Was meinen Sie mit „alternativen Geldquellen“? Sie haben wieder einmal den berüchtigten Finanztransaktionssteuergedanken vorgekramt. Der ist wunderbar. Den haben die Mitgliedsländer der EU oft abgelehnt - warum? -, Großbritannien ganz
vorneweg. Denn eines hat Großbritannien vielleicht nicht mehr: eine Großindustrie. Eines hat Großbritannien vielleicht auch nicht mehr: einen Agrarsektor, der zur eigenen Ernährung ausreicht.
Aber wo Großbritannien, vor allen Dingen London, stark ist, das ist der Finanzsektor. Wenn in der EU die Finanztransaktionssteuer kommt, dann müssen wir hier, glaube ich, Sekt exportieren; denn dann feiern die tage- und nächtelang, weil wir so unschlau sind, sage ich einmal, hier eine Steuer einzuführen, die nur uns ins Gehege kommen wird, die bei uns die Märkte lahmlegen wird. London wird davon profitieren.
Die Einführung dieser Steuer ist eine sehr originelle Idee. Ich weiß nicht, worauf Sie damit hinauswollen. Das letzte Mal hat es Luxemburg abgelehnt. Luxemburg ist auch ein gewisser Standort für Finanztransaktionen. Warum wohl?
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt kann man sich wieder beruhigen. Ich hoffe, dass es etwas leiser wird. - Für die CDU-Fraktion spricht Marcel Scharrelmann.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der anstehende Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union wirft immer stärker seine Schatten voraus, auch auf uns hier in Niedersachsen.
Auch wenn die jüngsten Zeichen der vergangenen Tage noch auf ein Austrittsabkommen hingedeutet haben, wissen wir bis zum heutigen Tag nicht sicher, ob es einen geordneten oder doch einen
ungeordneten Brexit geben wird. Nach dem heutigen Morgen erscheint es - zumindest für mich - als äußerst fraglich, ob es doch noch rechtzeitig eine Einigung geben wird.
Unsere Unternehmen und wir als Politik können uns nur im Groben auf die Folgen einstellen, weil wir die Details und die konkreten Auswirkungen bisher kaum einschätzen können.
Die Folgen des Brexits werden bereits in den Planungen der Europäischen Union deutlich. Der EU fehlen im neuen Mehrjährigen Finanzrahmen - diese Zahlen haben wir heute bereits mehrfach gehört - bis zu 24 Milliarden Euro. Davon sollen bis zu 9 Milliarden Euro durch Einsparungen hereingeholt werden, 15 Milliarden durch höhere Beiträge der verbleibenden 27 Mitglieder.
Die Europäische Union muss durch den Brexit nicht nur einen jährlichen Einnahmenausfall in Höhe von 14 Milliarden Euro verkraften, sondern sie übernimmt auch neue und erweiterte Aufgaben. Diese liegen in der Grenzsicherung, der europäischen Sicherheitspolitik und der Entwicklungszusammenarbeit. Insgesamt kosten diese Aufgaben 10 Milliarden Euro pro Jahr, von denen die Mitgliedstaaten 8 Milliarden zu tragen haben. Auch das haben wir bereits gehört. Ich persönlich finde es gut, dass die benötigten Gelder zu einem nicht unerheblichen Teil durch Einsparungen hereingeholt werden sollen. Einsparungen sind immer dann gut, wenn sie dazu beitragen, die Effizienz zu erhöhen, ohne dass die Leistungskraft merklich zurückgeht.
Die Fraktionen von SPD und CDU sehen allerdings mit Sorge, wie gespart werden soll. Die Verordnungsvorschläge der Kommission für die Kohäsionspolitik nach 2020 bedeuten für die Bundesrepublik Deutschland einen Rückgang der Fördergelder um satte 21 %. Im Vergleich zu anderen Ländern ist Deutschland überproportional von den Kürzungen betroffen. Wir halten dies nicht für zielführend, weil viele Ziele der bisherigen Förderung noch nicht erreicht sind. Herr Pantazis hat das vorhin bereits erläutert. So soll z. B. die Region Lüneburg nach dem Vorschlag der Kommission Übergangsregion bleiben. Gleichzeitig wird die dann niedrigere Förderung aber nur noch auf fünf Politikziele konzentriert. Vorher waren es elf. De facto bedeutet dies das Aus für viele heute förderungsfähige Projekte.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, so geht es nicht! Was ist das für eine Strukturpolitik, wenn förderungswürdige Ziele durch Maßstabverschiebung
von heute auf morgen faktisch für erledigt erklärt werden? Wir möchten, dass sich die Landesregierung dieses Themas mit Hochdruck annimmt. Für die betroffenen Menschen und Regionen bedeuten die vorgeschlagenen Absenkungen einen erheblichen Einschnitt, der für die bestehenden Fördersysteme kaum verkraftbar ist. In Regionen mit vergleichsweise niedriger Förderintensität besteht die Gefahr, dass die Förderung zukünftig generell unattraktiv und europäische Strukturpolitik vor Ort kaum mehr sichtbar wird.
Die Bürger müssen vor Ort wahrnehmen, dass die Europäische Union aktiv etwas für die Angleichung der Lebensverhältnisse und der Wirtschaftskraft tut. Nur so erhöhen wir die Akzeptanz der europäischen Idee.
Die Vorschläge seitens der EU müssen deshalb nachgebessert werden. Deutschland trägt in besonderer Weise zur Schließung der Einnahmelücke und zur Finanzierung der zusätzlich vereinbarten Aufgaben bei. Überproportionale Kürzungen als weitere Folge hingegen belasten die Akzeptanz europäischer Politik in unserem Land.
Wir bitten die Landesregierung darum, die niedersächsische Förderpolitik mit Blick auf den neuen Mehrjährigen Finanzrahmen weiterzuentwickeln. Denn alle Kürzungen werden wir sicherlich nicht verhindern können. Gerade deshalb müssen wir Antworten für die betroffenen Regionen und Landwirte entwickelt haben. Weil wir diese schmerzhaften Einschnitte nicht mehr vermeiden können, ist es umso wichtiger, dass der Finanzrahmen für die neue Förderperiode noch vor der Europawahl 2019 verabschiedet wird. Andernfalls wird der mehrmonatige Stillstand der Rechtspflege, den die Findungsphase nach der Europawahl bedeuten wird, durch zusätzliche vorübergehende Ausfälle von Fördermittelzahlungen die Probleme der Programmadressaten noch einmal deutlich potenzieren. Es gehört auch dazu, dass Verlässlichkeit eine Grundvoraussetzung dafür ist, dass die Förderperioden nahtlos ineinander übergehen.
Bereits in der laufenden Periode bestand das Problem, dass viele Institutionen ein Jahr ohne Mittel überbrücken mussten. Nicht alle konnten dies. Projekte mussten beendet werden. Fachkräften konnte keine Verlängerung ihrer meist befristeten Arbeitsverträge angeboten werden. Nicht nur in meinem Wahlkreis würde ein Jahr ohne EU-Gelder beispielsweise das Aus für viele Jugendwerkstätten bedeuten, und der Fachkräftemangel würde es quasi unmöglich machen, diese Strukturen ein Jahr später wieder aufzubauen. Deshalb ist es elementar wichtig, dass trotz Brexit und Europawahl der neue Mehrjährige Finanzrahmen noch bis zum Frühjahr 2019 verabschiedet wird. Darauf müssen Landesregierung und Bundesregierung entschlossen dringen.
Eine ganz wichtige Sache noch zum Schluss. Die EU betrachtet auf der Einnahmenseite fast ausschließlich die Beiträge ihrer Mitgliedstaaten. Als zusätzliche Einnahmen kommen fast nur Zölle hinzu. Daran muss sich etwas ändern. Die Europaministerkonferenz, der Bundesrat und das Europäische Parlament haben sich positiv zur Einführung einer gesamteuropäischen Finanztransaktionssteuer geäußert.
Die Diskussion darüber wurde aber seitens der Kommission nicht weiterverfolgt. Bei der Diskussion um die Erschließung neuer Einnahmequellen ist diese Alternative in meinen Augen jedoch zwingend weiter zu prüfen.
Lassen Sie uns gemeinsam ein Zeichen setzen. Lassen Sie uns den Menschen in den Förderregionen sagen, dass wir an ihrer Seite stehen. Ich bitte Sie: Stimmen Sie unserem Entschließungsantrag zu.
Vielen Dank, Herr Scharrelmann. - Für Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt der Kollege Dragos Pancescu.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Der Mehrjährige Finanzrahmen, MFR, stellt die Weichen dafür, wie viel Geld die EU für gemeinschaftliche Aufgaben ausgeben wird und in welche Bereiche die Finanzmittel fließen sollen.
Von dem gemeinsamen europäischen Haushalt wird viel erwartet, aber der politische Wille, ihn entsprechend auszustatten, ist kaum vorhanden. Der EU-Haushalt soll den europaweiten Zusammenhalt stärken, die ärmeren Regionen beleben und die Lebensverhältnisse aller Menschen in der EU weiter verbessern.
Großbritannien verlässt die EU. Der Brexit auf Raten steht vor der Tür. Heute Morgen sind in London mehrere Minister zurückgetreten. Weitere Mitgliedstaaten wehren sich mit Händen und Füßen, wenn es um die Erhöhung der eigenen Beiträge geht, und jammern darüber, dass ihre Zahlungen von ca. 1 % ihres Bruttoinlandsprodukts an den EU-Haushalt bereits jetzt viel zu hoch seien. Schlicht und ergreifend bekommt man den Eindruck, Europa würde viel zu viel Geld ausgeben.
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe das Gejammer satt. Wir geben definitiv zu wenig Geld für Europa aus.
Die NATO fordert, dass 2 % des BIP in die Verteidigung fließen sollen. Das ist knapp doppelt so viel wie der derzeitige mitgliedstaatliche Beitrag für das Friedensprojekt Europa, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die Aufgaben, die der EU-Haushalt erfüllen soll, sind aber enorm.
Wenn wir die Regionen stärken wollen, brauchen wir mehr Geld. Wenn wir die Lebensverhältnisse aller Menschen in der EU angleichen wollen, brauchen wir mehr Geld.
Wenn wir den europaweiten Austausch von Studierenden, Auszubildenden und Künstlern wollen, brauchen wir mehr Geld. Wenn wir Europa in Zeiten der Globalisierung und Digitalisierung fit für die Zukunft machen wollen - der Digitalisierungsminister ist nicht da, aber vielleicht hört er es -, brauchen wir mehr Geld und nicht weniger. Und wenn wir den Klimawandel und die Bekämpfung von
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sinn von Politik ist es, Dinge zu verändern. Was den Antrag der GroKo betrifft, so freue ich mich, dass darin Themen von uns übernommen werden. Ich spreche hier konkret die Einnahmequellen an. Wir beanspruchen auf keinen Fall z. B. Patentrechte auf die Finanztransaktionssteuer. Ich bin aber, nachdem die GroKo ein Jahr in Niedersachsen regiert, skeptisch, ob sie wirklich den Willen und die Kraft hat, aktiv proeuropäisch zu agieren. Ich bin ein bisschen besorgt, dass die GroKo in Niedersachsen vielleicht weitere vier Jahre Mikado spielen will, um bloß nicht anzuecken, in der Hoffnung, nichts falsch zu machen, um hoffentlich wiedergewählt zu werden.
Sehr geehrte Damen und Herren, unsere Botschaft für die Stärkung Niedersachsens und Europas lautet: die Regulierung des Finanzmarktes mit einer Finanztransaktionssteuer, die Bändigung des digitalen Kapitalismus, indem wir Google und Facebook an der Finanzierung unseres Gemeinwesens beteiligen, ein CO2-Mindestpreis für Industrieanlagen und eine Plastiksteuer auf Wegwerfprodukte.
In diesem Sinne, liebe Kolleginnen und Kollegen, werden wir weitere Debatten konstruktiv und proeuropäisch mitverfolgen.