Protocol of the Session on March 9, 2016

sonen ist faktisch, aber auch“ - und das dürfte Sie jetzt interessieren, Herr Dr. Birkner, aber natürlich auch alle anderen - „unter rechtsstaatlichen Aspekten nicht möglich. Das ginge nur in Einzelfällen.“

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das hat keiner bestritten!)

So sehr die grauenhafte Tat also zu verurteilen ist, die sich auf dem hannoverschen Hauptbahnhof ereignet hat, so wenig sollte sie uns aber dazu bewegen, unsere Werte und Überzeugungen zu vergessen oder sie gar über Bord zu werfen - beispielsweise beim Verfassungsschutzgesetz, das derzeit beraten wird und das zahlreiche wichtige Neuerungen enthält. Diese Neuerungen wurden, wie Sie wissen, umfänglich mit Expertinnen und Experten aus verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen abgestimmt. Dabei ist sowohl interner als auch externer Sachverstand mit eingeflossen. Im Ergebnis haben wir einen Gesetzentwurf, der den niedersächsischen Verfassungsschutz zugleich leistungsstark, aber eben auch modern und sozial sensibel aufstellen wird.

Natürlich ist es aber so, dass jedes Gesetz dem Wandel der Zeit unterliegt. Und das gilt auch für einen Entwurf. Dort, wo es die Realität oder neue Erkenntnisse erfordern, halte ich als pragmatischer Politiker Anpassungen schlichtweg für geboten.

So ist es nach meinem Dafürhalten auch bei der bisher geplanten, aber noch nicht beschlossenen Neuregelung - - -

Herr Minister, darf ich Sie kurz unterbrechen? - Herr Kollege Birkner will Ihnen eine Zwischenfrage stellen.

Gern.

Bitte schön, Herr Birkner!

Herr Präsident! Herr Minister, vielen Dank. Möglicherweise wollten Sie jetzt gerade zu dem kommen, was ich fragen wollte.

Ich würde von Ihnen gern wissen, Herr Minister, wie Sie Ihre Empfehlung, das Alter bei der möglichen Beobachtung durch den Verfassungsschutz doch bei 14 Jahren zu belassen - diese Empfeh

lung haben Sie ja an die Fraktionen per Pressemitteilung herausgegeben -, begründen.

(Zustimmung von Dr. Gero Hocker [FDP])

Das ist relativ einfach, Herr Dr. Birkner: Weil wir zu dem Zeitpunkt, zu dem wir den Gesetzentwurf auf den Weg gebracht haben, Fälle dieser Art nicht hatten, dass Minderjährige in dieser Altersgruppe in dieser Art und Weise auffällig geworden sind.

(Ulf Thiele [CDU]: Sie haben doch selber gesagt, dass das seit Langem bekannt war!)

- Wer hat das gesagt?

(Ulf Thiele [CDU]: Sie haben das ge- sagt!)

- Ich habe das nicht gesagt. Dann müssen Sie richtig zuhören.

(Jörg Bode [FDP]: Sie haben gesagt, das wäre zu unserer Zeit passiert!)

- Moment! Ich habe gesagt, das Video ist bekannt gewesen. Sie müssen da schon bei den Tatsachen bleiben. Das Video ist bekannt gewesen, aber es hat sich unter Ihrer Ägide keiner darum gekümmert, wer dieses Mädchen auf dem Video ist. Kein Mensch wusste, wer das ist.

(Zustimmung bei der SPD)

Niemand wusste das. Also hören Sie bitte auf, das Video jetzt als Beispiel dafür heranzuziehen, dass irgendjemand gewusst hat, wer dieses Mädchen ist - um das sehr deutlich zu sagen!

(Widerspruch bei der CDU)

Ich bin der Auffassung, wenn sich ein Fall wie dieser herauskristallisiert, dann ist das ein Anlass, darüber nachzudenken, die Heraufsetzung der Altersgrenze nicht vorzunehmen. Ich halte das für geboten und habe deshalb die entsprechende Empfehlung ausgesprochen.

(Zustimmung bei der SPD)

Vor dem Hintergrund der schockierenden Tat halte ich das für sinnvoll.

Die genannte Tat hat uns jüngst auf furchtbare Weise gezeigt, dass wir leider immer mehr auch bezüglich dieser besonders jungen Altersgruppe in der Lage bleiben müssen, die Entwicklungen zu

beobachten. Deshalb empfehle ich an dieser Stelle die Korrektur des Gesetzentwurfs.

Aber, meine Damen und Herren, auch da sollten wir die Kirche im Dorf lassen. Selbst dann, wenn wir dieses Mädchen im Verfassungsschutzsystem gehabt hätten, wäre diese Tat mit großer Wahrscheinlichkeit nicht zu verhindern gewesen. Auch das muss man, der Wahrheit die Ehre gebend, doch ganz klar benennen, um keine falschen Erwartungen zu wecken.

Ich bin fest davon überzeugt, dass wir weiterhin leistungsstarke Sicherheitsbehörden brauchen - die haben wir aber auch -, die konsequent gegen jede Form von Extremismus vorgehen.

Dabei arbeiten Verfassungsschutz und Polizei eng zusammen und tun das Menschenmögliche, um Anschläge zu verhindern. Beispielhaft ist hierbei der gemeinsam standardisierte Maßnahmenkatalog der niedersächsischen Sicherheitsbehörden im Zusammenhang mit salafistischen Brennpunkten sowie Dschihad-Ausreisenden und -Rückkehrern, der seit Jahresbeginn 2016 verbindlich Anwendung findet, ein ganz wichtiges Instrument in der täglichen Arbeit.

Zu den Präventionsprojekten der Niedersächsischen Landesregierung ist hier bereits ausführlich dargestellt worden, was wir bereits tun. Wir werden das weiter intensivieren, weil wir wissen, welche Rolle Prävention gerade in diesem sensiblen Feld hat.

Danke.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. - Es ist von der CDUFraktion um zusätzliche Redezeit gebeten worden. Von der FDP-Fraktion auch. Herr Nacke, Sie haben sich zu Wort gemeldet. Anderthalb Minuten, bitte schön!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, was Sie hier gerade ausgeführt haben, ist die schlichte Unwahrheit gewesen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Es stimmt einfach nicht, was Sie hier gerade behauptet haben, dass nicht bekannt gewesen ist, wer das Mädchen auf diesem Video ist.

(Zustimmung bei der CDU)

Alles war im Internet zugänglich. In einem der Videos ist dieses Mädchen sogar mit dem Namen benannt worden.

(Jörg Bode [FDP]: Aha! - Zuruf von Johanne Modder [SPD])

Der Vorwurf ist ein anderer, Herr Minister. Eine Familie geht in eine als salafistisch eingestufte Moschee. Ein Mädchen aus dieser Familie wird bereits seit Jahren in der salafistischen Szene als Internetpopstar gefeiert - wegen der genannten Videos, auf die sie auch in der Schule angesprochen wird.

Die Mitarbeiter der CDU-Fraktion haben, ohne den Klarnamen zu kennen, genau 30 Sekunden gebraucht, um einen vollständigen Überblick zu haben - weil nämlich der Facebook-Auftritt dieses Mädchens öffentlich ist. Dort hat sie den Ausspruch „Allah ist groß“ mit „Gefällt mir“ markiert.

Sie hat die Schule bereits einmal verlassen, ist aber ausweislich der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung wieder an ihrer alten Schule erschienen, weil sie dorthin zurückkehren wollte - Näheres zu diesem Sachverhalt wissen wir noch nicht, weil die Kultusministerin gestern nicht bei der Unterrichtung dabei war, obwohl das nötig gewesen wäre.

Der Vorwurf ist also: Warum hat Ihre Sicherheitsbehörde - und hier geht es nicht um eine Rund-umdie-Uhr-Überwachung - überhaupt keinen Blick auf diese Familie gehabt, die in eine salafistische Moschee geht?

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Glocke des Präsidenten)

Sie überwachen diese Moschee, aber haben überhaupt keinen Blick dafür, was da passiert! Sie tragen die Verantwortung dafür, aber die wollen Sie jetzt abschieben, indem Sie auf den Zeitpunkt verweisen, zu dem das Video entstanden ist. Das ist eine Schande!

Ich will noch eine letzte Bemerkung zu dem Beitrag von Herrn Limburg machen, Herr Präsident.

Herr Limburg, ich hatte mich gerade zu einer persönlichen Erklärung gemeldet, um auf zwei Dinge zu reagieren, die Sie angesprochen haben.

Erstens. Sie haben mir vorgehalten, ich wüsste hinterher ja immer alles besser. Aber dazu will ich darauf hinweisen, dass die CDU-Fraktion während des laufenden Gesetzgebungsverfahrens immer die Position vertreten hat, dass die Anhebung der

Altersgrenze ein Fehler ist. Wir haben immer einen solchen Fall abstrakt skizziert, wie er sich jetzt konkretisiert hat. Und was Sie dazu gesagt haben, kann man in den Protokollen über die Sitzungen, die ja öffentlich waren, nachlesen.

Zweitens haben Sie gerade zu mir gesagt, ich würde reflexartig schärfere Gesetze fordern. Aber dafür gibt es nicht einen einzigen Beleg, und ich sage Ihnen auch, warum nicht: Ich halte die Gesetze in diesem Land nämlich für ausreichend. Aber ich halte es für erforderlich, dass sie auch ausgeführt werden, dass den Sicherheitsbehörden Vertrauen entgegengebracht wird -