Wir haben politische Akteure, wir haben gesellschaftliche Akteure, wir haben aber auch Institutionen in diesem Land, die die demokratischen Strukturen stärken. Dazu gehört übrigens auch die oftmals in diesem Kontext völlig unterschätzte Verwaltung. Die Verwaltung ist ein demokratischer Stabilitätsanker, der - Herr Kollege Nacke hat es heute noch einmal eindrucksvoll beschrieben - gerade bei Regierungswechseln sicherstellt, dass Grundstrukturen, übrigens auch rechtlich und demokratisch legitimierte und zu verfolgende Grundstrukturen, beibehalten werden. Insofern ist ein respektvoller Umgang mit allen diesen Institutionen auch von politischer Seite immer nötig. Wir sollten das auch als Parteien und Fraktionen immer im Blick haben und Institutionen wie Gerichte, wie Verwaltung, aber auch das Parlament selbst nicht leichtfertig und unnötig beschädigen, sondern immer diesen gemeinsamen Konsens suchen und finden.
Eine abschließende Bemerkung noch zu der Frage, die eben wieder bei Ihrem Beitrag, Herrn Emden, durchschien. Sie haben ausgeführt, Sie fühlten sich diskriminiert. Ich bedaure, wenn Sie sich diskriminiert fühlen, ich kann es aber nicht nachvollziehen. Denn gerade dieser demokratische Rahmen bietet Ihnen ja die Möglichkeit, Ihre Meinung zu äußern, sie kundzutun.
Aber ich komme immer wieder auf den Punkt zurück, dass Sie nicht verlangen können, dass das widerspruchslos hingenommen wird und ich immer wieder höre, Sie fühlten sich ja so schlecht behandelt. Man muss sich nur einmal anschauen - da braucht man, glaube ich, gar nicht lange zu suchen -, wie Mitglieder Ihrer Partei über andere Menschen, Gruppierungen, Meinungen sprechen. Das ist von einer Missachtung, von einem mangelnden Respekt in einer Art und Weise geprägt, die sich nach meinem persönlichen Verständnis eben nicht mehr an dem Konsens von Demokraten orientiert, dass wir für dieses Gemeinwesen ein gemeinsames Ziel mit unterschiedlichen politischen Haltungen verfolgen.
Insofern verstehe ich nicht immer, wie Sie sich so schnell zurückziehen und sich als Opfer gerieren. Das sind Sie bei Weitem nicht. Sie sind diejenigen, die in vielfacher Art und Weise die politische Stimmung vergiften. Dann müssen Sie auch den Widerspruch ertragen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst geht mein Dank für diese Aktuelle Stunde an die Kolleginnen und Kollegen von der SPD. Diese Aktuelle Stunde schafft uns die Möglichkeit einer Standortbestimmung und auch noch einmal Gelegenheit, darüber zu reden, was die Mehrheit dieses Hauses als Demokraten für ihre eigenen Aufgaben und für ihre Aufgabenbeschreibung hält. Vielen Dank dafür.
Herr Kollege Limburg hat vorhin Oskar Negt zitiert und hat noch einmal darauf hingewiesen, dass die Demokratie die einzige Staatsform ist, die immer wieder neu erlernt werden muss, während alle anderen Staatsformen sowie totalitäre Systeme einfach verordnet werden. Für die Mehrheit dieses Hauses ist diese Beschreibung von Oskar Negt auch eine Beschreibung unserer eigenen Aufgaben. Darüber bin ich froh, und ich bin auch froh, Teil eines Landtages zu sein, der Demokratie unter diesen Gesichtspunkten weiterentwickelt, mit lebhaften Debatten nach vorn bringt und Opposition auch nutzt, um in der Regierung Ideen weiterzuentwickeln. Es ist genauso, wie es Herr Kollege Nacke vorhin beschrieben hat, dass wir hier auch aus der Opposition das weiterentwickeln, was wir als Demokratie für wertvoll erachten.
Das Grundgesetz ist im Geiste der Nachkriegszeit entstanden und bietet Instrumentarien, um Demokratie gegen Gegnerinnen und Gegner zu verteidigen. Und das ist gut so.
Eines dieser Instrumente ist tatsächlich der Verfassungsschutz, der in der Lage ist, verfassungsfeindliche Gruppen zu beobachten, Herr Emden. Obwohl ich finde, dass dieses Instrument immer vorsichtig und sensibel eingesetzt werden muss, teile ich die Einschätzung von Innenminister Pistorius, dass es sinnvoll ist, Ihre Jugendorganisation der AfD hier in Niedersachsen beobachten zu lassen.
Nach den Äußerungen von Lars Steinke, der ehemaliger Mitarbeiter genau dieser AfD-Landtagsfraktion ist, und den immer neuen Belegen für Verflechtungen mit der Identitären Bewegung war dieser Schritt nur folgerichtig. Herr Steinke ist ja übrigens auch nicht der Einzige, den Sie in Ihren Reihen aufgenommen haben.
Ist Ihnen bekannt, dass gegen Herrn Steinke postwendend ein Parteiausschlussverfahren von der JA genau wie von der AfD angestrengt wurde?
(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Und was ist mit Ihrer anderen Mitarbeiterin, die bei den Identitären ist? - Helge Limburg [GRÜNE]: Das lief bei Herrn Höcke auch schon!)
Herr Emden, es wird Sie erstaunen, aber tatsächlich wird in unserer Fraktion Zeitung gelesen, und wir nehmen solche Sachen durchaus wahr.
Ich will Ihnen aber auch sagen - deswegen ärgert mich Ihre Haltung, sich hier als Opfer zu stilisieren und besonders über Diskriminierung zu jammern -: Sie sind genau wie wir alle hier von Steuerzahlern in diesem Job alimentiert. Das ist ein Mandat, das weit davon entfernt ist, ehrenamtlich zu sein, und weit davon entfernt ist, dass Sie immer für sich in Anspruch nehmen könnten, diese Demokratie, die hier stattfindet, als Beleidigung zu werten und als Diskriminierung zu werten.
Ich finde, dieses Hohe Haus nimmt sich viel Zeit, um sich mit Ihren zum Teil auch sehr absurden Vorstellungen von Demokratie auseinanderzusetzen, und Sie sind weit davon entfernt, sich als diskriminiert bezeichnen zu können.
Im Übrigen ist mir heute auch viel zu viel von Gefühlslagen die Rede. Es ist ja interessant, dass Sie es widerwärtig finden, was die Jugendorganisation der AfD auf ihren Seiten postet und welche Beiträge sie leistet. Aber z. B. die Veröffentlichung eines Haftbefehls gegen einen Verdächtigen hat mit Gefühlslagen von Herrn Emden wenig zu tun,
sondern das ist ein strafrechtlicher Tatbestand, und wir haben dagegen Anzeige erstattet. Sie täten gut daran, das außerhalb dieser Gefühlslagen auch einmal auf dieser Ebene zu betrachten.
Ich danke der Kollegin Modder für die Ausführungen dazu, dass wir tatsächlich eine aktive Zivilgesellschaft haben, für die wir dankbar sein können, und dass wir wirklich auf der Straße und bei verschiedenen Veranstaltungen immer wieder feststellen, dass wir mit unserer Vorstellung von Demokratie gegenüber Ihren Ideen, dass man das Grundgesetz beliebig mit anderen Artikeln und mit anderen Inhalten ausstatten kann, in der Mehrheit sind.
Wir haben durch unseren gemeinsamen Einsatz - ich bin an der Stelle wirklich auch froh und dankbar, dass wir das mit so vielen Abgeordneten unterstützt haben - in den letzten Jahren dafür gesorgt, dass die Nazis in Bad Nenndorf immer wieder auf Mehrheiten getroffen sind, was am Ende dann dazu geführt hat, dass diese unselige, geschichtsklitternde Veranstaltung in Bad Nenndorf aufgehört hat. Das ist etwas, was wir als Abgeordnete gemeinsam mit der Zivilgesellschaft angestrengt und geleistet haben.
Wehrhafte Demokratie und eine starke Zivilgesellschaft gibt aber nicht zum Nulltarif. Wir brauchen in unseren Haushaltsberatungen auch einen guten Blick darauf, welche Strukturen wir sichern, um weiter dafür zu sorgen, dass politische Bildung stattfinden kann. Ich war gestern dankbar über den
Beitrag zur Gedenkstättenkultur. Das ist wichtige und unverzichtbare Arbeit gerade in Zeiten wie diesen.
Wir brauchen neben dieser wichtigen Arbeit weitere Formen der politischen Bildung in einer Zeit, in der Staatspräsidenten Fake News nutzen, um damit Zeichen und Botschaften zu setzen. Es ist wichtiger denn je, dass politische Bildung auch über eine Zentrale organisiert wird, die Jugendlichen die Gelegenheit gibt, Medienkompetenz zu erwerben.
Lassen Sie uns gemeinsam weiter dafür streiten und unsere wehrhafte Demokratie stärken durch eine Stärkung unserer demokratischen Institutionen, durch eine Stärkung der politischen Bildung und durch eine Unterstützung und Ermutigung der Zivilgesellschaft. Demokratie fällt nicht vom Himmel - das sehen wir dieser Tage deutlich -, sie muss stets neu erworben werden, und wir werden daran gemeinsam arbeiten.
Vielen Dank, Frau Kollegin Piel. - Es hat sich jetzt der Ministerpräsident, Herr Stephan Weil, gemeldet.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Viele von uns sind erschrocken über die Rechtsentwicklung, die wir in unserer Gesellschaft ja wirklich spüren, und noch viel mehr von uns, aber vor allen Dingen viele außerhalb des Niedersächsischen Landtags fragen sich: Was können wir eigentlich tun, und was müssen wir tun?
Einige Beispiele aus den letzten Tagen in Niedersachsen: Gestern trafen sich unter dem Motto „Herz statt Hetze“ in Hildesheim 1 400 Menschen zu einer Demonstration. - Herzlichen Dank dafür.
Am Sonntag bildete sich auf einem Deich in Dangast - und Dangast ist nun wirklich kein ganz großer Ort -
eine Menschenkette von 2 000 Menschen, die für Seenotrettung sind - auch bezogen auf Flüchtlinge im Mittelmeer. - Herzlichen Dank für dieses Engagement.
Am Samstag erhielt ich ein ganz bemerkenswertes Schreiben. Da hatten nämlich auf einem Führungsseminar der niedersächsischen Polizei die 240 obersten Angehörigen unserer Polizei und die Personalräte gemeinsam gesagt, es kann nicht sein, dass ein Bundesinnenminister behauptet, die Migration sei die Mutter aller Probleme. - Dagegen müssen wir uns wenden, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Ich habe das schon in anderem Zusammenhang gesagt, aber aus diesem Anlass wiederhole ich es besonders gern: Ich bin stolz auf diese niedersächsische Polizei.