Protocol of the Session on January 23, 2019

Herzlichen Dank. - Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin dankbar, dass die Situation im Mittelmeer von verschiedenen Rednern angesprochen wurde. Ich möchte sehr deutlich sagen: Die Situation kann uns auf Dauer nicht befriedigen.

Ich finde es beschämend, dass wir es in Europa hinnehmen, dass Menschen auf See im Mittelmeer ertrinken. Deswegen ist es richtig, dass wir auf europäischer Ebene auf den Weg gebracht haben, dass es eine eigene europäische Küstenwache geben soll, die sich um das Thema kümmert. Es wäre aber noch wichtiger, verehrte Damen und Herren, wenn die Regierung in Italien endlich ihre Blockadehaltung aufgeben würde. Es ist inhuman, was dort passiert. Das muss dringend geändert werden.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN - Zustimmung von Johanne Modder [SPD])

Es ist - auch vom Kollegen Ahrends - angesprochen worden, dass es überhaupt nicht sinnvoll wäre, Menschen aus der dortigen Region über Aufnahmeprogramme, wie sie die Grünen fordern, abzuholen. Man kann in der Tat geteilter Meinung darüber sein, wie auch die Kollegin Schröder-Köpf gesagt hat, ob es sinnvoll ist, ein eigenes niedersächsisches Programm aufzulegen.

Wir müssen aber der Tatsache ins Auge blicken, dass es in den Flüchtlingslagern rund um Syrien Menschen gibt, die vom UNHCR als Flüchtlinge anerkannt wurden und von denen wir wissen, dass sie nicht wieder in ihre Heimat werden zurückkehren können, fast unabhängig davon, wie sich die Situation in Syrien entwickelt. Die Staatengemeinschaft - die Europäische Union insbesondere - hat aus meiner Sicht gegenüber diesen vom UNHCR

anerkannten Flüchtlingen eine Verantwortung, Aufnahmeprogramme zu starten.

Wenn wir einerseits den Grenzschutz in der Europäischen Union stärken wollen und andererseits nicht wollen, dass illegale Fluchtrouten entstehen, müssen wir Flüchtlingen, die vom UNHCR anerkannt sind, über andere Wege eine Möglichkeit geben, beispielsweise nach Europa zu kommen. Das muss über Kontingente im europäischen System funktionieren. Dies wäre eine echte europäische Antwort auf Flüchtlingskrisen in dieser Welt, die ich mir wünschen würde, verehrte Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Die Grünen haben das Thema Bürgschaften in ihrem Antrag aufgeführt. Ich habe gerade von Frau Schröder-Köpf gehört, wir seien auf der Zielgeraden. Das muss eine sehr lange Zielgerade sein. Zumindest kann ich noch nicht erkennen, dass wir da auf der Zielgeraden sind. Ich weiß nicht, ob Sie vielleicht mehr wissen. Ich weiß nur, dass der niedersächsische Innenminister immer sehr lautstark gefordert hat, es müsse eine Lösung geben. Ich kann bisher aber nicht erkennen, dass eine solche Lösung auch nur in irgendeiner Art und Weise in Reichweite ist. Vielleicht kann der Innenminister hierzu gleich nähere Ausführungen machen.

(Beifall bei der FDP)

Klar ist für mich, dass die Situation in Syrien weiterhin instabil ist. Das ist auch in der letzten Innenministerkonferenz besprochen worden. Deswegen gibt es, sehr geehrter Herr Ahrends, keine Abschiebungen nach Syrien. Der Statusbericht des Auswärtigen Amtes ist klar. Er besagt, dass es keine Abschiebungen dorthin geben kann.

Die einseitige Entscheidung der Vereinigten Staaten, die Truppen dort abzuziehen und damit die Kurden, die gegen die Terroristen des Islamischen Staates gekämpft haben, alleinzulassen, macht die Situation dort nicht einfacher, sondern schwieriger.

Ihre Aussagen, sehr geehrter Herr Kollege Ahrends, die Sie an verschiedenen Stellen im Plenum nach dem Motto gemacht haben, in Syrien sei doch alles gar nicht so schlimm, da sei doch alles wieder befriedet, entsprechen nicht der Wahrheit. Das müssen wir auch klar so anerkennen.

Es gibt viele Punkte in dem Antrag der Grünen, die wir unterstützen, aber eben nicht alle. Wie das so

ist: Wenn es Licht und Schatten gibt, wird sich die Fraktion der FDP kraftvoll enthalten.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Oetjen. - Das Wort erhält nun Herr Minister Pistorius. Bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir stimmen hier heute über den Entschließungsantrag mit dem Titel „Zivilbevölkerung in Syrien schützen - niedersächsischer Verantwortung gerecht werden!“ ab. Viele der dort aufgeführten Forderungen sind bereits hier und anderenorts ausführlich diskutiert worden. Ich will mich daher beispielhaft auf einige Punkte beschränken.

Es ist richtig: Die Situation für die Zivilbevölkerung in Syrien ist nach wie vor furchtbar. Es ist auch richtig, dass hier dringendes Handeln weiterhin erforderlich ist.

Es ist erstaunlich, dass die AfD im Niedersächsischen Landtag nach ihrer Reise durch Syrien sich selbst eine höhere Kompetenz in der Beurteilung der Sicherheitslage in Syrien zutraut als dem Auswärtigen Amt und der gesamten Konferenz der Innenminister und -senatoren Deutschlands.

(Christian Grascha [FDP]: Abenteuer- lich!)

Herzlichen Glückwunsch zu dieser Selbstüberschätzung, meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der FDP sowie Zustim- mung bei der CDU)

Gleichzeitig ist nicht richtig, dass „die SyrienStrategie der Europäischen Union sowie der Bundesregierung“ - das sage ich an die Adresse der Kolleginnen und Kollegen von den Grünen - „vor allem auf der Abwehr Geflüchteter und der militärischen Beteiligung an einem Luftkrieg über Syrien“ basiert.

Ich finde, hier gehen die „Feststellungen“ in der Ausgangshypothese deutlich zu weit. Darauf konnte und kann man die Strategie der Europäischen Union und der Bundesregierung nicht reduzieren.

Ich erinnere auch daran, dass Außenminister Heiko Maas erst jüngst wieder bekräftigt hat, dass sich Deutschland mit seinen Partnern sehr um einen politischen Prozess zur Lösung des Konfliktes in Syrien bemüht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Entschließungsantrag suggeriert leider außerdem, dass der Familiennachzug aus Syrien nicht möglich sei. Das war bereits zum Zeitpunkt der Einbringung des Antrags - im Mai 2018 - nicht richtig. Es ist auch nicht korrekt, dass „die sichere Einreise von Angehörigen … bewusst blockiert“ werde.

Soweit syrische Flüchtlinge als Asylberechtigte oder nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt sind, hatten und haben deren Ehegatten und minderjährige ledige Kinder einen Rechtsanspruch auf Familiennachzug. Dieser besteht de facto voraussetzungslos. Dafür ist weder ein gesicherter Lebensunterhalt noch der Nachweis ausreichenden Wohnraums erforderlich.

Wie Sie alle wissen, meine Damen und Herren, wurde mit dem seit August geltenden Familiennachzugsneuregelungsgesetz geregelt, das ein Kontingent von 1 000 Angehörigen pro Monat nachziehen darf.

Aufgrund der schleppenden Visaerteilung war allerdings schon im Oktober absehbar, dass das für 2018 insgesamt zur Verfügung stehende Kontingent von 5 000 Visa bis Jahresende nicht erreicht werden würde, und das aus Gründen, für die die Betroffenen natürlich nichts können. Daher hat mein Haus die niedersächsischen Ausländerbehörden bereits am 11. Oktober 2018 dazu angewiesen, sich im Rahmen des Zustimmungsverfahrens bis zum Jahresende auf die Prüfung zu beschränken, ob gesetzliche Versagungsgründe

vorliegen. Niedersachsen hat damit einen wichtigen und, wie ich finde, vorbildlichen Beitrag dazu geleistet, dass mehr Familienangehörigen aus Syrien noch im Jahr 2018 der Nachzug ermöglicht wurde.

Dennoch war zu erwarten, dass das Gesamtkontingent von 5 000 Visa für das Jahr 2018 nicht erreichen werden wird. Das wiederum habe ich zum Anlass genommen, mich am Ende des Jahres 2018 direkt und schriftlich an den Bundesinnenminister zu wenden. Ich habe ihn gebeten, festzulegen, dass die nicht ausgeschöpften Kontingente in das Jahr 2019 übertragen werden können. Eine Antwort liegt bisher nicht vor.

Daran, meine Damen und Herren, wird deutlich: Das Land Niedersachsen hat sich beim Familiennachzug im Rahmen seiner Möglichkeiten wirklich sehr nachdrücklich für Lösungen zum Wohl der syrischen Familien eingesetzt. Wir werden das auch weiterhin tun. Wir verdienen nicht, dafür auch noch kritisiert zu werden.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ein weiterer Punkt des Entschließungsantrages ist die Forderung nach einer Neuauflage des niedersächsischen Aufnahmeprogramms.

Dazu ist alles gesagt: Der Wunsch ist redlich. Aber wir als Niedersächsische Landesregierung müssen auch die im Auge behalten, die für die Umsetzung des Programms und am Ende vor allem auch für die Integration der zu uns kommenden Menschen zuständig wären bzw. sind, und das sind die niedersächsischen Kommunen. Wir müssen vermeiden, diese noch weiter zu belasten.

Ja, ich finde, es ist ein tolles Signal, wenn eine Reihe von Kommunen ihre Bereitschaft zeigt, weitere Flüchtlinge aufzunehmen. Das reicht aber nicht aus. Wir müssen das Wohl aller niedersächsischen Kommunen im Auge behalten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der letzte Punkt betrifft die Frage, wie wir den Menschen helfen können, die Verpflichtungserklärungen für die aufgenommenen Syrerinnen und Syrer unterzeichnet haben.

Wir lassen diese Menschen mit den entstandenen Kosten nicht allein. Ich bin sehr optimistisch, dass es in Kürze zu einer alle Beteiligten zufriedenstellenden Lösung kommen wird. Der Bund hat sehr deutlich gemacht, dass er sich maßgeblich an den Kosten beteiligen wird, erwartet aber nachvollziehbarerweise zwingend auch eine Beteiligung der Länder. Wir als Land Niedersachsen haben uns dazu nach Abstimmung im Kabinett schriftlich bereit erklärt. Dieser Kompromiss wurde bei der IMK Ende November mit allen Ländern besprochen.

Leider tragen nicht alle Länder diese Vereinbarung mit oder haben entsprechend gehandelt. Dazu zählen u. a. - bis gestern jedenfalls - NordrheinWestfalen und Hessen. Ich habe mit den Kollegen gesprochen, die mir zugesagt haben, dass sie in diesen Tagen gleichlautende Schreiben an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales richten werden, um den Weg für die Lösung frei zu machen. Deshalb wird mit dem Bund derzeit weiter

ausgelotet, ob es am Ende auch ausreichend ist, wenn sich die hauptsächlich betroffenen Bundesländer an dem Kompromiss beteiligen.

Wir befinden uns beim Thema Verpflichtungserklärungen also tatsächlich auf dem letzten Ende der Zielgeraden.

Ich möchte abschließend noch einmal deutlich machen: Sowohl beim Thema Verpflichtungserklärung als auch beim Familiennachzug werden wir als Land Niedersachsen schon seit Jahren in besonderer und, wie ich finde, vorbildlicher Weise unserer Verantwortung gerecht. Deshalb ist der Entschließungsantrag in dieser Form nicht zustimmungsfähig und im Grunde genommen überflüssig.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister Pistorius. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wir beenden die Beratung und kommen zur Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses folgen und damit den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 18/830 ablehnen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Beschlussempfehlung ist mit großer Mehrheit gefolgt worden.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 26 Abschließende Beratung: Vorverlagerung der Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge rückgängig machen - Liquidität des Handwerks sichern und Bürokratie abbauen! - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 18/24 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung - Drs. 18/2544 - Änderungsantrag der Fraktion der FDP - Drs. 18/2643