Protocol of the Session on August 22, 2018

Fakt ist, dass diese Forderung in der Debatte im politischen Raum in völlig unterschiedliche Richtungen ausgeschlachtet worden ist. Aber bevor ich auf das politische Ausschlachten zu sprechen komme, möchte ich einen kurzen Blick in die Seelenlage von niedersächsischen Familien in der Landwirtschaft und vielleicht auch des einen oder anderen geben, der in diesem Jahr zu den Erntedankfesten gehen und folgenden Choral anstimmen wird:

„Wir pflügen und wir streuen den Samen auf das Land, doch Wachstum und Gedeihen steht in des Himmels Hand: der tut mit leisem Wehen sich mild und heimlich auf und träuft, wenn heim wir gehen, Wuchs und Gedeihen drauf.“

Diese Weise von 1783 - die im Übrigen im Jahr 1800 erstmals hier im Raum Hannover in einer Liedersammlung für Volksschulen veröffentlicht wurde -, gibt einen deutlichen Hinweis darauf, dass diejenigen Landwirtsfamilien, die im christlichen Glauben verwurzelt sind, und auch die, die Atheisten sind, sehr wohl wissen, dass die Ernte nicht selbstverständlich ist und dass man dem Gedanken, dass die Natur am letztlich entscheidenden Hebel sitzt, sehr große Ehrfurcht entgegenbringt.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Aber das ist ja keine Natur mehr! Das ist Kli- mawandel! - Gegenruf von Jörg Hill- mer [CDU]: Das wissen Sie doch gar nicht!)

Dann allerdings haben wir erlebt, dass politische Kräfte dieses Thema besetzt haben. Sie haben sich mit Ihrem Zwischenruf ja auch nicht umsonst gerade in diesem Moment gemeldet, verehrte Kollegin Staudte: Landwirte sind Opfer und Verursacher zugleich. - Das verfängt natürlich bei weiten Teilen unserer Bevölkerung. Das verfängt natürlich bei den 80 Millionen, die, wenn sie in den Supermarkt gehen, überhaupt nicht bemerken, dass es eine Dürre gibt. Denn weil wir eine reiche Volkswirtschaft sind und uns es leisten können, werden wir überall auf diesem Globus die Nahrungsmittel einkaufen, die uns hier vor Ort verlorengehen.

Spüren werden das nur die, die die Futtergrundlage brauchen: die Betriebe selbst.

Aber jetzt zurück zu Ihrem Vorwurf! Ich darf in diesem Zusammenhang Katrin Göring-Eckardt zitieren - Frau Kollegin Staudte hat sich heute in ähnlicher Weise eingelassen -: Landwirte seien Opfer und Verursacher zugleich, und Hilfe für die Landwirtschaft dürfe es nur geben, wenn endlich der ökologische Umbau der Landwirtschaft beginne.

Ich möchte Ihnen dazu ein paar Fakten geben. 2016 wurden in Niedersachsen 283 000 ha für die Bioenergieproduktion aufgewendet, davon 267 000 ha Ackerland und 16 000 ha Grünland. Wollen Sie mir erzählen, dass das kein Beitrag der Landwirtschaft zum Klimaschutz ist? Annähernd jeder neunte Hektar in Niedersachsen wird für Bioenergieproduktion aufgewendet. Das ist ein Verdienst der Landwirtschaft. Ein Landwirt ist nicht automatisch gleich Bioenergiewirt, weil er eine Biogasanlage baut, sondern er bleibt ein Landwirt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Landwirte haben im Übrigen nahezu geschlossen alle Onshoreflächen für den Windenergieausbau zur Verfügung gestellt, und sie haben selbst auf eigenes unternehmerisches Risiko in diese Technik investiert. Auch das ist ein Beitrag der Landwirtschaft zum Klimaschutz.

(Beifall bei der CDU)

Landwirte bauen in unseren Dörfern Nahwärmenetze auf Holzbasis, Holzhackschnitzelheizungen. Sie sind unternehmerisch unterwegs. Auch das ist ein Beitrag der Landwirtschaft zum Energiewandel. Landwirte sind in großen Teilen auch Waldbesitzer. Und wenn ich Waldbesitzer bin und über den Waldanbau einen Beitrag zum Klimaschutz leiste, bin ich dann deshalb kein Landwirt mehr? - Nein, Sie machen es sich in diesem Fall zu einfach.

Sie wollen auch die großen Tierhaltungsanlagen nach Möglichkeit verbieten. Schauen Sie sich doch einmal diese großen neuen modernen Tierhaltungsanlagen an! - Riesige Dächer. Auf nahezu allen dieser Dächer sind Photovoltaikanlagen. Auch das ist ein Beitrag zum Klimaschutz, Frau Kollegin. Ihr Karo greift viel zu kurz.

(Beifall bei der CDU)

Ich gehe jetzt noch auf einen weiteren Bereich ein - das kann ich Ihnen nicht ersparen -, auf den ökologischen Fingerabdruck. Der ökologische Fingerabdruck pro Liter Milch bei einer 10 000-Liter

Kuh ist ungleich besser als der ökologische Fingerabdruck pro Liter Milch bei einer 5 000-LiterKuh. Deshalb ist es auch ein Beitrag der Landwirtschaft zum Thema Klimaschutz, dass sie über Jahrzehnte Hochleistungstiere gezüchtet hat; denn diese sind - gemessen an dem Ausstoß von klimaschädlichen Gasen - ungleich produktiver als das, was Ihnen vorschwebt.

(Beifall bei der CDU und bei der AfD)

Jetzt kommen wir zu einem ganz entscheidenden Punkt, warum Sie mit Ihrem Karo - Klein-Klein - viel zu kurz greifen. Westeuropa ist nach wie vor - trotz aller heutigen Diskussionen über den Klimawandel - die Region auf der Welt mit den sichersten Erträgen. Wir haben in etwa 30 % Mindererträge. Aber im Vergleich zu den Extremen überall anders auf diesem Erdball haben wir hier einen relativ sicheren Produktionsstandort. Die FAO schätzt, dass sich die Lebensmittelproduktion weltweit bis 2050 um 70 % erhöhen muss, damit wir auf diesem Globus die Bevölkerung ernähren können. Wir können es uns überhaupt nicht erlauben, ideologisch basierte Änderungen der Landwirtschaft, die einzig und allein dem Zweck dienen, weniger zu produzieren, hier in Westeuropa auf den Weg zu bringen. Das wäre eventuell - nach Ihrer Vorstellung - ein Beitrag zum Klimaschutz. Was aber unsere ethische Verantwortung für die Ernährung der Bevölkerung angeht, liefen wir hiermit vollkommen in die falsche Richtung.

(Beifall bei der CDU)

Ich komme zum Schluss und auf das eigentliche Thema zurück, das von mir mit „differenzierter Blick“ betitelt wird. Ja, es ist richtig: Wir müssen differenziert hinschauen. Ja, es ist richtig: Wir müssen die Betriebe, die in existenzielle Not geraten sind, durch öffentliche Gelder unterstützen. Aber eines ist auch klar: Viele Landwirte waren unzufrieden mit der Aussage von Rukwied; denn diese Landwirte fühlen sich als Unternehmer. Sie wollen sich dem Wettbewerb und dem Markt stellen, und sie wollen nicht staatlicher Bittsteller sein. Deshalb haben wir die Situation, dass wir einer kleinen überschaubaren Gruppe von Landwirten - weil sie in existenzieller Not sind - hier unter die Arme greifen müssen. Aber eine Förderung mit Gießkanne, wer auch immer das fordern mag, ist absolut fehl am Platze.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Dammann-Tamke. - Zu einer Kurzintervention auf Ihren Beitrag hat sich die Kollegin Staudte gemeldet. Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident. - Da Herr DammannTamke mich nun mehrmals angesprochen hat, möchte ich selbstverständlich auf das Gesagte eingehen.

Sie haben ja selbst gesagt: Wir müssen differenziert schauen. Natürlich ist es richtig, dass sehr viele Landwirte als Energiewirte große Investitionen getätigt und Flächen bereitgestellt haben, und das begrüßen wir. Ich frage Sie aber einmal: Was sagen denn die Landwirte eigentlich zur letzten Novelle des EEG von CDU und SPD? Ich glaube, sie waren nicht so sehr begeistert. Insofern spiele ich den Ball einmal zurück: Wenn Sie weiterhin wollen, dass die Landwirtschaft in diesem Bereich viel zum Klimaschutz beitragen kann, dann setzen Sie sich für eine Novelle des EEG ein!

Was Sie nicht angesprochen haben, sind die Methanemissionen, die Lachgasemissionen durch Überdüngung, Stickstoff usw. Das regt die Lachgasproduktion an, und Lachgas ist sehr viel - ich glaube über 200-fach - schädlicher als CO2. Es bleibt auch sehr lange in der Atmosphäre aktiv.

(Glocke des Präsidenten)

Diesen Problemen, die durch die Tierhaltung mit verursacht werden, muss sich auch die Landwirtschaft stellen. Das ist nicht nur ein Vorwurf an die Landwirtschaft, das ist ein Appell an uns alle, und ich würde dazu auch gerne noch einmal etwas von Frau Otte-Kinast hören, die ja auch einmal gesagt hat, wir sollten alle weniger Fleisch essen.

(Glocke des Präsidenten)

Das kann doch in so einem Zusammenhang auch einmal angesprochen werden. Und ja, es ist natürlich richtig - - -

Frau Kollegin! Hier bin ich nicht so geduldig. „1:30 Minuten“ ist angesagt, da sind Sie jetzt 6 Sekunden drüber.

Okay. Wir haben das Thema ja noch ein paarmal auf der Tagesordnung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herzlichen Dank. - Herr Kollege Dammann-Tamke möchte antworten. Bitte schön!

(Christian Meyer [GRÜNE]: Dann sa- gen Sie auch mal was zu: „Nur einmal die Woche Fleisch essen“!)

Vielen Dank. - Frau Kollegin Staudte, ich will meine kurze und wertvolle Redezeit nicht dafür aufbringen, um das alles, was Sie hier gerade dargelegt haben, auseinanderzupulen.

Eines ist doch Fakt, Frau Kollegin Staudte: Unsere Gesellschaft, d. h. jeder unserer 80 Millionen Bundesbürger, leistet hoffentlich ihren Beitrag zum Klimaschutz. Was Sie wollen, ist eine staatlich organisierte Landwirtschaft nach Ihren politischen Vorstellungen, das Angebot dahin verändern, dass die 80 Millionen Bundesbürger, die mit ihrem Konsumverhalten jeden Tag darüber entscheiden, wie bei uns Nahrungsmittel produziert werden, über die Hintertür der Veränderung des Angebots dahin gebracht werden, dass auch sie über ihre Konsumentscheidung ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten.

(Glocke des Präsidenten)

Das mag ja in der Theorie vielleicht sogar funktionieren. Aber solange wir offene Weltmärkte haben, werden mindestens ein paar Millionen von diesen 80 Millionen Bundesbürgern weiter das argentinische Steak essen, weil sie es können, weil sie es hier günstig einkaufen, und unsere Landwirte sind dann raus aus der Nummer. Das ist der Fehler, den Sie in diesem Zusammenhang machen.

(Beifall bei der CDU und bei der AfD - Christian Meyer [GRÜNE]: Ihre Regie- rung fordert doch, weniger Fleisch zu essen! - Miriam Staudte [GRÜNE]: Sie sollten lieber einmal etwas zur Me- thanemission sagen!)

Vielen Dank, Herr Kollege Dammann-Tamke. - Herr Kollege Meyer und andere: Sie reden dauernd vom Essen. Ich mache darauf aufmerksam, dass das noch ein bisschen dauert.

(Heiterkeit)

Wir haben nämlich noch Tagesordnungspunkt 5 - die PGFs wollten das nicht absetzen -, und dann haben wir auch noch eine Wahl vor uns. Wenn es

jetzt etwas disziplinierter läuft, können Sie dann umso früher die Entscheidung treffen, ob Sie Fleisch essen wollen oder nicht.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 5: Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Gesetzes über Ladenöffnungs- und Verkaufszeiten - Gesetzentwurf der Fraktion der FDP - Drs. 18/1383 neu

Zur Einbringung hat sich für die FDP-Fraktion der Kollege Bode gemeldet. Bitte schön!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Ladenöffnung, insbesondere die Frage von Sonntagsöffnungszeiten, beschäftigt das Plenum und die Öffentlichkeit seit Jahren. Das liegt daran, dass nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts das bestehende Ladenöffnungszeitengesetz in Niedersachsen nicht ausreichend definiert, wann Geschäfte an den vier Sonntagen, an denen zusätzlich geöffnet werden kann, tatsächlich rechtlich korrekt nach den Vorgaben des Verfassungsgerichtes öffnen dürfen.

Das führt zu der skurrilen Situation - weil der Landtag und die Landesregierung in Niedersachsen bisher keine Konkretisierungen im Gesetz vorgenommen haben -, dass Gemeinden eine Sonntagsöffnung beschließen, dass dort Vorbereitungen sowohl bei den Einzelhändlern als auch für Veranstaltungen in der Stadt getroffen werden und am Ende manchmal am Freitag vor der Öffnung Verwaltungsgerichte entscheiden müssen, ob Sonntagsöffnung stattfindet oder nicht, mit all den vorgelagerten Kosten für Anstrengungen und Unsicherheiten bei den Händlern, den Besuchern und auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, von denen fast alle - wahrscheinlich sogar wirklich alle - sich freiwillig gemeldet haben, weil sie sich nämlich über die Zulagen freuen, die sie bei einem Einsatz am Sonntag bekommen.

Die CDU hat deshalb dieses Thema bereits am 17. Mai 2017 hier im Landtag thematisiert. Der Abgeordnete Jasper sagte damals, dass diese Rechtsunsicherheit immer noch gestiegen ist, und warf der damaligen Landesregierung vor, dass sie trotzdem immer noch nicht gehandelt hat. Er nannte dies eine Zumutung und erklärte, die CDU habe

bereits seit 2016 einen neuen Entwurf angemahnt. - Die CDU hatte vollkommen recht, meine sehr geehrten Damen und Herren.