Herr Dr. Pantazis, bei Ihnen ist das bei der Geschwindigkeit Ihrer Reden besonders schwierig zu unterbrechen, aber ich habe eben die Chance
Herr Oetjen, lassen Sie mich erst einmal ruhig ausführen! Danach können wir das sehr gerne besprechen.
Was erwarten also die Bürgerinnen und Bürger in Anbetracht der aktuellen Herausforderung des erhöhten Zuzugs von Flüchtlingen von der Politik? - Die Menschen in unserem Land haben angesichts der aktuellen Herausforderung eine klare Erwartungshaltung an die Politik. Sie wollen, dass wir Orientierung geben und klar sagen, wie es weitergehen wird. Sie wollen nicht, dass in dieser Situation die Flüchtlingspolitik aus parteitaktischen Überlegungen skandalisiert wird, weil das schlichtweg verantwortungslos wäre und das Vertrauen in unsere Demokratie untergraben würde. Das Ergebnis einer solch verantwortungslosen Debatte haben wir schmerzhaft am vergangenen Wochenende bei den Kommunalwahlen in Hessen erfahren müssen. Die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land wollen, dass wir gemeinsam und konstruktiv die Herausforderung der aktuellen Flüchtlingssituation meistern.
Das ist doch klar. Welche Handlungsmaxime ergibt sich dann aus dieser in der Bevölkerung bestehenden Erwartungshaltung an der Politik? Für die in diesem Zusammenhang explizit demokratisch geprägte Parteienlandschaft in unserem Land ergibt sich in diesem Zusammenhang die unbedingte Handlungsmaxime einer Versachlichung der aktuellen Flüchtlingsdebatte. Lassen Sie uns gemeinsam einer Politik der inszenierten Empörung endlich eine Absage erteilen! Denn wenn uns Hessen etwas gelehrt haben sollte, dann dass diese Form der politischen Auseinandersetzung nur radikalen Kräften in unserem Land unheilvoll Leben einhaucht.
die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten miterleben mussten, folgte mitnichten dieser Handlungsmaxime.
(Beifall bei der SPD - Christian Dürr [FDP]: Bitte, was? Sie machen nichts! Sie lesen wieder nur ab!)
Was bedeutet diese von mir beschriebene Handlungsmaxime in Anbetracht des hier vorliegenden Beratungsgegenstandes, also des Gesetzentwurfes, so wie Herr Oetjen ihn dargestellt hat? - Es gilt genau das, was ich hier an gleicher Stelle bereits im November letzten Jahres bei der Erstberatung gesagt und zugesagt habe. Wir wissen - das war unser Grundtenor - diesen Vorschlag grundsätzlich zu würdigen,
weil er nicht polemisch zu instrumentalisieren sucht, sondern zu einer Versachlichung der aktuellen Flüchtlingsdebatte beiträgt und weil er ferner einer Migrationspolitik folgt - das habe ich vorhin auch schon gesagt -, der wir uns seit dem Regierungswechsel 2013 verpflichtet fühlen, nämlich dem selbstverständlich gesellschaftspolitischen Anspruch auf Teilhabe.
Vor diesem Hintergrund haben wir uns zügig - Sie haben es ja gesagt: die Einbringung war im November, der Abschluss ist jetzt im März -, aber auch sogleich sachlich mit Ihrem Bundesratsgesetzentwurf und der darin enthaltenen Forderung der Gewährung eines vorübergehenden humanitären Schutzes in Kombination mit einem Einwanderungsgesetz auseinandergesetzt.
Der Vollständigkeit halber muss ich hier noch einmal festhalten - das habe ich vorhin auch schon gesagt -, dass ich bei der Erstdebatte auch Zweifel geäußert habe, ob die von Ihnen vorgeschlagene Regelung ein geeignetes Mittel sein könnte, um das Asylverfahren zu entlasten.
(Christian Dürr [FDP]: Können Sie er- zählen, was Sie eigentlich wollen? Sind Sie in der Lage zu sagen, was Sie wollen?)
Hierzu habe ich insgesamt acht Kritikpunkte aufgeführt, wie beispielsweise den damit einhergehenden Flüchtlingsstatus im Vergleich zu dem im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention oder die Fra
ge des ruhenden Asylverfahrens während der Zeit der Unterschutzstellung und der Problemverlagerung in die Zukunft. Das war übrigens auch einer der Hauptkritikpunkte des Flüchtlingsrates in der Debatte in der Kommission zu Fragen der Migration und Teilhabe. Dazu gehören beispielsweise die Ungewissheit, dass die Anwendung der vorgeschlagenen Regelung vollständig im Ermessen des Bundes stehen würde, und das schwerwiegende Problem, dass hier eine Entlastung des Bundes einseitig zulasten der Länder und Kommunen erfolgen würde.
In der Folge obliegt es durch Ihren Gesetzentwurf den Ausländerbehörden, z. B. die notwendige Klärung der Identität mit den Betroffenen herbeizuführen, ganz abgesehen von der Frage der Kosten für den gesamten Zeitraum im vorübergehenden Schutz. Das ist der Zeitraum von drei Jahren. Vor allen Dingen gibt es jetzt schon nationale Regelungen, mit denen die Länder und der Bund Personen außerhalb des Asylverfahrens aufnehmen können. Ich nenne die Aufnahmeprogramme nach § 23 Abs. 1 und 2. Auch das ist in der Beratung in der Parlamentskommission zu Fragen der Migration und Teilhabe angesprochen worden, in diesem Fall sogar ohne ein Ruhen des Verfahrens im Falle der Asylantragstellung. Das habe ich ebenfalls im November angesprochen.
Abschließend sind die europapolitisch bedenklichen Signale zu nennen, die mit der vorgeschlagenen Regelung gesendet werden würden - Stichwort: Abkehr von Dublin und Nationalisierung einer eigentlich europäischen Lösung.
Das alles sind Kritikpunkte und Zweifel, die wir seinerzeit schon geäußert haben, auch wenn wir von der Grundtendenz sehr gerne bereit sind, darüber zu diskutieren.
Diese Zweifel konnten in der Beratung im Innenausschuss, in der Parlamentskommission zu Fragen der Migration und Teilhabe und im Rechtsausschuss nicht entkräftet werden. Beispielsweise konnte sich die Kommission zur Fragen der Migration und Teilhabe nicht zu einem positiven Votum durchringen. Die Vorlage 1 beispielsweise, die
schriftliche Stellungnahme der AG der kommunalen Spitzenverbände, hat genau auf Basis dieser von mir geäußerten Zweifel die Ablehnung dieses Gesetzentwurfs empfohlen, und zwar - Zitat - „deutlich und nachhaltig“. Vor diesem Hintergrund wird es Sie sicherlich nicht überraschen, Herr Oetjen, dass wir dem Votum des federführenden Ausschusses folgen und diesen Gesetzentwurf in dieser Form ablehnen müssen, und zwar aus rein sachlichen, inhaltlichen Gründen.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Christian Dürr [FDP]: Ha- ben Sie einmal gesagt, was Sie wol- len? Nur das, was Sie nicht wollen, haben Sie gesagt!)
Vielen Dank, Herr Dr. Pantazis. - Herr Kollege Oetjen hat um eine Kurzintervention gebeten. Er hat für 90 Sekunden die Gelegenheit. Bitte!
Verehrter Herr Kollege Pantazis, ich schätze an dieser Stelle durchaus Ihre sachliche Arbeit. Aber ich bin, ehrlich gesagt, stinksauer, dass Sie hier an dieser Stelle völlig ausblenden, dass ich Ihnen Angebote gemacht habe, um die Frage der kommunalen Betroffenheit zu ändern und darüber zu reden, wie wir dort einen Kompromiss finden. Ich habe Ihnen deutlich gesagt - übrigens schon in der ersten Plenardebatte; Sie können das im Protokoll nachlesen -, dass es mir genau um den zeitlichen Aufschub für die Anträge geht, weil wir doch heute das Problem haben, dass nicht genügend Entscheider da sind. Das wird sich hoffentlich in ein paar Jahren geändert haben, wenn neue Leute eingestellt wurden.
Alles das blenden Sie hier aus, Herr Kollege Pantazis. Verneinen Sie, dass Sie mir über Wochen und Monate gesagt haben: „Herr Kollege Oetjen, wir können da zu einem Kompromiss kommen. Das ist ein gutes Papier. Wir haben da ein paar Punkte, an denen wir arbeiten wollen, an denen wir eine Änderung vorhaben. Aber dann können SPD, Grüne und FDP hier gemeinsam einen Beschluss fassen und einen konstruktiven Beitrag in der Flüchtlingsdebatte leisten.“? Wollen Sie sagen, dass das alles nicht stattgefunden hat, dass ich mir das ausdenke oder dass ich geträumt habe, Herr Kollege Pantazis? Soll ich Ihnen etwas sagen? - Diese Art und Weise ist unredlich. Ich
Vielen Dank, Herr Oetjen. - Herr Dr. Pantazis möchte darauf erwidern. Bitte, Sie haben maximal 90 Sekunden.
Herr Oetjen, bei allem Respekt: Ich verstehe Ihre Erregung. Aber ich habe noch einmal sachlich mit diesen acht Punkten, die ich seinerzeit angesprochen habe, darauf geantwortet, warum wir diesem Antrag in dieser Form nicht folgen können.
Diese acht Punkte konnten auch im Rahmen der Ausschussberatung nicht entkräftet werden. Selbst als Professor Bade, als auch der Flüchtlingsrat in der Parlamentskommission zu Fragen der Migration und Teilhabe darum gebeten haben, den Antrag diesbezüglich zu ändern, ist gesagt worden, von der Stoßrichtung her wolle man den Antrag nicht ändern. - Dann braucht man sich in der Hinsicht nicht zu wundern.
(Christian Dürr [FDP]: Ihnen sind die- se Flüchtlinge so egal! Das ist so un- menschlich, Herr Pantazis!)
Das gilt beispielsweise auch für den Vorwurf, dass wir auf Zeit spielen würden. Wir hatten im November die Erstberatung und haben heute, im März, die abschließende Beratung. Deswegen entbehrt Ihre Kritik jeglicher Grundlage.
Sie wissen selbst, auch in der Frage von Wegweiserkursen haben wir uns ohne Probleme einigen können und wirklich sehr, sehr konstruktiv zusammenarbeiten können. Ich finde es sehr schade, dass Sie jetzt das alles dermaßen in Abrede stellen.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Christian Dürr [FDP]: Zy- nisch sind Sie mittlerweile in der De- batte! Peinlich und zynisch! Das ist die SPD in Deutschland heute!)
Wir waren bei Kurzinterventionen, Herr Kollege Oetjen - Rede, Gegenrede. Das ist dann ein bisschen schwierig.
Meine Damen und Herren, mir liegt jetzt die Wortmeldung der CDU-Fraktion vor. Das Wort hat für die CDU-Fraktion der Kollege Ansgar-Bernhard Focke.