Woher kommt dieser Antrag? - Natürlich - Sie haben es ja auch schon leicht angesprochen, Herr von Danwitz -: Die Presse ist in einer Krise. Die HAZ beispielsweise hat in den letzten Jahren über ein Drittel ihrer Printausgabe zurückgefahren. Das schlägt sich natürlich auf diesen Wirtschaftszweig nieder. Die SPD - ich vermute, aus dieser Richtung kommt der Antrag - hat natürlich ein Interesse daran, dass hier Marktstabilität herrscht. Um die Verbraucher geht es hier auf gar keinen Fall. Das nenne ich mal Steuergestaltung!
Wenn Sie uns da vernünftig an Bord haben wollen, lassen Sie uns doch gemeinsam die Anlage 2 des Umsatzsteuergesetzes aus Niedersachsen heraus entrümpeln. Das wäre eine vernünftige Geschichte.
Ansonsten stimmen wir der Ausschussüberweisung, wie gesagt, hoffentlich auch in den Haushaltsausschuss, natürlich zu.
Vielen Dank, Herr Kollege Lilienthal. - Ich habe Ihren Antrag so verstanden, dass nach Ihrer Vorstellung der Haushaltsausschuss mitberatend tätig sein soll, nicht federführend.
- Okay. Wir kommen nachher darauf zurück. Vielleicht können die Fraktionen das untereinander ein bisschen abklären.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das deutsche Mehrwertsteuerrecht ist über die Jahre zu einem sehr merkwürdigen Desaster mutiert. Es
ist nicht nur für Spezialisten nur noch schwer zu durchschauen, sondern bietet auch für Komödianten jede Menge Inspiration.
Die Pizza, die Sie mit nach Hause nehmen, wird mit 7 % Mehrwertsteuer belastet. Wenn Sie dieselbe Pizza in dem Restaurant verzehren, wird sie mit 19 % besteuert.
Wer mich, meine Damen und Herren, kennt, der weiß, dass ich wesentlich mehr Kaffee als Pizza benötige. Wenn Sie also den Coffee to go mitnehmen, sollte dieser nach dem eben Gesagten, mit 7 % besteuert werden. Aber weit gefehlt! Diese 7 % gelten nur für Kaffeepulver und Kaffeebohnen. Wenn Sie den Kaffee frisch aufgebrüht haben, gelten 19 %.
Nun trinke ich gerne Cappuccino, und dann wird es noch komplizierter. Wenn mindestens 75 % Milch in den Kaffee kommen, wie bei einem Cappuccino der Fall, dann fallen wiederum nur 7 % Steuer an. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht. Aber ich finde es irre.
Mir konnte bisher auch niemand erklären, warum Hundekekse mit 7 % besteuert werden und Kinderkekse mit 19 % oder warum Wachteleier, Krebsfleisch und Kaviar mit 7 % und Mineralwasser mit 19 % besteuert werden. Sinnvoll, meine Damen und Herren, ist das nicht.
Mir ist auch ein Rätsel, warum es keiner Bundesregierung zu gelingen scheint, dieses Dickicht in irgendeiner Form einmal zu lichten. Es hieß doch immer, dass Große Koalitionen in der Lage sein würden, große Projekte anzuschieben. Aber davon hört man aus Berlin jedenfalls nichts mehr. Wir erleben lediglich die Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner und ein Abwarten auf die nächste Bundestagswahl. Das, meine Damen und Herren, ist sehr viel verlorene Zeit für Deutschland.
Auf den ersten Blick macht dies den Eindruck, als würden wir, wenn wir dem Entschließungsantrag folgen, nun eine weitere Ausnahme einführen. Aber das ist nicht der Fall. Die unterschiedliche Besteuerung einer Onlineausgabe und einer gedruckten Zeitung ist eine Ausnahme, die es zu beseitigen gilt. Dieser Gedanke ist auch nicht neu. Bereits im Januar 2016 haben wir in diesem Landtag darüber diskutiert. Schon damals ging es darum, dass die Landesregierung die Bundesregie
rung auffordern sollte, in dieser Angelegenheit irgendwie tätig zu werden. Damals wurde aber zu Recht darauf verwiesen, dass in diesem Bereich zunächst einmal die EU-Kommission tätig werden muss, da ein Alleingang der Bundesrepublik hinsichtlich ermäßigter Steuersätze so nicht möglich sei.
Nun ist diese notwendige Regelung auf EU-Ebene erfolgt. Daher hätte ich eigentlich erwartet, dass nun die Bundesregierung automatisch tätig werden würde. Zur Erinnerung: In Berlin gibt es eine Große Koalition. Warum die Berliner Große Koalition nun die Große Koalition in Hannover benötigt, um in dieser Angelegenheit tätig zu werden, erschließt sich jedenfalls mir nicht. Ich glaube aber, dass die Antwort auf diese Frage eines der vielleicht größten Probleme dieser Bundesrepublik deutlich machen würde.
Danke schön, Herr Dr. Genthe. - Jetzt erteile ich das Wort dem Abgeordneten Christian Meyer, Bündnis 90/Die Grünen. Herr Meyer, bitte sehr!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Sache sind wir uns, glaube ich, einig, dass es steuerrechtlich keinen Unterschied machen darf, ob man eine gedruckte Zeitung kauft oder ein E-Paper. Da ist einfach das Steuerrecht noch nicht im digitalen Zeitalter angekommen. Daher sind wir uns da, glaube ich, parteiübergreifend einig.
Der Kollege Genthe hat es angesprochen. Es ist schon erstaunlich, was SPD und CDU hier heute beantragen. Mehrwertsteuerrecht ist Bundesrecht. Das müsste also die Große Koalition in Berlin machen. Bundesfinanzminister Scholz hat ja auch angekündigt, die Möglichkeit der EU umzusetzen. Jetzt soll die GroKo hier dies beschließen.
Es ist nicht richtig, was die CDU gesagt hat, nämlich dass sie das beschlossen hätte. Sie haben da einen Fehler in Ihrem Antrag. Sie schreiben, die Drucksache 17/3320, der CDU-Antrag, sei damals beschlossen worden. Das ist falsch; denn der CDU-Antrag war nämlich, wie Herr Genthe es gesagt hat, dass Niedersachsen eine Bundesratsinitiative starten sollte. Das war aber unsinnig, weil die EU gesagt hat: Das geht nicht. - Deshalb ha
ben wir damals gegen die Stimmen der CDU einen Beschluss gefasst, übrigens dankenswerterweise mit Unterstützung der FDP, weil sie schon damals klug war.
Rot-Grün hat damals - das hier ist das Protokoll von Frau Pieper - die Drucksache 17/4969 beschlossen. Der Antrag, den die GroKo eingebracht hat, beschreibt also eine falsche Geschichte. Der Beschluss in der Drucksache 17/4969 hat nämlich besagt, die Landesregierung soll die Forderung in geeigneter Weise politisch unterstützen. Das hat die damalige rot-grüne Landesregierung gemacht, indem dies EU-rechtlich seit letztem Herbst möglich ist. Damals hat die CDU dagegen gestimmt. Sie sollte sich nicht etwas auf die Fahnen schreiben und keine Drucksachen zitieren, die gar nicht beschlossen worden sind.
In der Sache hoffe ich, dass es vorangeht. Aber es bleibt dabei: Die Entscheidung liegt jetzt bei der Bundesebene. Die EU hat dies ermöglicht. Nun sollten Sie Ihre Kanäle nutzen und Ihrer GroKo auf Bundesebene vielleicht ein bisschen mehr vertrauen, dass sie das auch einmal in Anspruch nimmt; denn jeder Tag, an dem Zeitungen und digitale Medien ungleich behandelt werden und sie einen erhöhten Mehrwertsteuersatz, der nicht zu rechtfertigen ist, bezahlen müssen, ist für die Meinungsvielfalt und für die Presse schlecht. Daher sollten wir alles tun, dass die Möglichkeit der EU, die der Landtag schon 2016 unterstützt hat, endlich so schnell wie möglich umgesetzt wird.
Wir hoffen, dass wir zügige Beratungen dazu haben. Aber am Ende liegt der Ball bei der Großen Koalition im Bund.
Danke schön, Herr Meyer. - Schlussendlich jetzt noch die SPD: Herr Kollege Dr. Alexander Saipa, Sie haben das Wort. Wir erwarten jetzt sieben Minuten. Bitte!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie haben die Bitte des Präsidenten gehört. Dann werde ich ab jetzt ganz langsam reden, um die sieben Minuten vollzumachen. Nein!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Digitalisierung schreitet voran. Es wird tatsächlich höchste Zeit, dass auch unser Steuerrecht in diesem Fall mit dem Wandel Schritt hält.
Digitale Nachrichtenangebote erfreuen sich stetig steigender Beliebtheit, wohingegen die Leserzahl von klassischen Printmedien in vielen Bereichen, wie wir wissen, sinkend ist.
Während gedruckte Zeitungsauflagen mit einem vergünstigten Steuersatz von 7 % behandelt werden, fällt bei Onlineangeboten von Zeitungen der reguläre Mehrwertsteuersatz von 19 % an. Dieses Ungleichgewicht wollen wir gerade im Kontext der steigenden Leserzahlen von digitalen Produkten aus der Welt schaffen.
Die EU-Richtlinie über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem wurde bereits im vergangenen November auf europäischer Ebene angepasst. Das ist in der heutigen Debatte auch schon gesagt worden. Durch diese Überarbeitung obliegt es den Mitgliedstaaten, die Mehrwertsteuersätze für digitale Erzeugnisse anzupassen. Daher möchten wir mit unserem Antrag die Landesregierung bitten, dazu auf Bundesebene ein Gesetzesvorhaben zu unterstützen.
Für die Nutzer war die steuerrechtliche Unterscheidung sowieso nie richtig nachvollziehbar. Daher wollen wir uns mit Nachdruck dafür einsetzen, dass diese Sätze in Bezug auf die unterschiedliche Behandlung von Lesestoff jetzt endlich der Lebenswirklichkeit angepasst werden.
Auch im Bund sah der Koalitionsvertrag von SPD und CDU/CSU 2013 bis 2017 und auch seit 2017 vor, dass der verminderte Mehrwertsteuersatz auf Bücher, Zeitschriften und Zeitungen nicht nur erhalten bleiben, sondern zukünftig auch für Hörbücher gelten soll und dass man auf europäischer Ebene darauf hinwirken will, dass E-Books, E-Papers und andere elektronische Informationsmedien ebenfalls den ermäßigten Mehrwertsteuersatz bekommen.
Für uns als SPD geht es in diesem ganzen Zusammenhang immer auch um den Erhalt der Buchpreisbindung. Die Buchpreisbindung ist für uns sehr wichtig, um dauerhaft eine Vielzahl der Buchhandlungen zu gewährleisten. Das hat der Bundestag im Dezember 2018 glücklicherweise bestätigt, obwohl die Monopolkommission im Mai des vergangenen Jahres noch die Abschaffung
Wir setzen uns dafür ein, dass die angekündigten Maßnahmen jetzt tatsächlich umgesetzt werden, da die Verwendung von E-Books und E-Papers nunmehr zur Lebenswirklichkeit unserer gesamten Bevölkerung gehört.
Wir stehen auch weiter für Pluralität und Meinungsvielfalt. Wir wollen mit dafür sorgen, dass guter Journalismus weiterhin eine hohe Bedeutung in unserer Gesellschaft hat, dass gut recherchierte Berichterstattung möglich bleibt und die Meinungsführerschaft nicht denen überlassen bleibt, die in den sozialen Medien am lautesten brüllen und über „alternative Fakten“ fabulieren. Wir brauchen heute dringender denn je gute und verlässlich recherchierte Informationen - egal, ob in gedruckter Form oder elektronisch. Wichtig ist, dass viele daran teilhaben können.
Deswegen kann man auch ganz klar sagen, dass wir erwarten, dass dann, wenn es für die elektronischen Produkte zur Senkung des Mehrwertsteuersatzes kommen sollte, auch die Leserinnen und Leser, die Konsumentinnen und Konsumenten dieser Produkte an den Einsparungen aufgrund der Senkung der Mehrwertsteuer deutlich sichtbar beteiligt werden. Das wäre sehr gut und auch sehr wichtig, um im Späteren auch gut recherchierte Informationen weiterverbreiten zu können, sodass viele Menschen sie lesen können.
Vielen Dank, Herr Dr. Saipa. - Weitere Wortmeldungen zu diesem Punkt liegen nicht vor. Damit ist die Beratung beendet.