Protocol of the Session on May 18, 2018

Obdachlosigkeit ist u. a. eine Folge schwieriger Familienstrukturen, von Brüchen in der Erwerbsbiografie, angespannter Wohnungsmärkte, von Schulden, Krankheit oder gesundheitlicher Beeinträchtigung. Sie zeigt sich vielfach besonders in den großen Städten unseres Landes.

Damit Menschen den Weg zurück in unsere Gesellschaft finden, benötigen sie häufig nicht nur Hilfe bei der Suche nach Wohnraum. Vor allem brauchen sie in besonderer Weise sozialpädagogische Unterstützung. Denn neben einem festen Dach über dem Kopf ist besonders wichtig, dass diese Menschen wieder Arbeit finden. Arbeit strukturiert das Leben, schafft Identität und ist Voraussetzung für soziale und gesellschaftliche Anerkennung.

Wir benötigen gerade für die Menschen, die noch nicht in der Lage sind, Maßnahmen nach dem SGB II anzunehmen und durchzuhalten, ein niederschwelliges Angebot. Da finde ich es, ehrlich gesagt, Herr Bothe, schon ein bisschen schwierig, wenn man hier immer die Floskel von sich lässt, das habe alles keine Substanz. Sie haben viel geredet, Sie haben viele Probleme beschrieben. Aber Sie haben keinen einzigen Vorschlag gemacht, der diesen Menschen auf dem Weg in Arbeit und Wohnung helfen würde. Das fehlte bei Ihnen.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist von den Kolleginnen und Kollegen bereits angesprochen worden: Es gibt natürlich auch viele Gruppen, die ein spezielles Angebot benötigen. Nennen möchte ich in diesem Zusammenhang die wohnungslosen Frauen, denen wir ebenfalls ein niederschwelliges Angebot machen müssen. Zu nennen sind hier aber auch - das ist ebenfalls eine relativ große Gruppe - die EU-Ausländer, gerade auch aus Osteuropa, die sich hier nicht in den Arbeitsmarkt integrieren konnten und auf der Straße gelandet sind. Wir sollten prüfen, ob wir es nicht in Zusammenarbeit mit deutschen Unternehmen hinbekommen können, diesen Personenkreis wieder ins Berufsleben in ihrer Heimat zu integrieren und ihm dort eine berufliche Perspektive zu geben.

Besonders wichtig sind uns aber auch innovative Projekte wie Hygienecenter und Krankenwohnungen, in denen Obdachlose die Chance haben, sich auszukurieren und neu zu starten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, unser Antrag gibt Menschen, die am Rande unserer Gesellschaft stehen, die Chance, in unsere Gesellschaft integriert zu werden. Darüber sollten wir in den nächsten Monaten gemeinsam diskutieren, um dann auch gemeinsam dieses Ziel zu erreichen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD sowie Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Danke schön, Herr Kollege Meyer. - Für die Landesregierung hat nun Frau Ministerin Dr. Reimann das Wort. Bitte schön, Frau Ministerin!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Abgeordnete! Ich bin sehr froh über den vorliegenden Entschließungsantrag, da mir die Problematik der Wohnungslosigkeit und alle damit verbundenen Schwierigkeiten, die hier schon angeklungen sind, besonders wichtig sind.

Wohnungslosigkeit ist eine besonders prekäre Form von Armut und sozialer Ausgrenzung. Die Situation am Wohnungsmarkt hat sich in den letzten Jahren verschärft. Das gilt besonders für Menschen mit geringem Einkommen und für Menschen mit Schulden. Immer mehr Menschen laufen dadurch Gefahr, ihre Wohnung zu verlieren.

Nicht selten kommen vielfältige weitere Probleme hinzu, sodass die Leute beim Verlust der Wohnung auch ihre soziale Verankerung verlieren und besondere Hilfen zur Überwindung ihrer sozialen Schwierigkeiten benötigen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will diese Rede auch nutzen, um den Blick besonders auf eine Zielgruppe zu richten, nämlich die der Frauen. Denn die stehen selten im Fokus, wenn wir über Wohnungslosigkeit sprechen, und sie sind nicht so sichtbar. Dabei liegt ihr geschätzter Anteil bei etwa einem Viertel.

Wohnungslose Frauen liegen häufig nicht öffentlich sichtbar auf der Straße, sondern ohne eigene mietrechtliche Absicherung bei Bekannten und sind auf deren Wohlwollen angewiesen. Sie befinden sich so in einem besonderen Abhängigkeitsverhältnis mit einem hohen Risiko von sexueller Ausbeutung und auch Gewalt.

Ich habe mich daher entschlossen, auf der Gleichstellungs- und Frauenministerkonferenz einen Antrag zu stellen, der wohnungslose Frauen stärker als bisher in den Blick nimmt.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Es ist schon gesagt worden: Mit dem Nachtragshaushalt 2018 wurde bereits 1 Million Euro für die Unterstützung Wohnungsloser bereitgestellt. Wir werden diese Mittel nutzen, um Krankenwohnungen und Hygienecenter zu fördern. Bisher ist die Einrichtung von Krankenwohnungen dem Engagement einzelner Verbände - wie dem Diakonischen Werk hier in Hannover oder dem Caritasverband in Osnabrück - zu verdanken. Wir möchten weitere Träger dabei unterstützen, entsprechende Angebote zu schaffen, und wir wollen helfen, die Obdachlosenunterkünfte zu verbessern und, wenn notwendig, zu sanieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Land als überörtlicher Träger der Sozialhilfe gibt bereits heute rund 35 Millionen Euro für Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten aus. Wir finanzieren damit ambulante und stationäre Einrichtungen in ganz Niedersachsen. Auch die Kommunen leisten mit rund 6 Millionen Euro ihren Beitrag zu den ambulanten Hilfen in diesem Bereich.

Diese Angebote werden insbesondere von wohnungslosen Menschen mit weiteren - zumeist komplexen - Schwierigkeiten genutzt. Dabei ist wichtig, dass diese Einrichtungen nicht die Endstation eines langen Leidensweges sind, sondern vielmehr Ausgangspunkt eines Weges meist kleiner Schritte zu einem selbstbestimmten und selbstständigen Leben.

Es bedarf fachlicher Weiterentwicklung und der Erprobung neuer Handlungsansätze, um bisherige Hilfeformen noch zu verbessern. Im Entschließungsantrag ist z. B. ein Teil genannt: die Eingliederung in Arbeit und in Maßnahmen nach dem SGB II.

Ich bin mir sicher, dass wir auf diesem Weg wichtige neue Erkenntnisse über eine angemessene Ausgestaltung - die sicher sehr individuell sein muss - der Hilfen für diesen Personenkreis erhalten werden, und ich freue mich auf eine konstruktive Beratung im Ausschuss sowie die gemeinsame Arbeit an diesem wichtigen Thema.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung von Sylvia Bruns [FDP])

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Federführend soll der Ausschuss für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung sein, mitberatend der Ausschuss für Haushalt und Finanzen. Wer möchte dem folgen? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen.

Meine Damen und Herren, wir kommen zum

Tagesordnungspunkt 32: Erste Beratung: Von Gewalt betroffene Frauen nicht vor verschlossener Tür stehen lassen - Frauenhäuser stärken, Rechtsanspruch schaffen - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/829

Zur Einbringung hat sich die Kollegin Byl gemeldet. Sie haben das Wort. Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Häusliche Gewalt - die Leidensgeschichten lassen einen teilweise sprachlos zurück. Doch auch in Deutschland und Niedersachsen müssen viel zu viele Frauen diese Erfahrungen erleiden, sei es durch den eigenen Partner oder enge Vertraute.

In den letzten Wochen und Monaten gab es, ausgehend von einer Recherche des NDR, in Niedersachsen einiges an Berichterstattung zum Thema Frauenhäuser. Auch wenn das Thema „Gewalt gegen Frauen und Platzmangel in Frauenhäusern“ ein sehr trauriges ist, habe ich mich doch gefreut, dass das Thema öffentliche Aufmerksamkeit erhalten hat. Denn das tut es normalerweise allzu selten.

Gewalt gegen Frauen ist etwas, worüber man nicht gerne spricht. Viel zu oft wird es außerdem als Randphänomen abgetan. Denn - so der Gedanke - in unserer modernen Gesellschaft haben Frauen ja nichts mehr zu befürchten. Was es nicht geben darf, das gibt es nicht. So einfach ist das.

Doch diese Annahme ist leider mehr als falsch: Gewalt an Frauen findet statt, und zwar in allen Bildungsschichten und Milieus. Das Perfide: Nicht an der dunklen Straßenecke oder im einsamen Park ist es für Frauen am gefährlichsten - so wie man ja gemeinhin schnell annehmen möchte -, sondern im eigenen Zuhause und im eigenen engen sozialen Umfeld. Täter sind Partner, Familienmitglieder, Freunde, Trainer und Betreuer.

Der Vollständigkeit halber: Ich spreche hier nur von Frauen. Das liegt daran, dass es klare geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Betroffenheit von Gewalt gibt. Die überwiegende Mehrzahl der häuslichen Gewalt richtet sich gegen Frauen und geht von Männern aus.

Dafür gibt es Gründe. Es gibt leider einen ziemlich soliden Nährboden in unserer Gesellschaft für Gewalt gegen Frauen - seit langer Zeit und auch heute noch. Etwas dagegen zu tun, heißt sich einzusetzen: gegen Frauenfeindlichkeit, gegen Sexismus und - ja - auch gegen gefährliche Geschlechterstereotypen!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Gewalt gegen Frauen hängt mit zu traditionellen Rollenbildern zusammen. Wir alle sollten uns dazu verpflichtet fühlen, dafür Sorge zu tragen, dass Frauen, die teilweise nach jahrelanger Demütigung und Gewalt den Mut fassen, sich Hilfe zu suchen, auch die Hilfe finden, die sie brauchen.

Und so komme ich zu unserem grünen Antrag. Ich denke, wir fragen uns alle: Wie kann es sein, dass es Frauen gibt, die von Gewalt betroffen oder bedroht sind und trotzdem vor verschlossener Türe stehen, die keine passende Hilfe erhalten können, weil die Schutzeinrichtungen belegt oder unterfinanziert sind?

Das Ministerium hat uns Zahlen vorgelegt. Die Berichte aus den Frauenhäusern unterscheiden sich jedoch um einiges von den Zahlen aus dem Ministerium. Solchen Unterschieden sollte man doch schleunigst nachgehen! Daher fordern wir die Landesregierung auf, eine breite Analyse der realen Auslastung der Schutzeinrichtungen vorzunehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zum Thema Finanzierung: Die Frauenhäuser kämpfen schon lange für eine gesicherte Finanzierung. Klappen tut es offensichtlich genauso lange schon nicht. Genügend Plätze in Schutzeinrichtun

gen sind kein Nice-to-have, sondern absolut notwendig!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Daher fordern wir die Landesregierung auf, sich - wie von Ministerin Reimann auch schon im Sozialausschuss überlegt - auf der Bundesebene für einen Rechtsanspruch für von Gewalt betroffene Frauen auf Unterbringung in einer Schutzeinrichtung einzusetzen. Das hätte eine wichtige Signalwirkung. Damit die Finanzierung zwischen Kommunen, Land und Bund endlich klar geklärt und gesichert wird und damit keine von Gewalt bedrohte Frau mit ihren Kindern ohne Hilfe auf der Straße stehen bleiben muss!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Und dabei ist ganz wichtig: Wir meinen damit jede Frau. Solch ein Rechtsanspruch auf Hilfe in einer Schutzeinrichtung muss dann auch für jede betroffene Frau gelten, unbürokratisch und unabhängig von Einkommen, Aufenthaltsstatus, Alter der Kinder oder anderen Faktoren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bei der Finanzierung geht es aber natürlich nicht nur darum, den Frauen und Kindern ein Dach über dem Kopf zu bieten. Die Frauen und Kinder, die in einem Frauenhaus Zuflucht finden, kommen aus sehr unterschiedlichen Situationen und bringen dadurch auch sehr unterschiedliche Bedürfnisse mit. Die Frauenhäuser müssen dementsprechend auch so ausgestattet werden, dass eine angemessene psychosoziale Hilfe überhaupt möglich wird. Die Frauen müssen außerdem die Chance haben, möglichst schnell wieder auf eigenen Beinen zu stehen und eine eigene Wohnung zu finden. Daran scheitert es durch den angespannten Wohnungsmarkt aktuell viel zu oft, wodurch die Frauen länger als eigentlich nötig in den Frauenhäusern verbleiben. Das heißt also auch hier wieder: Wir brauchen mehr bezahlbare Wohnungen!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, es ist gut und richtig, dass unter der rotgrünen Landesregierung massiv in die Schutzeinrichtungen investiert wurde. Ich freue mich auch über das, was ich gerade von der Ministerin gehört habe, nämlich dass sie das Thema Wohnungslosigkeit und Frauen bearbeitet. Das ist gut. Auch Investitionen in die Barrierefreiheit der Frauenhäuser, wie sie die neue Landesregierung nun plant, sind wichtig; denn Frauen und Mädchen mit Be