Protocol of the Session on November 14, 2018

(Beifall bei der FDP, bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der CDU)

Genau deshalb verstehe ich Ihre Haltung da auch nicht; denn anders als auf dieser Ebene werden Sie zumindest langfristig keine Lösung finden. Als Nationalstaat werden Sie am Ende immer versuchen, eines Problems Herr zu werden, dem Sie auf der Ebene nicht Herr werden können.

Wer ein Interesse hat, für Migrationsprobleme und damit im Zusammenhang stehende Herausforderungen eine Lösung zu finden, muss sie auf globaler Ebene angehen. Deshalb sollte man hier den Weg mit diesem unverbindlichen Dokument, in dem in den Überschriften und in den Prinzipien viele richtige Dinge drinstehen, gehen und sich nicht von denen leiten lassen, die versuchen - ich zähle Sie mit dieser Aktuellen Stunde auch ausdrücklich dazu -, das hier jetzt zu instrumentalisieren, um eigentlich eine ganz andere Debatte zu führen - eine Debatte, die in vielen Bereichen von Fremdenfeindlichkeit geprägt ist und nicht auch die Chancen und Vorteile von Migration sieht, sondern sich immer nur einseitig auf die negativen Seiten fokussiert.

Diese negativen Seiten darf man nicht ausblenden, aber es muss ein gesamtes Bild sein, und es darf nicht immer nur punktuell versucht werden, mit dieser Migration eine Politik zum Nachteil insbesondere von fremden Menschen zu machen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Herzlichen Dank, Herr Dr. Birkner. - Herrn Nacke zuckte schon der Arm. Er wollte auch noch eine Zwischenfrage stellen. Ich konnte es gerade noch verhindern.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP)

Wir können ja demnächst einmal über eine Obergrenze für Zwischenfragen sprechen. Das wäre auch eine interessante Debatte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die nächste Wortmeldung liegt seitens der SPDFraktion vor. Herr Dr. Pantazis, bitte! Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Emotional so hoch ging es im Bundestag selten her wie in der letzten Woche bei der Diskussion über den Migrationspakt der Vereinten Nationen, der Anfang Dezember in Marrakesch verabschiedet werden soll. In einer aktionistischen Kampagne beschwört die AfD ein Schreckensszenario - Herr Birkner ist eben gerade darauf eingegangen -: Deutschland gebe nationale Souveränität oder sogar die gesamte Demokratie ab und öffne ungeregelter Migration Tür und Tor.

Parallel dazu wird auch im Netz gegen den Pakt mobil gemacht: Unsere Identität sei in Gefahr, unsere Souveränität sei in Gefahr. Der Pakt sei der letzte Akt der Globalisten, heißt es in verschwörungstheoretischen Foren. Es gehe um die Masseneinwanderung nach Europa, direkt in unseren Sozialstaat, behaupten rechtsradikale Aktivisten.

Genau mit solchen Leuten machen Sie sich gemein, und Ihr Fraktionsvorsitzender Gauland lässt sich auch noch zu Äußerungen hinreißen wie - ich zitiere -:

„Millionen von Menschen aus Krisenregionen werden angestiftet, sich auf den Weg zu machen. Linke Träumer und globalistische Eliten wollen unser Land klammheimlich aus einem Nationalstaat in ein Siedlungsgebiet verwandeln.“

Wissen Sie eigentlich, wessen Geist diese Äußerungen entsprungen sind? - Sie bedienen sich der Logik politisch aktionistischer, völkisch orientierter Gruppierungen, die ethnopluralistisch-kulturrassistische Konzepte vertreten, von Verfassungsfeinden, die sich nicht auf Fakten stützen und die von Wissenschaftlern eindeutig dem Rechtsextremismus zugeordnet werden.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zustimmung von Sylvia Bruns [FDP])

Herr Kollege Dr. Pantazis, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wichmann zu?

Nein, die lasse ich nicht zu.

Herr Wichmann, Sie können wieder Platz nehmen. Danke schön. - Fahren Sie fort!

Und dann wundern Sie sich, dass Wissenschaftler Sie mittlerweile auch dort politisch verorten?

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wohlgemerkt: Es geht in der Debatte um den UN-Migrationspakt, der völkerrechtlich nicht verbindlich ist - Herr Birkner ist eben gerade darauf eingegangen - und dem Wesen nach eine zwar richtige, aber eben nur eine Absichtserklärung darstellt.

Womit wir bei den Fakten wären: Der Pakt bekräftigt rechtliche Prinzipien, die die Staaten ohnehin befolgen müssen, weil sie in völkerrechtlichen Verträgen festgelegt sind, wie beispielsweise Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit. Dem Namen nach - „Globaler Pakt für sichere, geordnete und reguläre Migration“ - dient er unserem nationalen Interesse und stellt eine Reaktion auf die unkontrollierte Zuwanderung der Jahre 2015 und 2016 nach Europa dar. Ihm liegt die Erkenntnis der New York Declaration zugrunde, dass Wanderungsbewegungen nicht mehr allein national gesteuert werden können und einer dauerhaften internationalen Zusammenarbeit bedürfen. Zu dem Wunsch nach einer wirksamen Steuerung kommt noch die wissenschaftlich inzwischen gut belegte Erkenntnis hinzu, dass sichere, geregelte und legale Migration im Interesse aller Beteiligten ist.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Sylvia Bruns [FDP])

Genau diese Erkenntnisse sind in die 23 Ziele des Pakts eingeflossen. Dazu gehört ausdrücklich auch das Ziel, die irreguläre Migration und ihre negativen Wirkungen auf alle Beteiligten zu reduzieren. Die Ziele umfassen u. a. das Ausstellen von Dokumenten und fälschungssicheren Pässen, die Bekämpfung von Menschenschmuggel und des Menschenhandels, eine bessere Zusammenarbeit der Staaten bei Grenzkontrollen und bei der Rückübernahme und Re-Integration von Migrantinnen

und Migranten, die das Aufnahmeland wieder verlassen müssen.

An keiner Stelle allerdings greift der Pakt in das Recht von Staaten ein, zu bestimmen, wem sie Zugang zu ihrem Staatsgebiet gewähren. Auch wenn es immer wieder behauptet wird, fordert der Pakt keine Ausweitung der Migration.

Aber wissen Sie, was ich vermute? - Dass es Ihnen im Zeitalter der Aufmerksamkeitsökonomie gar nicht um die Sache geht. Denn dieser zweite Aufguss dieser Debatte ist ein Lehrstück Ihrer politischen Kampagnenstrategie: eine engagierte, emotionale Debatte - wir haben sie eben gerade erlebt, Herr Wichmann -, die medial öffentlich vermarktet werden kann und bei der die Rollen klar verteilt sind: Alle anderen gegen die AfD. In dieser Rolle gefallen Sie sich. Es ist genau die Rolle, die Sie witzigerweise Migranten gern absprechen, ja sogar an ihnen kritisieren, und in der Sie sich doch strategisch geradezu suhlen: die Opferrolle.

Aber lassen Sie sich gesagt sein: In dieser Debatte sind Sie mitnichten das Opfer, sondern Anstifter einer schäbigen Angstkampagne. Ihre Vorwürfe dienen der politischen Scharfmacherei und fördern gängige Verschwörungstheorien, die zum Ziel haben, Missgunst und Zwietracht in unserer Gesellschaft zu säen. Das lassen wir nicht zu!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Klaus Wichmann [AfD]: Sie müssen mir aber zuhören!)

Ich fasse zusammen: Durch den „Globalen Pakt für sichere, geordnete und reguläre Migration“ wird nicht ein Flüchtling mehr nach Deutschland kommen. In die Entscheidungssouveränität der Nationalstaaten wird nicht eingegriffen. Menschen bekommen durch den Pakt nicht einfacher Asyl in Deutschland. Und wer behauptet, dass dieser Pakt zu mehr Migration nach Deutschland führt, der lügt.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Pantazis. - „Schäbig“ ist grenzwertig. „Wer behauptet, dass..., der lügt“ ist grenzwertig, weil Sie nicht gesagt haben, die Kollegen von der AfD lügen. Das war der Ritt auf der Rasierklinge. Da muss man aufpassen, dass man nicht irgendwann einmal abrutscht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, als Nächster hat sich der Kollege Onay von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu Wort gemeldet.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Debatte um den Migrationspakt der Vereinten Nationen ist schon bemerkenswert. Wir erleben hier ein weiteres Mal und, wie ich finde, sehr eindrücklich, wie Verschwörungstheorien, die man sonst eigentlich nur von kruden Webseiten oder aus den sozialen Medien kannte, in die Landesparlamente und in den Bundestag getragen werden und dort unfassbare Debatten nach sich ziehen.

Es ist schon angesprochen worden: Dies ist eine regelrechte Kampagne, ausgehend von den USA, im Rahmen der neuen Rechten, bis nach Europa und eben auch nach Deutschland - und hier ist sie eben bei der AfD angekommen. Sie ist auch Teil des Bundestages. Im Bundestag sind Petitionen von Rechtsradikalen und aus der Identitären Bewegung eingegangen. Martin Sellner ist beispielsweise ein solcher Petent, der versucht, Stimmung zu machen und eine Ablehnung zu provozieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch hier gilt: Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung - aber eben nicht auf eigene Fakten.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustim- mung von Andrea Schröder-Ehlers [SPD])

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wichmann?

Wenn Sie mir noch ein paar Sätze erlauben, dann gerne. Aber inhaltlich habe ich ja noch gar nicht so viel gesagt.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN)

Auf ein paar Punkte, die Sie genannt haben, möchte ich eingehen.

Sie sagen, es gebe über diesen UN-Migrationspakt keine Diskussion, keine Debatte. Ich gestehe zu, die Große Koalition im Bund, die Bundesregierung, hätte das viel offener propagieren und hätte viel offener darüber diskutieren können. Das wäre des Inhalts würdig gewesen. - Die Debatte im Bundestag ist übrigens von uns Grünen angezettelt worden, mit einer schönen Bundestagsanfrage, die ich

Ihnen nur zur Lektüre empfehlen kann. Das ist die Drucksache 19/2343.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der FDP)

Dieser globale Migrationspakt ist ein Vertragswerk, das unverbindlich ist. Darauf ist bereits mehrmals hingewiesen worden. Auch im Text wird darauf mehrmals hingewiesen.

Sie sagen, die nationale Souveränität sei in Gefahr. - Das ist sie mitnichten. Ganz im Gegenteil wird die nationale Souveränität als Ziel dieses Vertrages mehrmals ausdrücklich unterstrichen, sowohl was die Grenzregime angeht als auch, was die Migrationspolitik der Länder angeht,

Zum Hinweis auf das Völkergewohnheitsrecht hat Herr Birkner schon sehr gut ausgeführt. Dieses gilt eben nur bei gemeinsamer Rechtsüberzeugung, und die ist hinsichtlich der Aufgabe der Souveränität oder hinsichtlich anderer Punkte überhaupt nicht gegeben.

Es ist übrigens auch nicht, wie Sie behauptet haben, einklagbar, auch wenn man sich das an vielen Punkten fast wünschen würde.

(Klaus Wichmann [AfD]: Das ist falsch!)

- Doch, Sie haben gesagt, das werde die Gerichte binden, das werde die Verfahren binden, das werde die Rechtsentscheidung und letztendlich auch die Klageentscheidung binden.