Protocol of the Session on September 12, 2018

Die letzten Monate waren von intensiver bildungspolitischer Auseinandersetzung geprägt, und zwar für alle Akteure.

Lassen Sie mich das sagen: Bei allen Herausforderungen, die wir ganz unbestritten haben, waren diese zehn Monate ein Gewinn für die Bildungspolitik in Niedersachsen.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Wir haben den Inklusionskompromiss umgesetzt, wir haben die Wahlfreiheit der Eltern und der Kinder mit Lernbehinderung wieder Realität werden lassen. Wir haben die Beitragsfreiheit im Kindergarten umgesetzt und dafür gesorgt, dass Familien aus der Mittelschicht entlastet werden. Es wurden bereits jetzt über 43 Millionen Euro an erhöhten Abschlägen an über 4 000 Kitas pünktlich ausgezahlt.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Zu wenig!)

Darüber hinaus haben wir die dualisierte Erzieherausbildung auf den Weg gebracht. Wir werden im kommenden Haushalt die Erzieherausbildung gebührenfrei stellen.

(Johanne Modder [SPD]: Genau!)

Wir ermöglichen die Vergütung in der Erzieherausbildung, und wir flexibilisieren die Nutzung von Schulräumen im Sinne einer gemeinsamen Nutzung durch Schule und Hort. Wir stellen den Kommunen 32 Millionen Euro für die frühkindliche Sprachförderung zur Verfügung.

Das ist nur ein Teil, ein kleiner Teil der Dinge, die wir getan haben. Deshalb sind die letzten zehn Monate auch ein Gewinn.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Lassen Sie mich bei allem Verständnis für Sie, liebe Freundinnen und Freunde von der FDP, eines ganz deutlich sagen: Dieses Schuljahr ist bei allen Änderungen, bei zwei großen gesetzlichen

Änderungen, reibungslos gestartet. Das liegt natürlich daran, dass alle Beteiligten wirklich viel geleistet haben. Sie können diesen Menschen gern entgegenschleudern: „Ja, das war alles vergebliche Liebesmühe“, aber ich glaube, es ist Zeit, unseren Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, unseren Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der kommunalen Verwaltungen und auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landesschulbehörde sowie des Kultusministeriums einfach einmal zu sagen: Danke für Ihre Arbeit, es war ein großer Einsatz, wir wissen das; es hat sich gelohnt.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Kommen wir nun zur Unterrichtsversorgung, die wohl das Hauptanliegen dieser Aktuellen Stunde ist. Ich glaube, ein ehrlicher Umgang tut hier gut. Wir sind sicherlich weit davon entfernt, zu sagen, hier ist alles gut. Leider betrifft der Fachkräftemangel nicht nur die Wirtschaft. Der komplette erzieherische und pädagogische Bereich ist davon betroffen, und zwar extrem schwer.

In diesem Jahr kamen auf eine ausgeschriebene Lehrerstelle gerade einmal 1,1 Bewerber. Das ist, glaube ich, mit der Fachkräfterelation im Bereich der IT-Fachkräfte durchaus vergleichbar.

Das wird daher auch in Zukunft ein Schwerpunkt sein. Leider wird sich das Problem nicht von heute auf morgen lösen lassen.

Wir haben für dieses Schuljahr schon erste Verbesserungen erreicht. Diese Schritte zeigen Wirkungen. Wir haben A 13 für die Grundschulleitungen eingeführt. Wir haben 1 000 Lehrerstellen entfristet. Wir beenden mit diesem Haushalt die erzwungene Teilzeit an den Förderschulen, und wir haben trotz der dünnen Bewerberlage über 1 900 Lehrkräfte einstellen können.

Die Arbeitsgruppe zwischen Wissenschaft und Kultusministerium, die Sie, Herr Försterling, gefordert haben, arbeitet schon; sie arbeitet an einer langfristigen Fachkräfteplanung.

(Björn Försterling [FDP]: Ich habe nicht eine Arbeitsgruppe gefordert, sondern Ergebnisse!)

Die Arbeitszeitkommission wird noch in diesem Jahr berichten, und - ja - es ist richtig: Unter Abwägung aller bildungspolitischen Werte - Unterrichtsversorgung an Grundschulen ist ein Wert -, haben wir 14 000 Stunden aus der vorschulischen Sprachförderung in die Grundschulen zurückverla

gert. Das war ja - wie der Kollege Politze schon sagte -

(Zuruf von Julia Willie Hamburg [GRÜNE])

eine lange erhobene Forderung der Kitas, die alle gesagt haben: Ja, das ist pädagogisch richtig und pädagogisch sinnvoll.

(Zustimmung von Stefan Politze [SPD])

Um das Thema Unterrichtsversorgung weiter zu behandeln, haben wir im Koalitionsvertrag ein Unterrichtssicherungspaket vereinbart. Mit dem Stabilisierungspaket des Ministers sind ja auch schon die ersten Schritte gemacht worden.

Die CDU-Fraktion steht in einem sehr engen Austausch mit allen Verbänden. Wir wissen und erwarten, dass auch die Vorschläge der Philologen, des Schulleitungsverbandes und natürlich auch die Interessen der Freien Schulen in diesem Unterrichtspaket, das demnächst auf den Weg gebracht werden wird, berücksichtigt werden, sodass wir gemeinsam die Unterrichtsversorgung in Niedersachsen wieder sicherstellen können.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Wulf. - Es folgt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Julia Willie Hamburg. Bitte sehr! Ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Wulf, ich muss sagen, das war eine Rede frei nach dem Motto „Kopf in den Sand, Augen zu und durch“. Ich bin schon irritiert, wenn Sie mich fragen, wo ich die letzten zehn Monate gewesen bin. - Ich war an den Schulen, ich war in den Kitas, und ich kann Ihnen sagen:

(Jörg Hillmer [CDU]: Ich kann Ihnen sogar sagen, wo Sie die letzten fünf Jahre waren! Nämlich in der Regie- rung!)

Ihre Maßnahmen haben mitnichten die Schulen in Niedersachsen nach vorn gebracht, sondern eigentlich zusätzlich für viel Chaos gesorgt.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Ich muss ganz deutlich sagen, es ist noch kein Jahr vergangen, und wir als Grüne merken schmerzlich, was es heißt, wenn wir nicht mehr mit an der Regierung sind.

(Lachen bei der SPD und bei der CDU - Zurufe von der CDU: Oh, oh! - Zuruf von Jörg Hillmer [CDU])

Dann ist plötzlich wieder Hauruckpolitik an der Tagesordnung. Hier werden zwei Gesetze im Bildungsbereich im Hauruckverfahren durch das Plenum geschossen, alle Hinweise von Verbänden sind egal;

(Ulf Thiele [CDU]: Hier wird nicht ge- schossen, hier wird gearbeitet!)

ein fragiler Kompromiss muss umgesetzt werden, koste es, was es wolle. Alle Hinweise der Verbände sind eingetreten. Sie haben diese Hinweise ignoriert. Wer löffelt jetzt die Suppe aus? - Das sind die Kommunen, das sind die Schulen, das sind die Kitas. Das sind dann nicht mehr Sie hier. Es ist für Niedersachsen bedauerlich, welchen Politikstil Sie in den letzten Monaten an den Tag gelegt haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch sonst muss ich Ihnen sagen, den Ehrgeiz, Kitas und Schulen qualitativ weiterzuentwickeln, haben Sie offensichtlich an den Nagel gehängt. Denn auf der Pressekonferenz zum Schuljahresanfang war zumindest Schulqualität an keiner Stelle Thema. Es ging um Unterrichtsversorgung, es ging um „meine Schule“, um die „gute Schule 2040“. Aber es ging nicht darum, wie man Schule qualitativ weiterentwickeln kann.

Sie geben im großen Stil Geld aus, aber auch das nicht im Sinne von mehr Qualität an Schulen, von mehr Entlastung von Lehrkräften, sondern im Sinne von: „Ich gucke einmal, was ich vor Ort noch so finanzieren muss“.

Die Sprachförderung an Grundschulen - das haben Sie ja gerade ausgeführt - haben Sie abgeschafft. Sie ignorieren dabei, dass genau diese Schülerinnen und Schüler jetzt an die Schulen kommen und die Sprache nicht können, weil die Kitas nicht ausreichend ausgestattet sind, um die Arbeit angemessen machen zu können.

Ich war in vielen Kitas vor Ort. Ich kann Ihnen sagen, sie alle sagen, wir machen das wie vorher, da gibt es nichts on top; wir haben dafür nicht die Kapazitäten. Das heißt, Sie haben einfach eine Maßnahme gestrichen, ohne sie adäquat zu erset

zen. Das jetzt als Erfolgsmodell zu feiern, ist wirklich nicht in Ordnung.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der FDP)

In der Inklusion - ein Thema, das die Schulen vor Ort vor massive Herausforderungen stellt - haben Sie einen Rückschritt gemacht. Sie haben hier Stillstand. Sie entwickeln das nicht weiter. Gegen die Verbände haben Sie hier das Schulgesetz durchgedrückt.

Ich muss Ihnen sagen, auch das hat vor Ort massive Konsequenzen. Denn der Fachkräftemangel schlägt hier ganz massiv durch, was ebenfalls zulasten der Lehrkräfte und somit auch zulasten unserer Schulen und Schülerinnen und Schüler geht, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der FDP)

Kürzungen im Migrationsbereich ziehen sich wie ein roter Faden durch Ihre Politik. Auch im Kultushaushalt konnte ich sehen, dass Sie die Mittel für Sprachförderung und Integration gestrichen oder zumindest deutlich gekürzt haben. Dabei sind doch gerade diese Mittel eine massive Investition in die Zukunft, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Selbst Themen, die der SPD massiv am Herzen liegen, etwa der Ganztag, geraten jetzt in der Prioritätensetzung unter die Räder. Ich konnte im Haushalt sehen, dass Sie die Koordinierungsstelle „Ganztägiges bilden!“ gestrichen haben. Das hat mich wirklich überrascht. Denn gerade der qualitative Ganztag war etwas, was die SPD mit uns gemeinsam massiv nach vorne gebracht hat. Und jetzt diskutieren wir hier wieder über Qualitätsverschlechterungen, über den Abzug von Lehrkräften aus dem Ganztag zugunsten der Sicherung von Stundentafeln. Der Ganztag muss sich komplett der Unterrichtsversorgung beugen. Das ist keine Weiterentwicklung, das ist nicht „Niedersachsen nach vorne bringen“, liebe Kolleginnen und Kollegen, das sind Rückschritte.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der FDP)