Protocol of the Session on December 11, 2018

Vielen Dank, Herr Dr. Birkner. - Für die Fraktion der CDU hat sich nun der Fraktionsvorsitzende Dirk Toepffer gemeldet. Bitte sehr!

(Beifall bei der CDU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich starte, zunächst ein Wort zu der Kollegin Piel.

(Anja Piel [GRÜNE]: Oh, gerne!)

Liebe Frau Piel, Sie haben sich in einem sehr, sehr großen Teil Ihrer Redezeit mit der Marienburg beschäftigt. Gefühlt war es mindestens ein Drittel.

(Anja Piel [GRÜNE]: Ich weiß es ja auch erst seit heute Morgen! Sie wis- sen es ja schon seit gestern Abend. Sie hatten ja eine Nacht mehr Zeit, darüber nachzudenken.)

Ich sage es Ihnen mal mit den Worten der Bundeskanzlerin.

(Anja Piel [GRÜNE]: Ziehen Sie sich nicht so große Schuhe an!)

Das Schöne an freiheitlichen Debatten ist:

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Jeder redet über das, was er für wichtig hält!)

Jeder spricht über das, was er für das Land für wichtig hält.

(Beifall bei der CDU - Anja Piel [GRÜNE]: Die kauft aber keine Bur- gen!)

Weil es Ihnen so wichtig ist, bin ich Ihrer Empfehlung gefolgt und habe bei Wikipedia unter „Adelsrecht“ nachgeschlagen. Wissen Sie, was da steht? Da steht: Adelsrecht begründet keine Ansprüche oder Privilegien, die von staatlichen Behörden oder

Gerichten zu beachten wären. - Ich ergänze: Das gilt auch für dieses Parlament und für die Landesregierung.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD - Anja Piel [GRÜNE]: Wikipedia? Sind Sie ein schlechter Jurist!)

Herr Kollege Toepffer, Sie haben es selbst schon bemerkt: Herr Kollege Meyer möchte eine Zwischenfrage stellen. Gestatten Sie das?

Ich habe mich geradezu darauf gefreut.

Jawoll. - Bitte schön, Herr Kollege!

Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen.

Ich möchte Sie fragen - da Kollege Hillmer gesagt hat, er habe erst heute Morgen aus der Zeitung von dem Adelskauf erfahren -, ob die Meldung der HAZ stimmt, dass Sie gestern die Fraktion dazu unterrichtet haben - also über etwas, was für Sie, wie Sie gerade erklärt haben, ein unwichtiges Thema ist.

(Oh! bei den GRÜNEN)

Bitte sehr, Herr Toepffer!

Herr Meyer, die Sitzungen meiner Fraktion sind nicht unbedingt vertraulich. Aber was ich meiner Fraktion erzähle, das geht Sie, mit Verlaub, gar nichts an.

(Beifall bei der CDU - Helge Limburg [GRÜNE]: Oh, oh, ohohoho! - Anja Piel [GRÜNE]: Sie reden sich um Kopf und Kragen, das ist wirklich wahr! Seien Sie bloß froh, dass Sie kein Mi- nister sind! Wie peinlich soll das denn noch werden?)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Landeshaushalt ist ein 3 000 Seiten dickes Brett, das alle Jahre wieder aufs Neue gebohrt werden will. Wer kein leidenschaftliches Verhältnis zu irgendwie bedrucktem Papier hat, wer nicht jedes dicke Buch für eine Verheißung hält und wer nicht immer schon durch unendliche Zahlenkolonnen

scrollen wollte, der musste sich vielleicht auch in diesem Jahr wieder in Erinnerung rufen, dass da nicht weniger als die Zukunft unseres Landes auf dem Tisch liegt - Frau Piel, darüber müssen wir reden! -, eine Zukunft, für die ich schon bei der Einbringung versprochen habe, dass wir uns mit diesem Haushalt darum kümmern werden. Dieses Versprechen haben wir gehalten.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wir werden in den nächsten Tagen ein wenig auf das Jahr 2018 zurück-, vor allem aber auf das kommende und die darauf folgenden Jahre vorausblicken.

Einer guten Tradition folgend, möchte ich aber zuerst allen denjenigen danken, die mit viel Engagement, Fleiß und Akribie die Voraussetzungen dafür geschaffen haben, dass das Parlament sein Etatrecht ausüben kann. Ich danke herzlich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Finanzministeriums, den Haushaltsreferaten der Fachressorts, der Landtagsverwaltung und dem GBD für ihre ausgezeichnete Arbeit. Sie haben mit viel Einsatz, professionellem Geschick und engelsgleicher Geduld dazu beigetragen, dass der Haushaltsentwurf der Landesregierung und die Beratungs- und Verhandlungsfäden der letzten Wochen zu dem stimmigen Gesamtwerk verbunden worden sind, das uns nun vorliegt und inhaltlich überzeugt.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Mein Dank gilt natürlich auch den Abgeordneten beider Koalitionsfraktionen, allen voran Johanne Modder und stellvertretend für die Haushälter, die das Aufstellungsverfahren weitgehend administriert haben, Frauke Heiligenstadt und Ulf Thiele.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Sie alle haben in ihren Arbeitskreisen entschlossen und engagiert, hartnäckig, aber fair und mit einem Auge für das Machbare um Vorhaben und Projekte gerungen, die einen besonderen Nutzen für unser Land versprechen. Ausnahmslos alle Arbeitskreise haben sich auf abgestimmte Prioritäten verständigt und dadurch eine politische Liste ermöglicht, die von fachlichen Überlegungen getragen wird und die politischen Anliegen beider Koalitionsfraktionen deutlich macht. Sie haben vor allem eines gezeigt: Maß und Mitte statt wohlfeiler Ausgabenorgien. - Ihnen allen vielen Dank dafür.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Haben wir im Haushalt 2019 nun alles berücksichtigt, was wir für notwendig, sinnvoll und wün

schenswert halten? - Sicher nicht. Konnten wir alles berücksichtigen, was wir für notwendig, sinnvoll und wünschenswert erachten? - Leider nicht. Auch in Zeiten anhaltender konjunktureller Rekorde sind die Haushaltsmittel begrenzt. Wir haben daher auch in diesem Jahr einen Haushalt aufgestellt, der nichts Überflüssiges will und nichts Notwendiges entbehrt. Vieles von dem, was wir daneben für gut, wichtig und richtig gehalten hätten, konnten wir nicht berücksichtigen. Dies gilt vor allem für die Ausgaben, die nicht einmalig anfallen, sondern die Haushalte kommender Jahre belasten und Handlungsspielräume immer weiter einengen würden.

Ob die Auswahl, die wir dabei treffen mussten, so klug war, wie wir das heute mit Fug und Recht glauben dürfen, wird die Zeit zeigen. Ich möchte aber zu Beginn meiner Rede ausdrücklich zu den vielen Vereinen, Verbänden, Institutionen und Initiativen sprechen, die uns gegenüber in den letzten Monaten für ihre Belange geworben haben. Ich möchte mich insbesondere an diejenigen unter ihnen richten, deren Anliegen im Haushalt 2019 nicht die erhoffte Berücksichtigung gefunden haben: Halten Sie es bitte nicht für eine Floskel, wenn ich Ihnen sage, dass wir uns die Auswahl der Politikfelder und Vorhaben, die wir mit diesem Haushalt besonders stärken wollen, tatsächlich nicht leicht gemacht haben. Ich bitte Sie herzlich, mit uns im Gespräch zu bleiben. Kommen Sie auf uns zu, fordern Sie uns und versuchen Sie, uns weiterhin davon zu überzeugen, dass es Ihre Vorhaben sind, um die wir uns stärker kümmern sollen!

Wir werden in diesen Tagen noch ausgiebig über den Haushaltsplanentwurf, politische und technische Listen und die Zahl gewordenen Politikschwerpunkte der Häuser sprechen. Lassen Sie mich heute den Haushalt 2019 grundsätzlicher einordnen. Ich gehöre nicht zu den dienstältesten Mitgliedern dieses Hohen Hauses. Zweifellos bin ich aber jemand, der aufgrund seines Alters größere Teile dessen, was man „jüngere Geschichte“ nennt, persönlich erlebt und mit Interesse verfolgt hat. Ich kann mich an keine Zeit in diesem politischen und politisch interessierten Leben erinnern, die der heutigen vergleichbar wäre.

Politik war immer auch schon Inszenierung, und die politische Debatte hat zu allen Zeiten auch vom Effekt gelebt. Trotzdem waren politische Positionen deutlich und auf eine Weise, die man heute langweilig finden mag, berechenbar. Selbst wenn die Auseinandersetzungen einmal ruppiger wurden

und die Beteiligten tiefer als nötig in die Kiste mit den Verbalinjurien griffen, war doch immer klar, dass es die Sache war, um die gestritten wurde.

Heute ist es sicherlich auch die technische Entwicklung, die dazu verleitet, schneller als andere sein zu wollen - eine Entwicklung, die scheinbar zwingt, sich noch früher als die anderen und noch lauter als sie zu Wort zu melden, damit man überhaupt Gehör findet und nicht untergeht im immer lauteren Grundrauschen aus Informationen und dem, was sich als Information ausgibt. War früher die älteste Sache der Welt die Zeitung von gestern, ist es heute der Tweet von eben. Immer öfter - so scheint es zumindest - ist der Effekt nicht mehr der Katalysator für den Inhalt, sondern er ersetzt den Inhalt mehr und mehr.

Es erscheint paradox, dass es nie einfacher war als heute, Behauptungen zu überprüfen, Hintergründe zu erfahren und Motive zu beleuchten - und dass genau das immer seltener geschieht.

(Zustimmung von Ulrich Watermann [SPD])

Und es macht betroffen, dass diejenigen, die sich mit Gedanken an die Folgen ihres Handelns nicht lange aufhalten, keine kritischen Nachfragen befürchten müssen. Wer hätte noch vor wenigen Jahren gedacht, man käme mit der plumpen Behauptung durch, es sei eine einzige Ursache, auf die alle Probleme einer Gesellschaft zurückgeführt werden könnten? Wer hätte für möglich gehalten, dass gewählte Politiker sich monatelang auf Balkonen und vor Kameras zieren, eine Koalition einzugehen, um genau diese Koalition dann anschließend im Wochentakt zur Disposition zu stellen?

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Wer hätte geglaubt, wie leichtfertig eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union hergeschenkt und wie selbstverständlich die historische Errungenschaft der Europäischen Union selbst für entbehrlich erklärt werden kann? - Die Welt um uns herum ist nicht statisch, und natürlich war sie das auch nie. Aber die Leichtfüßigkeit und Beliebigkeit, mit der Positionen inzwischen vertreten und aufgegeben, mit der Verhandlungspartner umworben und bei erster Gelegenheit wieder vor den Kopf gestoßen werden, macht gelegentlich fassungslos.

Moderne Kommunikationstechnologie hat ein „global village“ entstehen und mit unvorstellbarer Geschwindigkeit immer enger zusammenwachsen lassen. Niedersachsen ist Teil dieses „global vil

lage“ und auf vielfältige Weise mit nahezu allen Teilen der Welt verbunden. Internationaler Personen-, Waren- und Dienstleistungsverkehr, ausländische Beschaffungs- und Absatzmärkte sind auch für Niedersachsen nicht mehr nur Chance, sondern oft genug Notwendigkeit.

(Zuruf von Dr. Marco Genthe [FDP])

Die Unwägbarkeiten im Zusammenhang mit dem Brexit und die Abgründe, auf die der Welthandel seit zwei Jahren immer wieder zutaumelt, müssen uns eine Mahnung sein. Die Leichtigkeit, mit der wir Personen, Güter und Dienstleistungen heute rund um den Erdball bewegen, dürfen wir nicht mit Selbstverständlichkeit verwechseln.

Die Welt um Niedersachsen herum ist kompliziert, und sie wird es bleiben. Wer glaubt, er könne sich aus alldem herauslösen und sein Heil in der entschlossenen Besinnung auf das ganz Eigene suchen, in der Hingabe an das, was ihn vermeintlich besonders macht, der wird schon heute eines Besseren belehrt. Das gilt für die, die glauben, es sei wieder Zeit für die ganz einfachen Lösungen, und ebenso für diejenigen, die uns weismachen wollen, die Antwort auf den Verkehrsinfarkt sei das Lastenfahrrad.