Es ist eben gerade nicht richtig, Herr Birkner, dass die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses keinen Einfluss auf unsere Koalitionsverhandlungen hatten. Ganz im Gegenteil: Wir haben auch diese Ergebnisse mitbewertet und abgewogen und sie mit den guten Ideen, die unser Koalitionspartner mit eingebracht hat, zusammengefasst. Und am Ende haben wir einen Koalitionsvertrag formuliert, der auf die im Untersuchungsausschuss entstandenen Fragen ganz wesentlich eine Antwort gegeben hat.
Herr Kollege Lechner, wir waren ja gemeinsam in diesem Untersuchungsausschuss. Da Sie eben gesagt haben, dass die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses Einfluss auf die Gestaltung des neuen Polizeigesetzes, das Sie eingebracht haben, hatten, frage ich Sie, welcher der von uns untersuchten Fälle eine Präventivhaft von 74 Tagen erfordert hätte.
Verehrter Herr Bode, ich werde noch zu dem Ausfluss dessen kommen, auch im Hinblick auf das Polizeigesetz. Geben Sie mir drei Punkte Zeit, dann werde ich genau diese Frage beantworten.
Vorher möchte ich aber noch drei Bespiele nennen, um das auch für einen anderen Bereich zu verdeutlichen.
Erstens. Sie haben das grundsätzliche Misstrauen angesprochen. In der rot-schwarzen Koalition gibt es kein grundsätzliches Misstrauen gegenüber unseren Sicherheitsbehörden - ganz im Gegenteil. Ich möchte Ihnen aber auch einmal herüberrufen: Es entsetzt mich manchmal schon - da muss sich niemand hier im Landtag angesprochen fühlen -, von welchem Misstrauen die Debatten über das Polizeigesetz geprägt sind, wie wir im Moment lesen dürfen. In der ganz großen Mehrheit gibt es ganz toll ausgebildete Polizisten, die immer versuchen, ein Übermaß zu vermeiden,
die in der Regel gut reagieren und denen wir zutrauen können, die neuen Instrumente zu verwenden. Wir können auf diese Polizisten stolz sein und ihnen vertrauen; das will ich hier auch einmal sagen.
(Beifall bei der CDU und bei der SPD - Helge Limburg [GRÜNE]: Das mag in Niedersachsen gelten! Schauen Sie mal nach Sachsen!)
Im Übrigen haben wir - zweitens - auch, was die personelle Ausstattung angeht, reagiert. Wir haben allein im Nachtragshaushalt 2018 250 neue Stellen in der Polizei geschaffen, die insbesondere verwendet werden sollen, um die IT-Kapazitäten und die Sprachkapazitäten zu stärken. Wir haben im Untersuchungsausschuss herausgearbeitet, dass wir insbesondere die Kapazitäten in arabischer Sprache stärken sollten und unsere Sicherheitsbehörden besser befähigen könnten, Texte in dieser Sprache auszuwerten.
Drittens haben wir, was den Informationsaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden angeht, schon Fortschritte erzielt. Getragen durch die Große Koalition, ist der Innenminister da sehr gut unterwegs. Die Behörden und insbesondere unsere Polizeipräsidenten sind jeden Tag dabei und machen sich Gedanken darüber, wie man das verbessern kann und wie man hier reagieren kann.
Ich bin der festen Überzeugung, dass wir in Niedersachsen in diesem Bereich ganz hervorragend aufgestellt sind.
Und viertens, Herr Bode: Wir nehmen auch die rechtlichen Herausforderungen an. Herr Birkner hat das im Ausschuss richtig vorgetragen: Der Fall Safia S. ist dem ersten Anschein nach kein Fall, der neue Vorfeldkompetenzen begründen würde. Denn in der Tat gab es ein Handy, das nicht ausgewertet wurde. Wenn man die Informationen auf diesem Handy ausgewertet und die sonstigen Vorfeldinformationen zu diesem Fall berücksichtigt hätte, dann hätte das sicherlich ausgereicht, um ein Ermittlungsverfahren wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat einzuleiten. Dann hätte man alle Instrumente der Strafprozessordnung nutzen können.
Aber wenn Sie sich jetzt einmal nur für einen einzigen Moment die Situation vorstellen, dass auf dem Handy nicht so eindeutige Hinweise gewesen wären, und Sie nur wüssten, dass die Großmutter
gesagt hat, dass es Beziehungen zum IS geben könnte, dass ein Rückreisesachverhalt vorliegt, dass vielleicht der Sachverhalt vorliegt, dass es Vernetzungen zum DIK Hildesheim gibt, dann wäre ein auch zeitlich konkretisiertes Geschehen nicht absehbar gewesen, sondern man hätte nur aus dem individuellen Verhalten der Person schließen können, dass es vielleicht in einem überschaubaren Zeitraum eine Straftat geben könnte. Das ist exakt die Definition des Bundesverfassungsgerichts zum Vorfeld.
(Belit Onay [GRÜNE]: Wo ist denn die Konkretisierung, Herr Lechner? - Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Und die wollen Sie dann wegsperren?)
Wir möchten, dass wir auch in diesem Vorfeldbereich - das hat das Bundesverfassungsgericht zugestanden - anfangen können, zu ermitteln, und zwar mit milden Maßnahmen: zuerst Meldeauflage, dann vielleicht Kontaktverbot.
Das sind offene Maßnahmen. Dann kommen verdeckte Maßnahmen wie Überwachungsmaßnahmen und Untersuchungsmaßnahmen. Wenn es wirklich unerlässlich ist, dann greift auch die Maßnahme der Präventivhaft; denn wir glauben, dass es für die Sicherheit dieses Landes wichtig ist, dass wir dieses Vorfeld nicht aus den Augen verlieren.
Herr Onay, wir können hier auch eine ganz kurze Pause einlegen. Ansonsten wäre es schön, wenn Sie nicht weiter störten.
Letztlich muss ich Ihnen sagen, liebe Freunde von der FDP: Im Grunde genommen kennen wir doch die Lücken und den rechtlichen Handlungsbedarf. Wir haben schon einiges getan, um das aufzuarbeiten. Und Sie sagen es zu Recht: Es gibt dringenden Handlungsbedarf. - Ich zitiere aus Ihrem Antrag. Dort sagen Sie,
„dass die Dynamik des Salafismus in Niedersachsen weiter ungebrochen ist und weiterhin dringender Handlungsbedarf auch für Niedersachsen besteht.“
Deswegen frage ich Sie: Wenn es dringenden Handlungsbedarf gibt, was soll dann eine Regierungskommission? Ganz im Gegenteil! Und wenn man Ihren Antrag liest, in dem es heißt, dass der Landtag die Beratungen des Polizeigesetzes bis zur Einsetzung einer Regierungskommission zurückstellen soll, dann muss ich vermuten, dass dieser Antrag gestellt wurde, um die Beratungen des Polizeigesetzes zu verzögern. Ich glaube, das ist die Zielrichtung.
Da muss ich Ihnen ehrlich sagen: Das lassen wir mit uns nicht machen. Wir werden sorgsam und sorgfältig beraten. Wir werden alle Vorhalte abwägen und bewerten, aber wir werden in diesem Jahr ein neues Polizeigesetz verabschieden.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Lechner, das war jetzt eher beunruhigend, was Sie hier gerade gesagt haben.
Aber vielleicht zunächst einmal zu dem wichtigen Punkt: Wir haben hier gemeinsam - CDU und FDP - unsere politischen Bewertungen des Untersuchungsausschusses auf zwei Seiten zusammengefasst.
Darin ist nicht eine Maßnahme beschrieben, die eine rechtliche Verschärfung im Polizeigesetz oder Verfassungsschutzgesetz erforderlich gemacht hätte.
Ich weiß gar nicht, wie Sie darauf kommen, das jetzt darauf zurückzuführen. Vor nicht weniger als einem Jahr haben Sie diese Notwendigkeit überhaupt nicht erkannt und diskutiert, und das unter dem Eindruck eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses, bei dem wir durchaus gemeinsam - wenn auch vom Kollegen Becker komplett anders bewertet - dramatische Versäumnisse festgestellt habe. Insofern verstehe ich überhaupt nicht, wie Sie zu dieser neuen Einschätzung kommen. Das ist nicht nachvollziehbar.