Es ist allerdings nicht unbedingt in ihrem Sinne, wenn Theresa May weiterregiert; denn sie wird bei der Ansicht bleiben: Es gibt kein zweites Referendum, und es wird beim Brexit bleiben. - Da können Sie sich in diesem Hause Hoffnungen machen, so viel Sie wollen. Wir gehen einfach davon aus, dass der Brexit kommt.
Es geht nur noch um den Zustand dieses Austritts - geregelt oder ungeregelt. Offensichtlich ist die Unzufriedenheit auf britischer Seite so groß, dass man noch einmal Nachverhandlungen haben will, mit anderen Worten: noch einen besseren Abschluss im geregelten Verfahren erreichen will.
Es wurde der Backstop erwähnt. Es wurde erwähnt, dass die Grenze zwischen Nordirland und Irland offen bleiben soll. Die EU will hier den Fuß in der Tür behalten. Damit wäre Großbritannien auch nach dem Austritt noch in der Zollunion und könnte keine anderen Abkommen abschließen, die für Großbritannien offensichtlich viel interessanter wären
und für die sie auch aus der EU austreten wollen. Dieser Fuß in der Tür wird sicherlich auch Thema der nächsten Verhandlungen sein.
Aber: Gibt es Nachverhandlungen? Jean-Claude Juncker stellt sich da etwas quer. Er sagt: Es wird keine Nachverhandlungen geben. - Nun haben wir aber bei ihm schon öfter erlebt, dass er etwas sagt und vielleicht auch etwas anderes meint und es am nächsten Tag anders kommt. Seine Standhaftigkeit ist offensichtlich immer davon abhängig, wann die nächste „Flasche Ischias“ zur Verfügung steht.
(Heiterkeit bei der AfD - Zuruf von der CDU: Das geht jetzt zu weit! - Frank Oesterhelweg [CDU]: Das ist absolut erbärmlich! - Zuruf von der CDU: Un- erhört, das hier dermaßen zu instru- mentalisieren! - Unruhe)
Herr Kollege Wirtz, es gehört sich einfach nicht, hier in diesem Parlament hochrangige Vertreter der Organe - - -
Wir haben zum Glück keinen Paragrafen für Majestätsbeleidigung. Der Fall Böhmermann hat es ja gezeigt. Herr Jean-Claude Juncker ist im Nebenerwerbshof auch noch irgendwo Regierungspräsident.
(Dr. Christos Pantazis [SPD]: Er hatte einen Verkehrsunfall und hat Folge- schäden! Darüber machen Sie sich politisch lustig! Das ist unmöglich!)
Herr Wirtz, wir pflegen hier generell einen parlamentarischen Umgang. Das Beleidigen von Staatsoberhäuptern und Vertretern von Verfassungsorganen gehört einfach nicht zu unserem Beruf.
(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP - Anja Piel [GRÜNE]: Herr Wirtz, Sie sind auch nicht so lustig wie Jan Böhmermann!)
Ihre Hoffnungsträgerin Theresa May hat aber eines ganz deutlich gesagt: Ihr Brexit wird die Kontrolle über britisches Geld zurückbringen, über die britische Grenze und die britischen Gesetze, er wird Arbeitsplätze schützen, und er wird die Sicherheit und Einheit des Landes sichern.
Die Briten holen sich ihr Land zurück. Und es gibt nur einen, der das in Deutschland sagt. Und das sind wir von der AfD. Auch wir wollen die Grenze schützen, die Kontrolle über unser Geld zurückgewinnen. Auch wir wollen Sicherheit und Einheit des Landes herstellen oder wiederherstellen. Auch wir
Das ist das ganze Dilemma mit der EU. Das haben wir hier heute Morgen mit dem Umweltminister erlebt. Nur eine einzige Zahl reichte, um das Problem der EU, das Problem mit der EU darzustellen. Unser Umweltminister wurde gefragt, wie er sich zum Grenzwert von 40 µg bei Stickoxiden stellt. Er ist offensichtlich nicht mal im Traum darauf gekommen, an diesem Wert, der völlig willkürlich gesetzt ist, zu zweifeln. Er sagt, dieser Wert komme von oben und wir müssten ihn einhalten.
Dieser Wert kommt von der EU. Wir sollten uns - denn das ist auch Ihre Pflicht als Landesvertreter und als Volksvertreter - hier nicht so kleinmachen. Auch das muss angezweifelt werden können. Auch diese Grenzwerte müssen angezweifelt werden können. Wir sind hier nicht die verlängerte Gießkanne der EU, wenn wir denn mal Geld zum Verteilen kriegen, und wir sind auch nicht Erfüllungsgehilfen, Auftragnehmer oder Ähnliches der EU, sondern wir müssen hier unsere Landesverantwortlichkeit ausüben oder zurückgewinnen. Darin sind Sie hoffentlich alle mit uns einer Meinung.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit einem Zitat eines englischen Schriftstellers - John Donne - beginnen. Er ist 1572 in London geboren und hat geschrieben:
„Niemand ist eine Insel, in sich ganz; jeder Mensch ist ein Stück des Kontinents, ein Teil des Festlandes. Wenn eine Scholle ins Meer gespült wird, wird Europa weniger, genauso als wenn’s eine Landzunge wäre, oder ein Landgut deines Freundes oder dein eigenes. Jedes Menschen Tod ist mein Verlust, denn ich bin Teil der Menschheit; und darum verlange nie zu wissen, wem die Stunde schlägt; sie schlägt dir selbst.“
Ich glaube, dieses Zitat, das einige Elemente enthält, die von anderen Schriftstellern aufgegriffen wurden, passt sehr gut zu der aktuellen Situation; denn wir müssen ganz klar sagen: Die Briten haben sich mit der Entscheidung für einen Brexit auf ein Abenteuer eingelassen, das sie erstens zu Anfang nicht überschaut haben und zweitens unter falschen Voraussetzungen angefangen haben.
Erstens haben sie es nicht überschaut. Ich habe am gestrigen Abend am Rande der Diskussion zum Einzelplan des Ministeriums schon gesagt, dass das Thema Nordirland in der Debatte überhaupt keine Rolle gespielt hat und sich jetzt als entscheidender Stolperstein der BrexitVerhandlungen herausgestellt hat. Es war offensichtlich selbst in Großbritannien nicht klar, welche Bedeutung dieses Thema haben würde.
Zweitens wurde der Brexit unter falschen Voraussetzungen eingeleitet; das hat auch die Ministerin schon gesagt. Es wurde davon geredet, dass danach der National Health Service besser würde, dass man sich dadurch gegen einen Eintritt der Türkei in die EU wappnen könnte usw. Das aber war alles falsch.
Wir hier im Niedersächsischen Landtag - nicht nur die Landesregierung, sondern auch die Parteien im Großen und Ganzen - haben uns schon intensiv im Ausschuss und hier im Parlament mit dem Thema Brexit befasst und dazu Anträge eingebracht.
Die gesamte Landesregierung ist im Zuge der Haushaltsberatungen in Brüssel tätig, damit wir mit dem nächsten Haushalt, der durch den Brexit beeinflusst wird, ein optimales Ergebnis für Niedersachsen herausholen. Wir haben die Themen der Fischerei im Ausschuss und zusammen mit der Landesregierung erörtert. Ich bin Frau Honé sehr dankbar, dass sie sich in dem Bereich sehr stark engagiert, um die Folgen abzumildern. Es ist auch klar geworden, dass Themen wie Verbraucherschutz und Umweltschutz durch einen Brexit, vor allem durch einen ungeregelten Brexit, gravierend beeinflusst werden, und zwar nur zum Nachteil.
Wir sollten diese Debatte nicht nur wegen des Brexits führen. Wir sehen doch weltweit die Tendenz, dass man in vielen Regierungen der Ansicht ist, man sei eine Insel - um dieses Zitat wiederaufzugreifen - und man könne durch einseitiges Kündigungen von Handelsabkommen für sein eigenes Land Erfolge erreichen, und damit die internationale Wirtschaft und andere Länder in eine Katastrophe stürzt.
Man muss verstehen, dass wir mittlerweile weltweit ein Land geworden sind und nur gemeinsam Themen wie Klimaschutz, vernünftigen Handel, Menschenrechte und Migration bewältigen können. Deswegen müssen wir hier die Debatte führen, damit klar wird, dass durch einseitige nationale Lösungen auch für die Menschen in Niedersachsen nichts erreicht wird, nur Schaden entsteht.
Die Fragestunde hat gezeigt - die Fraktionen haben ja auch nachgefragt -, dass die Landesregierung auf das Thema Brexit exzellent vorbereitet ist.
Man muss sich aber sehr darüber im Klaren sein: Wenn es zu einem harten Brexit kommt, wird dies erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Fischereiwirtschaft haben. Auch die Milchwirtschaft wird betroffen sein. Wir hatten schon das Thema „Irland und Nordirland“ angesprochen. Irland hat bekanntermaßen eine sehr starke Milchwirtschaft. Produkte von Kerrygold werden auch in Deutschland verkauft. Wenn diese Produkte nicht mehr in dem bisherigen Maße in Großbritannien verkauft werden, werden die Iren den Absatzmarkt auch hier bei uns suchen. Dies wird sich auf die deutsche Milchwirtschaft auswirken. Somit hat der Brexit auch dort Auswirkungen.
Wir müssen auch Auswirkungen zweiten Grades berücksichtigen. Die Wirtschaft in den Niederlanden ist noch deutlich mehr mit Großbritannien verknüpft als die niedersächsische Wirtschaft. Wenn die Niederlande erheblich nachteilig betroffen sind, müssen auch sie sich anderweitig orientieren. Das wiederum wird dann auch Niedersachsen betreffen. Wenn es in den Niederlanden zu wirtschaftlichen Einbrüchen kommt, werden die Niederlande als Kunde zum Teil ausfallen; die daraus resultierenden Nachteile werden auch wir hier in Niedersachsen zu tragen haben. Insofern können wir nur alle gemeinsam vor einem „hard Brexit“ warnen.
Es gibt in Großbritannien Gott sei Dank nur eine sehr, sehr kleine Minderheit, die tatsächlich in einem harten Brexit eine Lösung für Großbritannien sieht und sich davon Vorteile verspricht. Die Mehrheit weiß, dass ein harter Brexit erhebliche Nachteile haben wird. Deshalb bin ich der Niedersächsischen Landesregierung und natürlich auch der EU außerordentlich dankbar, dass sie alles unternehmen, um einen harten Brexit zu vermeiden und mit Großbritannien zu einem Abkommen zu gelangen,
damit wir die vielen angesprochen Punkte, ob es Visaprobleme oder sonstige Themen sind, vernünftig regeln können.
Im Sinne der Briten - sie leben tatsächlich nicht auf einer Insel - hoffe ich, dass sie, wenn der Brexit kommt, zunächst Partner der Europäischen Union bleiben und dass sie, wenn bei ihnen wieder Vernunft und Pragmatismus - dafür sind die Briten ja bekannt - eingekehrt sind, in die Europäische Union zurückkehren. Mich persönlich würde das freuen, und ich glaube, es läge im niedersächsischen, im deutschen und im europäischen Interesse.
Auch Ihnen herzlichen Dank. - Jetzt hat der Kollege Dragos Pancescu für Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin EmmerichKopatsch! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heutzutage Premierministerin in Großbritannien zu sein, ist nicht beneidenswert. Es ist fast - aber nur fast - so schwer, wie Ministerpräsident in einer GroKo zu sein.
Die Lage ist unübersichtlich. Premierministerin May hat die vorgesehene Abstimmung im Parlament über den Brexit-Vertrag verschoben. Gestern Nacht ist sie beim Misstrauensvotum mit einem blauen Auge davongekommen.
Die europäische Tür bleibt jedoch offen, obwohl vorgestern, als Frau May bei der Kanzlerin vorbeischaute, bei der Fahrzeugtür der Limousine, die Frau May zum Kanzleramt gebracht hatte, lange Zeit das Schloss klemmte und sie nicht aussteigen konnte.
Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 10. Dezember hat verdeutlicht, dass der Brexit für die Briten durchaus noch umkehrbar ist. Wir alle in diesem Hause - fast alle - würden uns freuen, wenn die Briten umkehren und vom Brexit zurücktreten würden.
Die EU riskiert nach aktuellem Stand mit dem Abkommen europäische Umwelt- und Sozialstandards und ermöglicht de facto Rosinenpickerei seitens Großbritanniens. Die EU muss, wenn es zu weiteren Verhandlungen kommt, klare rote Linien - nein, am besten grüne Linien - definieren, um die europäischen Verbraucherinnen und Verbraucher sowie die Unternehmen zu schützen.