschriften zu formulieren. Gerade im Bereich des Schlachtens gibt es unterschiedliche Gesetze und Verordnungen. Die Aufsichtsbehörden sind zuständig. Da muss man den Bund doch nicht noch bitten, etwas Einheitliches herauszugeben, weil man nicht weiß, wie man überprüfen soll. Das kann nicht sein.
Ich finde es grundsätzlich gut, dass in den Antrag der GroKo Themen wie die Arbeitssituation des Personals aufgenommen worden sind. Das betrifft die Menschen aus Rumänien und sonst woher, die hier unter sehr schlechten Bedingungen arbeiten und wohnen müssen. Aber dass ein Runder Tisch mit der Schlachtindustrie den Durchbruch bringen wird, wage ich zu bezweifeln.
Wir haben das heute ja schon im Zusammenhang mit den Labeln behandelt: Ich glaube, mit Freiwilligkeit kommt man da nicht weiter. Die Kommunen müssen die Möglichkeiten nutzen und scharf kontrollieren. Sie haben die Aufsicht über die Wohnunterkünfte und Sammelunterkünfte. Sie könnten auf menschenunwürdige und gesundheitsgefährdende Zustände hin kontrollieren. Das Land müsste das Wohnraumgesetz verschärfen.
Beim Thema Tiertransporte fordern Sie eine Verschärfung des Bußgeldkatalogs, obwohl im Moment so gut wie keine Bußgelder verhängt werden und Niedersachsen das Schlupfloch für die langen Tiertransporte ist, die andere Bundesländer verhindern wollen. Das ist überhaupt nicht glaubwürdig.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Frau Staudte, mit Verlaub: Ihr Verhalten ist für mich absolut bedauerlich. Ich finde auch keine Erklärung dafür. Wir hatten in den verschiedenen Ausschusssitzungen sehr konstruktive Diskussionen. Ihre Versuche, die Enthaltung, die Sie angekündigt haben, zu erklären, wirken auf mich ein bisschen hilflos. Sie ziehen einzelne Forderungen heraus und bemängeln deren Wirksamkeit. Aber es ist doch klar, dass man immer nur mit einem gesamten Strauß von Maßnahmen etwas erreichen kann, wenn man zu Verbesserungen kommen will.
Meine Damen und Herren, Tierquälereien, Ausbeutung von Werksvertragsarbeitern, an Tuberkulose erkrankte Arbeiter - seit Monaten produziert die Schlachthofbranche in Niedersachsen Negativschlagzeilen. 755 Millionen Nutztiere werden jährlich in Deutschland geschlachtet. Das bedeutet Verantwortung, und das muss Ansporn sein, die Prozesskette vom Verladen der Tiere auf dem landwirtschaftlichen Betrieb über den Transport bis zur Schlachtung permanent zu analysieren und zu verbessern - permanent! Es darf mit so einem Antrag auch nicht zu Ende sein.
Bilder aus den Schlachthöfen in Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg stellten in der Vergangenheit negative Beispiele dar, die sich niemand wünscht. Deshalb müssen wir handeln. Die Erkenntnislage ist vielfältig. Es wurde schon gesagt: Die Auseinandersetzung der politischen Gremien mit der Situation war und ist intensiv. Anhörungen, Unterrichtungen und der Kontakt mit den Praktikern aller beteiligten Bereiche gaben uns tiefe Einblicke in die praktizierten Abläufe.
Deutlich spürbar ist aber immer wieder und an allen Stellen die Bereitschaft zur Veränderung. Dabei gilt es, verschiedene Aspekte zu betrachten. Der eine Aspekt betrifft das Tierwohl. Ein anderer Aspekt, der besonders wichtig ist - vielen Dank an Hermann Grupe -, sind die Arbeits- und Lebensbedingungen des eingesetzten Personals. Ich persönlich bin zutiefst davon überzeugt, dass beides unmittelbar miteinander zusammenhängt: Die Arbeit in den Schlachtbetrieben ist anstrengend und monoton, und daher sorgt eine menschenwürdige Behandlung der Angestellten meiner Auffassung nach auch für eine bessere Einhaltung des Tierschutzes.
Konkret soll das dadurch erreicht werden, dass z. B. - Sie haben es angesprochen - die Betäubung und das Töten von Tieren vom weiteren Schlachtvorgang und der Zerlegung entkoppelt werden. Das ist ein erster Baustein. Akkordarbeit in Schlachthöfen darf nur noch zulässig sein, wenn sichergestellt ist, dass der Tod des Schlachttieres eingetreten ist. Eine Mindestwartezeit - auch das ist Bestandteil des Antrags - zwischen dem Entblutungsschnitt und der weiteren Schlachtung wird festgelegt werden. Akkordarbeit verursacht Druck; Druck verursacht Stress, der wirkt auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Was wurde bisher getan? - Unsere Ministerin handelte. Daher auch von unserer Seite ein herzlichen Dank an die Landwirtschaftsministerin! Ein Dank geht aber gleichzeitig auch an das Wirtschaftsministerium, weil die gesamte Arbeitsprozesskette ministeriumsübergreifend zu betrachten ist.
Die Ministerin handelte. Es gibt gemeinsame unangekündigte Schwerpunktkontrollen der kommunalen Veterinärbehörden - Sie haben es angesprochen - und der landesweiten Zulassungsbehörde zur Überprüfung der Einhaltung tierschutzrechtlicher Vorgaben in niedersächsischen Schlachtbetrieben.
Es wurde eine Arbeitsgruppe aus Vertretern des Landwirtschaftsministeriums, der kommunalen Spitzenverbände und des Niedersächsischen Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zur weiteren Verbesserung der amtlichen Tierschutzkontrollen eingerichtet. Uns muss doch klar sein, dass uns nur eine gemeinsame Arbeit von allen Beteiligten weiterbringt.
Was ist dabei herausgekommen? - Das zeigt, wie wichtig die Einrichtung dieser Arbeitsgruppe war: Bei unangekündigten Kontrollen niedersächsischer Schlachthöfe sind weitere Mängel entdeckt worden. 14 von 18 kontrollierten Betrieben wiesen Mängel auf, teilte das Landwirtschaftsministerium Anfang des Jahres mit. Das ist nicht hinnehmbar. Daran wird weiterhin intensiv gearbeitet.
Als technische Mängel seien etwa Wartungsmängel bei den Bolzenschussapparaten oder nicht geeignete Fixationseinrichtungen beanstandet worden, heißt es. Die Abstellung dieser Mängel werde jetzt von den kommunalen Überwachungsbehörden veranlasst und überwacht. Das ist ein ganz wichtiger Punkt in dieser Prozesskette, an dem man auch schon dran ist. Hermann Grupe hat es gesagt: Man kann wirklich nur Danke sagen, dass das Ministerium, die Ministerin mit ihrem Team unabhängig von diesem Antrag sofort tätig geworden sind.
Die freiwillige Kameraüberwachung wurde zwischen Vertretern von Fleischwirtschaft, Handelsverbänden und kommunalen Veterinärbehörden vereinbart. Auf Betreiben der Landesregierung gibt es eine Bundesratsinitiative. Das wissen wir alle.
Wir wollen, dass es genügend tierärztliches Personal gibt, um die Einhaltung der Vorschriften zu überwachen, und viele Dinge mehr, die Teil dieses Antrags sind. Wir wollen natürlich Schulungen - sie sind sehr wichtig -, damit in Zukunft Fehler vermieden werden können.
Was uns besonders gut gefällt, ist der Weg, den die Goldschmaus-Gruppe mit der Festanstellung der osteuropäischen Werkvertragsarbeiter im Kerngeschäft jetzt geht. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt. Das ist in ihren Kundenaudits sehr positiv aufgenommen worden. Das ist ein gutes Zeichen, an dem wir sehen: Auch der Einzelhandel unterstützt das und hält das für wichtig.
Die Herausforderung ist erkannt. Das Thema steht im Fokus. Eigentlich herrscht über die Aufgabenstellung Einigkeit. Ich will an der Stelle - im übertragenen Sinne - sagen: Jetzt muss Butter bei die Fische! - Wir wollen das gerne machen.
Vielen Dank, Kollegin Logemann. - Zu Wort gemeldet hat sich der Kollege Helmut DammannTamke für die CDU-Fraktion.
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Tierschutzverstöße an unseren Schlachthöfen sind nicht hinnehmbar.
Ich bin sehr froh, dass wir das heute in einer sehr sachlichen Atmosphäre hier debattieren, dass wir im Ausschuss über die Anhörung zu weitgehend einvernehmlichen Lösungen gekommen sind und dass wir hier - vermutlich bei Enthaltung durch die Grünen - heute den Änderungsvorschlag, den die Regierungsfraktionen eingebracht haben, verabschieden werden.
Aber seit der Einbringung des Ursprungsantrags durch Grüne und FDP ist ja ein weiterer Fall hinzugekommen, nämlich der sogenannte Schlachthofskandal in Düdenbüttel bei Stade. Videotechnik hat dort nach meiner subjektiven Wahrnehmung eindeutige Tierschutzverstöße aufgedeckt. Es bleibt den weiteren staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen vorbehalten, hierzu die weiteren Schritte einzuleiten.
Wir haben für unseren Änderungsvorschlag den Titel „Arbeitnehmerschutz und Tierschutz in Schlachthöfen verbessern - System ganzheitlich denken“ gewählt. Ich werde in meinen Ausführungen ganz wesentlich auf diesen ganzheitlichen Ansatz abzielen. Wir haben seitens der Regierungsfraktionen den Themenblock „Arbeitnehmer, Arbeitnehmerunterbringung, Arbeitnehmerbeschäftigung über Subunternehmer“ aufgeführt - vollkommen zu Recht. Aber in meinen Augen geht dieses Thema ja sehr viel weiter.
Unsere Gesellschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten zu arbeitsteiligen Produktionsprozessen in unseren Wirtschaftssystemen verändert, und das hat auch vor der Landwirtschaft nicht haltgemacht. Wie selbstverständlich gehen uns heute Begrifflichkeiten wie „industrielle Tierhaltung“ oder „Massentierhaltung“ über die Lippen. Parallel dazu haben wir in den letzten Jahrzehnten das Thema Tierschutz in unser Grundgesetz aufgenommen. Allein an diesen Begrifflichkeiten sehen wir, dass sich hier zwei Stränge in vollkommen unterschiedliche Richtungen entwickelt haben.
Um die Wertigkeit des Tierschutzes noch einmal auf den Punkt zu bringen: Viele, die voller Abscheu und zu Recht auf diese Skandale in den Schlachthöfen und in der Landwirtschaft schauen, tun dies aus der Perspektive heraus, bei dem ihr Kontakt zu Tieren in der Regel über ihre Haustiere - ihre Hunde oder ihre Katzen - in ihren Wohnungen besteht. Zum Teil halten diese Menschen Tiere, und manchmal haben diese Tiere in der häuslichen Gemeinschaft sogar den Stellenwert von Ersatzfamilienmitgliedern.
Im totalen Gegensatz dazu steht - darin stimmen wir hier, glaube ich, überein -, dass unser Lebensmitteleinzelhandel nach wie vor das Lebensmittel Fleisch einzig und allein über den Preis bewirbt. Ob Sie sich einen Fernsehwerbespot anschauen, ob Sie einen Radiowerbespot hören oder ob Sie in die Beilagen des Lebensmitteleinzelhandels in den Anzeigenblättern schauen: Das Lebensmittel Fleisch ist nach wie vor das Lockmittel schlechthin, um Verbraucher in die Supermärkte zu holen.
Gleichzeitig wundern wir uns, dass ein Wirtschaftssystem, das so auf Effizienz, so auf das Merkmal Preis getrimmt ist, leider zu den Auswüchsen führt, die wir alle in diesen Bereichen beklagen. Die Schlachthöfe setzen das unter diesem wirtschaftlichen Druck um. Man sollte nicht glauben, dass dieser wirtschaftliche Druck im Öko- oder Biobereich definitiv anders aussieht; denn einige der Schlachthöfe, die hier in den Fokus geraten sind, hatten u. a. auch eine Zulassung für den Öko- bzw. Biobereich.
Wir haben hier einen ganzen Katalog von Forderungen auf den Weg gebracht, die alle richtig sind, die alle im Einzelnen ihren Beitrag leisten werden, damit das Risiko, dass wir in Zukunft solche Tierschutzverstöße an unseren Schlachthöfen zur Kenntnis nehmen müssen, minimieren wird. Aber wir sollten heute bei der Verabschiedung dieses Entschließungsantrags nicht so naiv sein, davon auszugehen, dass wir uns in einer wie auch immer gearteten Sicherheit dahin gehend wiegen können, dass wir in Zukunft von solchen Bildern verschont bleiben werden;
denn wir brauchen ein Umdenken in den Köpfen aller an diesem Wirtschaftsprozess Beteiligten - bis hin zum Konsumenten.