Protocol of the Session on March 9, 2016

(Björn Thümler [CDU]: Ins Grundge- setz? - Christian Grascha [FDP]: Das ist doch wirklich lächerlich!)

- Ja, in die Verfassung, ins Grundgesetz.

(Heiterkeit bei Jens Nacke [CDU])

- Ich finde es vollkommen unangemessen, dass Sie an dieser Stelle lachen, Herr Nacke.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Das zeigt wirklich, dass Sie nicht verstanden haben, worum es geht.

(Jens Nacke [CDU]: Das habe ich sehr wohl verstanden!)

Es gibt noch jede Menge Dinge beim Thema Atomausstieg zu tun, z. B. die Haftung hochzusetzen, und, wie gesagt, der Ausstieg muss ins Grundgesetz. Das wäre auch im Sinne von Marianne Fritzen, der ersten Vorsitzenden der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg, die seit der Standortbenennung gegen Atomkraftwerke und gegen Gorleben gekämpft hat. Sie wird diesen Samstag beerdigt. Sie wird beerdigt, aber ihr Anliegen bleibt.

(Starker, anhaltender Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Für die FDP-Fraktion hat nun Herr Dr. Hocker das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Grüne-Landtagsfraktion reicht eine Woche vor den richtungsweisenden Landtagswahlen einen Antrag für eine Aktuelle Stunde über die Kernenergie ein. Am kommenden Freitag entwertet der Umweltminister das jährliche Gedenken am Mahnmal St. Aegidien, wo an die Todesopfer von Hiroshima und Nagasaki gedacht wird, zu einem politischen Klamauk, indem er eine Verbindung zwischen dem Schrecken des Zweiten Weltkriegs und dem Reaktorunglück in Fukushima herstellt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Mein Gott, was müssen die Grünen eine Panik vor den Landtagswahlen am Sonntag haben, dass sie sich so weit herablassen, Herr Minister!

(Helge Limburg [GRÜNE]: Lassen Sie mal Ihre christlichen Bekenntnisse hier raus!)

Meine Damen und Herren, es gibt Ereignisse in der Geschichte, bei denen es sich schlichtweg verbietet, sie in eine Reihe mit anderen zu stellen,

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zuruf von der CDU: So ist es!)

weil ihr Schrecken unvergleichbar ist und weil jeder Vergleich das Leid der Opfer relativieren würde. Dazu gehören ganz bestimmt auch die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und auf Nagasaki, meine Damen und Herren. Noch nie zuvor in der Geschichte und nie wieder danach sind durch Menschenhand innerhalb weniger Augenblicke so viele Menschen getötet worden. Deswegen empfinde ich es als eine obszöne Verhöhnung der Hunderttausenden Opfer von Hiroshima und von Nagasaki,

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Das ist unanständig!)

wenn der Minister mit seiner Gedenkveranstaltung offensichtlich geschichtsvergessen die Bombenabwürfe auf diese beiden Städte aus dem Jahr 1945 in eine Reihe mit einer Naturkatastrophe und einem meldepflichtigen Ereignis in einem französischen Kernkraftwerk aus dem Jahre 2012 stellt,

bei dem niemand auch nur einen einzigen Kratzer davongetragen hat, sehr verehrter Herr Minister Wenzel.

(Beifall bei der FDP - Helge Limburg [GRÜNE]: Zum Glück!)

Ihr Kalkül, Frau Staudte, ist dabei durchschaubar. Sie bedienen sich eines politischen Instruments. Und das nennt sich kalkulierter Tabubruch. Ich bin deswegen so empört darüber,

(Helge Limburg [GRÜNE]: Weil das eigentlich Ihr Metier ist, oder?)

weil das eigentlich ein Instrument ist, das radikale Kräfte in einer Gesellschaft, in einer Demokratie benutzen.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Wir warten bis heute auf Ihre Entschuldigung zu den angeblichen Golfbällen!)

Das ist Ihnen und Ihrer Partei nicht würdig, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Der Ausstieg aus der Kernenergie, Frau Kollegin Staudte, ist zwischen allen im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien und zwischen allen Parteien und Fraktionen hier in diesem Niedersächsischen Landtag Konsens. Deswegen sage ich Ihnen, Frau Staudte, Sie reiten hier einen toten Gaul,

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Was sagt denn die AfD dazu?)

und zwar allein aus parteitaktischem Interesse. Sie versprechen sich davon, dass Herr Kretschmann Ministerpräsident in Baden-Württemberg bleibt, und erhoffen sich, dass es in Sachsen-Anhalt und in Rheinland-Pfalz nicht ganz so schlecht wird, wie das in Hessen vor wenigen Tagen der Fall gewesen ist. Das ist unerträglich. Das ist Ihrer nicht würdig, Frau Staudte.

(Beifall bei der FDP - Helge Limburg [GRÜNE]: Sagen wir mal so: Herr Rülke wird jedenfalls nicht Minister- präsident in Baden-Württemberg!)

Es wäre vielmehr Ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass wir tatsächlich keinen kernenergetisch erzeugten Strom mehr in unseren Netzen hätten, wenn das letzte Kernkraftwerk im Jahre 2022 in Deutschland vom Netz geht. Aber wenn Sie allein auf Windkrafterlasse setzen, weiterhin Windkraftanlagen in die Welt pflanzen und eben nicht das

Thema Transport und Speicherung im Fokus haben, wird Folgendes passieren: Im Jahre 2022 geht das letzte deutsche Kernkraftwerk vom Netz. Aber dann werden wir auch nicht einen Deut weniger kernenergetisch erzeugten Strom in unseren Netzen haben,

(Anja Piel [GRÜNE]: Ist das ein Tri- umph für Sie, oder was ist das? - Zu- ruf von den GRÜNEN: Oh doch!)

sondern weil Sie die Energiewende an die Wand fahren, kommt dieser Strom dann eben aus anderen Ländern. Er kommt aus Polen, aus Tschechien, aus den Kernkraftwerken aus Russland, aus Weißrussland und letzten Endes auch aus Frankreich. Machen Sie lieber Ihre Hausaufgaben, und richten Sie den Blick endlich in die Zukunft, anstatt sich sentimental in die Vergangenheit zurückzuwenden, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der FDP - Helge Limburg [GRÜNE]: Wenn ich Ihre Fantasie ha- be, werde ich Autor, Herr Kollege!)

Einen Moment bitte, Herr Hocker! - Herr Kollege Limburg, hören Sie jetzt einfach mal zu!

(Zustimmung bei der CDU - Zurufe von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich hatte Herrn Limburg gar nicht gehört.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Dann ist es ja gut! Dann kann ich ja weiterma- chen! - Weitere Zurufe von den GRÜ- NEN)

- Mich stört es nicht, Herr Kollege.

Nein, das war keine Aufforderung weiterzumachen, Herr Limburg, weil wir alle Sie hier sehr gut hören.

Entschuldigung, Herr Limburg, wenn ich direkt auf Sie eingehe. Aber es zeigt schon, mit welcher Leichtigkeit Sie sich diesem Thema nähern. Es ist ein bisschen entlarvend, Herr Kollege Limburg.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Ja, ja, ja!)

Und wie Sie hier diesen Klamauk fortsetzen, das spricht seine eigene Sprache.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zuruf von den GRÜNEN: Das ist kei- ne Leichtigkeit, das ist Leidenschaft, Herr Hocker!)

Herr Minister, aber vielleicht haben Sie ja auch gerade deswegen bislang kein Konzept für die Energiewende entwickelt, wenn man sieht, wie Sie sich den wahren Herausforderungen, nämlich der Speicherung und dem Transport des volatil erzeugten erneuerbaren Stroms, stellen und sie beherrschen wollen. Sie beschwören gerne immer dann, wenn es für die Grünen eng wird, hier im Plenum und bei Gedenkveranstaltungen wie am kommenden Freitag das Gespenst der Kernenergie herauf. Dieses Konzept wird nicht lange funktionieren. Es wird Zeit, dass Sie sich endlich der Zukunft zuwenden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Hocker. - Für die SPD-Fraktion spricht nun Herr Kollege Bosse. Bitte!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich bin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen für diesen Tagesordnungspunkt sehr dankbar; denn auch ich persönlich habe den Eindruck, dass diese Themen gerade aufgrund der vielen Opfer und der Langfristigkeit von strahlendem Atommüll zu schnell in Vergessenheit geraten. Ich denke, man muss in der Gesamtbetrachtung auch die Historie betrachten. Von den 50er-Jahren bis zum Jahr 2000 waren alle Bundesregierungen - egal welcher Farbe, auch unter Beratung von Wissenschaftlern - der Ansicht, dass Kernenergie eine saubere Energie und eine effiziente Energie ist. Es gab ein Atomministerium. Franz Josef Strauß war wohl der prominenteste Atomminister.