Protocol of the Session on March 29, 2019

(Anja Piel [GRÜNE] und Christian Grascha [FDP] sprechen miteinander)

Entschuldigen Sie, Frau Ministerin! - Frau Kollegin Piel, das stört wahrnehmbar. Vielleicht können Sie Ihre Unterhaltung etwas leiser führen oder aber woanders. Vielen Dank.

Frau Ministerin, bitte!

Diese Möglichkeit sollte ausdrücklich allen Jugendlichen offenstehen, unabhängig vom sozialen oder von ihrem Bildungshintergrund. Das greift der vorliegende Entschließungsantrag ja auf.

Ich will noch einmal ganz deutlich machen, dass es mir persönlich sehr am Herzen liegt, dass wir auch die Zahl der Berufsschüler und Berufsschülerinnen, die diese Austauschmöglichkeiten nutzen, deutlich erhöhen, weil ich erlebe - ich werde gleich von einem kleinen Erlebnis an einer BBS berichten -, dass es für diese jungen Leute oft der erste Austausch ist, den sie allein erleben. Da entsteht eine Begeisterungsfähigkeit, mit der wir eine gute Saat dafür legen, dass ein Interesse auch an späteren Arbeitsmöglichkeiten im europäischen Ausland gelegt wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer Menschen und Kulturen in anderen Ländern selbst kennen- und schätzen gelernt hat, ist viel weniger anfällig für die Demagogie von Populisten und fremdenfeindlichen Parolen.

(Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz übernimmt den Vorsitz)

Auch wird es immer wichtiger, persönliche und berufliche Erfahrungen in einem anderen EU-Land zu erwerben; denn in vielen Berufen und Branchen gehört die europäische Perspektive, wie Sie wissen, mittlerweile ganz selbstverständlich dazu.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, am letzten Montag war ich - ich habe es bereits angesprochen - an der BBS in Wittmund. Die Berufsschülerinnen und -schüler der Europaschule haben die Möglichkeit, berufliche Erfahrungen in anderen europäischen Ländern zu erwerben. Ich habe mit vielen wirklich sehr emotionale Gespräche geführt. Die Schüler und Schülerinnen, die diesen Austausch gemacht haben, waren begeistert. Für manche war es tatsächlich der erste Auslandsaufenthalt alleine, ohne Familie. Alle haben mir gesagt, dass es eine persönlich bereichernde Erfahrung war, dass sie neue Freunde und Freundinnen gewonnen haben und dass sie sich nach diesen positiven Erfahrungen in jedem Fall auch zukünftig weitere Auslandserfahrungen wünschen.

Unser Zusammenhalt ist der Schlüssel zur Erfolgsgeschichte Europas. Wir wissen, dass wir zusammen stärker sind und dass es unsere gemeinsamen Werte sind, die uns verbinden. Genau das lernen junge Menschen unterschiedlicher Mit

gliedstaaten, wenn sie sich austauschen und sich als junge Europäer und Europäerinnen begegnen.

Ich freue mich deshalb sehr über den von den Regierungsfraktionen vorgelegten Entschließungsantrag. Der Antrag greift ein für die Landesregierung wichtiges Thema auf, Europa und die Europäische Union mit ihren Werten erklärbar und greifbar zu machen, insbesondere für junge Menschen in Niedersachsen.

Aus meiner Sicht ist es in der aktuellen Zeit wichtiger denn je, den Mehrwert Europas zu vermitteln und deutlich zu machen, warum die Europäische Union für Niedersachsen von großem Vorteil ist - nicht nur, aber auch aus wirtschaftlichen Gründen; nicht nur, aber auch aus kulturellen Gründen; nicht nur, aber auch aus sozialen Gründen; nicht nur, aber auch, um von anderen zu lernen; nicht nur, aber auch, um gemeinsam Konflikte zu lösen; nicht nur, aber auch, um gemeinsam Lösungen für grenzüberschreitende Herausforderungen, wie z. B. den Klimawandel, zu finden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass unsere jungen Menschen in der Europäischen Union weiter in der Gewissheit aufwachsen können, in einem offenen, demokratischen und integrativen Europa leben zu können, in einem Europa, in dem sie selbstverständlich ihren ganz persönlichen Weg gehen können, und in einem Europa, für das es sich einzustehen lohnt.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Der auf Annahme in einer geänderten Fassung zielende Änderungsantrag entfernt sich inhaltlich vom ursprünglichen Antrag. Wir stimmen daher zunächst über den Änderungsantrag ab. Falls dieser abgelehnt wird, stimmen wir anschließend noch über die Beschlussempfehlung ab.

Wer dem gemeinsamen Änderungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU in der Drucksache 18/3328 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist der Änderungsantrag angenommen, ihm wurde gefolgt. Damit ist zugleich die Beschlussempfehlung des Ausschusses nach § 39

Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 31 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 unserer Geschäftsordnung abgelehnt.

Wir kommen zum

Tagesordnungspunkt 36: Erste Beratung: Zu menschenrechtsbasierter Flüchtlingspolitik zurückkehren - zentrale Abschiebungsbehörde des Landes verhindern! - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/3246

Zur Einbringung hat sich der Abgeordnete Belit Onay, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, gemeldet. Bitte, Herr Onay!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es gibt einen immer stärkeren Diskurs insbesondere der politischen Rechten, der sich auf abgelehnte Asylbewerberinnen und Asylbewerber fokussiert. Diese Fokussierung hinterlässt ihre Spuren. Die Bundeskanzlerin sprach von einer nationalen Kraftanstrengung, die notwendig sei. Auch Unwörter wie „Antiabschiebeindustrie“ entspringen genau dieser Debatte.

Auch in Niedersachsen hinterlässt das seine Spuren. Gerade weil sich die rechtspopulistische Seite viel stärker auf diesen Personenkreis fokussiert, ist ein verantwortungsvoller Umgang mit diesem Thema besonders wichtig.

Deshalb kurz ein paar Fakten: Es lebten Ende 2018 knapp 22 000 ausreisepflichtige Menschen in Niedersachsen. Eine Abschiebung kommt aber in der Regel nicht infrage, bevor die Ausreisepflicht vollziehbar geworden ist. Das Ausländerzentralregister liefert dazu keine validen Zahlen.

Die Zahl der vollziehbar Ausreisepflichtigen kommt in der Regel der Zahl der Geduldeten sehr, sehr nah, die allerdings bei knapp 17 500 lag. Ihre Abschiebung war aus diversen Gründen ausgesetzt. Das muss man sich auch noch einmal vor Augen führen: Das war u. a. aufgrund eines Abschiebestopps, wegen fehlender Reisedokumente, wegen familiärer Bindungen, aus medizinischen Gründen, aus dringenden humanitären und persönlichen Gründen, z. B. zur Beendigung der Schule, einer Ausbildung usw.

Ein Wort zu den gesundheitlichen Gründen, weil auch der Innenminister das in einem HAZ-Interview vom 6. März angesprochen hat und davon

sprach, dass es einen Personenkreis gebe, der nur vorgebe, krank zu sein. Dieser Mythos hält sich schon länger. Mit dem Asylpaket II hat man die Anforderungen an die Qualität von Attesten massiv und drastisch erhöht. Dennoch verfängt der Vorwurf, es handele sich hier um Gefälligkeitsatteste. Nach Rechtsprechung und Praxis und auch nach Aussage der Landesregierung auf unterschiedliche Anfragen trifft dies nicht zu.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Denn mit ein paar dürren Zeilen ließ sich auch vorher schon eine Abschiebung nicht dauerhaft verhindern.

Auch die These, es gebe zu wenige Abschiebeersuchen bzw. gar einen fehlenden Willen, abzuschieben, steht im Raum. Auch von Ihnen, Herr Innenminister, wird das noch einmal unterstrichen und befeuert, wenn Sie blaue Briefe an die Kommunen schreiben. Solche Briefe, wie wir sie Anfang dieses Jahres hatten, gab es zuletzt im Mai 2011 unter Uwe Schünemann. Ich glaube, da weiß man auch, woher der Wind wehte.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zurufe von der SPD: Unerhört!)

Allerdings, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, haben sich die Abschiebungsersuchen in Niedersachsen seit 2012 vervierfacht. Da kann, glaube ich, von einer Vernachlässigung nicht die Rede sein. Was passiert trotz dieser Fakten in Niedersachsen? - Es kommt nun vom Innenminister die Idee einer zentralen Abschiebebehörde. Das ist schon ein ziemlicher Hammer. Man muss sich klarmachen: Mit diesem Schritt werden Abschiebungen endgültig prioritär, sie werden endgültig zur Chefsache erklärt. Das ist die endgültige Abkehr vom Paradigmenwechsel 2013.

(Zuruf von der CDU: Das wird auch Zeit!)

Diese Rolle rückwärts in der Flüchtlingspolitik soll im Erich-Maria-Remarque-Haus in Osnabrück - im Wahlkreis von Innenminister Boris Pistorius - auch noch ihr Denkmal bekommen. Eine Abschiebungseinrichtung im selben Haus, in dem Geflüchtete ankommen, die durch Krieg, Verfolgung oder Not im Herkunftsland traumatisiert sind, ist mehr als zynisch.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sehr geehrter Herr Innenminister, ich rate Ihnen: Lassen Sie ab von diesem Vorhaben! Ihr Kalkül, Ihren Koalitionspartner mit solchen Forderungen

ruhigzustellen, wird nicht aufgehen. Ganz im Gegenteil!

(Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig!)

Ich bin sehr gespannt auf die Reden der Kolleginnen und Kollegen der CDU. Da können wir uns doch sicher sein, dass gleich das nächst höhere bzw. das nächst härtere Gebot im Überbietungswettbewerb kommt. Wir erleben es ja gerade auf Bundesebene: die Kriminalisierung der Zivilgesellschaft, die Marginalisierung der Flüchtlingsräte. Das ist das, was wir auf Bundesebene - getragen übrigens von der Großen Koalition im Bund - bisher miterleben.

(Beifall bei den GRÜNEN - Dragos Pancescu [GRÜNE]: Schlechtes Sig- nal!)

Herr Innenminister, lassen Sie ab von diesem Vorhaben! Es gibt auch keinerlei inhaltliche Gründe. Ihr Ministerium hat ja im Innenausschuss versucht, es darzustellen. Auf eine Anfrage meiner Fraktion konnten Sie dazu keine nachhaltigen Gründe oder Informationen liefern.

Belassen Sie diese Ebene bei den Kommunen, meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrter Herr Innenminister! Vielmehr sollten Sie sich darauf fokussieren, dass humanitäre Aspekte auf der kommunalen Ebene in Zukunft viel stärker Berücksichtigung finden,

(Beifall bei den GRÜNEN)

dass berechtigte Schutzinteressen viel mehr in den Fokus genommen werden.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Für die SPD-Fraktion hat sich der Abgeordnete Sebastian Zinke zu Wort gemeldet. Bitte, Herr Zinke!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Grünen-Fraktion, lieber Herr Onay, ich schätze Sie und Ihre Arbeit insbesondere im innenpolitischen Bereich. Ich glaube aber, dass Sie mit diesem Antrag und insbesondere mit der Wortwahl deutlich übers Ziel hinausgeschossen sind.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)