Protocol of the Session on May 15, 2019

Anfragen an die Landesregierung haben ergeben, dass es jährlich auf der kommunalen Ebene Einnahmen von bis zu 37 Millionen Euro durch Straßenausbaubeiträge gibt, in einigen Jahren auch deutlich weniger. Wir als FDP planen, 50 Millionen Euro zum Ausgleich der entfallenden Einnahmen ein, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Warum haben wir diesen Vorschlag gemacht? - Diesen Vorschlag haben wir gemacht, weil Straßenausbaubeiträge ungerecht sind. Die einen müssen sie bezahlen, weil sie in einer Kommune leben, in der es eine entsprechende Satzung gibt, und die anderen müssen sie nicht bezahlen. Die einen müssen sie bezahlen, weil sie an einer Anliegerstraße leben, und die anderen müssen sie nicht bezahlen, weil sie an einer Bundesstraße leben. Sie sind sozial nicht gestaffelt. Viele Menschen, die einen Bescheid mit einem fünfstelligen oder sogar sechsstelligen Betrag bekommen, fühlen sich finanziell überfordert. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das sind oft ältere Menschen mit einer kleinen Rente. Sie sind auch finanziell überfordert. Davor verschließen Sie an dieser Stelle die Augen!

Für die Menschen gibt es keinen wirtschaftlichen Vorteil, wenn ihre Straße ausgebaut wird. Das wird zwar immer so in den Raum gestellt, aber er ist nicht realisierbar, weil das Grundstück bei einem Verkauf nicht mehr wert wird. Viele fühlen sich von ihren Kommunen benachteiligt, weil die Kommunen die Straßen nicht ordentlich unterhalten und dann der Sanierungsaufwand auf die Anlieger übertragen wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist eine Abwälzung von Verantwortung, eine Abwälzung von Kosten, die wir als Freie Demokraten beenden wollen.

(Beifall bei der FDP)

Im Juni 2018 gab es eine große Anhörung. Dabei wurden alle unsere Argumente bestätigt. CDU und SPD haben gesagt, sie hätten verstanden, sie wollten sich um das Thema kümmern und würden einen eigenen Vorschlag vorlegen.

(Uwe Schünemann [CDU]: Der liegt doch vor!)

Alle warten gespannt. Der Berg kreißte und gebar eine Maus. Diese Maus ist ein Änderungsvorschlag, der jetzt vorliegt, sehr geehrter Herr Kollege, zu unserem Gesetzentwurf.

(Zuruf von der CDU: Aha!)

Aber die Vorschläge, die von CDU und SPD gemacht werden, sind mickrig, sie sind ehrlicherweise das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben sind, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Im Einzelnen: Es wird vorgeschlagen, dass die Höhe des Prozentsatzes für die Kommunen jetzt flexibilisiert wird. Meine Damen und Herren, das geht schon heute! Wenn Kommunen eine besondere Satzung für einen Straßenausbau erlassen, können sie schon heute niedrigere Sätze vorsehen. Das ist keine Verbesserung für die Anlieger.

Zuschüsse Dritter sollen auch den Anliegern zugutekommen. Das ist ein guter und richtiger Punkt. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, die wenigsten Ausbaumaßnahmen werden durch das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz gefördert. Insofern ist das eine Luftnummer, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

In diesen Gesetzentwurf wird hineingeschrieben, dass eine Eckgrundstücksregelung zulässig sei - „zulässig“, meine sehr verehrten Damen und Herren. Die meisten Kommunen haben heute schon solch eine Eckgrundstücksregelung! Anstatt hineinzuschreiben, dass für eine solche Situation, in der Menschen doppelt belastet werden, eine Kommune eine Eckgrundstücksregelung machen muss, schreiben Sie die geltende Rechtslage in Ihren Gesetzentwurf.

(Glocke der Präsidentin)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist ein Veräppeln der Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall bei der FDP)

Und jetzt sagen Sie: Das muss ganz schnell beschlossen werden, wir machen jetzt ganz schnell eine Anhörung. Zu dieser Anhörung werden dann die Bürgerinitiativen und die kommunalen Spitzenverbände eingeladen.

Alle anderen Verbände, die sich bisher an der Debatte beteiligt haben, werden einfach nicht zur mündlichen Anhörung eingeladen. Es gibt ein gemeinsames Schreiben von Haus & Grund, Verband Wohneigentum, Mieterbund, Bund der Steuerzahler und Landvolk, in dem sich diese bei Ihnen darüber beschweren, dass sie nicht gehört werden. - Das ist ein Umgang, der dazu beiträgt, dass Menschen sich von unserer Demokratie abwenden.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung von Anja Piel [GRÜNE] sowie Wider- spruch bei der CDU - Glocke der Prä- sidentin)

- Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin.

Alles das sind keine echten Verbesserungen. Die Straßenausbaubeiträge könnten schon längst abgeschafft sein, aber SPD und CDU kreisen lieber um sich selbst und machen keine Verbesserungen für die Bürgerinnen und Bürger. Ihnen sind Entlastungen nicht wichtig, weil das keine politische Priorität für Sie hat. Bei uns Freien Demokraten ist das anders.

(Beifall bei der FDP und Widerspruch bei der CDU - Unruhe)

Vielen Dank, Herr Kollege Oetjen. - Wenn wieder Ruhe eingekehrt ist, können wir die Aussprache fortsetzen. - Vielen Dank.

Nun hat Herr Kollege Lynack für die SPD-Fraktion das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Oetjen, Sie sprechen hier von 37 Millionen Euro, die ausgeglichen werden müssen. Aber Sie wissen ganz genau, dass sich nicht alle Kommunen, die Straßenausbaubeiträge erheben, an dieser Umfrage der Landesregierung beteiligt haben

(Zustimmung bei der CDU)

und dass selbstverständlich auch diejenigen, die schon heute keine Beiträge nehmen, zukünftig auch die Landesregierung in die Pflicht nehmen würden. Sie sind auch in Bayern gewesen und wissen, wie viele Hunderte Millionen Euro das im Nachhinein verschlingen würde.

Das, was Sie den Leuten hier suggerieren, ist unseriös.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der FDP, erst am 14. November haben Sie dieses Thema unter dem Titel „Keine Mogelpackung bei den Straßenausbaubeiträgen - Nur die Abschaffung ist sozial“ zum Thema der Aktuellen Stunde gemacht. Heute haben wir dasselbe Thema wieder zur Aktuellen Stunde auf der Tagesordnung. Der Titel ist ein anderer: „Straße saniert, Bürger ruiniert - für die ersatzlose Abschaffung der Straßenausbaubeiträge“.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Und? Das machen wir auch ein drittes Mal!)

Man könnte schon fast denken, Ihnen fällt nichts Neues mehr ein.

(Christian Grascha [FDP]: Das Pro- blem ist, dass Ihnen nichts Neues ein- fällt!)

Mir fällt dagegen ein, verehrte Kolleginnen und Kollegen, dass Sie es in Ihrer Regierungszeit im Jahr 2005 gewesen sind, die die verbindliche Rechtspflicht zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen durchgesetzt haben. Aha! - Erst auf massiven Protest der Kommunen hin konnte diese Verbindlichkeit dann wieder zurückgenommen werden. Glauben Sie wirklich, diesen Schlingerkurs bemerkt niemand?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich ärgere mich über die Polemik und die Schärfe, die die FDP hier ganz bewusst an den Tag legt. Im November sprachen Sie noch von unsozialen Lösungen, heute legen Sie gleich noch eine Schippe drauf und sagen, alle Bürger seien schlichtweg komplett, die Reihe durch, ruiniert. Das ist ein Politikstil, der auf Ängste der Bürgerinnen und Bürger zielt, und von einem solchen Politikstil distanzieren wir uns, verehrte Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie Zustim- mung bei der CDU)

Konsequent zu Ende gedacht hieße das aber auch, dass die Politik der FDP in Niedersachsen im Jahr 2005 unsozial und ruinös gewesen sein soll. Das finde ich schon stark!

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich für die SPD sagen, dass wir durchaus Verständnis für das Anliegen der Bürgerinnen und Bürger haben, die sich über die Ausbaubeiträge ärgern und diesen natürlich auch kritisch gegenüberstehen. Ich kann den Missmut verstehen, wenn plötzlich knackige Gebührenbescheide im Briefkasten liegen. Deshalb ist es konsequent, künftig rechtzeitig und transparent alle Betroffenen vor dem Beginn einer Maßnahme darüber zu informieren, was auf sie zukommen wird.

Wir sind im regen Austausch mit den verschiedenen Initiativen, die gegen die Straßenausbaubeiträge kämpfen. Herr Oetjen hat darauf hingewiesen. Ich selbst war mit Ihnen gemeinsam, Herr Oetjen, auf einer Vielzahl von Veranstaltungen. Trotz der zum Teil vorhandenen großen Meinungsunterschiede haben wir sehr sachlich und konstruktiv diskutiert. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle ausdrücklich bedanken.

(Zustimmung von Johanne Modder [SPD])

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen, SPD und CDU nehmen die Sorgen und Ängste der Anlieger ernst. Deshalb haben wir einen aktuellen Gesetzentwurf in den Innenausschuss eingebracht, um Härten abzumildern. Mit dem Gesetzentwurf geben wir den Kommunen eine ganze Reihe von neuen Instrumenten an die Hand.

Bereits jetzt ist es möglich, Gebühren wiederkehrend statt einmalig zu erheben und nicht nur direkte Anliegerinnen und Anlieger, sondern auch ganze Orte, Viertel oder Stadtteile mit einzubeziehen. Aus meiner persönlichen Sicht ist das in den meisten Fällen sogar die gerechteste Lösung.

Entgegen dem, was der Kollege Oetjen gerade ausgeführt hat, sollen in Zukunft darüber hinaus die Stundung der Beiträge erleichtert, Zinsen gesenkt und Benachteiligungen von Eckgrundstücken ausgeglichen werden. Außerdem wird - wie bereits eben von mir erwähnt - die Transparenz bei den Bauvorhaben deutlich verbessert.

Alles in allem sind das Verbesserungen, die im Austausch mit allen Interessengruppen erarbeitet worden sind und die helfen mögen, mögliche Härten zu vermeiden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Entscheidung über das Ob und das Wie einer Erhebung liegt bei den Städten und Gemeinden und nicht beim Land. Das ist eindeutig der Bereich der kommunalen Selbstverwaltung, die seitens der kommunalen Spitzenverbände in diesem Zusammenhang übrigens auch immer wieder eingefordert wird.

(Johanne Modder [SPD]: Genau!)

Die Kommunen sind näher dran. Deshalb sind sie selbstverständlich für ihre Straßen und deren Unterhaltung sowie Sanierung zuständig. Unsere Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker vor Ort in ihren jeweiligen Kommunen wissen, was der richtige und eben auch der finanzierbare Weg für sie ist.

Liebe FDP, sprechen Sie mit Ihren Parteikolleginnen und Parteikollegen in den Kommunalparlamenten! Dort können Sie nämlich dafür eintreten, den zu ihrer jeweiligen Kommune passenden und finanzierbaren Weg zu finden. Ich bin mir sicher, dass die Lösungen dort nicht so unsozial und ruinös sein werden wie bei der FDP im Jahr 2005.

Herzlichen Dank.