Protocol of the Session on May 16, 2019

Wir fordern die GroKo in Niedersachsen nun auf, sich endlich am gesunden Menschenverstand unserer europäischen Nachbarn und der ganzen Welt zu orientieren; denn dieser Menschenverstand hat den allermeisten Ländern sinnvolle

Tempolimits zwischen 100 und 140 km/h gebracht. Setzen Sie mit uns gemeinsam endlich ein deutliches Signal für mehr Verkehrssicherheit, aber auch für mehr Klimaschutz! Deutschland ist nicht nur der einzige Staat in Europa, sondern auch die einzige Industrienation in der Welt ohne ein durchgehendes Tempolimit.

Positiv und hoffnungsvoll stimmt mich an dieser Stelle heute der zunehmende Zuspruch in der SPD für ein Tempolimit. So hat jüngst Bundesvize Stegner eine Initiative in Schleswig-Holstein unterstützt.

(Beifall bei den GRÜNEN - Belit Onay [GRÜNE]: Sehr gut!)

Ich wünsche mir von den Sozialdemokraten - auch da bin ich hoffnungsvoll - auch hier in Niedersachsen ein solches starkes Signal.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ohne ein Tempolimit in Deutschland wird diese Bundesregierung auch ihre verpflichtend festgelegten Ziele zur Verringerung der Zahl der Verkehrstoten bis 2020 nicht erreichen. Von der Vision Zero, also dem Ziel, die Verkehrsopfer mittelfristig auf null zu reduzieren, sind wir ohne ein Tempolimit meilenweit entfernt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Darüber hinaus führen Tempolimits nachweislich zu weniger Staus, zu einem Fahren mit weniger Stress und zu einer Absenkung des Kraftstoffverbrauchs. Tempo 120 reduziert nachweislich die Geschwindigkeitsdifferenz zwischen den Fahrzeugen auf allen Spuren und verbessert den Verkehrsfluss insgesamt.

Überholmanöver mit hohen Geschwindigkeiten erzeugen nicht nur beim Überholenden Stress, sondern auch beim Überholten. Somit bedeutet ein Tempolimit für alle Verkehrsteilnehmerinnen mehr Sicherheit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Klar ist doch auch, dass ein geringeres Tempo die Kapazitäten auf den Autobahnen deutlich erhöht.

(Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE])

Für die Verkehrssituation in Deutschland und Niedersachsen ist doch eines ganz bezeichnend: Man rast fünf Minuten mit Tempo 200, um anschließend zwei Stunden im Stau zu stehen.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Die Testfahrt eines Rasers und eines Schleichers von Füssen nach Flensburg auf 1 000 km hat ergeben: Der Testfahrer mit Bleifuß war genau 13 Minuten schneller als sein Kollege, der sich an bestehende Tempolimits gehalten hat und auf den freien Abschnitten seine Fahrt mit besonnener Geschwindigkeit fortgesetzt hat.

(Anhaltende Unruhe)

- Ich weiß nicht: Soll ich weiterreden?

(Wiard Siebels [SPD]: Wegen uns müssen Sie das nicht!)

Der Schnellfahrer hat aber darüber hinaus einen wesentlich höheren Kraftstoffverbrauch verursacht. Doch trotz aller Sachargumente ignorieren insbesondere die CDU und Sie, Herr Minister Althusmann, wie Ihre Vorbilder in der Bundesregierung die Notwendigkeit eines Tempolimits.

Schlimmer noch: Sie haben keinerlei Sachargumente. Das ist eine schallende Ohrfeige für die Schwerverletzten und für die Angehörigen von Menschen, die ihr Leben durch geschwindigkeitsbedingte Unfälle verloren haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal auf Folgendes hinweisen. Es wird ja immer wieder gesagt - auch Ministerpräsident Weil hat das vor Kurzem gesagt -: Na ja, wir brauchen dieses Tempolimit nicht, weil wir auf unseren Autobahnen ohnehin nicht schnell fahren können! - Es ist aber so, dass es nur auf 21 % der Autobahnen ein Tempolimit gibt. Gleichzeitig darf man auf mehr als 70 % der Autobahnen in Deutschland grenzenlos fahren. In Niedersachsen gibt es rund 1 400 km Autobahnen. Nur auf 350 km davon gibt es ein Tempolimit.

Das Tempolimit ist nicht nur ein wichtiger Aspekt zur Verkehrssicherheit, sondern natürlich auch ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz, und zwar ein Beitrag, der nicht nur weitgehend kostenfrei, sondern einfach einzuführen ist und der vor allem sofort wirkt. Genau diese Chance sollten wir nicht leichtfertig vertun. Keine andere Maßnahme im Verkehrsbereich bringt ein so großes CO2-Einsparpotenzial auf einfachem Weg mit sich.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ein Tempolimit auf 120 km/h führt zu CO2-Minderungen von 2,1 und 2,9 %. Das ist im Schnitt eine Einsparung von 3 Millionen t CO2. Damit ist die CO2-Einsparung deutlich höher als bei einem

Tempolimit mit einer Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h. Nutzen Sie also heute Ihre Chance, Herr Minister Althusmann - das ist insbesondere auch an CDU und FDP gerichtet -, für mehr Verkehrssicherheit, für mehr Klimaschutz und lassen Sie uns hier aus dem Niedersächsischen Landtag heraus eine Bundesratsinitiative als einen Meilenstein setzen!

Senden Sie an Schülerinnen und Schüler, die Freitag für Freitag für mehr Klimaschutz demonstrieren, und auch an die Bundesregierung ein starkes Signal aus Niedersachsen! Unterstützen Sie unseren Antrag! Ich bin hoffnungsvoll, dass uns das zumindest mit der SPD gelingt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke, Kollege Schulz-Hendel. - Für die SPDFraktion spricht jetzt der Kollege Jörn Domeier.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit diesem Antrag haben wir ganz aktuell wieder das Thema einer generellen Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen. Sehr geehrter Herr Schulz-Hendel, vielen Dank für die freundlichen Worte, besonders in Richtung Schleswig-Holstein gesagt. Ich gehe darauf gerne gleich ein.

Ich möchte aber einen Punkt herausstellen, den ich richtig fand: Uns alle eint der Wunsch nach weniger Unfällen und mehr Umweltschutz in allen Bereichen, natürlich auch im Verkehrswesen. Der flapsige Hinweis auf den gesunden Menschenverstand ist für den Stellenwert des Themas daher eher schädlich.

Der Herr Bundesverkehrsminister irrt von Zeit zu Zeit,

(Eva Viehoff [GRÜNE]: Der irrt immer!)

und er irrt natürlich in diesem Punkt.

In der Argumentation und am Tonfall in der Diskussion wird aber deutlich, wie sehr das Thema polarisiert - übrigens auf beiden Seiten. Von daher habe ich versucht, einige Punkte ganz sachlich einzubringen, z. B. den Punkt, dass unser öffentliches Straßennetz in Deutschland mehr als 645 000 km umfasst. Autobahnen sind davon ca. 2 % - ein extrem wichtiger, auch wirtschaftlich wichtiger Teil des öffentlichen Netzes.

Ich sage es ausdrücklich: Jedes Verkehrsopfer ist ein Opfer zu viel! Daher ist es für mich mehr als nur tragisch, wenn 12 % aller tödlichen Verkehrsunfälle auf Autobahnen passieren. Bezogen auf die zurückgelegte Strecke bedeutet das bedauerliche drei verstorbene Personen pro 1 Milliarde Fahrzeugkilometer. Damit sind Autobahnen aber auch doppelt so sicher wie die anderen Straßen.

(Jörg Bode [FDP]: Richtig!)

Auch das Umweltbundesamt hat sich mit der Thematik der CO2-Reduktion befasst und eine umfangreiche Studie veröffentlicht; die letzte ist übrigens aus dem Jahr 1999. Mit den Daten von 1999 kommt das Umweltbundesamt zu der Meinung, dass bei einem Tempolimit auf 120 km/h - Sie haben es eben gesagt - beim CO2 ein Rückgang um 9 % möglich wäre. Bezogen auf den gesamten Straßenverkehr sind es aber - auch nach dieser Studie - nur noch 2 %. Wir haben mitgekriegt: Die technische Entwicklung geht immer weiter. Trotz Dieselskandal sind Verbrennungsmotoren wesentlich effektiver geworden. - Das bedeutet dann aber auch: Die Daten von 1999 sind vielleicht nicht mehr so aktuell, wie wir es für eine wirklich belastbare Sache brauchen.

Ich möchte dabei auch nicht unerwähnt lassen, dass der Straßenverkehr nur einer der Verursacher von Kohlendioxid ist. Beziehen wir alle - Verkehr, Landwirtschaft, Industrie - mit ein, dann liegt der Anteil durch diese Maßnahme bei ungefähr 0,3 %.

Das sind viele Zahlen. Ich weiß. Deswegen habe ich auf meiner persönlichen Homepage versucht, einen kleinen Faktencheck vorzunehmen, damit man das nachlesen kann.

Ich will aber einen Punkt herausstellen. Mir ist wichtig: Raserei hat wirklich nichts mit dem Tempolimit zu tun. Personen, die das Maximum aus ihren Fahrzeugen herausholen und die Gefährdung von Leib und Leben ihrer Mitmenschen im Straßenverkehr billigend in Kauf nehmen, gehören bestraft. Daher begrüße ich ganz klar Urteile wie jüngst in Berlin, die die Strafbarkeit eines solchen Handelns deutlich festgestellt haben.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Nach scheinbar unterschiedlichen Erhebungen ist auf 30 % des Autobahnnetzes dauernd und auf weiteren 17 % z. B. aus Gründen des Lärmschutzes, bei Nässe oder infolge von Baustellen die Höchstgeschwindigkeit durch Verkehrsbeeinflus

sungsanlagen begrenzt. Für Lkw gilt bereits ein generelles Tempolimit.

Das führt mich noch einmal zu dem Fall von Schleswig-Holstein. In Schleswig-Holstein gibt es zehn Autobahnen. Besprochen wurde dies dort in der Aktuellen Stunde. Es ging um einen Teilabschnitt, auf dem nach dem Ausbau eine Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h gilt und wo die Geschwindigkeit jetzt freigegeben wird. Dort geht es in der Diskussion gerade um diesen Teil der A 7.

Eine Tempobegrenzung genau dort auszusprechen, wo sie sinnvoll ist, ist ein wichtiges Gebot. „Freie Fahrt für freie Bürger“ - das ist so alt wie falsch. Auch der ADAC hat dieses bekannte Zitat aus dem Jahr 1974 ziemlich rasch zurückgenommen.

Der Ausbau von intelligenten Verkehrssystemen ist dagegen ausnahmslos zu unterstützen. Ich bin froh, dass Niedersachsen weiterhin in die digitalen Instrumente investiert. Sie sehen: Investitionen in Autobahnen sind sinnvoll!

Ich wünsche mir für die kommende Zeit eine Beratung, die ohne Dogmen, sondern sachlich und auf aktueller wissenschaftlicher Basis geführt wird. Vielleicht gelingt es uns dann im Ausschuss, zu identifizieren, wo und wann unter Berücksichtigung des Sichtfahrgebotes - auch das gibt es - permanent schneller als 130 km/h gefahren werden kann.

Vielen Dank.