Ich hatte auch den Eindruck, dass bei manchen Demonstranten noch ein gewisses Missverständnis vorherrscht. Ich traf eine Demonstrantin, die hat gesagt: Das Polizeigesetz betrifft uns alle! - Ich hoffe für die Demonstrantin, dass das nicht so ist; denn ob das so ist, hängt auch ein wenig an dem individuellen Verhalten. Wenn Sie kein terroristischer Gefährder sind, wenn Sie keine schwere organisierte Gewaltstraftat planen - und das nur im Hinblick auf die Fußfessel - und wenn Sie keine Straftat gegen Leib, Leben und Personen planen - und das nur im Hinblick auf den verdeckten Eingriff in Informationssysteme -, dann werden Sie von diesem Polizeigesetz nicht betroffen sein.
Sie haben ja gesagt, es hängt vom persönlichen Verhalten ab, ob man überhaupt von dem Gesetz betroffen ist, und es mit Straftaten oder Gefahrensituationen verbunden. Nach meinem Kenntnisstand ist in diesem Gesetzentwurf auch die sogenannte Section Control geregelt, also dass dort Verkehrsüberwachung stattfindet. Wie soll ich denn vorher wissen, wo Verkehrskontrollen stattfinden, damit ich da nicht entlangfahre? Ist es nicht doch so, dass dieses Gesetz für jeden gilt und jeder davon betroffen ist?
Die Section Control, Herr Bode, wird für Sie nur dann zu einem Problem, wenn Sie mit überhöhter Geschwindigkeit durch diese Section Control fahren, d. h. wenn Sie am Ende eine Ordnungswidrigkeit oder Straftat begehen.
(Jörg Bode [FDP]: Das nimmt auf, egal mit welcher Geschwindigkeit Sie fahren! - Belit Onay [GRÜNE]) : Auch die Videoüberwachung! - Unruhe - Glocke der Präsidentin)
Sehr geehrter Herr Kollege Lechner, zunächst einmal möchte ich feststellen, dass ich jedenfalls in der letzten Zeit nie zu schnell gefahren bin und keinen Strafzettel bekommen habe.
Ich will aber eine Frage stellen: Ist Ihnen bewusst oder bekannt, dass die Section Control zunächst jeden filmt, fotografiert und speichert unabhängig davon, ob er zu schnell oder zu langsam gefahren ist?
Das, Herr Bode, ist mir bekannt. Das wird für eine Millisekunde gespeichert, so wie auch kurz bei allen anderen Videoüberwachungen. Dann wird sofort wieder gelöscht, wenn kein Fehlverhalten festgestellt wird.
Da sind wir genau bei den Details des Polizeigesetzes, in die ich jetzt gerne einmal einsteigen würde, die ich wirklich mal Paragraf für Paragraf abarbeiten und anhand derer ich klarmachen möchte, dass vieles von dem, was hier behauptet wird, tatsächlich nicht der Wahrheit entspricht.
Zweites Missverständnis - und da bin ich vielleicht sogar bei Ihnen, Herr Bode -: Dass mit diesem Gesetzentwurf die Videoüberwachung bei öffentlichen Veranstaltungen - von Fußballfans, wie ich gehört habe - ausgeweitet werden soll, ist schlicht nicht der Fall. Die Videoüberwachung bei öffentlichen Veranstaltungen ist alte Gesetzeslage, und die verdeckte Aufzeichnung bei öffentlichen Veranstaltungen wird sogar eingeschränkt. Sie ist in Zukunft nicht mehr bei unerheblichen Ordnungswidrigkeiten möglich, sondern nur noch bei Straftaten. Das ist eine Verbesserung.
Wir haben im Übrigen auch einen extra Paragraphen für den Schutz des persönlichen Lebensbereichs und des persönlichen Kernbereichs eingefügt, weil dieser Gesetzentwurf nämlich vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum BKA-Urteil entwickelt wurde. Damit sind dort - entgegen allen bisherigen War
nungen - auch Stärkungen von Bürgerrechten enthalten, die uns wichtig waren und die wir auch wichtig finden.
Abschließend, Herr Kollege Oetjen: Über den Staatstrojaner will ich gerne mit Ihnen diskutieren. Was ich aber an Ihrer Logik nicht verstehe, ist, dass Sie kein Problem damit haben, dass wir die klassische Telekommunikation abhören können.
Wenn die aber umschalten und über Skype telefonieren, geht es im Grunde genommen um die gleichen Informationen, auf die wir zugreifen wollen.
Auf Skype können wir aber eben nicht zugreifen, weil es verschlüsselt ist. Deswegen müssen wir vor die Verschlüsselung kommen. Ich würde mich wirklich freuen, wenn wir uns nicht mehr über die Frage der Notwendigkeit unterhalten würden, sondern darüber, wie wir es technisch, verfassungsrechtlich und rechtssicher hinbekommen, dass diese Möglichkeit für die Polizei sichergestellt wird. Das würde ich gerne mit Ihnen zusammen eruieren.
Ich fand den Artikel im Rundblick sehr treffend. Ich will daraus zitieren, weil er die Debatte um das Polizeigesetz etwas beschreibt. Dort heißt es:
„Anstoß erregen nicht konkrete Gesetzesbestimmungen, die in ihrer Komplexität oft auch nur schwer zu verstehen sind, sondern Interpretationen von Experten, die vorgeben, die Vorschriften verstanden zu haben.“
„Das Problem ist leider nur: Viele angebliche Experten sind interessegeleitet. Sie präsentieren Erklärungen und Analysen, die grob vereinfacht sind oder Probleme überhöhen.“
Verehrte Grüne, mein Kollege Becker hatte schon etwas dazu gesagt, dass man sich als Führung auf einer Demonstration hinter einem Plakat mit der Aufschrift „Freiheit statt Polizeistaat!“ versammelt. „Polizeistaat“ ist ein Begriff aus der Biedermeierzeit, welcher Fürstenregime bezeichnete, die liberale und demokratische Bestrebungen mit Gewalt unterdrückten. Es gab keine gesetzliche Bindung, kein Übermaßverbot, keinen richterlichen Vorbehalt, keine Gewaltenteilung. Unser Gesetzentwurf und unsere Institutionen haben nichts, aber auch gar nichts mit einem Polizeistaat zu tun.
Ich würde mir wünschen, dass wir uns in den Beratungen von einem Leitbild leiten lassen, das von Vertrauen in unsere Richter und in unsere Polizei geprägt ist, mit dem Bewusstsein für die Notwendigkeit, die unsere Sicherheitslagen hervorrufen. Wenn wir dann ganz konkret am Gesetzentwurf arbeiten, wird Niedersachsen ein gutes Polizeigesetz bekommen, das ganz sicher nicht die Freiheitsrechte der Bürger bis zur Unkenntlichkeit entstellt.
Vielen Dank, Herr Kollege Lechner. - Wenn Sie einmal während des Plenums Geburtstag haben: Sie haben Ihre Minute bereits aufgebraucht.