Protocol of the Session on January 23, 2019

Die Situation in Niedersachsen ist folgende: Im Haushalt 2017/2018 waren 12,35 Millionen Euro für derartige Projekte vorgesehen. Dieses Geld ist dank unseres gemeinsamen Einsatzes der Koalitionsfraktionen in das nächste Jahr übertragbar,

also in das Jahr 2019. Hinzu kommt der niedersächsische Anteil an der Bundesförderung von etwa 10,6 % - das sind ca. 2,6 Millionen Euro jährlich -, sodass wir in Niedersachsen zu einer möglichen Gesamtförderung - also einschließlich der Summe des Bundes - von Radschnellwegen in Höhe von 33,4 Millionen Euro kommen. Meine Damen und Herren, das ist nicht irgendetwas! Wir fördern Radschnellwegekonzepte mit einer erheblichen Summe.

Im Jahr 2018 sind aber bisher drei zusätzliche Projekte angemeldet worden. Nicht ein einziger Fördereuro ist bis heute für diese Projekte abgeflossen! Jetzt auf die 12,35 Millionen bzw. die 33 Millionen Euro noch einmal Geld drauflegen zu wollen, entspräche nicht den Geboten der Haushaltswahrheit, der Haushaltsklarheit und vor allen Dingen nicht des wirtschaftlichen Einsatzes der Steuergelder, die uns anvertraut sind.

Wir machen etwas für Radwege. Wir werden das auch weiterhin tun. Aber bitte mit Augenmaß und mit dem vorhandenen Geld, das für die Projekte in ausreichender Höhe vorhanden ist, für die bisher gerade mal nur 9,8 Millionen Euro beantragt wurden.

Ich finde, das ist nicht arrogant, das ist auch nicht engstirnig. Das ist vielmehr weitsichtig.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Herzlichen Dank, Herr Minister - auch dafür, dass Sie die Redezeit eingehalten haben, was bei der Landesregierung ja nicht immer die gängige Praxis ist.

Nichtsdestotrotz wird zusätzliche Redezeit begehrt. Ich gewähre dem Kollegen Schulz-Hendel anderthalb Minuten. Bitte sehr!

(Zuruf von der SPD: Es ist doch alles gesagt!)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben jetzt eine ganze Menge an Absichtserklärungen, aber vielleicht auch an unseriösen Zahlenspielen gehört.

Ich will es noch einmal deutlich machen: Zu den 12,35 Millionen Euro wird uns hier ja immer wieder erzählt, dass dieser Betrag erst einmal ausreicht. Es sind vier Radschnellwege in Planung. Drei Pro

jekte waren Ihnen bei der Beantwortung unserer Großen Anfrage bekannt. Das vierte sollte Ihnen auch bekannt sein.

Ich kann und werde auch zukünftig erwarten, dass Sie, wenn wir uns mit diesem Thema beschäftigen, die Lage im gesamten Land Niedersachsen zur Kenntnis nehmen - dafür sind Sie Verkehrsminister und haben das Ministerium - und aufnehmen, dass neun weitere Kommunen Radschnellwege planen, bauen und umsetzen wollen. Diesen Kommunen nehmen Sie durch die Streichung der Mittel und durch die Beendigung des Programms jegliche Möglichkeit, diese Projekte weiterzuverfolgen. Sie verunsichern diese Kommunen. Damit blockieren Sie jede Weiterentwicklung beim Bau von Radschnellwegen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber ich habe - jetzt kommt vielleicht doch ein Hauch von Hoffnung auf - heute beim Parlamentarischen Mittag des ADFC vom verkehrspolitischen Sprecher der CDU erfahren - der Antrag war ja von den Grünen; dann geht das ja nicht -, dass vielleicht in vier Monaten noch etwas zu Radschnellwegen kommt. Ich bin gespannt, was Sie uns hier präsentieren. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Schulz-Hendel. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wir beenden die Beratung zu Tagesordnungspunkt 13 und kommen zur Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses folgen und damit den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 18/1833 ablehnen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist mit großer Mehrheit so geschehen.

Meine Damen und Herren, ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 14: Abschließende Beratung: Zivilbevölkerung in Syrien schützen - niedersächsischer Verantwortung gerecht werden! - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/830 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Sport - Drs. 18/2295

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag abzulehnen.

Ich eröffne die Beratung und gebe das Wort dem Kollegen Belit Onay, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Bitte schön!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im August des vergangenen Jahres veröffentlichte der Norddeutsche Rundfunk eine Online-Meldung mit dem Titel „Niedersächsische Abgeordnete für Seenotrettung“. Ich bin sehr froh, dass viele Kolleginnen und Kollegen aus dem Landtag sehr klar und deutlich gemacht haben, dass sie für die Seenotrettung sind, und sich für sie ausgesprochen haben. Viel entscheidender wäre es aber, diese Menschen gar nicht erst in Seenot kommen zu lassen bzw. zu bringen.

Wir haben den Antrag, über den wir heute diskutieren, bereits im Mai des letzten Jahres eingebracht. Seitdem hat sich die Situation im Mittelmeer dramatisch verschlechtert. Allein 2018 sind knapp 1 500 Geflüchtete im Mittelmeer, vor den Augen Europas, ertrunken. Eine Meldung vom vergangenen Wochenende lässt weitere 170 Ertrunkene vor der Küste Libyens befürchten. Das sind nicht bloß anonyme Zahlen von Todesopfern, weit weg im Mittelmeer. Nein, jede einzelne Person ist eine Mahnung, auch an die niedersächsische Landespolitik.

Claudia Lodesani, die Präsidentin der italienischen Sektion von Ärzte ohne Grenzen, beklagt, dass sich Europa der Verantwortung entziehe. Man brauche legale und sichere Einreisewege, mahnt sie. Meine sehr geehrten Damen und Herren, den Antrag, den wir heute diskutieren, kann man genau unter diesem Titel zusammenfassen, legale und sichere Einreisewege zu schaffen. Wir fordern darin ein Aufnahmeprogramm für syrische Flüchtlinge.

Die Friedensnobelpreisträgerin, Nadia Murad - sie war auch schon zu Gast in der SPD-Landtagsfraktion -, hat in ihrer Dankesrede für den Friedensnobelpreis in Oslo ausdrücklich die Landesaufnahmeprogramme noch einmal hervorgehoben und sich dafür bedankt, namentlich beim badenwürttembergischen Ministerpräsidenten Kretschmann. Sie hat dort gesagt, dass sie ohne dieses Programm und die Landesregierung heute nicht die Freiheit genießen könnte, die Verbrechen des IS hätte sie nicht anklagen können, und auch die Wahrheit über die Leiden der Jesiden hätte sie

nicht frei artikulieren können. Meine sehr geehrten Damen und Herren, Programme wie das in BadenWürttemberg oder ein ähnliches in Niedersachsen haben den Frauen genau dies ermöglicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Leider sperrt sich allerdings Niedersachsen gegen ein solches Aufnahmeprogramm. Leider haben wir uns bereits unter Rot-Grün mit diesem Anliegen gegenüber der SPD nicht durchsetzen können, und auch heute sind die SPD und ihr Juniorpartner, die CDU, strikt gegen ein solches Aufnahmeprogramm.

Im Zusammenhang damit steht auch die Situation der Bürginnen und Bürgen aufgrund ihrer Verpflichtungserklärungen. Noch immer ist keine nachhaltige Lösung für die Bürginnen und Bürgen gefunden. Ich bin froh, dass die Menschen damals nicht gezögert haben, als es darum ging, Verantwortung für andere zu übernehmen. Die GroKo hingegen stiehlt sich hier in Bund und Land aus der Verantwortung und sitzt das Ganze mit Beschwichtigungsversuchen aus. Laut NOZ wurden allein in Niedersachsen 764 Bescheide an Bürginnen und Bürgen verschickt, die Forderungen über rund 7,2 Millionen Euro enthalten.

Die seit der Einbringung des Antrags vergangenen acht Monate waren also auch für die syrischen Geflüchteten in Niedersachsen und deren Familien und eben auch für ihre Unterstützerinnen und Unterstützer verlorene acht Monate, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Antrag befasst sich in seinem letzten Punkt mit dem Familiennachzug. Die auf der Bundesebene beim Familiennachzug verordneten viel zu niedrigen Quoten, die dann aufgrund zögerlicher Bearbeitung durch die Behörden noch nicht einmal ausgeschöpft wurden, haben der dramatischen Lage der Menschen keine Abhilfe schaffen können. Das war zu befürchten; denn der Bundesinnenminister war von Anfang an strikt dagegen und hat es hinbekommen, der SPD zwar oberflächlich nachzugeben, das Projekt aber so perfide zu hintertreiben, dass es bisher praktisch wirkungslos blieb. Auf über 6 100 gestellte Visumanträge erteilte das Bundesverwaltungsamt lediglich 3 275 Zustimmungen. Daraus wurden letztendlich nur 2 612 Visa erteilt. Das ist nur gut die Hälfte der von August bis Dezember versprochenen Visa.

Insbesondere auch in Osnabrück, lieber Herr Innenminister, haben Caritas, Diakonie, Exil und weitere Organisationen diese schleppende und nachlässige Umsetzung kritisiert. Damit bleibt ein weiterer legaler Einreiseweg in die Europäische Union und nach Deutschland und Niedersachsen faktisch versperrt und bleiben nur noch die gefährlichen Routen, beispielsweise über das Mittelmeer.

Das ist eine einzige Enttäuschung und spricht allen Hohn, die über illegale Zuwanderung und Schleuserbanden wettern. Die SPD trägt diese schwarze Politik leider mit.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Onay. - Für die Fraktion der SPD hat sich nun die Kollegin Schröder-Köpf gemeldet. Bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Die Syrer sind gefangen zwischen Terror und Bomben“ - das ist die erschütternde Bewertung des syrischen Politikwissenschaftlers Haid Haid, die vergangene Woche in der Wochenzeitung DIE ZEIT zu lesen war. Gerade in der Region um Idlib, wo Medienberichten zufolge die Dschihadisten weitestgehend die Kontrolle übernommen haben sollen, sehen die Menschen ihrer Zukunft mit Schrecken entgegen. Im türkisch-syrischen Grenzgebiet ist die Situation derart konfliktträchtig, dass mit zusätzlichen neuen Fluchtbewegungen zu rechnen ist.

Es ist erschreckend. Der Krieg geht ins achte Jahr. Mehr als eine halbe Million Menschen wurden bereits getötet. Nach aktuellen Angaben des UNHCR ist Syrien nach wie vor das Land, aus dem die meisten der weltweit mehr als 68 Millionen Flüchtlinge stammen. Auch wenn einige Menschen in ihre Heimat zurückkehrten - so heißt es in dem UNHCR-Bericht vom 6. Januar dieses Jahres -, wurden noch mehr vertrieben, sodass die Zahl der syrischen Flüchtlinge um gut 180 000 auf 6,5 Millionen wuchs. Die meisten dieser Menschen finden übrigens in der Türkei - 3,6 Millionen -, im Libanon - 968 000 -, in Jordanien - 667 000 - Schutz und Sicherheit, nicht in der Bundesrepublik. Hier haben im vergangenen Jahr rund 44 000 Syrerinnen und Syrer einen Asylantrag gestellt. Eines ist

klar: Deutschland ist nicht der Ort einer vermeintlichen Flüchtlingskrise.

Das Auswärtige Amt stellt in einem Lagebericht vom vergangenen November unmissverständlich klar: In keinem Teil Syriens besteht ein umfassender, langfristiger und verlässlicher Schutz für verfolgte Personen. - So weit die schreckliche Lage. Darin stimmen wir überein.

Dennoch: Die deutsche Bundesregierung und die Europäische Union tragen nicht Mitschuld an den Kriegsgräueln und an der desaströsen humanitären Situation von Millionen Menschen, wie Sie es in Ihrem Antrag implizieren. Deutschland hat geholfen und tut es noch. Es ist auch nicht richtig, die Syrien-Strategie mit Worten wie „Abschottung“, „Abwehr“ und „passive Gleichgültigkeit“ zu beschreiben bzw. darauf zu reduzieren. Im Gegenteil, die Bundesregierung ist um eine diplomatische Lösung, zumindest um eine Deeskalation, äußerst bemüht. Vor diesem Hintergrund ist sehr zu hoffen, dass die Bundesrepublik als Mitglied des UNSicherheitsrats, das sie seit Anfang des Jahres ist, ihr Gewicht noch stärker einbringen kann. Die Erwartungen an uns sind so groß wie noch nie, sagt Außenminister Heiko Maas.

Neue diplomatische Impulse der Vernunft und Besonnenheit erscheinen umso dringlicher. Denn während Russland und die Türkei um Einfluss im Bürgerkriegsland ringen, hat US-Präsident Trump mit seiner Ankündigung, die amerikanischen Truppen aus Syrien abziehen zu wollen, das geopolitische Chaos in dieser Region noch vergrößert.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, zu den Forderungen in Ihrem Antrag, über den wir heute abschließend beraten, habe ich bereits im vergangenen Jahr ausführlich Stellung bezogen. Ich fasse gerne noch einmal zusammen:

Erstens. Eine Wiederauflage eines niedersächsischen Aufnahmeprogramms für schutzsuchende Menschen aus Syrien ist eine redliche Anregung im Kontext einer humanitären Flüchtlingspolitik, der wir uns hier in Niedersachsen verpflichtet sehen. Doch zum einen hat sich unser Bundesland bei der Aufnahme schutzbedürftiger Syrerinnen und Syrer gerade auch im Vergleich mit anderen Ländern besonders hervorgetan, auch ohne ein weiteres Aufnahmeprogramm.

Frau Kollegin, entschuldigen Sie bitte! - Ich habe schon vor einiger Zeit einmal deutlich gemacht, dass zumindest ich es für ausgesprochen unhöflich halte, wenn man einer Rednerin bzw. einem Redner dauerhaft den Rücken zuwendet. Das gilt auch für Fraktionsvorsitzende. Ich möchte wirklich darum bitten, dann, wenn man nicht zuhören will, die Gespräche, die man sicherlich führen muss, woanders zu führen, aber nicht in diesem Plenarsaal.

Bitte schön, Frau Kollegin!

Zum anderen müssen wir weiterhin die vielfältigen Herausforderungen im Blick behalten, die besonders die Kommunen bei der Aufnahme und Integration von Schutzsuchenden zu bewältigen haben. In diesem Sinne gilt es, die Städte und Gemeinden entsprechend ihren jeweiligen Belastungen im Rahmen des Integrationsfonds zu unterstützen. Eine Kommune mit besonderen Herausforderungen ist beispielsweise die Stadt Celle. Ich habe gestern mit dem Bürgermeister darüber gesprochen. Wir versuchen zu helfen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Ziel muss es auch bleiben, die Zugewandtheit unserer Gesellschaft gegenüber den Neuankommenden zu erhalten. Angesichts des Gebrülls rechtsgerichteter Idiotie stellt genau das eine immer größere Herausforderung für uns Demokratinnen und Demokraten dar, die sich für eine freiheitliche und vielfältige Gesellschaft einsetzen.