Wir müssen uns also insgesamt fragen, ob dies zeitgemäß ist. Ist es gesellschaftlich richtig, dass Informationen über dargestellte Möglichkeiten nur im 1:1-Kontakt übermittelt werden dürfen? Wohl gemerkt: Dies wäre straffrei.
Die Absätze 2 und 3 des § 219 a sehen vor, dass es straffreie Formen der Werbung gibt. So dürfen sachliche Informationen gegenüber Beratungsstellen, Ärzten und Krankenhäusern zur Verfügung gestellt werden. Hier fehlt das Merkmal der Öffentlichkeit. Gleiches gilt für Veröffentlichungen in pharmazeutischen und ärztlichen Fachblättern; auch dies wäre straffrei. Der entscheidende Punkt ist der Vermögensvorteil, nämlich quasi die Befürchtung der Ausbeutung und die Sorge einer etwaigen Verharmlosung.
Meine Damen und Herren, das Urteil des Amtsgerichts Gießen hat einem Paragrafen Aufmerksamkeit gebracht, der in der Kriminalstatistik an sich bisher kaum eine bedeutende Rolle gespielt hat. Allerdings ist es eine richtungsweisende Entscheidung, ob und inwieweit unsere Gesellschaft hierzu Vorgaben machen möchte. Trifft das die Lebenswirklichkeit? - Leider liegt momentan die schriftliche Urteilsbegründung noch nicht vor, sodass ich mir eine abschließende Bewertung für die SPDFraktion in diesem Bereich noch nicht erlauben möchte.
Meine Damen und Herren, ist der § 219 a zu rigoros, zu weit, zu überflüssig? - Löst man sich von der rechtlichen Sichtweise und begibt sich auf die gesellschaftliche Ebene, so hört man Verschiedenes. Es gibt diejenigen, die Werbung für Schwangerschaftsabbrüche befürworten. Betroffenen Frauen sollen möglichst sämtliche Informationen zugänglich gemacht werden. Eine der ersten Anlaufstellen in einer solchen Situation dürften Suchmaschinen im Internet sein. Ich denke, das ist mit Sicherheit so.
Dann ist die Frage: Wollen wir in dieser Situation, dass quasi das Patientenrecht durch den § 219 a eingeschränkt wird? - Ich frage dies bewusst provokativ. Kritiker befürchten nämlich, dass dann zunächst Treffer auf den Seiten von sogenannten Abtreibungsgegnern erfolgen. Ob man damit das ungeborene Leben wirklich schützt, halte ich für fraglich. Ist es nicht vielmehr so, dass durch diese einseitige Darstellung eine Bevormundung durch die Werbung im virtuellen Bereich erfolgt? - Ich
Diejenigen Dinge, die aus dem nichtärztlichen Bereich beworben werden, werden momentan durchaus gesetzlich reguliert. Die Frage ist nur: Ist das gefährlich? - Denn die Sachen, die man nicht sieht, sind ja grundsätzlich trotzdem da.
Andererseits gibt es in den Bereichen der Kirche und zum Teil auch in der Ärzteschaft Stimmen, die die bestehenden Regelungen für gut und richtig halten. Hier wird durch Werbung eine Anstiftung zur Abtreibung befürchtet. Ich persönlich habe Zweifel, ob man den Frauen wirklich absprechen sollte, dass sie letztendlich eine verantwortungsbewusste Entscheidung treffen würden. Die innere Zurückhaltung, einen Abbruch vorzunehmen, würde sinken und der Schutz des ungeborenen Lebens damit gleich mit - so die Kritiker.
Wir müssen uns also entscheiden, inwieweit Abtreibungsmöglichkeiten Gegenstand von kommerzieller Werbung sein dürfen, wie wir die Folgen abschätzen und ob die Entscheidungen der betroffenen Frauen hiervon beeinflusst werden.
Die Frage ist: Führt Werbung mit Abtreibungsmöglichkeiten zu vermehrten Abtreibungen? - Wir wissen, dass sich keine Frau die Entscheidung über den Abbruch einer Schwangerschaft leicht macht und dass es verschiedenste persönliche Hintergründe für eine solche Entscheidung gibt. In diesem Zusammenhang darf man auch nicht vergessen, dass eine Beratung grundsätzlich vorgeschrieben ist, um die Straffreiheit zu erreichen. Im Rahmen dieser Beratung soll es nach dem § 219 um Ermutigung und Perspektiven für den Erhalt des Lebens gehen. Entscheidend ist auch hierbei der Entscheidungsprozess der Frau. Inwieweit hier Werbung eine Rolle spielt und inwieweit die bestehenden Mechanismen ausreichen, muss Gegenstand unserer Beratungen im Ausschuss sein.
Aus unserer Sicht ist allerdings nicht zu verantworten, dass Ärztinnen und Ärzte kriminalisiert werden. Wir als SPD-Fraktion stehen voll und ganz vertrauensvoll hinter dieser Berufsgruppe.
Ich möchte mit den Worten des Landesfrauenrates und der Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten schließen, die grundsätzlich sagen: Das ungeborene Leben wird durch Beratung und Begleitung und nicht durch Verbote geschützt.
Wir Sozialdemokraten werden jedenfalls keine Regelung aufrechterhalten, die die Informationsmöglichkeiten einer Schwangeren unnötig erschwert, die Frauen in ihren entsprechenden Rechten beschränken wird und die nicht den Bedürfnissen der heutigen Gesellschaft angepasst ist. Wir gehen daher mit Respekt und Verantwortungsbewusstsein in die zukünftige Beratung im Ausschuss.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, auch nicht seitens der Landesregierung.
Zu beiden Tagesordnungspunkten wird der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen vorgeschlagen. Wer dem folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dann ist das einstimmig so beschlossen.
Tagesordnungspunkt 21: Erste Beratung: Die uneingeschränkte Gebührenfreistellung bei allen Aufstiegsfortbildungen des dualen Systems einführen! - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 18/30
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Gleichstellung der beruflichen Ausbildung zur akademischen Ausbildung ist ein sehr wichtiger Schritt und ein wesentliches Ziel der Freien Demokraten hier im Niedersächsischen Landtag.
Wir haben es zwar ein wenig überraschend gefunden, waren aber sehr zufrieden und auch sehr glücklich darüber, dass der Niedersächsische Landtag in der letzten Legislaturperiode in seiner vorletzten Sitzung einstimmig fraktionsübergreifend
beschlossen hat, dass Meister, Techniker, Fachwirte und Berufspädagogen von Lehrgangs- und Prüfungsgebühren befreit werden sollen. Es war ein einmaliger Schritt der gesamten politischen Vertreter des Landes Niedersachsen, sich hier zur beruflichen Bildung zu bekennen.
In der letzten Plenarsitzung der letzten Legislaturperiode ist ebenfalls einstimmig beschlossen worden, dass auch die Fahrt- und Übernachtungskosten für Auszubildende, die berufsbildende Schulen nicht heimatnah besuchen können, sondern die in Landes- oder Bundesklassen unterrichtet werden, vom Staat übernommen werden sollen, damit wir die berufliche Bildung nicht nur in Sonntagsreden hochhalten.
Herr Kollege Bode, mich würde interessieren, wie Sie es bewerten, dass bei dieser wichtigen Frage zum Thema „Duale Ausbildung“ der Wirtschaftsminister dieses Landes nicht anwesend ist.
Beide Ressortminister, die von diesem Antrag betroffen sind - - - Doch, der Kultusminister Herr Tonne ist gerade wiedergekommen.
Es geht hier um die Zuständigkeit des Kultusressorts und um die Zuständigkeit des Wirtschaftsministeriums. Deshalb würde ich mich freuen, wenn jetzt auch der zuständige Wirtschaftsminister die
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben in der letzten Legislaturperiode die Grundlage dafür geschaffen, dass in Niedersachsen die berufliche Ausbildung mit der akademischen Ausbildung gleichgestellt wird, um den Fachkräftemangel zu bekämpfen und dafür zu sorgen, dass es attraktiver wird, sich auch beruflich weiterzubilden, damit es nicht dazu kommt, dass jemand, der eine Meisterausbildung machen möchte und von seinem Chef sogar als besonders geeignet dafür angesehen wird, hinterher sagt: Chef, wie soll ich mir das leisten? Ich habe doch auch noch eine Familie, die ich ernähren muss! Dann noch die Gebühren, das kriege ich nicht hin! - Wir wollen also Attraktivität schaffen und gewährleisten, dass der Meister in der gesellschaftlichen Wahrnehmung genauso geschätzt wird wie der Master, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Deshalb begrüßen wir, dass die damalige rotgrüne Landesregierung nach dem damaligen Beschluss des Niedersächsischen Landtags sofort tätig geworden ist. Der damalige Wirtschaftsminister Olaf Lies hat sofort gehandelt und zur Umsetzung unserer Beschlussfassung eine Meisterprämie für das Handwerk in Höhe von 4 000 Euro sogar rückwirkend versprochen. Das war ein sehr wichtiger Schritt, Herr Minister Lies. Wir wissen zwar nicht, wie Sie die Meisterprämie im Haushalt abgesichert haben. Hauptsache aber ist, dass das Geld bei denjenigen, für die es gedacht ist, tatsächlich ankommt. Das begrüßen wir natürlich.
Allerdings muss man sagen: Die Landesregierung hatte - der ehemalige Staatssekretär Nägele hatte es dann auch schon gemerkt - den Antrag aber nicht ganz richtig gelesen. Wir haben nämlich nicht nur die Meister im Handwerk gebührenfrei stellen wollen, sondern alle Meister, alle Techniker, Fachwirte und Berufspädagogen. Es gibt auch Industriemeister beispielsweise bei der IHK. Für die ist tatsächlich nichts passiert.
Wir haben auch gesagt: gebührenfrei stellen, nicht aber nur eine Prämie für einen Bruchteil und den Rest in Form eines Bafög-Darlehens gewähren. Gebührenfreiheit bedeutet schlicht und ergreifend eine komplette Gebührenfreiheit, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Deshalb ist es überhaupt nicht akzeptabel, dass jetzt durch die Prämie nur die Handwerksmeister gebührenfrei gestellt werden. Vielmehr muss die Prämie, wenn Sie diese als ersten Schritt vorsehen, auf alle Meister ausgedehnt werden, die wir haben, sowie auf die Fachwirte und Berufspädagogen.
Im zweiten Schritt müssen Sie auch den Teil, der bisher nur über das BAföG abgebildet wird, gebührenfrei stellen; denn so hat es der letzte Niedersächsische Landtag beschlossen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Wir wissen darüber hinaus, dass der beste Weg hierfür eine bundeseinheitliche Lösung wäre. Deshalb begrüßen wir auch, dass die damalige rotgrüne Landesregierung diesbezüglich die ersten Schritte eingeleitet hat mit dem Ziel, eine bundesweite Regelung anzustoßen. Wir würden uns natürlich freuen, wenn jetzt ein wenig mehr Nachdruck ausgeübt würde und auch Ergebnisse kämen.