Protocol of the Session on January 23, 2019

Danke schön, Herr Kollege Schwarz. - Zur Replik Herr Dr. Birkner, bitte!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Schwarz, vielen Dank für die Hinweise. Sie geben mir noch einmal die Gelegenheit, die Unterschiede deutlich zu machen.

Erstens zu Ihrer Andeutung hinsichtlich der Rechtsanwaltskammer. Ich bin Mitglied der

Rechtsanwaltskammer, in der Tat ein Zwangsmitglied. Hier gibt es aber einen grundlegenden Unterschied. Bei der Pflegekammer geht es um Angestellte, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Rechtsanwälte hingegen sind Angehörige der freien Berufe, aus denen sich das Kammerwesen sozusagen entwickelt hat. Dort geht es um Selbstverwaltung, dort geht es darum, dass der Staat bestimmte Bereiche nicht regelt, sondern dies dem Berufsstand selbst übertragen hat. Im Bereich der Pflege ist die Situation aber eine andere. Dort regelt der Staat alles. Die Pflegekammer hat keine originären Kompetenzen und Zuständigkeiten, wo sie nennenswert etwas regeln kann. Sie soll letztlich eine staatlich organisierte Interessenvertretung sein - aber das ist nicht originäre Aufgabe einer Kammer. Insofern gibt es einen substantiellen Unterschied zwischen den verkammerten freien Berufen und dem, was wir bei der Pflegekammer diskutieren.

Der zweite Punkt: Sie fragen, wie, wenn wir über Freiwilligkeit sprechen, eigentlich noch der Kammercharakter gegeben sein kann. Für die freiwillige Mitgliedschaft in einer Kammer gibt es in Niedersachsen ein Vorbild: die Ingenieurkammer. Insofern ist es schon unser Weg, der Pflegekammer eine zweite Chance zu geben. Wenn sie meint, tatsächlich Nutzen zu bringen, dann soll sie bitte durch ihre Dienstleistungen und Angebote überzeugen - und dies in Anlehnung an die Ingenieurkammer im Rahmen einer freiwilligen Mitgliedschaft.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Birkner. - Jetzt geht es um die Einbringung des Antrages der AfD-Fraktion. Herr Bothe, ich erteile Ihnen das Wort. Bitte!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Verehrte Kollegen! Vertrauen gewinnt man schwer und verliert es leicht - dies mag wie ein Spruch aus einem chinesischen Glückskeks klingen, aber das ändert nichts an seiner Richtigkeit. Gerade wir Politiker können ein Lied davon singen, wie schwer es ist, Vertrauen in unsere Arbeit aufzubauen und dies dann auch zu bewahren.

Meine Damen und Herren, die im August 2018 konstituierte Pflegekammer Niedersachsen ist ein Paradebeispiel dafür, wie Politik das Vertrauen der Menschen zerstören kann. Waren die Pflegekräfte schon vor der Einrichtung skeptisch gegenüber der Pflegekammer eingestellt, trugen einerseits Gewerkschaften und private Pflegeträger, andererseits die Institution der Pflegekammer selbst einiges dazu bei, das ohnehin geringe Vertrauen vollkommen zu verspielen. Die einen sahen ihre Felle davonschwimmen, die Pflegekammer agierte ungeschickt, und so war innerhalb weniger Monate das Vertrauen der Fachkräfte in der Kranken-, Alten-, und Kinderkrankenpflege vollkommen zerstört. Die im Dezember an die Zwangsmitglieder verschickten Beitragsbescheide für 2018 waren schließlich nur der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.

Verehrte Kollegen, natürlich war die Art und Weise der Beitragserhebung unglücklich. Sie kam aber aus einer Unerfahrenheit der Verantwortlichen der Kammer, gepaart mit einer gleichgültigen Ignoranz des Fachministeriums und seiner verantwortlichen Ministerin, die durchgehend in diesen Prozess involviert waren. Das desaströse Ergebnis sehen wir heute; denn eine Kammer, in der die Pflegekräfte zwar zwangsverpflichtet werden, aber eigentlich gar nicht Mitglied sein wollen, ist letztlich nur ein armseliges politisches Feigenblatt der Mächtigen. So kann es nicht weitergehen, meine Damen und Herren, verehrte Kollegen. Deshalb fordern wir als AfD-Fraktion heute in unserem Antrag: Die niedersächsische Pflege braucht einen Neustart.

Meine Damen und Herren, ich bin und bleibe der festen Überzeugung - gerade, weil ich auch selbst Pflegefachkraft bin -, dass die Menschen in den

Pflegeberufen eine starke Stimme brauchen, die auch gehört wird. Die angesprochenen Berufsverbände wie der DBfK, aber auch ver.di haben bis heute nichts, aber auch gar nichts Nachhaltiges für die Pflegekräfte erreichen können. Sie haben in punkto Pflege am Ende versagt.

Daher, werte Kollegen, brauchen wir in Niedersachsen einen Kurswechsel, eine starke Stimme für die Pflegenden in Niedersachsen. Dieser Kurswechsel braucht keine Zwangsmitgliedschaft in einem ohnehin veralteten, zu kritisierenden Kammersystem. Es gilt - Herr Kollege Birkner hat dies gerade dankenswerterweise getan -, das gesamt Kammersystem einmal grundsätzlich kritisch zu beleuchten. Ich würde mir - auch von Ihnen, Herr Birkner - wünschen, dass Sie auch einmal die Ärztekammer, die Apothekenkammer oder die Industrie- und Handelskammer kritisieren, die auch eine Zwangsmitgliedschaft haben. Aber das tun Sie leider nicht.

(Meta Janssen-Kucz [GRÜNE]: Eine Landwirtschaftskammer haben wir auch noch!)

Ich möchte auch noch weiter bei Ihnen bleiben, werte Kollegen der FDP. Sie haben sich in letzter Zeit sehr viel zu diesem Thema geäußert. Bei den von Ihnen vorgelegten Parlamentsinitiativen - ob es Ihr Gesetzentwurf oder Ihr anschließender Entschließungsantrag ist -, springt sofort ins Auge, worum es Ihnen eigentlich geht: Sie wollen die Pflegekammer ausschalten und eine starke Vertretung der Pflegeberufe in Niedersachsen im Keim ersticken. So und nicht anders sieht Ihre liberale Realität aus.

(Christian Grascha [FDP]: Ach was!)

Doch statt Klartext zu reden, werfen Sie Nebelkerzen und führen die Pflegekräfte in unserem Land an der Nase herum. Herr Kollege Grascha, wenn Sie sich das nächste Mal aufmachen und auf einer Demo vor Pflegekräften sprechen, dann zeigen Sie Ihnen doch bitte mal Ihren heutigen Entschließungsantrag - mit dem Sie schon vor einem Jahr im Ausschuss krachend gescheitert sind und den Sie für dieses Plenum wieder ausgebuddelt haben.

(Christian Grascha [FDP]: Den ken- nen die sogar!)

Sagen Sie auf dieser Demo, wenn Sie vor diesen Pflegekräften stehen, bitte, dass Sie die 50 : 50Regelung brechen wollen, damit der Niedriglohnsektor in der Pflege ausgebaut wird und die Qualität runtergeht. Sagen Sie ihnen auch, dass Sie das

DRG-System, welches die „blutigen Entlassungen“ in den Krankenhäusern zur Gewinnmaximierung erst erfunden hat, auch in die Altenpflege bringen wollen. Und sagen Sie ihnen auch, dass Sie gegen die Staatsmedizin sind - was auch immer Sie damit meinen - und den ohnehin ausufernden Pflegewettbewerb noch weiter stärken möchten, damit die Pflegeindustrie noch mehr Gewinne auf Kosten der Menschen erzielen kann.

Wenn Sie das den Pflegekräften bei der nächsten Demo sagen würden, Herr Grascha, dann würde ich Ihnen Respekt zollen. Aber was Sie betreiben, ist in Wirklichkeit unseriös und hinterhältig gegenüber den Pflegekräften in unserem Land.

(Christian Grascha [FDP]: Was Sie hier machen, ist nur Sozialismus!)

- Das hat nichts mit Sozialismus zu tun, Herr Grascha, und das wissen Sie auch selber.

Für uns hingegen ist klar, dass die niedersächsischen Pflegekräfte eine starke Vertretung benötigen, wie sie ihnen momentan nur eine Körperschaft des öffentlichen Rechts bieten kann. Es muss keine Kammer sein.

Daher fordern wir die Landesregierung in unserem Entschließungsantrag auf, die Pflegekammer vom Kopf auf die Füße zu stellen. Unser Entschließungsantrag sieht vor, die niedersächsische Pflegekammer durch ein Gesetz in eine „Vereinigung der niedersächsischen Pflege“ in Gestalt einer Körperschaft des öffentlichen Rechts nach bayerischem Modell umzuwandeln und ausschließlich eine freiwillige Mitgliedschaft vorzusehen. Oder man ersetzt im Kammergesetz die Pflichtmitgliedschaft für alle dort genannten Pflegekräfte durch eine freiwillige Mitgliedschaft.

Werte Kollegen, gute Pflege kostet gutes Geld. Daher ist das Land in der Pflicht, als Kostenträger einzuspringen, und nicht die ohnehin unterbezahlten Pflegefachkräfte. Gute Pflege geht uns alle an. Von guter Pflege hängt letztlich auch die Zukunftsfähigkeit unseres Bundeslandes ab. Als starker Pflegestandort wird Niedersachsen auch automatisch ein attraktiver Wirtschaftsstandort werden. Daher gilt es, mit einer landesfinanzierten Vereinigung der niedersächsischen Pflege in Gestalt einer Körperschaft des öffentlichen Rechts der Pflege eine Stimme zu geben, und dies auch und gerade auf Kosten des Landeshaushaltes.

Meine Damen und Herren, verehrte Kollegen, verdeutlichen wir uns eines: Entgegen der ständigen Unkenrufe, dass sich nur eine Pflegekammer das

politische Gehör verschaffen kann, sieht die Realität in Wahrheit doch anders aus. Warum sollte eine Vereinigung der Pflege in Niedersachsen, die bei allen relevanten Gesetzgebungsverfahren und sonstigen bedeutsamen politischen Vorhaben mit Pflegebezug gehört wird, kein Gewicht haben? Warum sollte dem nicht so sein?

Es bleibt am Ende festzuhalten: Die Aufgabe einer Pflegekammer kann eine landesfinanzierte, vor allem freiwillige Pflegevereinigung genauso gut oder vielleicht sogar besser bewältigen. Hier gilt es, wie in Bayern neue Wege zu gehen, statt alte Berufszwänge als Bürde anderen Berufszweigen aufzuerlegen. Ich war und bin ein Verfechter der gesetzlichen Vertretung für Pflegekräfte. Eine Kammer kann eine Option sein, aber eine Kammer die keiner will, schadet am Ende diesem fantastischen Beruf mehr, als dass sie ihm nützt.

Wenn wir die Pflegekräfte in unserem Land an eine freiwillige Interessenvertretung heranführen, kann diese Großes bewirken. Davon bin ich fest überzeugt, meine Damen und Herren. Dies wird ein großer Schritt, um den Pflegestandort Niedersachsen aufzuwerten und mittel- und langfristig sturmfest zu machen. Am Ende brauchen eine große Pflegereform. Hierbei brauchen wir alle Pflegekräfte in unserem Land, um das gemeinsam zu bewältigen, und das in einer starken Vereinigung.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege Bothe. - Die Aussprache wird fortgesetzt. Die Kollegin Meta Janssen-Kucz von Bündnis 90/Die Grünen ist die Nächste. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit kurz nach Weihnachten steht mein Telefon nicht mehr still, und mein E-Mail-Postfach quillt über. Ich glaube, das geht vielen von Ihnen so. Viele Pflegekräfte wenden sich zurzeit an uns Abgeordnete, um ihrem Unmut über das Agieren der Pflegekammer Luft zu machen. Ich kann diesen Unmut zum Teil auch verstehen und versuche in vielen persönlichen Gesprächen zu erklären, welche Aufgaben die Pflegekammer hat und warum wir sie für unabdingbar halten.

Aber es ist oftmals nicht ganz so einfach, die vielen Fehlinformationen, Gerüchte und Halbwahrheiten,

die über die Pflegekammer im Umlauf sind, richtigzustellen, z. B. dass die Pflegekammer eine Fortbildungspflicht erlassen wird, die die Pflegekräfte in ihrer Freizeit auf eigene Kosten erfüllen müssen, oder dass sie die Pflegekräfte für alles Mögliche sanktionieren wird. Ich frage mich: Wo kommen solche Unwahrheiten her, und wer schürt sie? Diese Frage haben auch meine Vorredner nicht beantwortet. Vielmehr haben sie solche Halb- und Unwahrheiten zum Teil selbst mit geschürt.

Deshalb will ich betonen, dass die Pflegekammer eine Einrichtung von Pflegekräften für Pflegekräfte ist.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Nein, des Staates!)

Alle Mitglieder der Kammerversammlung, alle Vorstandsmitglieder und auch die Präsidentin Pflegekammer sind selbst Pflegekräfte mit viel Sachverstand und Berufserfahrung. Sie alle wissen, wie es ist, nachts alleine für 30 Patienten verantwortlich zu sein, ständig am Wochenende einspringen zu müssen und jeden Tag Arbeit für die nächste Schicht übrigzulassen. Sie alle erleben das tagtäglich an ihrem Arbeitsplatz. Und sie alle eint der Wille, für Verbesserungen zu kämpfen. Sie wollen die Pflegeberufe professioneller und schlagkräftiger aufstellen. Sie wollen auch nicht länger warten, bis sich z. B. Bundesgesundheitsminister Spahn oder die Krankenkassen irgendwann einmal erbarmen und die dringend notwendigen Verbesserungen gewähren.

Herr Bothe hat es gesagt: Wir warten auf eine ganz große Pflegereform. Diese kommt aber nur in Tippelschritten, und sie kommt bei den Pflegekräften nicht an. Da muss die Politik Verantwortung übernehmen. Ich kann die Landes- und Bundesebene nur auffordern: Tun Sie es endlich!

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Die Pflegekräfte wollen mitreden. Sie wollen mitbestimmen, wenn es um ihren Beruf geht. Dafür braucht es eine starke, durchsetzungsfähige, unabhängige Pflegekammer, die die Interessen der Pflege gegenüber uns und dem Bund als Gesetzgeber in der Öffentlichkeit auch wirklich vertritt. Die Vertretung der Pflege sollte nicht über Krankenkassen oder sonstige Interessenvertreter wahrgenommen werden. Die Pflege braucht endlich das, was andere Berufsgruppen, die ihre Angelegenheiten selbst regeln, bereits haben. Das steht der Pflege genauso zu.

Meine Damen und Herren, der Protest der Pflegekräfte richtet sich im Wesentlichen gegen die verpflichtende Mitgliedschaft in der Pflegekammer. Wir haben in der letzten Legislatur lange darüber diskutiert, ob wir den ohnehin gebeutelten Pflegekräften diese Pflicht auferlegen. Das ist uns nicht leicht gefallen. Ich stehe aber nach wie vor zu dieser Entscheidung. Ohne eine Mitgliedschaft aller Berufsangehörigen geht es nicht; denn sonst ist es keine schlagkräftige Interessenvertretung, sonst funktioniert die Selbstverwaltung nicht. Und die Selbstverwaltung können wir nicht nur der Architektenkammer, der Anwaltskammer, der Apothekerkammer usw. überlassen.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das ist ja was anderes! Was verwaltet die denn selbst?)

- Waren Sie es einfach mal ab!

Wenn Sie sich intensiv mit dem Protokoll über die Anhörung im Sozialausschuss vom vergangenen Donnerstag beschäftigt hätten, dann hätten Sie, Herr Dr. Birkner, diese Rede hier nicht gehalten.

(Beifall bei den GRÜNEN - Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das ist falsch!)

Herr Dr. Birkner, Sie und Ihre Fraktion machen es sich mit dem Gesetzentwurf, den Sie schon im Februar 2018 vorgelegt haben, ein bisschen einfach!

(Christian Grascha [FDP]: Er wird ja nicht weiterberaten!)

Sie machen sich zum wiederholten Mal einen schlanken Fuß.