Protocol of the Session on January 24, 2019

(Zurufe: Das kann man nicht sehen!)

- Okay, es war ein Versuch.

Das kann unserer Auffassung nach im Übrigen zu kritischen Situationen führen - ich habe das eben nur angedeutet -: Ein Radfahrer befindet sich bereits unmittelbar vor der Kreuzung. Ein anderer Radfahrer nähert sich aber erst in etwas mehr als 40 m dieser Kreuzung. Ein Lkw-Fahrer, der rechts abbiegen will, denkt, dass der Radfahrer noch 40 m weit weg ist, weil die Anlage jetzt blinkt. Genau den Radfahrer, der vorn an der Kreuzung die Straße überqueren will, hat der Lkw-Fahrer im toten Winkel.

Dann ist es für den Lkw-Fahrer, wenn in seinem Wagen keine Abbiegeassistenzsysteme eingebaut sind, nahezu unmöglich, den toten Winkel zu beachten, und dann wird der Radfahrer voraussichtlich übersehen werden. Da stellen sich verschiedene Fragen, Haftungsfragen. Die Frage ist nicht abschließend zu beantworten. Das wird im Falle eines Unfalls möglicherweise auch erst vor Gerichten geklärt werden müssen.

Das hört sich jetzt blöd an, weil alle sagen, dass das eine Anlage ist, die hilft und Radfahrende vor einem Lkw-Unfall schützt. Ich habe das Begehren der Stadt Garbsen sehr wohl zur Kenntnis genommen. Aber wir müssen bei sachlicher Betrachtung ein paar Fälle mit durchspielen: Was passiert, wenn die Sensoren, wie jetzt im Winter, vereist sind und nicht blinken? Wer haftet im Falle des abbiegenden Lkw, wobei jemand tödlich verunglückt? Was ist dafür zu regeln? Hat die Anlage dann möglicherweise eine Sicherheit simuliert, die in dem Moment nicht wirklich gegeben war?

Diese Anlage ist durch die Behörde nicht abgenommen worden. Sie ist installiert worden. Ich akzeptiere und respektiere ausdrücklich den Willen der Stadt Garbsen, der dahinter steht, für mehr Sicherheit zu sorgen.

Wir wissen, was in der Öffentlichkeit in aller Regel dann passiert, wenn es doch zu einem Unfall gekommen ist und nach den Schuldigen gesucht wird. Es gibt ein paar Leserbriefe, die sich - gerechtfertigt - mit dieser Problematik auseinandersetzen. Insofern möchten wir ein Modellprojekt auf den Weg bringen, das möglicherweise eine andere Anlage vorsieht - eine Anlage, die behördentechnisch abgenommen ist, die geprüft ist, bei der wir sicher sind, dass sie diesen Anspruch erfüllt.

Aber das Ministerium wird sich diese Sache vor Ort noch einmal genau anschauen. Wir wollen das jetzt nicht einfach abbauen lassen. Wir anerkennen den Willen der Stadt Garbsen und der Region, für mehr Sicherheit zu sorgen. Aber es muss rechtlich einwandfrei sein, und es muss technisch so sein, dass keine falsche Sicherheit vorgegaukelt wird.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Es hat sich nun für die SPD-Fraktion Kollegin Dr. Dörte Liebetruth gemeldet.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich frage die Landesregierung: Gibt es Empfehlungen an die Kommunen, wie Abbiegeunfälle künftig vermieden werden können, z. B. durch Straßenführung oder die Schaltung von Ampelanlagen?

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Herr Minister Dr. Althusmann antwortet.

Ja, in der Tat. Die Anordnung von Lichtsignalanlagen und der dazugehörigen Schaltprogramme richtet sich in aller Regel nach bundeseinheitlichen Vorschriften der Straßenverkehrsordnung und den dazu ergangenen Verwaltungsvorschriften und Richtlinien, hier insbesondere nach den Richtlinien für Signalanlagen. Auf dieser rechtlichen Basis haben die jeweils zuständigen Straßenverkehrsbehörden grundsätzlich in eigener Zuständigkeit zu prüfen und letztendlich auf Basis der vor Ort gewonnen Erkenntnisse über die Anordnung von Lichtsignalanlagen und den dazugehörigen

Schaltprogrammen zu entscheiden.

Die Gegebenheiten vor Ort sind zu verschieden, als dass jeder Sachverhalt abstrakt geregelt werden könnte. Darüber hinausgehende Weisungen des Landes zur Schaltung von Lichtsignalanlagen gibt es bisher in Niedersachsen nicht. Das Land wird die Kommunen als untere Verkehrsbehörden aber noch einmal sehr genau darauf aufmerksam machen und auch auffordern, in ihren Zuständigkeitsbereichen die Ampelschaltanlagen zu überprüfen und im Hinblick auf eine Erhöhung der Sicherheit für Radfahrer selber aktiv zu werden.

Vielen herzlichen Dank. - Eine Zusatzfrage für die CDU-Fraktion stellt jetzt der Kollege Karl-Heinz Bley.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass unser Minister Dr. Bernd Althusmann die Bundesförderung für die Abbiegeassistenten ebenso wie ich positiv sieht, frage ich die Landesregierung: Wird das Land dieses Thema zusätzlich zur Bundesförderung unterstützen?

Danke schön. - Herr Minister antwortet.

Herr Abgeordneter Bley, vielen Dank. - Im Juli 2018 hat das Bundesverkehrsministerium bekanntlich die „Aktion Abbiegeassistent“ gestartet, um die freiwillige Aus- und Nachrüstung mit Abbiegeassistenzsystemen zu forcieren. Dazu hat die Bundesanstalt für Straßenwesen Empfehlungen zu technischen Anforderungen an diese Abbiegeassistenzsysteme für Aus- und Nachrüstung von Lkw größer 3,5 t abgegeben. Das wurde im Übrigen am 19. September 2018 im Verkehrsblatt veröffentlicht.

Darüber hinaus hat das Bundesverkehrsministerium ein Förderprogramm Abbiegeassistenzsysteme (AAS) aufgelegt, um Nachrüstlösungen zukünftig auch unabhängig vom sogenannten De-minimisProgramm fördern zu können. Anträge können seit dem 21. Januar, also seit drei Tagen, beim Bundesamt gestellt werden. Eine der Voraussetzungen für die Bewilligung ist die Einhaltung der Anforderungen der oben genannten Empfehlungen. Förderfähige Kraftfahrzeuge sind Nutzfahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse von mehr als 3,5 t

und Kraftfahromnibusse mit mehr als neun Sitzplätzen, die im Inland für die Ausübung gewerblicher, freiberuflicher, gemeinnütziger und öffentlichrechtlicher Tätigkeit angeschafft und betrieben werden. Die Zuwendung beträgt höchstens 80 % der zuwendungsfähigen Ausgaben - das sind die System- und Montagekosten -, maximal jedoch 1 500 Euro pro Einzelfallfahrzeug, wobei - ich sagte es vorhin - je zehn Berechtigte pro Einzelmaßnahme förderfähig sind.

Da die derzeitigen Systemkosten, die allerdings grob geschätzt sind, durchschnittlich für einen Lkw in Deutschland rund 2 000 Euro betragen, wird durch die Förderung des Bundes dem Grunde nach - 1 500 zu 2 000 Euro - der Großteil der Investitionskosten getragen.

Im Moment ist keine weitere Förderung des Landes Niedersachsen vorgesehen, weil wir im Moment noch nicht erkennen können, wie viele denn demnächst auf dieses Programm, das es erst seit drei Tagen gibt, zugreifen werden. Ich will aber nicht ausschließen, dass wir in Zukunft gegebenenfalls unterstützen wollen, wenn das Programm nicht ausreichen sollte und wir eine Welle von Nachrüstungen haben. Das Thema Abbiegeassistenz hat für uns als Landesregierung eine hohe Relevanz, eine hohe Priorität. Wir wollen mehr Sicherheit von Kindern und älteren Menschen in unseren Stadtverkehren bekommen.

Ich möchte noch einmal an alle Lkw-Fahrer appellieren, die hinter dem Steuer sitzen: Der tote Winkel ist ein tödlicher Winkel. In höchstem Maße mit Vorsicht und Umsicht durch unsere Städte zu fahren, dient der Sicherheit der Menschen in unserem Land. Da kommen technische Systeme, aber eben auch der normale Mensch zueinander.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister. - Jetzt hat Kollege Fredermann für die CDU-Fraktion das Wort.

Der Herr Minister hat angekündigt, dass Fahrzeuge der Straßenbaubehörde zukünftig mit Abbiegeassistenten ausgerüstet werden. Welche Fahrzeuge werden hiervon betroffen sein? Gilt das schon ab 3,5 t?

Vielen Dank. - Herr Minister wird antworten.

Um es noch einmal zu konkretisieren: Wir werden bereits am 5. Februar ein Abbiegeassistenzsystem - das ist ein Kamera-Monitor-System mit Erkennung von Fußgängern und Fahrradfahrern im toten Winkel - bei der Straßenmeisterei Sarstedt vorstellen und erproben. Dabei wird es ein Demonstrationssystem geben, mittels Magnetfuß an einem Lkw der Straßenmeisterei Sarstedt befestigt, das wir vor Ort testen wollen. Ziel ist es, auf der Grundlage dieses Termins realistische und sinnvolle Beschaffungskriterien für die möglichst zeitnahe Ausrüstung geeigneter Fahrzeuge in der Landesstraßenbaubehörde zu bekommen.

Bei der Nachrüstung von Fahrzeugen berufen wir uns natürlich grundsätzlich auf die Vorgaben des Bundesverkehrsministeriums vom Dezember 2016. Bis zu dieser Veröffentlichung hat es keine einheitlichen technischen Anforderungen gegeben. Wir können aber heute erkennen, dass es auch über den Fahrzeugeigentümer Land Niedersachsen hinaus bei den ersten Systemen eine erhebliche Nachfrage gibt. Das will ich zumindest als Information hinzufügen. Es besteht laut verschiedener Presseveröffentlichungen ein großes Interesse an der Aus- und Nachrüstung. RegioBus, Üstra, aha und die Region Hannover wollen neben den Fahrzeugen der Landesstraßenbaubehörde zusätzlich ihre Fahrzeuge nachrüsten und neue Fahrzeuge gleich mit Assistenten an Bord bestellen. Auch hierzu muss man allerdings anmerken, dass der Markt mit Herstellern, die Fahrzeuge mit eingebauten Assistenzsystemen anbieten, noch überschaubar ist. Das ist dann in Kombination mit den Landesstraßenbaufahrzeugen ab 3,5 t - ich glaube, das ist der Schwerpunkt unserer Fahrzeuge - ein Gesamtsicherheitspaket, das in Kürze auf den Weg gehen soll.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank. - Eine weitere Nachfrage hat jetzt Kollege Karl-Heinz Bley für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass wir im letzten Jahr einen Entschließungsantrag zum Abbiegeassistenten im Landtag beraten haben, frage ich jetzt die Landesregierung: Welche Initiativen wurden von den Bundesländern bereits ergriffen, damit die Nachrüs

tung bzw. Ausrüstung mit Abbiegeassistenzsystemen gesetzlich vorgeschrieben wird?

Vielen Dank. - Herr Dr. Althusmann antwortet.

Die Bundesländer haben sowohl mit einem Beschluss der Verkehrsministerkonferenz im April 2017 - das habe ich erwähnt - als auch mit einem Entschließungsantrag im Bundesrat im Mai 2018 die Bundesregierung aufgefordert, sich gegenüber der EU-Kommission und der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen noch intensiver dafür einzusetzen. Es geht darum, dies bei Nutzfahrzeugen ab 7,5 t zulässigem Gesamtgewicht verpflichtend vorzuschreiben.

Das haben wir getan. Wir haben uns bei der EUKommission in persönlichen Gesprächen - auch ich bei meinem letzten Besuch in Brüssel - intensiv für das Thema Abbiegeassistenzsysteme eingesetzt. Ich halte es mit Blick auf das Transitland Niedersachsen für zwingend notwendig, dass wir eine europarechtliche Regelung bekommen.

Jetzt sage ich aber etwas, das mich vor dem Hintergrund der Tatsache, dass wir schon seit einigen Jahren über diese Problematik sprechen und es immer wieder zu diesen Unfällen kommt, natürlich auch bewegt:

Es gibt ein Gutachten der Grünen auf europäischer Ebene, dessen Inhalt ich nicht kenne, das aber offensichtlich die rechtliche Frage positiv beantwortet, ob ein Land wie Deutschland auch einen Alleingang gehen könnte, ohne dass dies vorher europarechtlich abgestimmt sei. Es würde also quasi eine Vorschrift in Deutschland umgesetzt, wonach Lkw für eine Fahrt in Innenstädte zwingend über einen Abbiegeassistenten verfügen und ein bestimmtes Zeichen auf der Windschutzscheibe angebracht sein müsste, dass dieser Lkw über ein solches Abbiegesystem verfügt - so habe ich es verstanden -, und einem Lkw, der nicht darüber verfügt, die Einfahrt in den Innenstadtbereich - so ähnlich wie im Fall unserer Umweltplaketten - verwehrt wird, unter dem Gesichtspunkt: Dieser Wagen ist nicht sicher, und er könnte zu Unfällen führen.

Ob diese rechtliche Argumentation in dem Gutachten der Grünen auf Europaebene tatsächlich tragfähig ist, können wir im Wirtschaftsministerium aufgrund der Tatsache, dass es erst in dieser Wo

che veröffentlicht wurde, nicht beurteilen. Wir werden uns mit dieser Frage auseinanderzusetzen haben, auch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass London meines Wissens plant, den Innenstadtbereich in Kürze für schwere Lkw ohne Abbiegeassistenzsysteme zu sperren. Die Briten gehen ja ohnehin manchmal etwas ungewöhnliche Wege, auch in anderen Fragen, aber europarechtlich sehen sie manche Dinge auch weniger problematisch als wir oder noch problematischer als wir; das kommt sicherlich jeweils auf den Fall an. Ob diese Argumentation, die angeblich in diesem Gutachten steht, trägt, wird sicherlich im Einzelfall zu prüfen sein.

Wir hatten im Jahr 2017 laut Statistischem Bundesamt 37 Tote durch abbiegende Lkw. In der Frage, ob eine solche drastische Maßnahme - Verbot des Befahrens von Innenstädten für Lkw ohne Abbiegeassistenzsysteme - ergriffen werden muss, um die Sicherheit zu erhöhen, und welche Folgen damit für die deutsche Wirtschaft mit Blick auf die Lieferverkehre verbunden wären, brauchen wir Maß und Mitte.

Auf der anderen Seite müssen wir dem Sicherheitsbedürfnis der Menschen Rechnung tragen. Nur: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist ein solches Verbot für Lkw ohne Abbiegeassistenzsysteme, sofern man es denn überhaupt prüft, schlicht nicht realistisch. Das muss man schlicht sagen. Die Lkw, die derzeitig beschafft werden können, verfügen noch nicht in ausreichendem Umfang über diese technischen Systeme. Wer diese Debatte führt, der muss zumindest sicherstellen, dass wir als Transitland Niedersachsen in den nächsten Jahren eine europaweit verpflichtende Vorgabe bekommen.

Das wollen wir. Das will auch ich. Ich möchte, dass wir zukünftig europaweit in allen Lkw Abbiegeassistenzsysteme haben, die solche tödlichen Unfälle vermeiden helfen. Das wollen wir - gerade als Transitland. Aber, bitte schön daran denken: Es gibt noch gar nicht genug Lkw mit solchen Systemen. Eine solche verpflichtende Vorgabe braucht einige Jahre, bis sie umgesetzt wird, so tragisch die Unfälle auch sind. Dessen bin ich mir durchaus bewusst. Die Landesregierung hat aber, denke ich, auch die Verantwortung, auf diesen Aspekt hinzuweisen. Ich kann mir vorstellen, dass gerade Sie, Herr Schulz-Hendel, eine solche Forderung erheben. Das wäre schon einmal vorweg meine Antwort.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Danke, Herr Minister. - Ebenfalls für die CDUFraktion fragt nun der Kollege Karsten Heineking.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kann die Landesregierung noch einmal deutlich machen, wie viele bzw. welche Maßnahmen bereits ergriffen oder angestoßen worden sind, um diese Unfälle beim Abbiegen zu vermeiden?

Schönen Dank. - Der Minister antwortet.

Auf der Verkehrsministerkonferenz im Herbst 2018 haben wir uns erneut mit dieser Frage auseinandergesetzt. Im Rahmen dieser Konferenzen gibt es immer einen Sachstandsbericht des Bundesverkehrsministeriums, auf dessen Grundlage wir uns mit den einzelnen Maßnahmen, die ergriffen werden, auseinandersetzen.

Ich wiederhole: Die Bundesländer haben es seit 2017 auf verschiedenen Konferenzen mehrfach gefordert. Außerdem hat sich eine umfangreiche Bundesratsinitiative - auch aus Niedersachsen - mit dieser Frage auseinandergesetzt; das haben wir mit angeschoben. Andere Bundesländer haben ähnliche Initiativen gestartet. Das Ganze ist dann sozusagen eine Gesamtinitiative der Mehrheit der Bundesländer gewesen, Abbiegeassistenzsysteme zur Erhöhung der Sicherheit einzuführen.

Die Forderungen der Bundesländer wurden auf Bundesebene insofern aufgegriffen, als ein Vorschlag zur Schaffung von technischen Anforderungen an Abbiegeassistenzsysteme an die UNECE gerichtet wurde, über den das Weltforum für die Fahrzeugharmonisierung im März 2019 abstimmen soll. Das ist natürlich alles sehr langwierig. Das wird auch sicherlich noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Aber dennoch scheint sich die Frage der Sicherheit im Zusammenhang mit abbiegenden Lkw inzwischen auch in anderen Ländern der Welt zu einem ernsthaften Problem zu entwickeln.