Protocol of the Session on December 14, 2017

Nun wird immer wieder eingewandt, dass über diesen Paragrafen verhindert werden soll, dass Schwangerschaftsabbrüche als normale kommerzielle Dienstleistung dargestellt werden. Der Abbruch einer Schwangerschaft soll gegenüber der Allgemeinheit nicht als normales Verhalten präsentiert werden dürfen. Das würde dem Schutz des ungeborenen Lebens widersprechen.

Meine Damen und Herren, ich halte den Schutz des ungeborenen Lebens für ein sehr, sehr hohes Gut. Daher halte ich es auch für ausdrücklich richtig, dass der Gesetzgeber diverse Vorschriften verabschiedet hat, die einen möglichen Abbruch einer Schwangerschaft regeln. Die Umgehung dieser Regelungen soll auch weiterhin strafbar bleiben. Aber die Information über diese Regelungen und auch die Information über medizinische Risiken eines Schwangerschaftsabbruchs müssen weitergegeben werden dürfen.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Selbstverständlich bin auch ich gegen jede unpassende Werbemaßnahme in diesem Zusammenhang. Dabei kann ich mir, ehrlich gesagt, nicht vorstellen, dass sich eine Frau aufgrund einer tollen Werbemaßnahme leichtfertig für einen Schwangerschaftsabbruch entscheidet,

(Helge Limburg [GRÜNE]: Ja!)

sondern dabei, meine Damen und Herren, werden ganz sicher ganz andere Gedanken eine Rolle spielen.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung von Dr. Gabriele Andretta [SPD] und An- drea Schröder-Ehlers [SPD])

Zudem lassen sich unangemessene Werbemaßnahmen auch über das Standesrecht der Ärzte und allgemein über das Arztwerberecht verhindern. Auch bei Anwälten, meine Damen und Herren, sind unpassende Werbemaßnahmen durchaus denkbar. Man denke nur an die amerikanischen Anwälte, die mit Visitenkarten in den Notaufnahmen der Krankenhäuser sitzen. Solche Zustände werden hier über das Standesrecht der Anwälte verhindert. Und das ist auch über das Standesrecht der Ärzte möglich. Dafür braucht es jedenfalls nicht den großen Hammer des Strafrechts.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das Informationsrecht ist ein Menschenrecht. Ich glaube sogar, dass eine objektive Information im Zusammenspiel mit den gesetzlichen Regelungen über Schwangerschaftsabbrüche am Ende dem Schutz des ungeborenen Lebens weit mehr nützt als der § 219 a StGB. Diese Vorschrift muss ersatzlos gestrichen werden. Eine Ergänzung oder Erweiterung würde die schwierige Unterscheidung zwischen Werbemaßnahme und Informationsweitergabe nur verkomplizieren und am Ende auch nur auf die Gerichte verlagern.

Insoweit, meine Damen und Herren, begrüße ich das Werben der SPD im Bundesrat für eine fraktionsübergreifende Initiative. Bundesjustizminister Maas unterstützt den Plan, den § 219 a StGB zu streichen. Ich bin daher sehr gespannt, wie sich die SPD hier im Landtag dazu einlassen wird.

Meine Damen und Herren, Bürokratieabbau bedeutet für mich übrigens auch, überflüssige oder schädliche Vorschriften, die man eigentlich gar nicht mehr so richtig anwenden möchte, zu streichen und zu löschen. Genau das sollte an dieser Stelle geschehen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung von Dr. Gabriele Andretta [SPD])

Herzlichen Dank, Herr Dr. Genthe. - Das Wort hat jetzt der Kollege Limburg. Bitte schön!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Entscheidung, eine Schwangerschaft abzubrechen, ist ein schwerwiegender Schritt. Ich bin mir in der Tat sicher, dass es keiner betroffenen Frau leichtfällt, eine solche Entscheidung zu treffen.

Unsere Gesetzeslage sieht vor einem Schwangerschaftsabbruch eine Beratungspflicht und eine verpflichtende Bedenkzeit vor. Aber wenn das erfolgt ist, wenn es Beratung und Bedenkzeit gegeben hat, wenn diese Abwägung - im Regelfall verbunden mit großen seelischen Qualen - erfolgt ist, dann ist in Deutschland ein Schwangerschaftsabbruch legal.

Er ist dann legal, wenn er durch einen Arzt oder eine Ärztin durchgeführt wird. Wenn etwas legal ist - darauf hat Kollege Dr. Genthe zu Recht hin

gewiesen -, dann heißt das nichts anderes, als dass es in einem Rechtsstaat erlaubt ist.

Aber an dieser Stelle haben wir eine Besonderheit: Obwohl es erlaubt ist, dürfen Ärztinnen und Ärzte, die einen solchen Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich durchführen, die Öffentlichkeit genau darüber nicht informieren.

Es ist offenkundig, dass unser Strafrecht hier einen eklatanten Widerspruch aufweist. Im deutschen Recht ist es einmalig, dass der Hinweis auf eine erlaubte Handlung verboten ist und bestraft wird. Widersinniger geht es in einem Rechtsstaat kaum! Allein deswegen, meine Damen und Herren, muss § 219 a StGB ersatzlos gestrichen werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP sowie Zustimmung von Dr. Gab- riele Andretta [SPD])

Herr Präsident, meine Damen und Herren, es ist in der Tat aber noch schlimmer: Das Verbot, öffentlich darauf hinzuweisen, dass man legale Schwangerschaftsabbrüche durchführt, kann auch die Gesundheit der betroffenen Frauen gefährden, und zwar wenn Frauen nicht wissen, an wen sie sich mit dem Bedürfnis, einen solchen Eingriff durchzuführen, konkret wenden können; denn auch Frauen - auch darauf ist zu Recht von meinem Vorredner hingewiesen worden - haben das Recht auf sachliche Information, das Recht, zu erfahren, wo es gut ausgebildete und erfahrene Ärztinnen und Ärzte gibt.

Im Zeitalter der Digitalisierung muss es doch selbstverständlich klar sein, dass man sich auch im Internet darüber informieren können muss, welche Ärzte in der konkreten Region für einen solchen Abbruch zur Verfügung stehen. Es muss klar sein, dass wir im Jahr 2017 nicht in einer Welt leben, in der sich Frauen in einer solchen Lage von Hinterhofpfuschern helfen lassen müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN sowie Zu- stimmung bei der FDP und von Dr. Gabriele Andretta [SPD])

Herr Präsident, meine Damen und Herren, bei der Debatte über Schwangerschaftsabbrüche geht es in der Tat um ungeborenes Leben. Es geht aber auch um eine weitere wichtige Frage, nämlich um das Selbstbestimmungsrecht der Frauen. Es geht um das eigentlich selbstverständlich klingende Recht, selbst über seinen eigenen Körper bestimmen zu können. Dieses Selbstbestimmungsrecht wird signifikant eingeschränkt, wenn der Zugang zu sachlichen Informationen über legale Schwan

gerschaftsabbrüche verwehrt wird. Das Recht, sich zu informieren, das Recht, informiert zu werden, wird eingeschränkt. Diese Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts ist nicht länger hinnehmbar, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, in den letzten Wochen hat die Debatte um das sogenannte Werbeverbot - de facto ist es ja ein Informationsverbot - an Fahrt aufgenommen; Herr Genthe hat darauf hingewiesen. Dem liegen mehrere Strafverfahren zugrunde. Ich freue mich in der Tat, dass im Deutschen Bundestag nicht nur Grüne und Linke, sondern auch die Sozialdemokraten bereits eindeutig erklärt haben, dass sie die Forderung nach einer Abschaffung dieser Vorschrift unterstützen. Ich freue mich natürlich auch, dass zumindest die niedersächsische FDP in dieser Frage eine eindeutige, klare Haltung eingenommen und hier zum Ausdruck gebracht hat.

Nun wollen wir mit unserem Antrag erreichen, dass sich die gesamte Große Koalition in Niedersachsen und die neue Justizministerin, Frau Havliza, dieser Haltung anschließen. Unterstützen Sie die entsprechende Bundesratsinitiative der Länder Berlin, Bremen, Brandenburg und Hamburg. Das wäre ein sehr gutes Signal zum Beginn Ihrer Amtszeit, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Die Gegner einer Streichung dieser Vorschrift haben u. a. öffentlich die Befürchtung geäußert, es würde dann bald großflächige Werbung für Schwangerschaftsabbrüche geben

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das ist absurd!)

und diese würden sozusagen massiv zunehmen. Bei allem Respekt, es fällt mir, genau wie Herrn Dr. Genthe, sehr schwer, diese Sorge ernst zu nehmen. Meint man denn ernsthaft, dass Ärztinnen und Ärzte dann mit Slogans wie „Verhütung ist verzichtbar, kommt hinterher zu uns, wir klären das schon“ nach draußen gehen und das als ein ganz normaler Vorgang dargestellt wird? - Das ist doch wirklich irreal, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Dazu kommt - auch darauf ist hingewiesen worden -, dass das ärztliche Standesrecht effekthascherische unsachliche Werbung ohnehin verbietet. Das will ja auch keiner ändern. Es geht hier nicht um Werbung, es geht hier um sachliche Information. Insofern wäre eine Abschaffung des Paragrafen auch kein Dammbruch. Nein, es wäre

die Beseitigung eines eklatanten Widerspruchs in unserer Rechtsordnung.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, es lohnt in dieser Debatte auch einmal ein Blick darauf, was das eigentlich für Leute sind, die dazu beitragen, dass solche Strafprozesse gegen Ärztinnen und Ärzte in Deutschland überhaupt geführt werden. Dahinter steckt u. a. die Internetseite www.babycaust.de, auf der Schwangerschaftsabbrüche mit der Shoah, der Ermordung der europäischen Jüdinnen und Juden durch das NS-Regime, gleichgesetzt werden.

Das ist eine unerträgliche Verhöhnung der Opfer des NS-Regimes und der betroffenen Frauen gleichermaßen. Das ist verabscheuungswürdig.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Und es ist für mich wirklich schwer erträglich, dass es solche Leute sind, die unsere Staatsanwaltschaften und Gerichte dazu bringen können, ihre wertvolle Zeit mit solchen Verfahren zu verbringen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, wir fordern hier die Beseitigung eines Strafrechtsparagrafen, dessen Wurzeln auf die NS-Zeit, auf das Jahr 1933, zurückgehen.

Es war nicht die einzige Norm des Strafgesetzbuches, die so oder leicht verändert, nach 1945 weiter galt. Ein anderes Beispiel war der § 175, der homosexuelle Handlungen unter Männern unter Strafe stellte. Wir haben uns in der Vergangenheit hier im Niedersächsischen Landtag mit großer, mit breiter Mehrheit dafür ausgesprochen, die nach § 175 Verurteilten endlich zu rehabilitieren. Ihre Entschädigung wird auf Bundesebene vorbereitet.

Wir sollten parallel nicht hinnehmen, dass eine weitere Strafrechtsnorm aus der NS-Zeit heute weiter Unheil anrichten kann. Spätestens im Jahr 2018 sollte diese Norm endlich aufgehoben werden, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Danke schön, Herr Kollege Limburg. - Das Wort hat jetzt für die AfD-Fraktion der Kollege Bothe. Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle

gen! In Ihrem Antrag, Herr Kollege Limburg, schreiben Sie:

„Ein gesellschaftlicher Nutzen oder ein schützenswertes Rechtsgut dieser Norm“

- des §§ 219 a StGB -

„sind nicht erkennbar.“

Sehr geehrte Damen und Herren, das schützenswerte Rechtsgut, auf das sich der § 219 a StGB bezieht und das die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen offenbar nicht für schützenswert hält, ist das ungeborene menschliche Leben.

(Zuruf von den GRÜNEN: Das ist falsch!)