Die niedersächsische Polizei wird es auch in Zukunft nicht hinnehmen, dass einzelne Verkehrsteilnehmer aus purem Eigensinn und Rücksichtslosigkeit andere Menschen in Gefahr bringen, ganz egal aus welcher Motivation und aus welchem Anlass.
Nun ist es so, meine Damen und Herren, dass einige Vorfälle in der jüngeren Vergangenheit für größere mediale Aufmerksamkeit gesorgt haben. Das ist auch nachvollziehbar, da es sich um weni
ge, aber dann eben auch aufsehenerregende Fälle handelte. Ein nüchterner Blick auf die Fakten zeigt aber: Für Niedersachsen ergibt eine rückwirkende Erhebung für 2019 gerade einmal Fallzahlen im insgesamt einstelligen Bereich. Wir dürfen deshalb diese Problematik einerseits nicht verharmlosen, wir dürfen sie aber auch nicht größer machen, als sie ist, meine Damen und Herren.
Klar ist: Wir werden ein derartiges Verhalten bei Fahrten von Hochzeitsgesellschaften auch in Zukunft nicht tolerieren. Die Polizeibehörden haben das Thema aufgenommen und sorgen für eine entsprechende Sensibilisierung vor Ort. Ich kann Ihnen versichern: Die niedersächsische Polizei ist sowohl im Hinblick auf ihre Präsenz als auch im Hinblick auf die schnelle Verfügbarkeit von Einsatzkräften in unserem Land sehr gut aufgestellt, um auf problematisch verlaufende Hochzeitsautokorsos entsprechend angemessen und schnell zu reagieren.
Vielen Dank, Herr Innenminister. - Mir liegen zu diesem Antrag zur Aktuellen Stunde keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist der erste Teil der Aktuellen Stunde gemäß Tagesordnung beendet.
Tagesordnungspunkt 4: Abschließende Beratung: a) Entwurf eines Reformgesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung und anderer Gesetze - Gesetzentwurf der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU - Drs. 18/850 - b) Für ein Niedersächsisches Gefahrenabwehrgesetz ohne Symbolpolitik und Generalverdacht - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/828 - c) Testphase zur Einführung einer Elektroschockwaffe (Taser) bei der niedersächsischen Polizei - Antrag der Fraktion der AfD - Drs. 18/1086 - d) Einrichtung einer Regierungskommission - politische Versäumnisse in der Sicherheitsstruktur aufarbeiten und verbessern - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 18/1385 - e) Können ein Mehr an Sicherheit und Datenschutz mit einer videobasierten Situations- und Gegenstandserkennung gleichermaßen verwirklicht werden? - Antrag der Fraktion der SPD
und der Fraktion der CDU - Drs. 18/3415 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Sport - Drs. 18/3679 - Schriftlicher Bericht - Drs. 18/3723
Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU mit Änderungen anzunehmen, den Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU unverändert anzunehmen und die Anträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der AfD und der Fraktion der FDP abzulehnen.
Wir treten in die Beratung ein. Zuerst hat sich für die Regierungsfraktionen der Kollege Karsten Becker, SPD-Fraktion, gemeldet. Sie haben das Wort. Bitte!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine Damen und Herren! Nach einer äußerst umfassenden Debatte beschließen wir heute ein novelliertes Gefahrenabwehrgesetz, das insbesondere der veränderten Verfahrensweise unserer Sicherheitsbehörden und den neuen Phänomenologien im Bereich des internationalen Terrorismus und der schweren Kriminalität Rechnung trägt.
Meine Damen und Herren, mit diesem Gesetz schaffen wir Normenklarheit, indem wir etablierte gefahrenabwehrrechtliche Maßnahmen, die bisher auf die Generalklausel gestützt waren, nunmehr spezialgesetzlich regeln, wie beispielsweise die Gefährderansprache, die Bestimmungen zur Wegweisung oder zum Aufenthaltsverbot bei häuslicher Gewalt.
Wir unterwerfen die Regelungen zur offenen Videoüberwachung klaren Anforderungen, indem wir Videoaufzeichnung und -übertragung an Kriminalitätsschwerpunkte und gefährdete Orte binden. Wir setzen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zum BKA-Gesetz um. Und wir vollziehen mit diesem Gesetz vor allem eine Anpassung an die veränderten Formen der Kriminalität und des internationalen Terrorismus.
Das, meine Damen und Herren, war auch dringend erforderlich; denn die Ermächtigungsnormen des alten Gesetzes, des alten NSOG, bezogen sich auf Kriminalitätsphänomene der Jahre vor 2005 und damit auf eine Zeit, in der das Smartphone als Kommunikationsmedium noch gar nicht existiert
hat. Heute, im Jahr 2019, müssen wir neue Antworten finden - neue Antworten auf die Möglichkeiten, die die digitalen Kommunikationsformen kriminellen Tätern bieten, und auf die Herausforderungen durch den internationalen Terrorismus.
Meine Damen und Herren von der FDP und von den Grünen, Ihre im Ausschuss vorgetragene Kritik, die vorhandenen gesetzlichen Tatbestände reichten aus, mag sich ja schön anhören. Allein sie trifft nicht zu.
Wir haben es gegenwärtig in Niedersachsen mit 70 islamistisch motivierten Gefährdern zu tun. Das sind Personen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen werden. Das sind insbesondere Straftaten im Sinne des § 100 a des Strafgesetzbuches.
Die niedersächsischen Sicherheitsbehörden waren allein im vergangenen Jahr mit 46 Straftaten aus dem Bereich des islamistisch geprägten Terrorismus bzw. Extremismus und mit einer Vielzahl umfangreicher Gefahrenermittlungsvorgänge konfrontiert - ein Phänomen, das bei Inkrafttreten des aktuellen Gesetzes noch so gut wie keine Rolle gespielt hat.
Meine Damen und Herren, während die klassischen Erscheinungsformen des Terrorismus dadurch gekennzeichnet sind, dass bereits zur Vorbereitung der eigentlichen Anschläge strafbewehrte Vorbereitungshandlungen oder vollendete Straftaten begangen werden - wie z. B. der illegale Erwerb von Waffen oder die Bildung einer terroristischen Vereinigung -, ist das Fehlen eben dieser strafbewehrten Vorbereitungshandlungen ein häufiges Merkmal des islamistisch motivierten Terrorismus, was eine Inanspruchnahme der Bestimmungen der Strafprozessordnung erschwert. Gleichzeitig bieten die Digitalisierung und die umfassenden Verschlüsselungstechnologien den Tätern neue Handlungsmöglichkeiten.
Meine Damen und Herren, wir wollen, dass unsere Bürgerinnen und Bürger auch unter den Bedingungen dieser neuen Herausforderungen sicher in unserem Land leben können!
Dazu müssen wir unsere Sicherheitsbehörden in die Lage versetzen, Personen, bei denen die konkrete Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie eine terroristische Straftat begehen werden, effektiv zu überwachen und an ihren Aktivitäten zu hindern.
Auch unter diesem Leitgedanken haben wir das Gefahrenabwehrrecht zum Schutz der Menschen in Niedersachsen angepasst. Wir haben die bereits praktizierten Maßnahmen - wie Meldeauflagen, Aufenthalts- und Kontaktverbote - aus der alten Generalklausel herausgelöst und, dem Bestimmtheitsgebot folgend, in neue Normen, in neue Paragrafen gefasst. Damit schaffen wir Rechtsklarheit und Rechtssicherheit sowohl aufseiten der Bürgerinnen und Bürger als auch aufseiten der Sicherheitsbehörden.
Meine Damen und Herren, einer der umstrittensten Punkte der Gefahrenabwehrrechtsnovelle dürfte wohl die Dauer des Präventivgewahrsams für terroristische Gefährder gewesen sein. Für die SPDFraktion kann ich feststellen, dass wir mit der Reduzierung der im Entwurf ursprünglich vorgesehenen maximal 74 Tage durchaus zufrieden sind. Das Gesetz sieht nunmehr eine maximale Gewahrsamsdauer von zunächst 14 Tagen vor, die bei Fortbestehen einer konkreten Gefahr um weitere 14 Tage und final noch einmal um 7 Tage verlängert werden kann - natürlich jeweils unter dem Vorbehalt einer richterlichen Anordnung.
Auch wenn viele Kritiker diese Maßnahme grundsätzlich ablehnen, wissen wir aus der polizeilichen Praxis, dass die derzeit möglichen 10 Tage zu kurz sind, um terroristische Anschlagspläne zu ermitteln, einen eventuellen Anschlag zu verhindern und rechtliche Maßnahmen gegen einen mutmaßlichen Terroristen einzuleiten. Die rechtliche Ausweitung der Ingewahrsamnahme ist angesichts der verheerenden Folgen, die terroristische Straftaten für die innere und äußere Sicherheit des Staates sowie für Leib und Leben der Menschen haben können, geboten und, meine Damen und Herren, Ausdruck eines handlungsfähigen Staates, den die Bürgerinnen und Bürger von uns auch erwarten.
Um der verstärkten Verlagerung krimineller Aktivitäten in das Internet auch präventiv begegnen zu können, haben wir entsprechende Ermächtigungsgrundlagen wie für die Quellen-TKÜ und die Onlinedurchsuchung, die der Bundesgesetzgeber im Übrigen bereits in die Strafprozessordnung eingeführt hat, auch in das novellierte Gefahrenabwehrrecht aufgenommen.
Meine Damen und Herren, an diesen Beispielen zur Terrorismusprävention wird bereits deutlich, dass es sich um ein lageangepasstes, rechtlich abgestuftes Instrumentarium handelt, mit dem die Sicherheitsbehörden einzelfallbezogen agieren können.
Ein weiteres Beispiel für das differenzierte Vorgehen bei der Gesetzgebung stellt die Stärkung von Kontrollbefugnissen dar. Wir weiten den Schutz für Berufsgeheimnisträger aus. Wir stärken die Kontrollbefugnisse der Landesbeauftragten für den Datenschutz. Wir konkretisieren die Protokollierungspflichten bei verdeckten Maßnahmen. Und wir führen eine ganze Reihe zusätzlicher, neuer Richtervorbehalte ein. Die längerfristige Observation steht zukünftig ebenso unter Richtervorbehalt wie der Einsatz von Vertrauenspersonen. Das gilt gleichermaßen für die Onlinedurchsuchung, die ebenfalls eine ausdrückliche richterliche Anordnung voraussetzt, oder auch für die Verlängerung von Meldeauflagen und die elektronische Aufenthaltsüberwachung sowie für die Rasterfahndung.
Meine Damen und Herren, insbesondere Richtervorbehalte stärken die Gewaltenteilung in unserem Land und sind Ausdruck eines freiheitlichen und den Grundrechten der Menschen verpflichteten Gesetzes - eines Gesetzes, welches sich auch in Zukunft dem gesellschaftlichen Wandel und den veränderten Sicherheitsanforderungen anpassen wird.
Da Sie gerade die zahlreichen neuen Befugnisse aufgezählt haben, die Sie aber immerhin unter Richtervorbehalt stellen, frage ich Sie: Wie viele zusätzliche Stellen für Richterinnen und Richter der Verwaltungsgerichtsbarkeit oder der ordentlichen Justiz beschließen Sie denn mit der Einführung dieses Gesetzes, damit die Regelungen zu den Richtervorbehalten auch mit Leben gefüllt werden können, ohne dass das auf dem Rücken der Justiz ausgetragen wird?
Das werden wir in der Praxis sehen. Auf jeden Fall hat die Justizministerin dieser Landesregierung die Beurteilung hinsichtlich der Anzahl neuer Richterstellen nicht zum Maßstab für die Anzahl von Richtervorbehalten in diesem Gesetz gemacht - so wie es bei der Vorgängerregierung der Fall war.
(Beifall bei der SPD und bei der CDU - Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das wäre ja auch noch schöner! - Zuruf von Helge Limburg [GRÜNE])
- Das ist sicherlich ein Aspekt. Aber der darf in einem modernen Rechtsstaat, der den Schutz der Bürgerrechte ernst nimmt, bei der Beurteilung der Notwendigkeit von Richtervorbehalten nicht im Vordergrund stehen - jedenfalls nicht nach unserer Beurteilung.
Wir schaffen insgesamt ein Gesetz, das auch in Zukunft dem gesellschaftlichen Wandel und den veränderten Sicherheitsanforderungen anzupassen ist. Wenn man so will: Nach der Novelle ist vor der Novellierung.
Noch in diesem Jahr werden wir weitere datenschutzrechtliche Änderungen vornehmen, insbesondere vor dem Hintergrund der Bestimmungen der JI-Richtlinie, der Datenschutzgrundverordnung und des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zu Kennzeichenlesegeräten.
(Belit Onay [GRÜNE]: Das müssen Sie auch! Das ist keine Freiwilligkeit! Das wollten Sie beim letzten Mal schon machen!)
Um den Kritiken schon jetzt vorzugreifen: Die heutige Novelle schafft nicht weniger, sondern mehr Rechtsklarheit.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Ende noch ein paar Sätze über unseren Antrag verlieren, mit dem wir die Möglichkeiten einer intel