Protocol of the Session on May 4, 2016

Leider müssen wir erleben, dass es in Niedersachsen eine Hochburg von Personen gibt, die in Richtung der Kriegsgebiete ausreisen wollen, um sich dem IS anzuschließen und für den IS zu kämpfen.

Wir wissen, dass bei der Bekämpfung dieser Phänomene Fehler gemacht worden sind. Das ist offenkundig geworden. Das ist auch von den Fraktionen von SPD und Grünen eingeräumt worden.

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wissen eben nicht, warum das so ist. Da gilt es, auch aus Sicht des Parlamentes Aufklärung zu betreiben.

Ich nenne Safia S. als Beispiel. Wir wissen natürlich, dass es Hinweise auf die Attentäterin gegeben hat; aber unklar ist, warum diesen Hinweisen nicht im gebotenen Maße nachgegangen wurde. Wir wissen inzwischen, dass es - offensichtlich in

der Türkei - Kontakt zum IS gegeben hat; wir wissen aber nicht, warum das an den niedersächsischen Sicherheitsbehörden vorbeigegangen ist und warum es dem Niedersächsischen Landtag bei dem Bericht im Ausschuss vorenthalten wurde.

Ich nenne die ausreisewilligen Personen aus Niedersachsen. Warum kann man die Ausreise nicht verhindern? Warum kann im Bereich der Gefahrenabwehr nicht so intensiv Vorsorge betrieben werden, dass die Ausreise, so irgend möglich, verhindert werden kann?

Gleiches gilt für die Überwachung als salafistisch erkannter Moscheen.

Darum, meine Damen und Herren, geht es uns, wenn wir heute darüber reden, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Wir wollen, dass die Schwachstellen und Versäumnisse aufgeklärt werden, um für mehr Sicherheit für die Menschen zu sorgen. Wir wollen die Sachverhalte nachvollziehen können, damit wir Verbesserungsvorschläge unterbreiten können, und zwar so schnell wie möglich, im Interesse der Menschen im Lande Niedersachsen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Warum haben wir uns entschieden, dafür das parlamentarische Mittel eines Untersuchungsausschusses zu wählen? - Weil wir erkannt haben, dass es keine andere Möglichkeit für uns gibt. Fragen, die wir zum Thema Salafismus gestellt haben, werden viel zu spät und unvollständig beantwortet.

Es ist kein Zufall, dass es das Innenministerium war, das in zwei von drei Fällen vor dem Staatsgerichtshof ausdrücklich verklagt wurde, weil es Fragen nicht korrekt beantwortet hat; Verfassungsbruch ist festgestellt worden.

(Björn Thümler [CDU]: Was?)

Wir stellen fest, dass zu den Ausschussunterrichtungen zum Thema Salafismus nicht etwa der Minister oder ein Staatssekretär kommt, sondern Vertreter nachgeordneter Behörden geschickt werden. Zum Vergleich: Wenn es um das Thema Wolf geht, dann kommt eine Staatssekretärin. Aber wenn es um eine der größten Gefahren, die wir derzeit in unserem Lande sehen, geht, dann kommt niemand mehr, dann traut sich kein Minister in den Ausschuss, dann kommt kein Staatssekretär. Das ist für uns unbefriedigend.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Björn Thümler [CDU]: Unfasslich! Unmöglich!)

Auf die Frage, wann der Minister beteiligt worden ist, bekommen wir keine Antwort.

Entscheidend ist an dieser Stelle, dass man am Ende feststellen muss, dass die Arbeit der Sicherheitsbehörden - darum geht es bei einem solchen Untersuchungsausschuss - eingeschränkt wird. Sie bleibt hinter den Möglichkeiten zurück, die wir als Gesetzgeber hier einmal gemeinsam festgelegt haben, damit kein politischer Ärger entsteht. Das ist der Vorwurf, den wir dieser Landesregierung machen. Das ist die Behinderung der Sicherheitsbehörden in diesem Lande. Das ist die Gefährdung der Sicherheit der Menschen in diesem Lande, die es in diesem Untersuchungsausschuss aufzuklären gilt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deswegen ist die Ausweitung des Untersuchungsauftrages an dieser Stelle völlig unlogisch. Es geht uns nicht um die Sachverhalte von irgendwann, um das Phänomen Salafismus. Darüber können Sie sich gerne unterhalten. Uns geht es derzeit darum, wie die Sicherheitsbehörden bei den konkreten Gefährdungslagen, die wir jetzt haben, und bei den Sachverhalten, die ich Ihnen gerade beschrieben habe, arbeiten. Uns geht es darum, dass sie ihre Arbeit verbessern können. Das Phänomen Salafismus können Sie von mir aus in Ihren Fraktionssitzungen besprechen. Darum geht es hier nicht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Janssen-Kucz schlägt heute plötzlich vor, einen Sonderausschuss einzusetzen; das sei das geeignetste Gremium. Frau Kollegin, es hat dazu keinen Antrag von Ihnen gegeben, keine Initiative. Sie möchten hier Nebelkerzen werfen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich höre jetzt: Der Umfang der jetzt vorzulegenden Akten ist viel zu groß; das kann man nicht bewältigen. - Es gibt aber keine Initiative des Ministers zur Frage der Aktenvorlage. Anders ist beispielsweise Minister Lies vorgegangen. Er ist, als es um Akten zum JadeWeserPort und um Akten zu VW ging, direkt auf die Opposition zugegangen. Er hat gesagt: Tauschen wir uns darüber aus, wie wir es hinkriegen, dass euer berechtigter Informationsanspruch erfüllt wird und gleichwohl mein Ministerium das leisten kann. - Dieser Minister kann das nicht.

Dieser Minister will das nicht. Er meckert nur an falscher Stelle herum.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Minister Pistorius, Sie sind offenkundig überfordert. Unterhalten Sie sich einmal mit Ihrem Kollegen Wenzel! Er wird sich daran erinnern können, in welchem Umfang und welchem Ausmaß hier das Privatleben eines ehemaligen Ministerpräsidenten hinterfragt wurde. Im Vergleich dazu sind die Fragen zum Salafismus, die wir bisher gestellt haben, aber Kindergeburtstag!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wenn Sie die Aktenvorlage ausgerechnet in diesem Raum kritisieren, darf ich Sie bitten, den Blick nach oben zu werfen. Alle Schränke, die Sie hier sehen, hat dieser Minister mit Akten zum PUA gefüllt. Im Vergleich dazu sind die Akten, die Sie vorlegen müssen, Kindergeburtstag! Es ist lächerlich, hier zu sagen, die heutigen Oppositionsfraktionen hätten ein deutlich weiteres Auskunftsbedürfnis als die früheren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ist zu Recht ein Minderheitenrecht. Das werden wir uns von Ihnen ganz sicher nicht nehmen lassen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zurufe von den GRÜNEN: Das will doch auch keiner!)

Für einen Untersuchungsausschuss gilt: Thema und Umfang der Untersuchung richten sich nach dem Antrag. Ansonsten wird ein solches Minderheitenrecht obsolet. Deswegen haben wir den Änderungsantrag, den wir nach Hinweisen des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes zu unserem Ursprungsantrag gestellt hatten, heute noch einmal eingebracht.

Es geht uns um die Arbeit dieser Landesregierung. Denn es ist eine der Aufgaben der Opposition, die Arbeit der Landesregierung wirksam zu kontrollieren, ihre Fehler aufzudecken, wirksam zu hinterfragen und Verbesserungsvorschläge zu machen.

Sie haben in Ihren Koalitionsvertrag geschrieben, dass Sie die Arbeit der Sicherheitsbehörden inhaltlich und strukturell anders ausrichten wollen. Wir wollen jetzt wissen, ob diese inhaltlich und strukturell andere Ausrichtung dazu geführt hat, dass die Sicherheit der Menschen im Lande gefährdet ist, weil Sie dem Salafismus nicht mehr ordnungsgemäß begegnen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, darum geht es in diesem Ausschuss.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Weil das in diesem Haus gute Sitte ist und weil wir es immer so kennengelernt haben - auch in den zehn Jahren, in denen wir eine Mehrheit hatten und Regierungsverantwortung trugen -, sind wir davon ausgegangen, dass hinsichtlich eines Untersuchungsausschusses ein Kompromiss erzielt werden kann - aber natürlich nur so, wie es die Verfassung vorsieht, nämlich dass der Kern des Auftrags erhalten bleibt.

Das der Grund, warum wir Ihnen im letzten Plenum den Kompromissvorschlag gemacht haben, über unser eigentliches Aufklärungsbedürfnis hinaus auch das Jahr 2012 einzubeziehen. Sie wollen 2011, wir wollten 2013. 2012 wäre der klassische Kompromiss gewesen. Sie sind dazu nicht bereit gewesen. Wir fühlen uns an diesen Kompromissvorschlag nicht mehr gebunden. Er entsprach ohnehin nicht unserer Intention, sondern ging deutlich darüber hinaus. Dass Sie das ausgeschlagen haben, spricht für Sie.

(Anja Piel [GRÜNE]: Ja, das spricht für uns! Das finde ich auch!)

Sie haben offenkundig die Absicht, die Fehler der Regierung zu vertuschen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

So schließt sich das hier nun an. Das müssen wir einfach zur Kenntnis nehmen. Das müssen auch Sie selbst einmal hinterfragen.

Die Aktenvorlage ist das erste Recht der Opposition, das von dieser Landesregierung mit Füßen getreten wurde - verfassungswidrig, wie der Staatsgerichtshof festgestellt hat.

Das Fragerecht ist das zweite Kontrollrecht der Opposition, das von dieser Regierung mit Füßen getreten wurde - verfassungswidrig, wie der Staatsgerichtshof festgestellt hat.

Nun geht es um das Recht auf einen Untersuchungsausschuss, das schärfste Schwert, das Königsrecht der Opposition. Auch das wollen Sie mit Füßen treten. Erneut zwingen Sie uns dazu, den Staatsgerichtshof zu einer Entscheidung zu bringen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das ist nicht hinnehmbar. Was Sie hier machen, entspricht überhaupt nicht dem, was Sie vorher einmal verkündigt haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, habe ich zumindest den Anspruch: Wenn Sie sich heute schon entscheiden, in dieser Art und Weise unseren Antrag zu verwerfen, dann machen Sie das bitte auch deutlich. Deswegen beantrage ich - der Antrag ist heute extra noch einmal eingereicht worden; ich habe ihn vorhin angesprochen -, dass heute in der Sitzung - anders, als es üblicherweise nach der Geschäftsordnung geplant ist -, von mir aus auch unter Zuhilfenahme von § 99, wenn es erforderlich ist - ich glaube, dass das gar nicht zwingend ist -, über den Ursprungsantrag von CDU und FDP in der von uns geänderten und gewünschten Form abgestimmt wird, bevor Sie Ihren verfassungswidrigen Beschluss fassen, dem wir natürlich nicht mehr zustimmen können - das ist doch völlig klar -, wenngleich wir uns einen Untersuchungsausschuss natürlich dringend wünschen.

Das, was Sie hier heute machen, ist in einer parlamentarischen Demokratie nicht hinnehmbar. Sie sollten sich schämen, dass Sie heute erneut die Verfassung brechen wollen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Starker, nicht enden wollender Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Nacke. - Jetzt hat sich zu Wort gemeldet: Grant Hendrik Tonne, SPD-Fraktion. Bitte schön, Herr Tonne!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir werden am heutigen Tag den 23. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss in Niedersachsen einsetzen.

(Jörg Bode [FDP]: Ja, Ihren!)