Protocol of the Session on October 24, 2018

Die in unserer Geschäftsordnung für den Ablauf der Aktuellen Stunde geregelten Bestimmungen setze ich bei Ihnen als bekannt voraus.

Ich rufe auf

a) Benutzt, gequält, getötet - Politikversagen - Tier- und Verbraucherschutz in Gefahr - Antrag der AfD - Drs. 18/1902

Ich erteile der Fraktionsvorsitzenden, Frau Dana Guth, das Wort. Bitte!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Kuh 4305: Als sie die Augen öffnete, stellte sie fest, dass sich ihr Zustand noch weiter verschlimmert hatte. Ihr ganzer Körper schmerzte - oder besser gesagt: was von ihm übrig war -, stark abgemagert, überall standen die Knochen kantig hervor.

Ihr Leben begann in einer sogenannten Kälberhütte: frierend und allein, von ihrer Mutter weit und breit keine Spur. Ihr Lebenszweck in den nächsten zwei Jahren bestand darin, zu wachsen, versorgt mit industriell hergestelltem Futter. Auf der Welt, weil ihre Mutter Milch geben sollte.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Kuh 4305 wuchs heran, und sobald es möglich war, wurde sie besamt, um ein Kalb zur Welt zu bringen. Damit begann ihre Karriere als Milchmaschine: Jahr um Jahr trächtig, Jahr um Jahr ein Kalb. Vier Kälbchen hat sie geboren, nur zu dem Zweck, Milch zu geben.

Dann ging es abwärts: Geschwächt von der permanenten Ausbeutung ihres Körpers, gequält durch diverse Entzündungen, wurde die Kuh krank. Ein Unwohlsein, immer stärker werdende

Schmerzen. Nun lag sie da und konnte nicht mehr aufstehen.

Ein Transporter hielt vor ihrem Stall. Männer betraten das Gebäude und versuchten, sie zum Aufstehen zu bewegen. Aber so sehr sie sich bemühte, ihr fehlte die Kraft. Dann: Berührungen, Schläge, Stromschläge, Schmerzen unerträglich. Mit einer letzten Sammlung ihrer Kräfte raffte sie sich auf und stieg zitternd über die Laderampe in den Hänger.

(Unruhe)

Auf der Fahrt verließ sie endgültig die Kraft. Sie brach zusammen.

Einen Moment, bitte, Frau Guth! - Es gibt ein sehr lautes „Gemurmel“ im Plenarsaal. Ich darf Sie um Ruhe bitten.

(Dana Guth [AfD]: Wie immer!)

Bitte, Frau Guth!

Vielen Dank.

(Unruhe)

Moment! Wir fahren erst fort, wenn Ruhe eingekehrt ist. - Vielen Dank.

Bitte, fahren Sie fort!

Angekommen in einem unheimlichen Gebäude, es roch nach Angst und Blut. Die Klappe wurde geöffnet, erneute Versuche, sie zum Aufstehen zu bewegen. Doch egal, wie weh man ihr tat, keine Chance. Nichts ging mehr. Ketten wurden an ihren Beinen befestigt, und man zog sie wie einen riesigen Müllsack aus dem Hänger. Die Schmerzen in den Gelenken waren unerträglich. Niemand interessierte sich für ihre Qualen. Ein Gerät an ihrem Kopf, ein Knall, ein letzter Schmerz, als der Bolzen in ihren Schädel eindrang und sie endgültig von ihrem Dasein erlöste.

Kuh 4305, Hochleistungskuh, Mutter von vier Kälbern, verendet unter Schmerz und Qual, wurde sechs Jahre alt und entsprach damit dem Durchschnittsalter einer Milchkuh. - Biologisch können Kühe 15 bis 20 Jahre alt werden.

Schon unter guten Haltungsbedingungen ist das eine wenig anstrebenswerte Lebensperspektive. Wenn jedoch alle Mechanismen versagen, die in unserem Land impliziert wurden, dann haben wir Vorkommnisse wie im Schlachthof Bad Iburg: Landwirte, die kranke Tiere in die Schlachtung schicken, Transporteure ohne einen Funken Empathie. Amtsveterinäre, die wegsehen, und ein Schlachtbetrieb, der an Horror kaum zu überbieten ist.

Wenn es wie in diesem Fall zu einem kaskadenartigen Versagen aller beteiligten Stellen kommt, ist die Frage nach der Verantwortung der Politik nicht mehr von der Hand zu weisen. Kaum ein Politiker kommt ohne salbungsvolle Worte zum Tier- und Verbraucherschutz aus. Die Regeln dafür zu schaffen und deren Einhaltung zu kontrollieren, obliegt der Verantwortung der gewählten Volksvertreter.

Der Fall Bad Iburg, aufgedeckt durch die SOKO Tierschutz, ein Verein aus Tierschutzaktivisten, einer Spezies, die gerade in diesem Haus wenig Sympathien genießt, versuchte man doch gerade, einem Verein namens PETA die Gemeinnützigkeit abzuerkennen, da deren Erkenntnisse aus illegalen Handlungen gewonnen wurden. Heimliche Filmaufnahmen wie aus Bad Iburg nimmt man dann jedoch als Beweismittel gerne an. Das nenne ich Doppelmoral.

Ein vorläufiger Entzug der Schlachterlaubnis. Vorläufig! Ein Betrieb, der Fälle im dreistelligen Bereich während eines Monats produziert, darf sich nie wieder an Tieren vergreifen.

(Beifall bei der AfD)

Amtsveterinäre, die bei staatlichen Behörden angestellt sind und nicht überprüfen, aus welchen Betrieben die Tiere in diesem Zustand in die Schlachtung geschickt werden. Was für dubiose Transportunternehmer sind hier am Werk? Unter welchen grauenvollen Umständen werden diese Tiere zu Tode gebracht? Und: Was für Fleisch landet im Zweifelsfall beim Verbraucher?

Staatliche Kontrollbehörden: Obwohl das Material bereits seit Anfang Oktober vorliegt, aus welchem klar zu schließen ist, dass hier kranke Tiere geschlachtet wurden, und sogar der konkrete Verdacht besteht, dass tote Tiere scheingeschlachtet wurden, hat man es unterlassen, die komplette Fleischproduktion dieses Schlachtbetriebes unverzüglich zurückzurufen, und man hat es bis heute nicht getan.

Bei der Abwägung des wirtschaftlichen Schadens für den Betrieb und des Schutzinteresses der Verbraucher hat hier ganz klar der Verbraucherschutz verloren. Guten Appetit, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der AfD)

Jetzt mag sich jeder fragen, ob es sich hier um einen Einzelfall handelt oder nur um die Spitze des Eisberges, nämlich um einen Betrieb, der aufgeflogen ist. Die hilflosen Reaktionen „Wir prüfen, mehr Schulungen - wenn, dann -“ zeigen einmal mehr, dass sie hier mit ihrem Latein am Ende sind.

Solange die Politik nicht endlich dafür sorgt, dass der immense Preisdruck auf deutsche Landwirte beendet wird - - - Gute Haltung kostet nun mal Geld, und Qualität ist teuer. Verantwortungsbewusste Unternehmen, die ihren Verpflichtungen gegenüber den ihnen anvertrauten Tieren gerecht werden, müssen belohnt werden und tierquälerische Haltungen und Schlachtungen konsequent beendet werden.

(Beifall bei der AfD)

Behörden und Mitarbeiter, die für Wegsehen und Versagen verantwortlich sind, müssen sanktioniert werden und in so schlimmen Fällen wie in Bad Iburg juristisch zur Verantwortung gezogen werden. Der Verbraucher muss konsequent aufgeklärt werden. Und im Sinne des Verbraucherschutzes: lieber einmal mehr zurückrufen als einmal zu wenig! Solange das nicht passiert, ist das Wort „Politikversagen“ angebracht.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Frau Guth. - Das Wort hat nun für die SPD-Fraktion Frau Kollegin Logemann. Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Im Koalitionsvertrag haben sich SPD und CDU zu dem Ziel bekannt, verloren gegangenes Vertrauen zwischen Landwirten, Verbrauchern und Politik zurückzugewinnen und die Grundlage für einen transparenten Dialog zwischen Landwirtschaft, Verbraucher- und Tierschutz über Tierhaltung und Lebensmittelerzeugung zu schaffen.

Wir beschäftigen uns seit Wochen mit tierschutzrelevanten Themen. Da ist zum Beispiel die Studie der Tierärztlichen Hochschule Hannover. - An die

ser Stelle noch einmal meinen ausdrücklichen Dank an Frau Professor Große Beilage für ihre Arbeit! - Die Studie befasst sich mit Untersuchungen an verendeten und getöteten Schweinen, die in Verarbeitungsbetrieben für tierische Nebenprodukte - VTN-Betrieben - in drei Bundesländern durchgeführt wurden. Das Ergebnis ist niederschmetternd. Jedes siebte Tier wies Zeichen dafür auf, dass es vor seinem Tod über einen längeren Zeitraum erhebliche Schmerzen oder Leiden hatte. Mehr als die Hälfte aller untersuchten Kadaver wurde mangelhaft betäubt oder getötet - so das Ergebnis.

Wir sprechen über tierschutzgerechte Haltungsformen, über Tiertransporte, Ferkelkastration, Schwanzkupieren, Schnabelkürzen und vieles mehr. Dabei begrüße ich das Engagement der Ministerin Otte-Kinast. Der Tierschutzplan wird weitergeführt, der neue Lenkungsausschuss „Niedersächsische Nutztierstrategie - Tierschutzplan 4.0“ nahm seine Arbeit auf. Erweitert wurde die Aufgabenstellung um die Projektgruppe „Tiertransporte und Schlachten“.

Als Politik werden wir heute im Verlauf der Plenarsitzung noch einen Antrag auf den Weg bringen, der auf die Ergebnisse der Studie von Frau Professor Große Beilage reagiert. Aufgrund des Abstimmungsergebnisses im Ausschuss ist davon auszugehen, dass das Votum für den Antrag einstimmig ausfallen wird. Dies ist ein besonderes Zeichen der Ge- und Entschlossenheit dieses Parlaments. Wir wollen hin- und nicht wegschauen. Wir wollen aus Fehlern lernen und darauf reagieren. Wir wollen uns den Herausforderungen stellen.

Sehr geehrte Damen und Herren, dass wir noch einiges zu tun haben, zeigt der Fall Bad Iburg. Die Soko Tierschutz deckte jetzt einen absoluten Missstand auf, der uns mit seiner ganzen Brutalität vor Augen hält, wie dringend es ist, die Koalitionsvereinbarung mit Maßnahmen zu füllen. Es ist ein paar Tage her, dass Bilder und Informationen der Soko Tierschutz veröffentlicht wurden, die zeigten, wie die dort angelieferten Tiere misshandelt wurden.

Angesichts des schwerwiegenden Verdachts, dass in dem betreffenden Betrieb auch bereits verendete Tiere weiterverarbeitet wurden und danach in den Handel gelangt sind, hätte ich mir hier ein unverzügliches Vorgehen gewünscht. Im Sinne des Verbraucherschutzes hätte es gleich nach dem Bekanntwerden der Informationen eine Rück

rufaktion für alle Produkte dieses Schlachthofes geben müssen. Für eine Nachverfolgung könnte es zu spät sein. So berichtet die Osnabrücker Zeitung, dass Fleisch aus dem Bad Iburger Betrieb auch in Benelux-Länder verkauft worden sein könnte.

Ausdrücklich begrüße ich, dass der Schlachthof nach Bekanntwerden der Anschuldigungen unverzüglich stillgelegt wurde und, wie vorgestern bekannt wurde, wohl keine weitere Betriebserlaubnis mehr erhält und geschlossen wird.

Laut Tierschutzgesetz muss die Arbeit in Schlachthöfen von Tierärzten überwacht und kontrolliert werden. Damit sollten solche Bilder wie die aus dem Landkreis Osnabrück eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit sein. Auch mit diesem Fall setzen wir uns im Ausschuss auseinander. Wir wollen und wir werden hier schonungslos aufklären und alle notwendigen Konsequenzen ziehen. In unserer letzten Ausschusssitzung am vergangenen Mittwoch haben wir uns vom Ministerium über den Sachstand informieren lassen, und wir wollen in der nächsten Sitzung Vertreterinnen und Vertreter des Landkreises Osnabrück zu Wort kommen lassen.

Was mich am meisten beschäftigt, ist die Tatsache, dass hier eine ganze Kette der Grausamkeiten gehalten hat. Vom Tierhalter über die Händler, Transporteure, Veterinäre und Mitarbeiter bis zum Schlachthof haben alle mitgemacht. Wir müssen hier dringend etwas tun!

Meine Redezeit ist zu Ende. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)