Protocol of the Session on March 9, 2016

Sie kommt zwar jetzt gerade, hat aber den wesentlichen Teil der Debatte nicht mitbekommen. Halten Sie das für richtig, oder wäre es angemessen, dass die Kultusministerin unverzüglich auch das Parlament unterrichtet?

(Zurufe von den GRÜNEN: Sie hätten mal zuhören müssen, Herr Kollege Thümler!)

Herr Kollege Thümler, ich halte es vor allen Dingen nicht für angemessen, wie das Kultusministerium offenkundig auf diese Vorfälle insgesamt reagiert hat. Es passiert nichts. Es passiert viel zu wenig, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ausweislich der Bild von heute sagt der Vater des Mädchens: Ein Mädchen, das aus dem Koran rezitiert, das ist ja keine Bedrohung. - Damit hat er vielleicht recht. Aber ein Mädchen, das im Internet für islamistische Propaganda missbraucht wird, ist bedroht, es ist in Gefahr. Darum muss man sich als Landesregierung doch kümmern. Da kann man doch nicht einfach wegschauen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Dabei geht es nicht vorrangig um die Altersgrenze beim Verfassungsschutz. Das ist auch kein neuer Sachverhalt, wie Sie, Herr Innenminister Pistorius, in einer Pressemitteilung vom 7. März 2016 behauptet haben, als Sie gesagt haben, hier sei ein neues Aufgabenfeld aufgetreten. Ihre Begründung - dabei können Sie sich auch nicht auf irgendeine Kommission berufen - im Gesetz zum Verfassungsschutz lautet - ich zitiere -:

„Zwar sind Personen ab dem 14. Lebensjahr strafmündig, allerdings können Jugendliche, die sich erst in der Persönlichkeitsentwicklung befinden und in der Regel weit entfernt von einer sicheren politischsozialen Orientierung oder Überzeugung sind, im Hinblick auf die Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde noch keine Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes darstellen.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, erzählen Sie bitte einmal dem Polizisten, der von diesem Mädchen attackiert wurde, dass dieses Mädchen mit seinem salafistischen Hintergrund für Sie keine Gefahr bedeutet hat. Das stimmt doch nicht, was Sie sagen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das ist in einem Artikel in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 8. März zu erkennen. Sie hingegen sagen: Das ist ein völlig neuer Sachverhalt. Jetzt gehe ich davon ab, selbstverständlich soll weiter ab 14 überwacht werden. - Gleichzeitig schreibt Ihre Behörde, dass seit Jahren bekannt ist, dass das ansteigt.

Aber Herr Limburg - - -

Sie müssen zum Schluss kommen, Herr Kollege Nacke. Letzter Satz!

Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. - Herr Limburg sagt dazu: Diese Kinder haben Flausen im Kopf. - Das sind doch keine Flausen! Orientieren Sie sich bitte an der Einschätzung Ihres Innenministers, und unterlassen Sie Ihren albernen Streit in der Koalition mit diesem Innenminister!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Letzter Satz!

Wir werden nicht akzeptieren, dass Sie zulassen - wie es hier gestern passiert ist -, dass die Sicherheitsbehörden dieses Landes pauschal als islamophob, fremdenfeindlich und rassistisch verunglimpft werden.

Ich will Ihnen eines sagen: Stellen Sie sich bitte vor, dieser Anschlag hätte keinen islamistischen Hintergrund, sondern einen rechtsradikalen Hintergrund! Was für ein Feuerwerk würden Sie hier wohl abbrennen, meine sehr verehrten Damen und Herren?

(Starker, anhaltender Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Herr Kollege Limburg das Wort. Bitte!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst zu der vom Kollegen Nacke zitierten Aussage von mir. Ich habe den Ausdruck „Flausen im Kopf“ in einem anderen Zusammenhang gesagt, als es den Anschein hatte. Ich möchte hier aber gerne betonen: Sollte sich durch diese Formulierung von mir irgendwer - insbesondere der betroffene Polizist oder seine Familie - verletzt fühlen, dann bitte ich dafür um Entschuldigung. Die heimtückische Messerattacke ist ein brutales Verbrechen, und in der Tat nichts anderes, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Ulf Thiele [CDU]: Wie haben Sie das mit den Flausen gemeint?)

(Vizepräsident Karl-Heinz Klare über- nimmt den Vorsitz)

Zur politischen Debatte! Da finde ich es wichtig, zunächst einmal die Zuständigkeiten zu sortieren, die die CDU geflissentlich durcheinanderbringt. Auch bei Ihrer Rede, Herr Nacke, hatte es wieder den Anschein. Der Verfassungsschutz ist für die Beobachtung verfassungsfeindlicher Bestrebungen zuständig. Die konkrete Gefahrenabwehr obliegt der Polizei.

(Ulf Thiele [CDU]: Das lässt sich auch richtig gut trennen! Das sehen wir ja!)

Die Strafverfolgung obliegt der Staatsanwaltschaft.

Herr Kollege Thiele, ich hoffe sehr, dass es sich trennen lässt, weil das Trennungsgebot ein Verfassungsgebot ist. Es ist beschämend, dass Sie das als CDU im Jahr 2016 immer noch ignorieren, Herr Kollege Thiele!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Ulf Thiele [CDU]: Das ist ein- malig in der Welt, und das hemmt die Ermittlungsarbeit! Kein anderes Land der Welt macht das so!)

- Auch das ist falsch, Herr Kollege Thiele. Wenn Sie von Sicherheitspolitik keine Ahnung haben, dann gehen Sie während dieser Debatte doch einfach anderswo hin!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Ulf Thiele [CDU]: Herr Limburg, es ist richtig, was ich gesagt habe! Kein anderes Land der Welt macht das so!)

Bei der Strafverfolgung gibt es eine untere Altersgrenze. Sie liegt bei 14 Jahren. Darunter findet keine Strafverfolgung statt, weil Kinder schuldunfähig sind.

Herr Kollege, ich darf Sie kurz unterbrechen. Herr Nacke würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Ich würde gerne kurz im Zusammenhang fortführen. Danach machen wir das gleich, Herr Kollege Nacke. Ich muss Ihnen das nur einmal im Zusammenhang darstellen, weil ich den Eindruck habe, dass Sie es sonst nicht verstehen.

(Zurufe von der CDU: Oooh! - Arro- gant! - Oberlehrer!)

Meine Damen und Herren, bei der Strafverfolgung gibt es eine untere Altersgrenze. Sie liegt bei 14 Jahren. Kinder sind schuldunfähig. Beim Verfassungsschutz gibt es gegenwärtig die Altersgrenze 14. Sie soll nach dem Gesetzentwurf der Landesregierung - wie in anderen Ländern auch - auf 16 Jahre angehoben werden. Bei der Gefahrenabwehr aber gibt es keine Altersgrenze. Gefahrenabwehr kennt keine Altersgrenze, und das ist auch gut so. Das muss auch so bleiben, meine Damen und Herren.

Herr Kollege Nacke, gerne Ihre Zwischenfrage!

Vielen Dank, Herr Kollege Limburg, dass Sie die Zwischenfrage ermöglichen.

Ich habe eine Frage vor dem Hintergrund, dass Sie gerade gesagt haben, Sie hätten die Aussage, die ich zuvor zitiert hatte, in einem anderen Zusammenhang gebracht. Das Zitat stammt vom 7. März 2016, also von dem Tag, an dem Herr Pistorius mit Blick auf diesen Vorfall vorgeschlagen hat, die Altersgrenze nicht hochzusetzen, und stammt aus „Hallo Niedersachsen“: 14- bis 15-Jährige sind in einer Lebensphase, in der viele Menschen auch Flausen im Kopf haben, in der es Bewegungen geben kann, die dem Menschen selbst unangenehm sind. Wir wollen hier nicht durch frühzeitige Speicherung Gefahr laufen, jemanden zu stigmatisieren. - Würden Sie mir mal bitte erläutern, in welchem Zusammenhang Sie das gesagt haben, zumal es am gleichen Tag war, aber nicht auf diesen Vorgang bezogen sein soll!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Helge Limburg [GRÜNE]: Ja, gerne! - Miriam Staudte [GRÜNE]: Das war auf jeden Fall nicht auf dieses Mäd- chen bezogen!)

Herr Kollege Limburg spricht weiter, bitte!

Vielen Dank, Herr Kollege Nacke, für die Gelegenheit, das hier noch einmal ausführen zu können. Ich habe diese Aussage bezogen auf die Frage gemacht, was damals, als der Gesetzentwurf vor anderthalb Jahren diskutiert worden ist, als die Grünen-Forderung aufgekommen ist, der Beweggrund und der Hintergrund für diese Forderung war. Das hatte ich erläutert. Deshalb hatte das

keinen Zusammenhang zu dem aktuellen Vorfall, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN - Lachen bei der CDU - Jens Nacke [CDU]: Und wie sehen Sie das heute?)

Meine Damen und Herren, Herr Kollege Nacke, es ist im Übrigen nicht so - weder nach der gegenwärtigen noch nach der geplanten neuen Rechtslage -, dass der Verfassungsschutz Hinweise auf Straftaten, die er hat, nur weitergeben dürfte, wenn die betreffende Person ein bestimmtes Mindestalter hätte. Das ist nicht so, und das wird auch nicht so sein! Auch hier gilt: Gefahrenabwehr kennt keine Altersgrenze.

Warum aber - das fragen Sie, Herr Nacke, ja die ganze Zeit über - kennt das Verfassungsschutzgesetz Altersgrenzen? - Weil es beim Verfassungsschutz im Kern um etwas ganz anderes geht, und zwar darum, Bestrebungen zu beobachten und Gefahren für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung bereits im Vorfeld einzuschätzen und dadurch möglichst abwehren zu können. Im Vorfeld!

Dazu werden auch Personendaten gespeichert; nicht als Hauptziel, sondern eher, weil Bestrebungen aus Personen bestehen. Um eine Bestrebung richtig einschätzen zu können, muss man sich einen Eindruck verschaffen, wer daran maßgeblich mitwirkt. Diese maßgeblichen Akteure sind aber in aller Regel Erwachsene. Wenn es doch Minderjährige sind, sind sie in aller Regel 16 Jahre und älter. Mir ist bislang kein Fall bekannt, in dem sich eine Person unter 16 Jahren als zentraler, steuernder Akteur in einer verfassungsfeindlichen Bestrebung betätigt hat. Wenn uns ein solcher Fall bekannt werden würde, kann niemand ausschließen, dass dann manches noch einmal durchdacht und neu abgewogen werden müsste.

Umgekehrt aber, Herr Nacke, Herr Thiele, sind uns sehr wohl viele Fälle bekannt geworden, in denen der Verfassungsschutz unter Ihrem CDU-Innenminister Schünemann Daten von Erwachsenen und Minderjährigen in großer Zahl widerrechtlich gespeichert hat.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Wi- derspruch bei der CDU - Zurufe von der CDU: Beispiele!)

Diese Speicherungen, meine Damen und Herren, sind natürlich immer auch mit einer Stigmatisierung verbunden. Sie können Probleme bei bestimmten

Jobs im Staatsdienst nach sich ziehen, bei der Einbürgerung und bei Ähnlichem.

Ich darf Sie noch einmal unterbrechen. Es gibt noch einmal die Bitte zu einer Zwischenfrage.