Protocol of the Session on April 18, 2018

waren in dieser Zeit in Regierungsverantwortung. Niemand von Ihnen hat es in den letzten zehn Jahren für nötig gehalten, sich um dieses Thema zu kümmern. Markige Reden zum Agrarland Nummer eins, zur Wichtigkeit des Wirtschaftszweiges Landwirtschaft hat es genug gegeben. Dass Sie in Ihrem Nichthandeln nunmehr die Existenz von ca. 10 000 Sauenhaltern in Niedersachsen gefährden, wollen Sie damit heilen, dass Sie sich für ein späteres Inkrafttreten dieses Gesetzes einsetzen. - Wie viel später hätten Sie es denn gern? 2028 vielleicht? Wie vielen Ferkeln wollen Sie mangels erprobter und zugelassener Alternativen noch die außerordentlich schmerzhafte Prozedur der betäubungslosen Kastration zumuten? Wir reden hier über 20 Millionen Tiere pro Jahr.

Die drei zur Diskussion stehenden Möglichkeiten - Jungebermast, Vollnarkose und Impfung - haben sich bereits jetzt als schwer praktikabel und problembehaftet gezeigt. Der mögliche vierte Weg einer Kastration unter örtlicher Betäubung soll jetzt - jetzt! - erforscht werden. Diesen vierten Weg hat Norwegen 2003 eingeführt, Schweden in 2016 und Dänemark in 2018. Und Sie beantragen 2018, sich beim Bund für eine intensive Forschung und Entwicklung des vierten Weges einzusetzen.

Ich hoffe, die niedersächsischen Sauenhalter werden dieses Engagement zu schätzen wissen - umso mehr, falls Ihnen das Verschieben des Inkrafttretens dieses Gesetzes nicht gelingt. Profitieren werden in erster Linie die dänischen Schweinezüchter, die dann ihre auf dem vierten Weg kastrierten Ferkel nach Deutschland liefern werden. Diese werden Ihnen danken, Sie aber leider nicht wählen.

Besonders erwähnenswert ist hier auch der Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Dieser beinhaltet so sinnvolle Anmerkungen, wie sich beim Bund dafür einzusetzen, die Inhalationsnarkose zuzulassen - wohlwissend, dass das Narkosemittel für diese Verwendung in Deutschland gar nicht zugelassen ist -,

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Deswegen ja!)

Vorreiter im Tierschutz zu bleiben, nachdem Sie sich bei der letzten Sitzung im Ausschuss gegen ein generelles Verbot des betäubungslosen Schächtens ausgesprochen haben, eine örtliche Betäubung als Alternative zu verwerfen, die in Skandinavien zum Teil bereits seit 15 Jahren - und im Übrigen auch in jeder deutschen Zahnarztpraxis täglich - praktiziert wird und sich stattdessen mit den Methoden auseinanderzusetzen, die bereits

jetzt massive Zweifel an der Praktikabilität aufkommen lassen.

(Beifall bei der AfD)

Die AfD-Fraktion stimmt dem Antrag der CDUFraktion und der SPD-Fraktion zu - nicht, weil wir ihn in einem zeitlichen oder inhaltlichen Kontext für angemessen halten, sondern weil überhaupt irgendetwas in diesem Themenbereich unternommen werden muss.

Dem Änderungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen stimmen wir nicht zu.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Guth. - Es folgt jetzt für die CDU-Fraktion die Abgeordnete Anette Meyer zu Strohen. Bitte sehr, ich erteile Ihnen das Wort!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wie Sie alle wissen, ist mit der Änderung des Tierschutzgesetzes ab dem 1. Januar 2019 vorgesehen, dass in Deutschland kein männliches Ferkel mehr ohne Betäubung und Schmerzausschaltung kastriert werden darf. Trotz einer Übergangsfrist - das wurde schon beschrieben - konnte bei diesem Problem bis heute kein Königsweg gefunden werden.

Aus unserer Sicht ist die Kastration männlicher Ferkel notwendig, um die Vermarktung sicherzustellen. Durch einen Verzicht auf die Kastration würden unsere Ferkelerzeuger massiv an Wettbewerbsfähigkeit verlieren und auf ein Desaster zusteuern.

Bislang gibt es in Deutschland drei Alternativen. Sie wurden vorhin schon kurz beschrieben: die Jungebermast, die Impfung gegen Ebergeruch sowie die Kastration unter Narkose, mittels Inhalations- oder Injektionsnarkose. Einige unserer europäischen Nachbarn arbeiten inzwischen mit dem vierten Weg: Dänemark, Schweden und Norwegen. Dadurch, meine Damen und Herren, sind unsere niedersächsischen und deutschen Ferkelerzeuger also schon heute benachteiligt.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich komme zur Jungebermast. Die Ebermast stellt die Landwirte sowohl in der Fütterung als auch in der Haltung vor große Herausforderungen. Eber

sind nun einmal lebhafter, tragen Rangkämpfe aus, verletzen sich, und das kann im Sinne des Tierschutzes kein Gewinn sein. Das müssten auch die Grünen wissen.

Das noch größere Problem ist allerdings die Vermarktung. Die Qualität des Fleisches, die Geruchsabweichungen beim Fleisch, führen dazu, dass Schlachtunternehmen nicht unbegrenzt Jungeber vermarkten können. Die Ebermast wird hier bei uns eine Nischenlösung bleiben und ist keine Alternative.

Kommen wir zur Impfung: Bei dieser Methode werden die Tiere zweimal - sogar bis zu dreimal - mit dem Impfstoff Improvac geimpft. Es bilden sich Antikörper, und die Bildung von Geschlechtshormonen wird gehemmt. Auch diese Methode ist kritisch zu sehen. Sie bedeutet einen immensen Arbeits- und Kostenaufwand. Auch unter dem Aspekt des Arbeitsschutzes ist sie kein Favorit. Denn die Tierhalter können sich dabei auch selbst Schaden zufügen. Weiter stellt sich die Frage - und diese Frage ist zentral -: Akzeptieren die Verbraucher diesen Eingriff in den Hormonhaushalt, und verstehen sie, dass es sich um eine Impfung und nicht um eine Hormonbehandlung handelt?

Die dritte Alternative hat zwei Methoden. Bei beiden werden die Ferkel unter Vollnarkose gelegt. Die Inhalationsmethode mit dem Wirkstoff Isofluran - das wurde vorhin bereits gesagt - wird ja noch erprobt, bei Neuland und bei einigen anderen Betrieben. Der Wirkstoff ist nur unter ganz engen Voraussetzungen einsetzbar und mit hohen Kosten verbunden.

Die Injektionsmethode hat das Problem der Nachschlafphase. Die Ferkel kühlen aus und können erdrückt werden. Die Todesrate ist hier eindeutig zu hoch, und das ist auch nicht praktikabel.

Ich stelle also fest: Alle Alternativen, die wir haben, sind nicht praktikabel und haben große Probleme.

Der vierte Weg ist die Kastration unter örtlicher Betäubung, der Lokalanästhesie. Hier werden die Ferkel mit dem Wirkstoff Lidocain in den Hodensack betäubt. Man kann auch noch ein Schmerzmittel gegen den Wundschmerz geben. Der Vorteil ist eindeutig: Es fehlt die Nachschlafphase, und es ist ein geringer apparativer Aufwand.

Wir wünschen uns von der Bundesregierung, unseren Ferkelerzeugern den vierten Weg freizumachen und folgende Maßnahmen zu ergreifen:

(Christian Meyer [GRÜNE]: Wie lange regiert die CDU eigentlich schon im Bund?)

Der Wirkstoff Lidocain muss auch für die Ferkelkastration freigegeben werden. Es müssen die rechtlichen Bedingungen dafür geschaffen werden, dass die Ferkelerzeuger die Lokalanästhesie selbst durchführen können. - Voraussetzung muss natürlich eine entsprechende Schulung sein.

Herr Meyer, Sie waren doch mit den Grünen mit einem riesigen Tross in Schweden. Dort wird das doch schon praktiziert schon. Das fanden Sie doch so klasse.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Nee, ich war in Norwegen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der vierte Weg ist tierschutzkonform, praktikabel und kostengünstig. Dänemark, Schweden und Norwegen haben das erkannt. Und wenn wir jetzt nicht handeln, verlieren unsere Ferkelerzeuger weiter an Wettbewerbsfähigkeit. Wir haben in den letzten fünf Jahren schon einen massiven Strukturbruch in der Sauenhaltung erlebt. Mehr als 40 % haben ihre Höfe schon aufgegeben. Wir wollen, dass nicht noch mehr Sauenhalter in Niedersachsen, in Deutschland aufgeben.

Wenn wir unseren Ferkelerzeugern keine praktikable, kostengünstige Alternative zur betäubungslosen Kastration bieten, befeuern wir nicht nur den Strukturwandel, wir führen auch den Gedanken der regionalen Herkunft ad absurdum. Die bäuerlichen Familienbetriebe - und das müsste ja auch den Grünen eigentlich nur entgegenkommen - ziehen sich aus der Ferkelproduktion zurück. Das ist ausgerechnet der Produktionszweig, der in der Vergangenheit kleinen, flächenarmen Betrieben bzw. Familien in der Landwirtschaft eine Perspektive gegeben hat.

Meine Damen und Herren, Ferkel wird es genug geben. Die kommen dann eben nicht mehr aus Niedersachsen bzw. aus Deutschland, die kommen dann von weiß Gott woher. Man sieht das jetzt schon anhand der Einfuhrzahlen aus Dänemark. Es muss schnellstens eine Lösung gefunden werden, um den deutschen und niedersächsischen Ferkelerzeugern den Ausstieg aus der betäubungslosen Katastration zu erleichtern und ihnen Planungssicherheit zu geben.

Ich komme zum Antrag der Grünen. Sie fordern die intensive Forschung. - Das hätten Sie ja längst machen können. Das kommt jetzt zu spät.

(Beifall bei der CDU und bei der AfD)

Sie wissen, wir brauchen kurzfristig effektive Methoden zur Ferkelkastration. Ansonsten - und das wissen auch Sie - treiben wir unsere niedersächsischen Landwirte durch die geänderten rechtlichen Rahmenbedingungen in die Illegalität. - Ich möchte mal die Anzeigen sehen, die es dann nächstes Jahr hagelt. Sie halten an der zweifelhaften Impfmethode fest sowie an der aus Tierschutzsicht bedenklichen Ebermast. Genau diese beiden Methoden sind sehr umstritten, und daher werden wir Ihren Antrag ablehnen.

(Beifall bei der CDU und bei der AfD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Meyer zu Strohen. - Auf Ihren Redebeitrag möchte Herr Abgeordneter Meyer kurz intervenieren. Anderthalb Minuten, bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich war nicht in Schweden, sondern in Norwegen, wo es übrigens keine Kastenstände gibt und alle Schweine einen Ringelschwanz haben. Das ist wirklich ein Vorbild in der Schweinehaltung.

Frau Meyer zu Strohen, ich wollte Sie nur noch einmal daran erinnern, wann dieses Gesetz im Bund beschlossen wurde. Nach meiner Kenntnis stellt die Union seit über zehn Jahren den Bundeslandwirtschaftsminister. Es wurde am 13. Dezember 2012 beschlossen, unter einer CDU/FDPBundesregierung. Es wurde am 1. Februar 2013 im Bundesrat beschlossen. Damals war auch noch Schwarz-Gelb dran.

Ich fand es sehr spannend: Der damalige Landwirtschaftsminister, Herr Lindemann, hat dem Beschluss zugestimmt, hat dann in einer Pressemitteilung aber kritisiert, dass der Zeitraum zu lang sei. Nach dem niedersächsischen Tierschutzplan, der jetzt ja beerdigt wird, hätte man schon 2015 aussteigen müssen. Jetzt werde es endlich Zeit, zu handeln. Es bedürfe keiner Folgenabschätzung, sondern man müsse das jetzt machen. - Sie, meine Damen und Herren, haben im Bund viele, viele Jahre geschlafen. Jetzt versprechen Sie den

Landwirten etwas Neues, einen vierten Weg, der rechtlich nicht geht, den die Bundesregierung ablehnt.

Sie sollten lieber dafür eintreten, dass die drei Wege, die machbar sind und erklärt worden sind, nicht ständig mit Bedenken belegt werden. Stattdessen muss eine tierschutzkonforme Lösung umgesetzt werden, mit der das Leid der Ferkel beendet ist. Es darf jetzt kein Rückschritt gemacht werden mit immer neuen Erwägungen. Das Gesetz wird zum 1. Januar 2019 greifen. Dann wird es verboten sein, betäubungslos zu kastrieren. Sie sorgen jetzt dafür, dass die Sauenhalter etwas erhoffen, was in Deutschland aus bestimmten Gründen nicht zugelassen werden darf, sodass dann doch unter Schmerzen kastriert wird. Das aber wollen wir nicht. Das ist jedoch Ihre Position, die wieder zeigt, dass Sie ganz weit sogar hinter Herrn Lindemann zurückfallen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Frau Meyer zu Strohen möchte erwidern. Bitte sehr!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Meyer, Sie brauchen die Schuld gar nicht auf die Bundesregierung zu schieben. Sie haben hier in fünf oder viereinhalb Jahren nichts vollbracht!

(Zustimmung bei der CDU)

Außerdem sage ich hier: Der Tierschutzplan wird nicht beerdigt. - Insofern ist das, was Sie hier gerade gesagt haben, völliger Unfug. Und: Sie haben die Alternativen gehört. Wir brauchen den vierten Weg - das ist der einzige gangbare Weg -, damit unsere Tierhalter Rechtssicherheit haben. Sie wissen, dass Isofluran gar nicht zugelassen ist. Sie wissen, dass unsere Schlachtunternehmen die Eber gar nicht abnehmen. Das alles wissen Sie. Wir brauchen den vierten Weg schon allein, um Rechtssicherheit zu bekommen.

(Zustimmung bei der CDU)