Protocol of the Session on June 19, 2019

(Unruhe)

- Ich lese gleich wieder vor, welche Tagesordnungspunkte wir hier gemeinsam aufrufen, und bitte an dieser Stelle um etwas Ruhe. - Das gilt auch für die Kollegen PGF. - Vielen Dank, die Herren.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 21: Abschließende Beratung: a) HVV stärken - Nahverkehr im Hamburger Umland vernetzen und ausbauen - Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU - Drs. 18/2031 - b) HVV-Qualitätsoffensive - Nahverkehr im Hamburger Umland stärken, optimieren, vernetzen und ausbauen - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/2577 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirt

schaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung - Drs. 18/3953

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, die Anträge in geänderter Fassung anzunehmen.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Wir steigen in die Beratung ein. Als erste Wortmeldung liegt eine Wortmeldung des Abgeordneten Heiner Schönecke, CDU-Fraktion, vor. Bitte schön, Herr Schönecke!

(Beifall bei der CDU)

Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! „HVV stärken - Nahverkehr im Hamburger Umland vernetzen und ausbauen“: Ich meine, man braucht keine prophetischen Gaben zu haben, um vorauszusagen, dass wir über diesen Antrag heute am Ende in der zweiten Lesung positiv abstimmen werden. Das ist auch korrekt, nötig und folgerichtig; denn es geht immerhin um 20 % der Niedersachsen, die ab 2019 den HVV nutzen können. Die Landkreise Cuxhaven, Rotenburg (Wümme), Heidekreis und Uelzen sowie Teile des Landkreises Lüchow-Dannenberg, die dazukommen, freuen sich darauf.

Der HVV ist eine länderübergreifende Erfolgsgeschichte. Dass man heute mit einem Fahrschein vom Hamburger Jungfernstieg bis zur Nordseeküste und von Soltau bis nach Pinneberg fahren kann, bedeutet auch eine wesentliche finanzielle Entlastung für die Pendler. An dieser Erfolgsgeschichte schreibt unser Verkehrsminister Dr. Bernd Althusmann nicht nur mit, sondern er arbeitet auch täglich daran. Er kennt die Sorgen und Nöte unserer Pendler. Wir finden das gut.

(Beifall bei der CDU)

Besonders im engeren südlichen Bereich rund um Hamburg ist der Erfolg auf den Schienenstrecken ganz besonders an den Steigerungen der Pendlerzahlen zwischen 2005 und 2017 festzumachen. Diese Zahlen sind vorzeigbar. Es sind stolze Zahlen - z. B. eine Steigerung von 14 000 auf 27 000 zwischen Buchholz und Hamburg.

(André Bock [CDU]: Winsen!)

- Und Winsen, Herr Kollege Bock. Da sind die Zahlen von 16 000 auf 27 000 gestiegen; auch eine Erfolgsgeschichte. - Das ist die positive Seite der Medaille.

Auf der anderen Seite kommen der Zugverkehr und auch unser ÖPNV an die Leistungsgrenze. Wer erinnert sich nicht an die Vielzahl der Schreckensmeldungen in den letzten Jahren für die Pendler, die chaotischen Szenen auf dem Hamburger Hauptbahnhof und die Vollsperrungen unserer S-Bahn? Daran waren eben nicht nur die Frühjahrsstürme und Herbststürme schuld, sondern - und das trifft uns im Grunde genommen alle - ein gigantischer Investitionsstau über Jahrzehnte.

Meine Damen und Herren, leider wird dieser Ärger weitergehen. Deshalb ist es gut und richtig, dass dieses Parlament sich zum ersten Mal mit der HVV-Problematik auseinandersetzt. Wir Niedersachsen stellen die Ampeln also auf Grün. Wir schieben dort an, wo wir zuständig und verantwortlich sind.

Wir müssen unsere Bahnhöfe fit machen, damit der Leidensdruck der Reisenden nicht noch größer wird. Die vorhandenen Studien über den Harburger Knoten und den Ausbau des Hamburger Hauptbahnhofs liegen ja vor. Wenn der Erste Bürgermeister von Hamburg, Herr Tschentscher, ankündigt, dass sein Hamburger Hauptbahnhof umgebaut werden soll, hat er ja recht. Nur: Wann?

Als ich am 14. Juni dieses Jahres um 16.30 Uhr die Bahnsteige im Hamburger Hauptbahnhof wechselte, habe ich gedacht: Das sind hier ja wohl indische Verhältnisse. - Wenn man oben steht und mit der Rolltreppe herunter zum S-Bahn-Bahnsteig fahren will, bekommt man das Zeichen, man solle lieber nicht mehr herunterfahren, weil es zu voll ist. In die S-Bahn, die über Neugraben und Buxtehude weiter in Richtung Stade fährt, kommt niemand mehr hinein, weil sie zu voll ist, sodass die Türen nicht zugehen. Da müssen wir uns fragen: Was müssen wir besser machen? Alleine die Türen zu schließen, ist das eine. Indische Verhältnisse möchte keiner auf den Bahnhöfen haben.

Liebe Freunde, es ist an Hilflosigkeit nicht zu überbieten, wenn man dann in den Schlagzeilen der Hamburger Presse liest, dass der neue Verkehrssenator Westhagemann sagt, er möchte doch am liebsten Millionenstrafen verhängen. Da sagt man sich: Regieren heißt aber auch, dass man etwas machen muss.

Da ist unser Antrag, der heute zur Beschlussfassung ansteht, sicherlich hilfreich. Für diese Hilfestellung ist der rot-grüne Salat - nein, Senat in Hamburg - - -

(Heiterkeit und Beifall)

- Habe ich das wirklich so gewollt?

Herr Kollege Schönecke, das war ein Versprecher.

Es ist also - - -

(Anja Piel [GRÜNE]: Der rot-grüne Salat! - Christian Meyer [GRÜNE]: Bald ist da auch mehr Grün drin!)

Warten Sie ganz kurz, Herr Kollege Schönecke, bis sich alle wieder beruhigt haben.

Ich fand die Reaktion gut, Frau Präsidentin.

Ja, ich fand es auch nicht schlimm. Solche Versprecher kommen vor.

(Anja Piel [GRÜNE]: Er isst auch Ge- müse! Dann ist alles gut!)

Daher sind wir alle dafür, dass wir einen funktionierenden SPNV schaffen, weil wir ihn brauchen. Die 15 Punkte der Beschlussempfehlung sollen dazu beitragen, dass es hier zu einer Verbesserung kommt.

Es beginnt mit der erneuten Überprüfung z. B. der Frage, ob das System S-Bahn denn nicht auch auf niedersächsischem Gebiet weiter ausgebaut werden kann. Natürlich weiß ich, dass viele sagen, das sei gegebenenfalls zu teuer.

Aber alle anderen Punkte betreffen natürlich auch die Dinge, die wir heute machen sollten. Warum muss der Metronom heute im Hamburger Hauptbahnhof stehen und die Gleise als Parkplatz nutzen? Warum fahren diese Züge nicht weiter bis nach Schleswig-Holstein hinein?

Ich glaube, dass der Verkehrsminister hier noch eine große Aufgabe hat, das an dieser Stelle mit zu verändern. Das können doch nicht nur Ausschreibungsprobleme zwischen Bundesländern sein. Diese Probleme müssen gelöst werden.

Meine Damen und Herren, ich komme zu meinem Lieblingsthema in dieser Frage. Schauen Sie sich bitte einmal diese Karte an!

(Der Redner zeigt eine Karte mit den Tarifzonen des HVV)

Diese Karte hängt heute an jedem Fahrscheinautomaten des HVV. Aber wer wird daraus überhaupt noch schlau? Es gibt klügere und bessere Systeme. Hier ist die Zukunft doch eigentlich schon angekommen. Sie ist digitaler, und wir sollten sie nutzen. Die Fahrscheine von heute sind eine Sache von gestern. Keine Karten, keine Automaten - ich denke, es gibt bessere Systeme, als die Tarifzonen zu verändern. Die gehören abgeschafft.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Schönecke. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Abgeordnete Detlev Schulz-Hendel das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Schönecke, vielleicht ist der Antrag ja gut gemeint, aber tatsächlich ist er in weiten Teilen schlecht gemacht. Wer den HVV im Hamburger Umland wirklich stärken will und mehr Pendlerinnen und Pendler auf die Schiene bringen möchte, darf sich nicht auf langfristige Maßnahmen oder überflüssige Prüfaufträge beschränken, sondern muss untersuchen, wo die Pendlerinnen und Pendler der Schuh drückt. Aber das haben Sie und Herr Minister Althusmann offensichtlich nicht getan; denn sonst hätten Sie im Anhörungsverfahren den Vorschlag des DGB aufgegriffen, aus dem Antrag der Grünen und Ihrem Antrag einen zu machen, damit er auch wirklich schlagkräftig wird. Denn wir unterhalten uns mit Pendlerinnen und Pendlern in der Region, und wir wissen, wo der Schuh drückt.

(Zuruf von der CDU: Wir auch!)

Ich möchte nun auf ein paar Einzelpunkte eingehen. Sie fordern die Prüfung von S-Bahn-Verlängerungen in Richtung Buchholz, Tostedt und in Richtung Winsen (Luhe). Aber genau das ist so ein überflüssiger Prüfauftrag; denn eine Erweiterung des S-Bahn-Betriebs ist bereits 2015 geprüft worden. Dabei war die einhellige Meinung aller Fachexperten, dass die S-Bahn-Beförderungskapazitäten zu gering sind und dass die notwendigen Systemwechselstellungen mit erheblichen Investitionskosten, nämlich von mehr als 100 Millionen Euro, verbunden wären. Es wäre also besser gewesen, jetzt intensiv an einer Taktverdichtung der beste

henden Regionalbahnen zu arbeiten. Auf der Strecke von Hamburg-Harburg nach Lüneburg ließe sich das im Übrigen ganz einfach lösen, indem man das dort vorhandene dritte Gleis mit mehr Signal- und Weichenstellungen ausstattet.

Das elementare Problem Ihres Antrages ist aber, dass Sie die Tarifzoneneinteilung im HVV völlig ausblenden. Das ist schade, besteht doch gerade hier großer Handlungsbedarf. Wenn heute jemand mit dem Zug von Winsen (Luhe) nach Hamburg pendelt, bezahlt er ca. 109 Euro. Wenn er aber 5 km entfernt in Ashausen einsteigt, bezahlt er nur 69 Euro. Die Folge ist, dass die Pendlerinnen und Pendler nicht ihren Heimatbahnhof benutzen, sondern die 5 km weiter mit dem Auto zum nächsten Bahnhof fahren. Die Konsequenz ist, dass das Parkhaus in Winsen (Luhe) - mit Landesmitteln gefördert - halb leer steht, während in Ashausen die Menschen gar nicht mehr wissen, wo sie ihre Autos parken sollen. - Das ist ein Thema, das man hätte aufgreifen müssen.

Wenn Sie, Herr Minister Althusmann, ernsthaft mehr Menschen vom Auto auf die Schiene bringen wollen, müssen Sie im Rahmen einer HVV-Qualitätsoffensive auch eine Reaktivierung der betroffenen Bahnstrecken im HVV-Bereich in Betracht ziehen, um die Kapazitäten zu erhöhen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dazu gehören der Moorexpress von Stade nach Bremerhaven ebenso wie die Strecken Jesteburg– Harburg, Lüneburg–Amelinghausen und Lüneburg–Bleckede. Aber bei dem Thema Reaktivierung von Bahnstrecken gewinne ich zunehmend den Eindruck, dass Ihnen das Konzept fehlt oder dass Sie es eigentlich gar nicht wollen.

Und die Menschen im Amt Neuhaus wollen Sie auch weiterhin nicht in vollem Umfang am HVV teilhaben lassen. Die Durchbindung der Heidebahn von Hannover über Soltau nach Hamburg-Harburg soll bei Ihnen nur noch langfristig realisiert werden. Eine Durchbindung der Regionalbahn von Hamburg nach Hannover im Stundentakt haben Sie vorsorglich gänzlich aus Ihrem Änderungsantrag herausgenommen.

Keine Rolle in Ihrem Antrag spielt die Notwendigkeit einer optimalen Anschlusssicherung zwischen Bahn und Bussen im HVV-Bereich. Aber gerade diese Anschlusssicherung ist für viele Menschen das entscheidende Kriterium, vom Auto auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen. Inakzeptable Wartezeiten und Anschlussverluste sorgen aus

schließlich für Frust. Um diesen Bereich kümmern Sie sich in Ihrem Antrag aber ebenso wenig wie um viele andere Dinge.

Zu guter Letzt lässt Ihr Antrag den Mut vermissen, sich auch mit Themen wie einer einheitlichen Vertriebs- und Tarifstruktur in ganz Niedersachsen zu beschäftigen. Das ist natürlich ein dickes Brett, aber wenn man Mut und Gestaltungswillen hat, dann wäre es jetzt richtig gewesen, mindestens einheitliche Vertriebsstrukturen zwischen den Verkehrsverbünden einzufordern.