Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Lies, in Anbetracht dessen, dass Sie sich bisher trotz mehrfacher Nachfrage nach konkreten Vorstellungen der Landesregierung, wie man die Probleme in den Griff bekommen kann, noch nicht konkret geäußert haben, möchte ich das jetzt insoweit umdrehen, als ich Ihnen eine konkrete Frage stelle, und zwar: Wie steht die Landesregierung dazu, dass inzwischen in einigen Bundesländern darüber diskutiert wird, dass z. B. bei Supermärkten oder bei dem Neubau von Supermärkten - also bei Gebäuden mit großem Flächenverbrauch - Vorgaben existieren sollen, die Supermarktketten verpflichten, über den Verkaufsflächen noch Wohnraum zu schaffen?
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ziel ist nicht eine Verpflichtung, sondern es geht um die Frage: Kann man mit klugen Förderinstrumenten und Anreizen dafür sorgen, dass sozusagen beides möglich ist - auf der einen Seite in verdichteten Bereichen Einkaufsfläche zu schaffen, auf der anderen Seite aber die Flächen nicht für Wohnraum ungenutzt zu lassen? Ich sehe im Moment weniger die rechtliche Verpflichtung als eher ein Instrument des Anreizes, um dort neuen Wohnraum zu schaffen.
Danke Ihnen. - Die zweite Zusatzfrage und damit die letzte aus der AfD-Fraktion stellt Herr Emden. Bitte!
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Wenn man sich die Medienberichterstattung der letzten Jahre angeschaut oder sich ein bisschen mit der Thematik befasst hat, dann musste man sehen, dass das jetzt keine überraschende Entwicklung ist, sondern dass sich der Trend seit vielen Jahren angedeutet hat. Ich frage deshalb: Warum entsteht erst jetzt ein Aktionismus? Warum hat man nicht bereits vor Jahren - z. B. seitens der alten Landesregierung, der Sie ja auch angehört haben - Maßnahmen ergriffen, um diesem Problem, das wir jetzt haben, entgegenzutreten?
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Landesregierung hat Maßnahmen ergriffen. Der Bund hat zusätzliches Geld zur Verfügung gestellt. Die Instrumente, die wir in den letzten Jahren entwickelt haben, haben nicht gegriffen, weil sich die Wirtschaft viel stärker entwickelt hat. Deswegen geht es genau jetzt um ein intensives Nachjustieren. Wir wollen durch Nachjustieren dafür sorgen, dass wirklich auch sozialer Wohnraum geschaffen wird.
Danke Ihnen. - Die Zusatzfragen sind gestellt, die Antworten sind gegeben. Wir würden jetzt die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt eröffnen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das waren ja wenig konkrete Antworten. Das waren wenig konkrete Zielvorgaben, die man sich als Landesregierung setzt.
Man hat das Gefühl, man wartet einfach darauf, dass die GroKo in Berlin schon irgendein Instrumentarium erfinden wird, das dann auch den sozialen Wohnungsbau in Niedersachsen unterstützt.
Dabei liegen die Probleme doch auf der Hand. Nein, Herr Minister Lies: Es ist nicht nur ausschließlich die Privatwirtschaft, die sozusagen renditeorientiert baut und damit dem sozialen Wohnungsbau Baugrundstücke entzieht. Wenn Sie sich umschauen, stellen Sie bereits heute fest, dass die Bauvorschriften derartig hoch sind, dass es extrem schwierig ist - auch für Privatinvestoren -, überhaupt eine Finanzierung für Mietwohnungsbau zu bekommen.
Nehmen wir einmal ein Beispiel aus dem Landkreis Wolfenbüttel, bei mir vor Ort. Eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft baut vier neue Mehrfamilienhäuser und muss eine Kaltmiete von über 10 Euro pro Quadratmeter nehmen, um diese Gebäude überhaupt refinanzieren zu können. - Das ist doch das Problem. Das ist alles andere als sozialer Wohnungsbau. In der Stadt Wolfenbüttel liegt die Durchschnittsmiete bei 5 Euro. Das ist kein sozialer Wohnungsbau, weil sozialer Wohnungsbau gerade so nicht funktioniert.
Das heißt, es gibt dort zwei Stellschrauben. Wenn ich feststelle, dass die Lücke zwischen den Herstellungskosten pro Quadratmeter und den möglichen Mieteinnahmen pro Quadratmeter zu groß ist, dann gibt es zwei Möglichkeiten, diese Lücke zu schließen. Zum einen stellt sich die Frage: Geht man mit direkten Fördergeldern in die Subventionierung von Mietwohnungsbau, von sozialem Wohnungsbau? Das wäre dann ein anderes Förderinstrument als aktuell, als sozusagen nur die Finanzierung günstiger zu machen. Wir alle wissen, dass bei den aktuellen Zinssätzen die Finanzierungsfrage, die Zinsen, die günstigen Kredite für sozialen Wohnungsbau für den Markt eigentlich irrelevant sind.
Das zweite ist: Kann ich die Bauvorschriften für den sozialen Wohnungsbau oder für den Mietwohnungsbau möglicherweise insgesamt so gestalten, dass die Herstellungskosten pro Quadratmeter entsprechend günstiger werden, damit ich mit einer günstigeren Miete auch die Chance habe, eine Refinanzierung zu erwirtschaften? Denn ohne die Chance, eine Refinanzierung zu erwirtschaften, wird niemand - auch nicht kommunale Wohnungsbaugesellschaften - irgendwie in Mietwohnungsbau investieren.
Deswegen hätte ich mir schon gewünscht, dass die Landesregierung auf meine Frage nach den konkreten Vorstellungen, welche Bauvorschriften man flexibilisieren und wie man möglicherweise Herstellungskosten minimieren möchte, eigene konkrete Vorschläge gemacht hätte. Sie haben schon mehrfach zu Gesprächen mit den Kommunen ins Ministerium eingeladen. Soweit ich weiß, wurden dabei auch konkrete Vorschläge gemacht. Die Frage ist doch, welche Vorschläge davon die Landesregierung übernehmen wird. Ansonsten bräuchten Sie Ihre Gesprächspartner doch nicht einzuladen und nicht um Vorschläge zu bitten. Ich habe die Vorstellung und den Wunsch, dass die Landesregierung hier noch einmal ganz konkret sagt, wie man den sozialen Wohnungsbau in Niedersachsen verbessern will und wie man die Lücke in der Finanzierung zwischen Herstellungskosten pro Quadratmeter und Mieteinnahmen pro Quadratmeter schließen will. Wenn Sie hier sprachlos bleiben, werden Sie noch nicht einmal Ihre unkonkreten Ziele, die Sie hier genannt haben, erreichen.
Vielen Dank, Herr Försterling. - Im Rahmen der Aussprache rufe ich die Wortmeldung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, des Abgeordneten Christian Meyer, auf. Bitte!
Die Lage auf dem Wohnungsmarkt in Niedersachsen ist brisant. Bis 2035 werden ungefähr 296 000 zusätzliche Wohnungen benötigt. Die Mietpreise steigen enorm, 12 % im Landesschnitt. Es gibt große regionale Unterschiede. Wolfsburg: 65 % seit 2011, Hannover: 50 %, oder Braunschweig: 20 %. Das Thema „Wohnen und Mieten“ ist eine starke soziale Frage. 44 % der Haushalte in Niedersachsen geben mehr als 30 % ihres Einkommens für die Miete aus, die Hälfte davon sogar mehr als 40 %. Deshalb sind gerade für Menschen mit geringem Einkommen hohe Mieten und fehlender Wohnraum ein ganz großes Armutsrisiko.
Deshalb müssen wir vor allem auch für faire Mieten kämpfen. Dazu ist auch der Einsatz der Landesregierung erforderlich. Die Mietpreisbremse auf Bundesebene, die wir wollen, muss auch funktio
nieren und darf nicht zu einem unwirksamen Instrument werden, sondern muss die Mietpreise wirklich erheblich dämpfen.
Das Land muss auch selber in den sozialen Wohnungsbau einsteigen. Wir sind Schlusslicht; das hat eine Anfrage der Bundestagsfraktion der Grünen ergeben. In Niedersachsen gibt es jetzt noch gerade mal 90 000 Wohnungen mit Belegbindung für den sozialen Wohnungsbau. Wenn wir nichts tun, haben wir bald nur noch 30 000 Wohnungen im sozialen Wohnungsbau. Deshalb müssen wir da mehr tun.
Es ist nicht allein das Geld, das fehlt. Wir stellen seit 2016 800 Millionen Euro für solche Zuschüsse zur Verfügung. Aber die Mittel werden - das wird die Landesregierung sicherlich bestätigen - kaum abgerufen. Es sind mal 200 Millionen Euro abgerufen worden, weil es sich immer noch mehr lohnt, im Sinne von Spekulation in gehobene Wohnungen zu investieren als in sozialen Wohnungsbau, der natürlich eine niedrigere Miete erfordert. Deshalb fordern wir, dass Sie die Richtlinien dort ändern, dass die Tilgungszuschüsse, die jetzt 15 % betragen, deutlich angehoben werden, damit es für Leute, die Wohnraum schaffen, lukrativ wird, soziale Wohnungen zur Verfügung zu stellen - und nicht lukrativ wird, hohe Mieten zu kassieren. Das Geld, das vorhanden ist, muss dorthin fließen und dort etwas bewirken.
Zweiter Punkt; wir haben es angesprochen. Ich glaube, es war ein riesiger Fehler während der Privatisierungswelle der 90er- und 2000er-Jahre, dass viele Kommunen ihre kommunalen Wohnungsbaugesellschaften verkauft haben. Ich habe gerade eben in der Neuen Osnabrücker Zeitung über ein Bürgerbegehren von SPD und Grünen zur Wiedererrichtung einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft gelesen, die CDU und FDP 2004 privatisiert und verkauft haben. Ich glaube, es war ein großer Fehler, dass sich der Staat aus dem Wohnungsmarkt herausgezogen hat.
Deshalb bilden Kommunen wieder stärker kommunale Siedlungsgesellschaften und nehmen diese öffentliche Aufgabe wahr. Der Anspruch auf angemessenes Wohnen ist übrigens in Niedersachsen auch Verfassungsauftrag. Das steht in unserer Landesverfassung. Deshalb haben wir eine staatli
Dazu ist das von uns vorgelegte Wohnraumschutzgesetz erforderlich. Ich weiß nicht, wie lange die CDU es noch blockieren will. Lüneburg hat jetzt noch einmal gefordert, dass es endlich kommen muss, damit gegen Spekulation und Zweckentfremdung vorgegangen werden kann. Denn auch das alles sind Punkte, um faires Wohnen zu erreichen.
Herr Söder in Bayern macht ja nicht alles falsch. Er hat jetzt nach den Fehlern eine eigene Wohnungsbaugesellschaft des Landes gegründet. Das kommt wahrscheinlich ein bisschen zu spät, um die Wahl noch zu gewinnen. Wir können in Niedersachsen z. B. mit der Niedersächsischen Landgesellschaft, die allein in Hannover-Nord in der Gartenstadt ein Areal für 600 Wohneinheiten gekauft hat, als öffentliche Hand stärker als Dienstleister für die Kommunen eintreten, um mehr sozialen kommunalen Wohnraum zu schaffen, z. B. für Kommunen, die keine eigene Siedlungsgesellschaft haben. Denn faires Wohnen, soziales Wohnen ist die neue soziale Frage in Niedersachsen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Alle Menschen in Niedersachsen müssen die Möglichkeit haben, angemessen zu wohnen. Eine solche Wohnung muss bezahlbar sein - das gilt besonders für die unteren und mittleren Einkommensgruppen.
Meine Damen und Herren, der Wohnungsmarkt in Deutschland ist aus den Fugen geraten. Die Immobilienpreise und die Mieten sind in den vergangenen Jahren in Niedersachsens Städten in einem irrwitzigen Tempo gestiegen. Wohnen ist fast für ein Drittel der Bevölkerung zu der entscheidenden sozialen Frage, zu einer existenziellen Frage geworden.
Zwei Effekte haben zu dieser Lage geführt: erstens der Rückbau der Bautätigkeit - das ist dargestellt worden - und zweitens die globale Finanz- und Wirtschaftskrise in den Jahren 2007 und 2008,
nach der viele Investoren und Kapitalanleger sichere Geldanlagen suchten und dabei den deutschen Wohnungsmarkt entdeckten.
Meine Damen und Herren, Sie alle kennen die Fälle. Da sind die Menschen, die in einer WG wohnen, weil sie sich die Miete für eine eigene Wohnung nicht leisten können. Da sind die alten Ehepaare, die den Pflegefall des Partners nicht nur als Pflegefall fürchten, sondern sich fürchten, weil sie später die Wohnung nicht mehr bezahlen können. Da sind die alleinerziehenden Mütter, die mehr als die Hälfte ihres Einkommens für die Miete benötigen. - Ich schaue mal da oben in die Reihen: Da sind auch junge Menschen, die bei den Eltern wohnen bleiben müssen, obwohl sie vielleicht schon eine Ausbildung beendet haben und in den Beruf einsteigen, aber sich eine Wohnung nicht leisten können.
Wenn Menschen etwa 30 % ihres Haushalsnettoeinkommens für die Miete ausgeben, dann wird es kritisch in Deutschland. Diese Situation haben wir erreicht. Nach einer Umfrage der Süddeutschen Zeitung ist das bei fast 30 % der Haushalte gegeben. Bei einem Haushaltseinkommen von unter 4 000 Euro liegt diese Quote schon bei 44 %. Sie alle können sich das vorstellen. Wenn jemand 7 000 oder 8 000 Euro hat und 2 000 Euro Miete zahlt, dann bleibt immer noch genug Haushaltseinkommen übrig. Wenn jemand aber nur 2 000 Euro hat und ein Drittel für Miete ausgibt, dann bleibt nicht mehr viel zum Leben. Das ist die Situation, vor der wir gerade stehen.
Hinzu kommen viele Haushalte, die derzeit noch eine akzeptable Miete haben, die aber gerne ihrer Wohnsituation entfliehen möchten. Diese Menschen bleiben dann in einer Studentenbude wohnen, sie ertragen den Lärm, sie wohnen trotzdem noch mit Menschen - z. B. ihren ehemaligen Partnern - zusammen, obwohl sie sich schon getrennt haben und sich nicht mehr ertragen können. Die Kündigung einer solchen bezahlbaren Wohnung bringt die Menschen in eine Notlage und höchst verzweifelte Situation.
Uns allen muss klar sein: Bezahlbarer Wohnraum ist ein Standortvorteil für Niedersachsen. Wir sind in Niedersachsen noch nicht in einer Situation, in der sich andere Bundesländer und Städte befinden. Wir haben nicht die Situation von Hamburg, München oder Berlin. Im Umland von Hamburg und Bremen erleben wir aber gerade eine Verschärfung der Lage. Lüneburg nenne ich als Beispiel. Meine Damen und Herren, eine Ausweitung
des sozialen Wohnungsbaus bedeutet zwangsläufig auch, dass diese durch eine Gemeinwesenarbeit und entsprechendes Quartiermanagement begleitet werden muss.
Die SPD setzt sich dabei auch für gutes Zusammenleben ein. Wir wünschen die Fortschreibung der guten Nachbarschaft. Wir laufen sonst Gefahr, dass wir uns Problemquartiere bauen. Sozialer Wohnungsbau ist mehr als nur Backsteine. Der Minister hat es dargestellt: Wir müssen auch die Ergebnisse des Bündnisses für bezahlbares Wohnen abwarten. Es ist eine ganz breite Klaviatur, auf der zukünftig zu spielen ist. Und natürlich brauchen wir Geld. Wir brauchen zusätzliches Geld, wenn wir das alles haben. Aber nur mit den normalen Bordmitteln einer politischen Liste ist das nicht zu schaffen.
Ich bin der Bundesregierung daher für die Initiative dankbar, und ich bin Ihnen, Herr Minister, für Ihre Ausführungen dankbar, da Sie bereit und gewillt sind, die Situation mit ganzer Kraft anzupacken und sich dem entgegenzustellen. Die breite Klaviatur, die wir alle zu spielen haben, haben Sie dargestellt. Packen wir es an!