Protocol of the Session on April 13, 2016

Hierfür steht Rot-Grün, und somit beweist die Landesregierung mit dem hier heute vorgelegten Gesetzentwurf erneut eine hohe Kommunalfreundlichkeit, die bei der Vorgängerregierung manchmal zu suchen war.

(Zustimmung von Johanne Modder [SPD])

Finanziell unabhängige Kommunen

(Unruhe)

- Sie sind noch wach; das ist schön -, die in ihrem Wirkungskreis ein hohes Maß an eigenem Entscheidungspotenzial haben, stärken das Gemeinwesen und damit die Demokratie insgesamt. Um diese finanzielle Unabhängigkeit zu stützen, werden mit dem vorgelegten Gesetzentwurf im Wesentlichen die Einnahmesituation und damit die kommunale Finanzsituation insgesamt gestärkt. Mit der optionalen Einführung wiederkehrender Beiträge für Verkehrsanlagen kann die Einnahmesituation der Gemeinden und Samtgemeinden insoweit verbessert werden, als ihnen regelmäßig Finanzmittel für die Deckung ihres Aufwandes für die Verbesserung bzw. Erneuerung von Verkehrsanlagen zur Verfügung stehen können.

Der überwiegende Teil der Kommunalabgabengesetze in den Bundesländern sieht ausschließlich einmalige Beiträge im Falle eines Ausbaus des kommunalen Straßennetzes vor. Dies führt oft zu regelmäßigen und zu hohen vier- bis fünfstelligen Belastungen der Grundstückseigentümer. Um die Anwohner zu schonen, verzichten daher viele Kommunen komplett auf die Erhebung von Beiträgen. Dies wiederum führt aber auch dazu, dass viele eigentlich notwendige Straßenausbauten aufgrund mangelnder Finanzmittel nicht durchgeführt werden. Gerade hier können die wiederkehrenden Beiträge für die Kommune den Vorteil bieten, dass die Akzeptanz der Erhebung deutlich höher sein kann, weil die Belastung gerechter wird. Zudem könnte die regelmäßige Erhebung ein langfristiges Straßenausbaukonzept und Kontinuität beim Straßenausbau mit positiven Folgewirkungen für die Planung der Gemeinden ermöglichen.

Nächster Komplex. Die veralteten Begriffe „Kurbeitrag“ und „Fremdenverkehrsbeitrag“ werden in zeitgemäße Bezeichnungen umbenannt, nämlich in „Gästebeitrag“ und „Tourismusbeitrag“.

Einen für Niedersachsen völlig neuen Ansatz bringt zuvorderst jedoch die Ausweitung des Kreises der erhebungsberechtigten Kommunen. Bisher dürfen nur die Gemeinden, die als Kurorte, Erho

lungsorte, Küstenbadeorte staatlich anerkannt sind, Beiträge von Gästen und vom Tourismus im besonderen Maße profitierenden Gewerbetreibenden erheben. Kommunen, die keine staatliche Anerkennung hatten, jedoch eine starke touristische Prägung aufwiesen, konnten von dieser Umlage der finanziellen Aufwendungen für die Schaffung, den Erhalt und den Betrieb kommunaler Tourismuseinrichtungen bisher keinen Gebrauch machen. Diese Möglichkeit soll in Zukunft nun zusätzlich auch den Kommunen eröffnet werden, die zwar eine touristische Prägung haben, ohne aber das Prädikat Kur-, Erholungs- oder Küstenbadeort zu tragen.

Mit dieser expliziten Erweiterung des Erhebungsrechts soll ein Erhebungsverbot für eine Steuer auf entgeltliche Übernachtung verbunden werden. Das ist die berühmt-berüchtigte Bettensteuer, die z. B. auch in meiner Heimatkommune, in Goslar, insgesamt auf wenig Gegenliebe gestoßen ist und am Ende auch in Goslar für nichtig erklärt wurde.

Darüber hinaus sollen Gemeinden, die Gästebeiträge erheben, Kosten über den Gästebeitrag abdecken können, die ihnen entstehen, weil sie eine Gästekarte mit kostenloser Nutzung des ÖPNV anbieten.

Mich persönlich freut diese Entwicklung gerade im Bereich der Modernisierung der Gäste- und Tourismusbeiträge ganz besonders. Daher habe ich dafür schon seit Beginn dieser Legislaturperiode gerne geworben. Für meine Heimatstadt Goslar beispielsweise ist diese Anpassung der Möglichkeit zur Erhebung von Tourismusbeiträgen eine wichtige Möglichkeit, den steigenden Anforderungen an einen modernen Tourismusort bei steigenden Gästezahlen gerecht zu bleiben.

Stetige Investitionen in touristische Infrastruktur, besonders in einer Weltkulturerbestadt mit tausendjähriger Geschichte, sind unerlässlich, um ein attraktiver Tourismusort zu bleiben, der Tradition, Geschichte und Moderne verbindet.

Der durch die Erhebung eines Tourismusbeitrags entstehende Kreislauf zwischen Kommune, Stadtmarketing, vom Tourismus profitierendem Gewerbe und nicht zuletzt den Gästen selbst kann dazu führen, dass alle von der verbesserten und gerechteren Finanzierung der touristischen Aufwendungen einen Gewinn und Nutzen haben.

Ein vor allem für Kommunalpolitiker wichtiger Aspekt ist der, dass die Entscheidung über die Erhebung solcher Beiträge in der Tourismuskommune

getroffen wird und somit die kommunale Selbstverwaltung gestärkt wird.

Auch die Freunde von der CDU in Goslar haben erkannt, dass dies ein richtiger, gerechter und guter Weg ist. Der Kollege Miesner, der im letzten Jahr noch bei einer Veranstaltung in Hahnenklee zu diesem Thema von den eigenen Leuten eins auf die Mütze bekommen hat, kann ja vielleicht die gewonnenen Erkenntnisse in der eigenen Fraktion umsetzen und für diesen Weg werben.

Weiterhin wird mit dem Gesetzentwurf das sogenannte Behördenoptionsmodell als neue Form des Widerspruchsverfahrens für kommunale Abgaben in das Niedersächsische Justizgesetz aufgenommen bzw. vorgeschlagen.

Als Fazit möchte ich zusammenfassen: Dieser Gesetzentwurf ist gut für unsere niedersächsischen Kommunen. Abgabenaufkommen sichern, den Verwaltungsvollzug vereinfachen und dadurch Kosten einsparen. Insgesamt kann ich die Landesregierung dazu beglückwünschen, mit diesem Gesetzentwurf das Auge für kommunale Belange weiter zu schärfen, auf dem Schwarz-Gelb in Ihrer Regierungszeit blind war.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Saipa. - Jetzt hat sich Johann-Heinrich Ahlers von der CDU-Fraktion zu Wort gemeldet. Herr Ahlers, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Kommunalabgabenrecht ist für die meisten ein eher ungeliebtes Thema. Diese besondere Spielart des Steuerrechts ist aber von erheblicher Bedeutung für das Funktionieren unserer Kommunen.

Die niedersächsischen Gemeinden, Städte und Landkreise haben ein durch das Grundgesetz geschütztes Bestandsrecht. Sie haben auch den Anspruch auf eine ausreichende finanzielle Ausstattung und das Recht, sich selbst zu organisieren. Die kommunale Organisationshoheit wird gerne von allen betont, aber doch oft vergessen. Das Recht, eigene Abgaben zu erheben und zu erfinden, gehört zum föderalen Wettbewerb der Bundesrepublik. Das Land muss sich dabei zurückhalten, den Kommunen Vorschriften zu machen.

Zu Recht, meine Damen und Herren, hat daher das Niedersächsische Kommunalabgabengesetz weniger Paragrafen als die meisten erwarten werden. Das liegt daran, dass die Gemeinden selber entscheiden sollen. Jede Änderung oder Ergänzung muss daher gut abgewogen sein.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf schlägt die einbringende Landesregierung verschiedene Änderungen auch bei den Erhebungsrechten an. Zunächst möchte sie das Gesetz an den Sprachgebrauch anpassen und auch modernisieren. Dann folgt sie dem Beispiel anderer Bundesländer und möchte den Kommunen die Einführung wiederkehrender Straßenausbaubeiträge erlauben.

Meine Damen und Herren, diese wiederkehrenden Straßenausbaubeiträge sind keine rot-grüne Erfindung, sondern bereits vor ziemlich genau 30 Jahren, erstmals 1986, unter einer CDU-geführten Landesregierung in Rheinland-Pfalz eingeführt worden. Die Idee hinter diesen wiederkehrenden Straßenausbaubeiträgen ist zunächst sehr charmant.

Die Straßenausbaubeiträge, wie sie zumeist in Niedersachsen erhoben werden, bringen oft soziale Härten mit sich. Grundstückseigentümer werden oft überraschend mit sehr hohen Forderungen zur finanziellen Beteiligung für die Erstellung, Erweiterung oder Verbesserung von Straßen und Wegen herangezogen. In vielen Orten Niedersachsens haben sich hiergegen Bürgerinitiativen gebildet. Der NDR berichtet regelmäßig über solche Fälle, bei denen sich besonders im ländlichen Raum Bürgerinnen und Bürger gezwungen sehen, ihre Grundstücke zu verkaufen, um die Beiträge bezahlen zu können.

Meine Damen und Herren, mit der vorgeschlagenen Änderung soll nun eine sozial verträgliche, regelmäßige Alternative geschaffen werden. Auch in der Zukunft dürfen die Kommunen selbst entscheiden, wie sie den Ausbau oder die Erstellung finanzieren wollen. Insofern könnte man sich uneingeschränkt für diese wiederkehrenden Straßenausbaubeiträge aussprechen, wenn es nicht doch ein paar Pferdefüße gäbe.

Hier ist zunächst zu benennen, dass erheblicher zusätzlicher Aufwand und Rechtsunsicherheiten für die Kommunen bei der Erhebung dieser Beiträge entstehen werden. Die Kommunen müssen Bezirke zur Abrechnung schaffen. Außerdem handelt es sich um eine Grundsatzentscheidung, gegen die sich zahlreiche Verbände wehren. Wir sollten die Beratungen im Ausschuss fortsetzen

und versuchen, uns ein vollständiges Meinungsbild darüber zu verschaffen, ob wiederkehrende Straßenausbaubeiträge für Niedersachsen die richtige Lösung sind.

Meine Damen und Herren, weiterhin möchte die Landesregierung die Regelung zu den Fremdenverkehrs- und Kurbeiträgen ändern. Die angestrebte sprachliche Modernisierung ist zunächst zu begrüßen. Kritisch stehen wir hier aber der Ausdehnung des Anwendungsbereichs gegenüber. Wir bezweifeln, dass es wirklich in die Zeit gehört, diese Beiträge weiteren Gemeinden zu gestatten. Die Gesetzesbegründung hebt völlig zu Recht hervor, dass der Tourismus in Niedersachsen an Bedeutung gewonnen hat und ein maßgeblicher Wirtschaftsfaktor ist.

Für die Landesregierung war dies Anlass, nun sonstige Tourismusgemeinden zu entdecken. Auch wer herausgehobene Sehenswürdigkeiten besitzt, soll nunmehr auch diese Beiträge erheben können. Die Frage ist, was denn solche herausgehobenen Sehenswürdigkeiten sein sollen. Die Gesetzesbegründung nennt einige Beispiele, die aber zeigen, dass im Ergebnis eine deutliche Ausbreitung zu erwarten ist. Das lehnen wir zusammen mit den einzelnen einschlägigen Verbänden jedoch ab. Zu diesen einschlägigen Verbänden zählen das niedersächsische Handwerk und natürlich auch die UVN, die Unternehmerverbände Niedersachsen.

Die kommunalen Spitzenverbände hingegen fordern, dass solche Beiträge allen niedersächsischen Kommunen erlaubt werden. Damit hätte man zumindest nicht das Abgrenzungsproblem. Faktisch würde damit jedoch eine kommunale Steuer für einen einzelnen Wirtschaftszweig eingeführt. Denkbar wären dann aber auch Steuern für andere Branchen, was wir eindeutig ablehnen.

Meine Damen und Herren, wie es der Minister schon betont hat, sind wir auf die Beratungen im Ausschuss gespannt und hoffen, dass der vorliegende Gesetzentwurf dabei noch wesentlich verbessert werden kann.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Ahlers. - Jetzt hat sich JanChristoph Oetjen von der FDP-Fraktion zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister, wir sind uns in der Grundanalyse einig: Die Straßenausbaubeiträge können zu Härten führen und sind oftmals nicht gerade gerecht. Gleichzeitig ist die Anwendung der Rechtsmaterie äußerst schwierig und führt häufig zu Klagen oder Ähnlichem, zumindest jedenfalls zu Unmut. Das wiederum führt dazu, dass ein Drittel der Kommunen in Niedersachsen derzeit darauf verzichtet, Straßenausbaubeiträge zu erheben.

Anders als der Herr Kollege Saipa das hier gerade versucht hat deutlich zu machen, führt das in diesen Kommunen allerdings nicht automatisch dazu, dass Straßen nicht saniert werden. Dort wird die Sanierung nämlich aus dem allgemeinen Steueraufkommen finanziert. Das ist auch die gerechtere Art und Weise, solche Straßenausbaubeiträge zu finanzieren; denn dort wird die Leistungsfähigkeit der Bürgerinnen und Bürger zugrunde gelegt und nicht die Lage des Grundstücks.

(Beifall bei der FDP)

Sehr geehrter Herr Minister Pistorius, Ihr Kommunalabgabengesetz wird in der Summe zu einer Mehrbelastung der Bürgerinnen und Bürger führen,

(Christian Dürr [FDP]: Genau das ist der Punkt!)

und zwar deshalb, weil Sie dort hineingeschrieben haben, dass die Kosten zu 100 % auf die Bürger umgelegt werden können. Heute ist es so, dass dort, wo Straßenausbaubeitragssatzungen bestehen, für Anliegerstraßen in der Regel 60 %, 75 % oder maximal 80 % umgelegt werden; bei Durchgangsstraßen sogar weniger.

Durch Ihr neues Gesetz werden in der Summe also mehr Kosten auf die Bürger umgelegt. Das ist eindeutig ein falscher Weg.

(Beifall bei der FDP)

Wenn wir uns in der Analyse einig sind, dass Straßenausbaubeiträge eigentlich ungerecht sind, in der Rechtsanwendung kompliziert sind und zu einer Mehrbelastung der Bürgerinnen und Bürger führen - was wir nicht wollen -, dann kommen wir als Freie Demokraten zu dem Schluss, dass der einzig gerechte Weg ist, die Straßenausbaubeiträge komplett abzuschaffen und den Kommunen zu sagen: Finanziert die Straßenausbaubeiträge aus dem allgemeinen Steueraufkommen, und kümmert

euch vor allem um eine ordentliche Straßenunterhaltung; denn dann habt ihr keinen so großen Sanierungsaufwand.

(Beifall bei der FDP)

Es ist heute doch schon so, dass viele Kommunen an der Straßenunterhaltung sparen und am Ende dann sagen: Die Straßen sind jetzt so kaputt, dass wir eine Gesamtsanierung machen müssen. Aber das trifft sich ja ganz gut; denn die Kosten der Gesamtsanierung können wir auf die Bürgerinnen und Bürger umlegen, sie muss nicht aus dem Stadtsäckel bezahlt werden.

(Zuruf von Thomas Schremmer [GRÜNE])