Protocol of the Session on March 27, 2019

Die Forderung nach einem Zweckentfremdungsgesetz wurde bei dieser Bereisung von den kommunalen Vertretungen klar formuliert. Unsere Städte und Gemeinden benötigen ein Gesetz, das ihnen die Möglichkeit eröffnet, je nach individueller Lage eine eigene Satzung zu erlassen, um handeln und dieser Entwicklung entgegensteuern zu können. Dieses Werkzeug hat der kommunale Bereich als dringend notwendig von uns angefordert. Dies wurde auch im Rahmen der Anhörung deutlich von den kommunalen Spitzenverbänden artikuliert.

Die Grünen haben einen eigenen Entwurf für ein Wohnraumschutzgesetz eingebracht, der - das hat

Herr Meyer vor einigen Monaten hier eingeräumt - einfach von dem der Freien und Hansestadt Hamburg abgeschrieben wurde. Dabei wurde nicht geprüft, ob sich die einzelnen Regelungen des Gesetzes der Hansestadt Hamburg haben umsetzen lassen oder bereits Hinweise aus der Rechtsprechung zur Optimierung der entsprechenden Regelungen vorliegen.

Gut ist, dass die Grünen etwas gemacht haben. Aber sie haben es sich zu einfach gemacht, und sie haben es schlecht gemacht.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Und des- wegen machen Sie lieber gar nichts an der Stelle!)

- Wir machen ja was, und zwar sehr aktiv. - Ihr Gesetzentwurf beinhaltet zwei Gesetze in einem - das kann man ja erst mal so machen -: nämlich ein Zweckentfremdungsgesetz und ein Mieterschutzgesetz.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Das steht im Koalitionsvertrag!)

- Ja, aber in unserem Koalitionsvertrag, Herr Meyer, in unserem.

Wir wollen jetzt zunächst ein Zweckentfremdungsgesetz beschließen. Beide Gesetze sind von hoher Notwendigkeit - gar keine Frage! Wir haben uns aber dafür entschieden, das Zweckentfremdungsgesetz vorzuziehen, damit den Kommunen schneller die Möglichkeit verschafft wird, eigene Satzungen in diesem Bereich zu erlassen. Genau damit sind wir dem Wunsch der kommunalen Spitzenverbände gefolgt.

Wären wir Ihrem Wunsch gefolgt, beide Gesetze gleichzeitig zu behandeln, hätte dies nicht nur einen wesentlich umfangreicheren Anhörungsprozess bedeutet, sondern auch zur Folge gehabt, dass sich das Gesetzgebungsverfahren insgesamt länger hinzieht. Es war also richtig, das Zweckentfremdungsgesetz vorzuziehen, und unmittelbar im Anschluss wird der Entwurf zum Mieterschutzgesetz eingebracht. Im Rahmen der Anhörung wurde uns seitens des MU ja mitgeteilt, dass der Entwurf des Mieterschutzgesetzes bereits im Mai ins Kabinett geht.

Im Rahmen der Anhörung wurden die unterschiedlichen Interessenlagen zu diesem Gesetz vorgetragen. Ich danke dem Gesetzgebungs- und Beratungsdienst, dass wir sehr schnell einen adäquaten Umsetzungsvorschlag erhalten haben, den wir in der vergangenen Sitzung des Fachausschusses

sehr konstruktiv beraten haben. Vor dem Hintergrund dieser konstruktiven Arbeit, die wir dort geleistet haben, ist mir die Aussage des Kollegen Schulz-Hendel gegenüber der Presse - er wird mit dem Satz zitiert: Die GroKo kann sich mal wieder nicht einigen. - höchst unverständlich. Das Gegenteil ist der Fall, sonst wären wir nicht so schnell vorangekommen.

(Zustimmung bei der SPD)

Ihnen liegt heute ein praxisorientiertes Gesetz vor, das die aktuelle Rechtsprechung zu dieser Thematik berücksichtigt und dazu dienen wird, sich der zunehmenden Zweckentfremdung von Wohnraum entgegenzustellen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Adomat. - Jetzt ist Herr Christian Meyer, Bündnis 90/Die Grünen, dran. Bitte sehr!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat haben wir als Grünen-Fraktion bereits vor einem dreiviertel Jahr einen Gesetzentwurf für einen besseren Wohnraumschutz und gegen Zweckentfremdung vorgelegt.

Die SPD hat uns damals vorgeworfen - Sie haben es eben auch noch mal gemacht -, dass er auf den in Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Bayern und Berlin existierenden Gesetzen basiert - sie alle haben ein solches Gesetz. Und was dort funktioniert, braucht auch Niedersachsen; das haben die kommunalen Spitzenverbände deutlich gemacht. Oberbürgermeister Mädge aus Lüneburg hat gemahnt, dass Regelungen wie in Hamburg auch in Lüneburg gelten sollten.

Als wir den Gesetzentwurf damals eingebracht haben, hat der zuständige Bauminister Olaf Lies angekündigt, dass er, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, zügig ein Gesetz vorlegen werde. In Ihrem Koalitionsvertrag heißt es nämlich, Herr Adomat - den haben Sie, SPD und CDU, ja nun geschrieben -:

„Wir wollen ein Wohnraumschutzgesetz schaffen, das einerseits die Rechte von Mietern auf angemessene Wohnzustände defi

niert und andererseits den Kommunen die Möglichkeit einräumt, über eine Satzung die Zweckentfremdung von Wohnraum zu unterbinden.“

Warum Sie jetzt aus einem Gesetz zwei Gesetze machen, wodurch alles bürokratischer und komplizierter wird, verstehen wir nicht, zumal die anderen Ländern gute Erfahrungen mit einem Gesetz gemacht haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Sie brechen gerade Ihre eigenen Versprechen, Ihren eigenen Koalitionsvertrag, indem Sie nicht ein umfassendes Gesetz - wie es in den anderen Ländern existiert und von den Grünen vorgelegt wurde - vorlegen.

Die Sozialministerin hat bei der Debatte über das Thema Tuberkulose und Unterkünfte für Schlachthofarbeiter ja angekündigt, dass bald ein Gesetz vorgelegt wird, mit dem die Kommunen besser kontrollieren können, ob menschenunwürdige Wohnzustände vorliegen - jetzt ist sie gerade nicht da. Für die SPD scheint das Thema menschenwürdiger, sozialer Wohnraum anscheinend doch nicht so wichtig zu sein wie andere Themen. Das ist sehr bedauerlich. Es gab die miserablen Zustände im Wollepark in Delmenhorst; der Oberbürgermeister - auch SPD-Mitglied - hat in der Anhörung gemahnt, wie wichtig es ist, dass die Kommunen Möglichkeiten haben, um gegen Abzocke, gegen Bruchbuden, gegen menschenunwürdige Wohnzustände vorzugehen. Das verweigern Sie ihnen heute mit diesem Gesetzentwurf.

(Beifall bei den GRÜNEN - Helge Limburg [GRÜNE]: Unglaublich!)

Sie ermöglichen jetzt ein Vorgehen gegen die Zweckentfremdung von Wohnraum für Tourismus und gegen die Umnutzung von Wohnraum in Gewerberaum. Das begrüßen wir; das haben auch wir aufgenommen. Aber auch dabei folgen Sie in Ihrem Gesetzentwurf - deshalb haben wir dazu Änderungsvorschläge vorgelegt - nicht den Forderungen der Kommunen, die in der Anhörung deutlich für schärfere Regelungen plädiert haben, wie sie im Grünen-Gesetzentwurf enthalten sind. Wir wollen z. B., dass gegen spekulativen Leerstand bereits nach vier Monaten vorgegangen werden kann; gemäß Ihrem Gesetzentwurf ist das erst nach sechs Monaten möglich. Im Berliner Gesetz sind sogar nur drei Monate vorgesehen.

Der GBD hat auch darauf hingewiesen, dass selbst im bayrischen Gesetz bei Verstößen die fünffache Bußgeldhöhe - 500 000 Euro - vorgesehen ist. Auch das haben wir in unserem Änderungsantrag aufgegriffen. Denn es kann wirklich nicht sein, dass Wohnraum, der wichtig für die Menschen ist, zweckentfremdet wird.

Wir wollen eine aktive Meldepflicht einführen; auch das haben die Kommunen eingefordert. Sie haben das aber nicht aufgegriffen. Sie wollen auch nicht, dass für Durchschnittsverdiener angemessener Ersatzwohnraum geschaffen werden muss, wenn die Zweckentfremdung von Wohnraum durch die Schaffung von Ersatzwohnraum genehmigt wird.

Deshalb haben viele in der Anhörung befürchtet, dass das ein zahnloser Tiger wird und die Umwidmung von Wohnraum etwa auf den Inseln damit nicht bekämpft werden kann. Der Bürgermeister von Langeoog hat z. B. klargemacht, wo bei ihm die Probleme liegen.

Auch bleibt das Problem, dass Orte wie Delmenhorst, die auch gerne solche Satzungen erlassen würden, dies möglicherweise nicht machen können, weil Sie sehr harte Kategorien festgelegt haben, wenn es darum geht, was ein Wohnungsnotstand ist.

Meine Damen und Herren, das Hauptverwunderliche ist aber, dass SPD und auch CDU auf jegliche Definition von menschenwürdigem Wohnraum verzichten. Sind 15 Menschen auf 60 m², für die es eine Toilette gibt, für Sie angemessen? So etwas erleben wir im Cloppenburger Raum.

(Imke Byl [GRÜNE]: Das ist schlimm!)

Bekommen die Kommunen weiterhin keine Aufsichtsmöglichkeiten, wenn menschenunwürdige Bruchbuden und Schrottimmobilien an Menschen, die auf Schlachthöfen arbeiten und zur Saisonarbeit bei uns sind, vermietet werden? Ich erinnere an die Predigten des Prälaten Kossen, der immer wieder angesprochen hat, welche Vermieter es dort gibt, die entgegen der Menschenwürde handeln.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deshalb brauchen wir ein Gesetz, in dem das umfasst ist, um bessere Aufsichtsmöglichkeiten zu haben. Das alles fehlt in Ihrem Gesetzentwurf. Es gibt für die Kommunen keine bessere Aufsicht.

Ob es nun die CDU war, der Lobbydruck, der Ministerpräsident oder der stellvertretende Ministerpräsident, der diesen Teil zur Menschenwürde

beim Wohnen blockierte, den Sie im Koalitionsvertrag - in einem Gesetz - noch vorgesehen hatten, bleibt unklar. Fakt ist: Das Thema „menschenwürdige Wohnverhältnisse“ ist für SPD und CDU, anders als versprochen, anscheinend nicht so wichtig.

Es bleibt auch unklar, warum man heute nicht alle gesetzlichen Regelungen in einem beschließen kann. Deshalb wollen wir Ihnen helfen und haben einen Änderungsantrag vorgelegt. Sie können für Bürokratieabbau sorgen, indem Sie nicht zwei Gesetze machen, sondern eines. Dann gibt es auch nur eine Regelung zum Betretrecht, also zu den Möglichkeiten, in die Grundrechte gemäß Artikel 13 einzugreifen. Als Nachhilfe für die AfD: Das ist der Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung. - Wenn es menschenunwürdige Zustände gibt, sollen die Kommunen natürlich Möglichkeiten haben, dort einzugreifen. Das könnten wir in einem Gesetz regeln.

Übrigens: Die rot-grüne Landesregierung in Hamburg hat das seit vielen Jahren, schon unter Olaf Scholz. Das Gesetz ist in Kraft und höchstrichterlich bestätigt. Dass Sie uns jetzt vorhalten, davon hätten wir abgeschrieben, was ganz schlecht sei, das müssen Sie Ihrem jetzigen Bundesfinanzminister und ehemaligen Ersten Bürgermeister Olaf Scholz erklären. Sie müssen vor allem den Kommunen erklären, warum sie weiterhin nicht gegen katastrophale Wohnverhältnisse vorgehen können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir beantragen daher eine namentliche Abstimmung zu unserem Änderungsantrag, mit dem wir aus zwei Themen eines machen wollen, damit gerade die Sozialdemokraten aus den Städten, in denen diese Wohnverhältnisse immer wieder Thema sind, heute ein Zeichen setzen können.

Damit setzen Sie auch vor der Europawahl ein Zeichen, nämlich dass uns die Menschen aus anderen europäischen Ländern - aus Bulgarien, aus Rumänien -, die hier in der Fleischindustrie schuften, nicht egal sind, sondern wie alle Menschen das Recht auf faires und gutes Wohnen haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zeigen Sie, dass spekulativer Leerstand und Abzocke mit unwürdigem Wohnraum von Niedersachsen nicht toleriert, sondern bekämpft wird! Ich erinnere noch einmal an Goethe - ich habe es damals gesagt -, der 1802 schrieb: „Eine schlechte Wohnung macht brave Leute verächtlich.“

Ich freue mich, wenn Sie unserem Änderungsantrag für faires und gutes Wohnen in Niedersachsen zustimmen. Sie helfen damit den Kommunen, Sie helfen damit den Menschen, und Sie setzen damit auch Ihren eigenen Koalitionsvertrag um.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Kollege Meyer. Ich habe es so verstanden, dass Sie namentliche Abstimmung zu der Drucksache 18/3280 beantragen, zu Ihrem Gesetzentwurf in Gänze.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Ja!)