Protocol of the Session on June 8, 2016

Diesem Ziel dient der vorgelegte Antrag von RotGrün zur Stärkung der Patientensicherheit und des Patientenschutzes, zunächst durch Änderungen sowohl im Niedersächsischen Krankenhausgesetz als auch im Niedersächsischen Bestattungsgesetz.

Zwei wesentliche Änderungen sind bereits im vergangenen Jahr umgesetzt worden; sie sind hier eben schon erwähnt worden.

Erstens ist die am 1. Januar 2016 in Kraft getretene Regelung zu nennen, in allen Krankenhäusern verpflichtend Patientenfürsprecherinnen und -fürsprecher einzuführen. Ich finde es sehr erfreulich, dass immerhin drei Viertel aller Kliniken in Niedersachsen dies bereits vollzogen haben.

Zweitens ist die Schaffung eines Landespatientenschutzbeauftragten zu nennen. Damit betritt Niedersachsen Neuland und ist nach NordrheinWestfalen erst das zweite deutsche Flächenland, das eine unabhängige Anlaufstelle gleichermaßen

für Patientinnen und Patienten, für Institutionen und auch für Patientenfürsprecherinnen und -fürsprecher in den Kliniken schafft.

Mit dem vorliegenden Antrag fordern wir nun zu weiteren Änderungen im Niedersächsischen Krankenhausgesetz auf. Wir wollen die verpflichtende Einstellung von Stationsapothekerinnen und -apothekern in allen niedersächsischen Krankenhäusern vorsehen. Ich weise darauf hin, dass es bei den noch knapp mehr als 190 Krankenhäusern in Niedersachsen nur noch 28 Krankenhausapotheken gibt. Alle anderen Häuser lassen sich extern beliefern. Dadurch erhöhen sich die Schwierigkeiten, Auffälligkeiten bei der Verwendung von Medikamenten frühzeitig zu entdecken. Stationsapotheker sollen deshalb beratend für das ärztliche Personal auf den Stationen tätig werden und die dort erfolgte Medikamentenabgabe im Sinne einer sachkundigen medizinischen und pharmakologischen Begleitung unterstützen. Sie werden so zu zentralen Schnittstellen der Arzneimittelbelieferung und den Abläufen auf einer Station. Krankenhäuser, die das Instrument bisher auf freiwilliger Basis eingerichtet haben, haben damit gute Erfahrungen gemacht.

Ferner sollen Krankenhäuser in Ergänzung eines Stationsapothekers verpflichtet werden, eine klinikinterne Arzneimittelkommission einzusetzen. Die Aufsicht über Apotheken hat in Niedersachsen die Apothekerkammer. Jedoch dort, wo es keine Krankenhausapotheken mehr gibt, endet ihre aufsichtsrechtliche Tätigkeit mit der Übergabe der Medikamente an der Krankenhaustür. Aufgabe einer klinikinternen Arzneimittelkommission ist es daher, den Bestand, die Ausgabe und die Verwendung von Arzneimitteln sowie vor allem die strikte Einhaltung der ärztlichen Verordnungen zu überwachen. Das Klinikum Oldenburg hat nach der Festnahme von Niels Högel von sich aus eine hauseigene Arzneimittelkommission mit gutem Erfolg eingerichtet.

Ferner wollen wir die Möglichkeit schaffen, modellhaft neue Organisations- und Personalstrukturen zu erproben. Wenn Krankenhauspersonal, insbesondere auf Intensivstationen, über Jahre hinweg hohen psychischen Belastungen ausgesetzt ist, benötigt es zumindest übergangsweise eine Entlastung. Ein Rotationssystem für Pflegekräfte könnte hierbei für Entlastung sorgen. Dies gibt es bisher in niedersächsischen Krankenhäusern nicht.

Das gilt gleichermaßen für das von uns vorgesehene Angebot, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

durch ihren Arbeitgeber, das Krankenhaus, regelmäßige begleitende Reflektionen über berufsbedingte Belastungen und Erfahrungen anzubieten, z. B. in Form von Supervision, und zwar für die Betroffenen freiwillig. Wir glauben, dass auf diese Art und Weise sehr früh der schleichende Verlust von Selbstkontrolle und Tendenzen zur Übermüdung erkannt werden können. Ich weise darauf hin, dass Täter vergangener Tötungsserien in Krankenhäusern zumeist am sogenannten Burnout-Syndrom erkrankt waren, was natürlich durch eine extreme Stressbelastung hervorgerufen worden war.

Meine Damen und Herren, im Gesundheitswesen herrscht ein erheblicher Verdrängungswettbewerb. Hier intern auf mögliches Fehlverhalten oder gar auf kriminelles Handeln hinzuweisen, kann für die Betroffenen zu argen Schwierigkeiten führen. Dies ist übrigens auch bei den durch uns zu untersuchenden Fällen der Fall gewesen. Insofern setzen wir auf anonyme Meldesysteme, die es bisher in Krankenhäusern nicht gibt. Auch CIRS ist übrigens kein anonymes Meldesystem. Wir brauchen dringend Möglichkeiten, damit sich Beschäftigte an eine neutrale Stelle wenden können, ohne dass Rückschlüsse auf ihre Identität gezogen werden können. Solche Möglichkeiten, die nicht zugleich als unkollegiales Denunzieren empfunden werden, können im Extremfall lebensrettend sein.

Neben diesen gravierenden Änderungen im Niedersächsischen Krankenhausgesetz gibt es noch einzelne kleine Änderungen. Wir schlagen vor, entsprechende Korrekturen im Niedersächsischen Bestattungsgesetz vorzunehmen. Zum Beispiel soll die Blutentnahme und -untersuchung künftig obligatorischer Teil einer Leichenschau werden. Im Fall Högel hätte das sehr schnell Aufschluss über bewusst herbeigeführte Tötungen gegeben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte mich auch an dieser Stelle bei allen Kolleginnen und Kollegen für die wirklich ausgesprochen kollegiale fraktionsübergreifende Zusammenarbeit im Sonderausschuss bedanken. Ich würde mir wünschen, wenn das bei den zu klärenden Folgerungen in unserer eigenen Zuständigkeit bei dem vorliegenden Antrag im Fachausschuss genauso konstruktiv durchgeführt wird.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schwarz. - Für die CDUFraktion hat nun Frau Kollegin Schwarz das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Schwarz, ich hatte es schon vorhin gesagt: Es sind viele gute Vorschläge. Über die Umsetzung werden wir uns wahrscheinlich streiten müssen.

Mit den Vorschlägen, die sich insbesondere auf die Änderung des Niedersächsischen Krankenhausgesetzes beziehen - mit Stationsapotheker, mit Rotationsprinzip, mit Supervision -, kann man sehr wohl einiges Wichtige in den Krankenhäusern auf den Weg bringen. Sie haben zusätzlich vorgeschlagen, ein obligatorisches Fehlermeldungssystem in Form von Whistleblowing einzuführen. Hierzu kann ich ergänzen: Dieses System wird derzeit am Klinikum Oldenburg aufgebaut. Vielleicht sollten wir uns in der Ausschussberatung der dabei gesammelten Erfahrungen in Form einer Unterrichtung bedienen, auch zu den Fragen, wie weit es gediehen ist, wie viel es kostet und welche Voraussetzungen dafür zu schaffen sind.

Auch das „Unit-Dose“-Verfahren bei der Medikamentenversorgung ist mit Sicherheit gut und richtig. Es hängt davon ab, wie groß das Krankenhaus ist. Das setzt auch voraus, dass ein Stationsapotheker zur Begleitung dabei ist. Wir müssen prüfen, inwieweit die fachlichen Ressourcen dabei gegeben sind. Nicht nur die fachlichen Ressourcen, sondern auch die Kosten werden eine Rolle spielen; denn auch das ist in der Anhörung im Sonderausschuss zur Stärkung der Patientensicherheit deutlich geworden: Hierfür wird man zusätzliches Geld brauchen.

Wenn man infolge der beabsichtigten Änderungen an den genannten Stellschrauben in den Krankenhäusern feststellen sollte, dass sie diese nicht in die Praxis umsetzen können, sondern Qualitätseinbußen vermelden müssen, wenn über diese Schiene also Krankenhausstandorte infrage gestellt werden, dann haben wir einem Flächenland wie Niedersachsen keinen guten Dienst erwiesen; denn gerade die Notfall- und die Akutversorgung spielen eine große Rolle, obwohl sie für die meisten Krankenhäuser wenig einträglich sind.

(Zustimmung bei der CDU)

Von daher haben die Krankenhäuser nicht die Ressourcen, um das finanzieren zu können, was Sie vorschlagen.

Meine Damen und Herren, hierbei spielen die Finanzmittel für den laufenden Betrieb in Anbetracht der Unterfinanzierung eine Rolle, die die Krankenhäuser jedes Mal zu vermelden haben. Das ist nicht neu; das weiß auch die Sozialministerin, die bereits im Juli 2014 zusammen mit dem Verbandsdirektor der Krankenhausgesellschaft festgestellt hat, dass die Krankenhäuser mehr Geld brauchen. Das ist durch die Pressemitteilung der Krankenhausgesellschaft in Niedersachsen vom März 2016 erneuert worden, in der es heißt: „Niedersächsische Krankenhäuser weiterhin in schwierigem Fahrwasser“. In dieser Pressemitteilung wird allerdings auch bestätigt, dass die Krankenhäuser ein großes Interesse daran haben, eine hohe Qualität bieten zu können. Damit sollten wir sie nicht allein stehen lassen und sagen: Ihr bekommt etwas aufgedrückt. Seht zu, wie ihr das bewerkstelligt! - Das muss man vielmehr finanziell unterfüttern.

Dies haben wir seitens der CDU bereits im Oktober 2015 mit unserem Antrag „Leistungsfähige, bürgernahe und humane Krankenhäuser in Trägervielfalt in Niedersachsen erhalten und fortentwickeln“ sowie mit unserem Antrag im März dieses Jahres „Niedersachsen muss jetzt in seine Krankenhäuser investieren!“ in die Wege geleitet.

(Zuruf von der CDU: Genau!)

Meine Damen und Herren, wenn Sie jetzt Ihren Antrag so zeitnah in die Beratung über den Bericht des Sonderausschusses mit einbringen, dann begründet das mit Sicherheit auch die Erwartung, dass Ihre Ministerin, Frau Ministerin Rundt, in den Entwurf für den Doppelhaushalt 2017/2018 hinreichende finanzielle Mittel einstellen wird, damit diese Maßnahmen umgesetzt werden können.

Ich freue mich auf konstruktive Beratung. Ich kann jetzt schon ankündigen: Wir hätten gern eine mündliche Anhörung, damit wir das hier im Dialog mit den Betroffenen klären können.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der FPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schwarz. - Für die FDP-Fraktion hat nun Frau Kollegin Bruns das Wort. Bitte!

(Unruhe)

- Ich darf Sie alle noch einmal um Ihre Aufmerksamkeit bitten. - Bitte, Frau Kollegin!

Vielen Dank. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich würde gern ein paar Fragen ergänzen. Zunächst möchte ich aber anmerken, dass der Antrag das ist, was man eigentlich haben möchte. Denn der Kollege Calderone hat gesagt: Wir möchten nicht einen Bericht des Sonderausschusses haben, der dann irgendwo in der Schublade liegt, sondern wir möchten damit tatsächlich ein aktives politisches Handeln bewirken. - Deshalb finde ich es richtig, sich mit einem Antrag zu beschäftigen.

Dennoch teile ich viele Fragen. Die werden sich sicherlich im Lauf der Diskussion ergeben, etwa zu den Stationsapothekern, weil sich tatsächlich im Antrag oftmals die Vorschläge des Sonderausschusses wiederfinden. Die Beschlussempfehlungen sind ein bisschen anders, sodass man tatsächlich in die Tiefe gehen sollte. Grundsätzlich finden sich alle Punkte darin wieder. Deswegen wäre es etwas seltsam, wenn ich jetzt sagen würde: Bestimmte Punkte kommen nicht hinein; denn der Bericht des Sonderausschusses ist ja einvernehmlich genehmigt worden. - Dennoch werden wir über den Punkt sprechen müssen, den die Kollegin Schwarz angesprochen hat, um einfach für uns eine Hausnummer zu haben und um festzustellen: Was kostet uns das? Was müssen wir einstellen? Was können wir erwarten? Wer bezahlt es?

Das sind Fragen, die wir im Ausschuss werden klären müssen. Dennoch bin ich eigentlich guter Hoffnung, dass wir es gut geregelt bekommen können. Ich würde mich der Forderung anschließen, eine mündliche Anhörung durchzuführen, um in bestimmten Fragen Klarheit zu haben, z. B. ob die Gremien der Ärzte- und Apothekerkammer, die bei den Stationsapotheken Modellprojekte entwickeln sollen, solche Modellprojekte bereits auf den Weg gebracht haben und wo man einhaken kann. Das ist, finde ich, interessant und auch wichtig für die Umsetzung.

Ich freue mich auf die Ausschussberatung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie Zustim- mung bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Bruns. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Herr Kollege Schremmer das Wort.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Um auf den vorigen Tagesordnungspunkt zurückzukommen: Herr Dr. Birkner hat darauf hingewiesen, dass es sich nicht um den einzigen Zusammenhang handelt. Ich will noch einmal aus der Broschüre des Ethikrates zitieren. Es gab im letzten Jahr eine Umfrage unter den Chefärzten aller deutschen Krankenhäuser. 70 % haben deutlich gemacht, dass sie sich durch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in ihrer Berufsausübung beschränkt sähen. Auch das ist ein Hinweis darauf, wie es - jedenfalls zum Teil - in einzelnen Krankenhäusern zugeht.

Wir haben aus dem Bericht Handlungsbedarf abgeleitet. Ich glaube, es ist richtig, dem mit einem Entschließungsantrag gleich Gesicht zu verleihen, den wir heute vorlegen. Es geht in den einzelnen Punkten erstens um Arzneimittelsicherheit, also darum, in allen Krankenhäusern mindestens die Funktion von Stationsapothekerinnen zu etablieren, sodass pharmakologische Fragen beraten werden können, mögliche Neben- und Wechselwirkungen besser eingeschätzt werden können usw. Die Apothekerkammerpräsidentin hat deutlich gemacht, dass sie das für eine richtig gute Idee hält. Zumindest zum jetzigen Zeitpunkt ist nicht davon auszugehen, dass es uns an geeigneten Fachkräften mangelt. Das will ich auch sehr deutlich sagen.

Zweitens wollen wir den Krankenhäusern - das hat sich bei allen Beratungen im Sonderausschuss widergespiegelt - die Möglichkeit geben, modellhaft neue Personalorganisationsstrukturen zu erproben, z. B. auf Intensivstationen, wo jeden Tag eine belastende Tätigkeit spürbar ist, zu prüfen, ob es Rotationssysteme geben kann. Natürlich sind die Tätigkeiten auf den Intensivstationen besser bezahlt. Auch das ist oft ein Grund, warum wir in diesen Stationen keine Rotation haben. Gleichwohl halte ich das für einen richtig guten Vorschlag, der sich auch aus dem Sonderausschuss ergeben hat, genauso wie eine verpflichtende oder zumindest eine umfassende Supervision für die Pflegekräfte, die jeden Tag eine sehr schwere Arbeit leisten. Ich glaube, dass das den Krankenhäusern gut zu Gesichte stünde. Man hat in der Supervision vielfach Gelegenheit, auch beispielsweise über Fehlerquel

len oder über Belastungen des Alltags zu sprechen.

Ich dritter wichtiger Punkt ist auch die Frage - das hatten wir im Sonderausschuss mehr als einmal erörtert -: Wie kommuniziert man? Wie kommt man eigentlich dazu, über Fehler zu diskutieren, ohne gleich in Verdacht zu geraten, Kollegenschelte zu betreiben? - Ich glaube, ein anonymes Whistleblowing-System in Krankenhäusern zu etablieren, wäre der richtige Schritt. Einige Krankenhäuser machen das zum Teil ja schon mit Meldesystemen. Wir hatten von der Medizinischen Hochschule Hannover einige Berichte. Ich glaube, es wäre richtig, das systematisch zu etablieren.

Viertens glaube ich, dass viele Krankenhäuser sehr gut damit fahren, Mortalitätsstatistiken nicht nur zu erstellen, sondern darüber auch in internen Kommissionen zu beraten und sie dann gegebenenfalls mit der Arzneimittelkommission abzugleichen.

Ich glaube, abschließend sagen zu können, dass die geforderten Maßnahmen dazu beitragen, kriminelles Handeln in Zukunft zumindest weitestgehend zu verhindern. In jedem Fall verbessern sie die Arzneimittelsicherheit im Allgemeinen und bieten, jedenfalls nach unserer Auffassung, Entlastungen für die Pflegekräfte und leisten einen Beitrag für das Risikomanagement.

Ich freue mich auf die Beratungen, und ich hoffe, dass diese genauso konstruktiv erfolgen wie die Beratungen im Sonderausschuss.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Schremmer. - Für die Landesregierung hat nun Frau Sozialministerin Rundt das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die für uns alle eigentlich noch immer unvorstellbaren Ereignisse in den Kliniken Oldenburg und Delmenhorst haben uns erschüttert, und sie erschüttern uns immer wieder aufs Neue. Uns alle, so denke ich, bedrückt nach wie vor das Leid der Angehörigen, das immer noch kein Ende finden kann.