„Die Landtagsabgeordneten der SPD jedenfalls werden die nötige Sorgfalt nicht einem parlamentarischen Schnelldurchlauf opfern, der allein dazu dient, aus der Luft gegriffene Fristen einzuhalten.“
Die einzige Frist, die dieses Gesetz hat, ist die laufende Legislaturperiode. Dass dieser Gesetzentwurf heute verabschiedet werden muss, ist Produkt des wackligen, miesen Kompromisses. Insofern ist das eine aus der Luft gegriffene Frist. Auch dahinter können Sie - das macht Herr Alexander Saipa schon - ein Häkchen machen.
Deshalb, meine Damen und Herren: Lehnen Sie dieses Gesetz ab und helfen Sie unserer Polizei, anständige Arbeit zu machen!
Vielen Dank, Herr Kollege Onay. Das war punktgenau innerhalb der Redezeit. - Es folgt die Fraktion der FDP. Für sie spricht jetzt der Abgeordnete Dr. Stefan Birkner. Herr Birkner, ich erteile Ihnen das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Richtig ist, dass wir bei neuen Bedrohungslagen immer wieder prüfen müssen, ob die gesetzlichen Grundlagen ausreichen. Das gilt na
türlich insbesondere, wenn man Bedrohungslagen wie terroristische Bedrohungen hat, für die Anpassung des Polizeigesetzes oder auch des Strafrechts und der Strafprozessordnung. Dabei steht man dann allerdings vor der großen Herausforderung, diese Themenfelder nicht als machtpolitisches Spielfeld zu missbrauchen. Genau das haben wir hier aber erlebt.
Die Grundrechte, die Freiheitsrechte und die Bürgerrechte kommen mit diesem Gesetz unter die Räder, weil eine machtpolitische Auseinandersetzung zwischen CDU und SPD über das Feld der inneren Sicherheit entbrannt ist.
Es ist schon bezeichnend, wenn Herr Kollege Becker davon spricht, man wolle jetzt bezüglich der intelligenten Videoüberwachung den gesellschaftlichen Diskurs führen und offensichtlich Dinge besser machen. Einen gesellschaftlichen Diskurs hat man beim Polizeigesetz ausdrücklich nicht geführt. Man hat ihn von Anfang an nicht gewollt, weil von Anfang an klar war, dass man schnell ein möglichst striktes, scharfes Polizeigesetz haben will, um sich zu profilieren. Die SPD hat sich von der CDU treiben lassen und hat sich dem gesellschaftlichen Diskurs gerade nicht gestellt und hat eben keine differenzierte Betrachtung vorgenommen.
So weist dieser Gesetzentwurf am Ende keine angemessene Abwägung der zu schützenden Güter von Freiheit und Sicherheit auf den jeweiligen Seiten auf. Vielmehr gibt es - das will ich deutlich sagen - klar verfassungswidrige Regelungen.
Ich möchte das an dieser Stelle bereits so deutlich sagen: Wenn SPD und CDU heute diesem Gesetzentwurf zustimmen, stimmen sie einem verfassungswidrigen Gesetz zu. Jedem hier im Raum muss klar sein, was Sie hier tun.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Schünemann hat gesagt, das habe nichts mit Eitelkeiten zu tun. Herr Schünemann, führen Sie sich Ihren Auftritt und gerade das Ende Ihres Auftritts noch einmal vor Augen! Er war von Eitelkeit geprägt.
dessen, was ich geschildert habe. Sie versuchen, sich zulasten der SPD und am Ende zulasten der Bürger und der Grundrechte zu profilieren. Das halte ich auf diesem Feld für wirklich unerträglich und für nicht hinnehmbar.
Ich möchte Ihnen aber auch sagen, wo wir unsere Punkte bei diesem Gesetzentwurf sehen, den wir im Innenausschuss sehr intensiv beraten haben, der übrigens, Herr Innenminister - ich muss das leider so deutlich sagen; beim Verfassungsschutzgesetz war es genauso - handwerklich extrem schlecht war. Schauen Sie sich bitte einmal den Beratungsverlauf an! Bedanken müssten Sie sich eigentlich - das ist heute überhaupt noch nicht geschehen - beim Gesetzgebungs- und Beratungsdienst des Niedersächsischen Landtages.
Ohne die Arbeit des GBD wären Sie überhaupt nicht in der Lage, heute über den Gesetzentwurf zu beschließen. Das wirft schon ein bezeichnendes Licht auf das Interesse des Innenministeriums und auch auf die Schwerpunktsetzung im Innenministerium. Offensichtlich hat man diese Fragen gar nicht mit Priorität besetzt und auch nicht die Ressourcen dafür zur Verfügung gestellt. Vielmehr lässt man es irgendwie laufen. Es geht ja nur um Grundrechte. Auch das ist ein Indiz dafür, welchen Stellenwert die Grundrechte bei dieser Landesregierung haben.
Nun zu den einzelnen Punkten. Wir haben - auch das ist bereits angesprochen worden - die Diskussion über den Unterbindungsgewahrsam. Da staunt man nicht schlecht. „18 Monate“ lautete noch die Forderung der CDU im Wahlkampf. Vorgetragen wurde: Unter 18 Monaten geht eigentlich gar nichts! Eigentlich bräuchte man eine Regelung wie die bayerische; am besten „unbefristet“, denn man weiß ja nie, mit wem man es zu tun hat!
Dann sind es 74 Tage geworden, was in einem politischen Deal im Koalitionsausschuss oder in den Koalitionsverhandlungen - ohne jegliche sachliche Begründung - zustande gekommen ist. Auch
Immer wieder wird der Göttinger Fall genannt. Zunächst einmal muss man feststellen: Dieser Fall ist gelöst worden, ohne das Mittel des Unterbindungsgewahrsams in Anspruch zu nehmen. Der Göttinger Fall hat also gezeigt, dass die gesetzlichen Regelungen ausreichen.
In der Tat gibt es Polizeibeamte, die sagen, dass es mit 10 Tagen schwierig geworden wäre. - Erstens war es nicht schwierig, und zweitens steht diese Behauptung im Raum, ohne dass sie belegt ist, und drittens hätte man sich über 14 Tage, was im Vergleich zu 10 Tagen eine erhebliche Verlängerung darstellt, unterhalten können, wenn denn tatsächlich Bedarf bestanden hätte.
Stattdessen landet man erst bei 74 Tagen und jetzt bei 35 Tagen, ohne dass es dafür einen sachlich nachvollziehbaren Grund gibt. Im Ausschuss ist nicht ein einziger Grund genannt worden, warum genau eine solche Dauer nötig ist.
Herr Schünemann, das, was Sie gesagt haben, ist bezeichnend. Sie haben gesagt, ohne Richtervorbehalt und ohne richterliche Genehmigung könne man nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jemanden bis zu 14 Tagen in Haft nehmen. Schon das zeigt, wie Sie an die Dinge herangehen. Das ist grundfalsch. Ich hätte Ihnen als ehemaligem Innenminister eine solche Unkenntnis der Verfassungslage in Deutschland nicht zugetraut.
Mit Ablauf des Tages, an dem jemand festgenommen worden ist, muss der oder die Betreffende einem Richter vorgeführt oder freigelassen werden.
Das ist nun wirklich einer der zentralen Werte in dieser Frage. Sie gehen aber offenkundig von einem völlig anderen Verständnis aus. Dies zeigt schon, dass es Ihnen nicht um die Wahrung der Grundrechte geht. Es geht um Symbolpolitik und darum, sich hier durchzusetzen.
Die Quellen-TKÜ und Onlinedurchsuchungen sind schon vom Kollegen Onay genannt worden. Hier nimmt der Staat Sicherheitslücken in Kauf, um Informationen zu beschaffen. Wir sind der Auffas
sung: Es ist nicht richtig, dass der Staat Lücken in Sicherheitssystemen duldet und sie sogar offenhält und nicht öffentlich macht. Vielmehr muss der Staat Sicherheit schaffen! Er muss auf solche Sicherheitslücken aufmerksam machen und sie schließen. Er muss andere Möglichkeiten nutzen, um an Informationen zukommen.
Auch die Section Control lehnen wir grundsätzlich ab. Hier hat Minister Pistorius einen fortgesetzten Verfassungsbruch hingenommen. Zum Glück haben ihn die Gerichte gestoppt. Auch hier zeigt sich eine Ignoranz gegenüber den Grundrechten, wie sie ihresgleichen sucht.
Das Bundesverfassungsgericht - das ist nun wirklich klar geworden - hat die automatische Kennzeichenerfassung und auch das Pre-Recording bei Bodycams, die Vorabaufnahmen, als eindeutig verfassungswidrig gekennzeichnet. Aber Sie stimmen dem heute zu, obwohl das erklärtermaßen verfassungswidrig ist. Die Verfassung ist Ihnen egal. Deshalb werden wir am Ende eine Normenkontrolle anstreben.
Wenn Sie meinen, das alles sei verfassungsgemäß, dann seien Sie doch so mutig und lassen uns diese Meinungsverschiedenheiten, wie es das Gesetz vorsieht, vor dem Staatsgerichtshof klären, um den Bürgerinnen und Bürgern, aber auch den Polizistinnen und Polizisten Rechtssicherheit zu verschaffen!
Vielen Dank, Herr Dr. Birkner. - Ich erteile jetzt für die Fraktion der AfD dem Abgeordneten Jens Ahrends das Wort. Herr Ahrends, bitte sehr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Land hat sich in den vergangenen Jahren massiv verändert. So sehen wir uns heute in Deutschland mit einer wachsenden Gefahr durch die organisierte Kriminalität von Familienclans aus dem Libanon, aus Syrien, Tschetschenien, dem Irak bis hin zu einer neuen mafiaartigen Organisation namens
„Black Axe“ aus Nigeria konfrontiert. Hinzu kommen zahlreiche islamistische Extremisten, gewaltbereite Salafisten, Gefährder und Terroristen.
Unsere Grenzen sind immer noch weit offen, und wir haben bis heute keine angemessene Kontrolle, wer in welcher Absicht zu uns kommt. Kaum ein Land auf der Welt geht übrigens so leichtfertig mit seiner inneren Sicherheit um wie Deutschland. Die Folge daraus: Im Sicherheitsranking sind wir seit 2015 um 31 Plätze abgerutscht. Unser Land ist jetzt noch nicht einmal mehr so sicher wie der Oman und Ruanda.