Protocol of the Session on March 9, 2016

aus Afghanistan, die alleine zusammengenommen über 65 % derjenigen ausmachen, die zu uns kommen.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Auch kein Prob- lem - Herausforderung!)

Das sind die Herausforderungen, vor denen wir stehen. Alles andere werden wir regeln, meine Damen und Herren.

Schließlich zu den Anreizen: Kein Syrer, keine syrische Großmutter im Alter von 65 Jahren setzt sich auf ein Schlauchboot, weil sie weiß, dass es in Deutschland in den Erstaufnahmeeinrichtungen 3,50 Euro pro Tag gibt, meine Damen und Herren. Das ist eine groteske und geradezu zynische Vorstellung.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Eine letzte Bemerkung: Die Begrenzung des Familiennachzugs ist doch längst im Gange! Schauen Sie sich die in Griechenland ankommenden Flüchtlinge an! Das sind längst nicht mehr überwiegend Männer; das sind inzwischen überwiegend Frauen und Kinder. Und wir diskutieren über die Wirksamkeit unserer Beschlüsse zum Familiennachzug. Das ist auch nicht zielführend, meine Damen und Herren. Denn wer vor Bomben und Terror flieht, der wird das auch weiterhin tun. Dagegen ist die These falsch, dass eine Änderung des deutschen Asylrechts automatisch deutlich weniger Flüchtlinge zur Folge hätte - was nicht bedeutet, dass wir nicht unsere Hausaufgaben machen müssten.

Wir tun uns mit derart simplen Thesen übrigens auch keinen Gefallen. Die Populisten am rechten Rand versprechen - offenbar erfolgreich; zumindest in Teilen der Bevölkerung - vermeintlich einfache, schwarz-weiße Lösungen, die in einem krassen Missverhältnis zur Komplexität und Größe der Probleme stehen. Wir sollten uns davor hüten, uns dieser Versuchung zu ergeben und es ihnen gleichzutun.

Wir müssen entschlossen gegensteuern; wir müssen im Land weiterhin unseren Aufgaben gerecht werden, und wir müssen auf nationaler und vor allem europäischer Ebene endlich angemessene Antworten entwickeln und umsetzen. Dies gilt umso mehr, weil ein Ende des Zustroms eben nicht zu erwarten ist. Darüber müssen wir uns auch im Klaren sein: dass ein großer Teil der Menschen bei uns bleiben wird. Ich hoffe, dass diejenigen, die das tun, sich am Ende eine sichere und friedliche

Zukunft bei uns werden aufbauen können, meine Damen und Herren.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister.

Ich stelle fest, dass zu diesem Tagesordnungspunkt keine weiteren Wortmeldungen vorliegen und wir damit die zweite Beratung mit der Abstimmung beenden können.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses folgen und damit den Antrag der Fraktion der CDU in der Drucksache 17/5115 ablehnen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich frage nach den Gegenstimmen. - Enthaltungen? - Gibt es auch nicht. Das Erste war die Mehrheit. Sie sind der Ausschussempfehlung gefolgt. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Meine Damen und Herren, ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 19: Abschließende Beratung: Asylverfahren entlasten und vorübergehenden Schutz durch spezifischen Flüchtlingsstatus gewähren - Gesetzentwurf zur Gewährung vorübergehenden nationalen humanitären Schutzes in den Bundesrat einbringen - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 17/4521 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Sport - Drs. 17/5258

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag abzulehnen.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Wir treten in die Beratung ein.

Das Wort hat für die ursprünglichen Antragsteller der Kollege Jan-Christoph Oetjen, FDP-Fraktion. Bitte, Herr Kollege!

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben an verschiedener Stelle schon darüber diskutiert, dass das größte Problem, das wir derzeit haben, die Tatsache ist, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge heillos überlastet ist. Die Kollegin Polat hat in der vorherigen

Debatte zu Recht darauf hingewiesen, dass es dort einen Stau von etwa 400 000 Anträgen gibt und dass es zu einem weiteren Anstieg der Antragszahlen kommen wird, wenn alle diejenigen, die schon da sind, nachträglich registriert werden.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, das BAMF ist der große Flaschenhals, weil die Kapazitäten dort überhaupt nicht ausreichen. Das ist das Problem. Diesen Flaschenhals, meine Damen und Herren, gilt es aufzuweiten, damit wir endlich schnellere Verfahren bekommen,

(Johanne Modder [SPD]: Genau!)

damit schneller Entscheidungen getroffen werden und damit es dadurch zu einer schnelleren Anerkennung von Asylbewerbern auf der einen Seite und auf der anderen Seite zu einer schnelleren Rückführung derjenigen kommt, die kein Asyl bekommen. Das ist die Aufgabe, der wir uns stellen müssen.

(Zustimmung bei der FDP - Johanne Modder [SPD]: Genau! Und wo liegt die Verantwortung? - Gegenruf von Christian Dürr [FDP]: Die liegt gerade hier im Landtag! Ihr seid dagegen - und lacht auch noch darüber! - Ge- genruf von Johanne Modder [SPD]: Weil ich es nicht fassen kann!)

Jetzt kommen wir zu dem Antrag, Herr Kollege Dürr, Frau Kollegin Modder, den wir hier im November eingebracht haben, nämlich zum vorübergehenden humanitären Schutz. Damals hat die SPD-Fraktion viel Applaus für diesen konstruktiven Vorschlag gespendet, den wir als Freie Demokraten in dieses Haus eingebracht haben. Der vorübergehende humanitäre Schutz führt nicht zu einer Verringerung der Asylverfahren insgesamt, aber er bringt einen Zeitgewinn für das BAMF. Wir wollen erreichen, dass Menschen, die aus Ländern kommen, in denen derzeit Krieg herrscht, insbesondere aus Syrien und dem Irak, sofort diesen Status erhalten. Dann ruht das Asylverfahren, und dem BAMF wird dadurch Luft verschafft, sodass es sich um die Anträge kümmern kann, die derzeit unbearbeitet auf den Tischen liegen bleiben.

Verehrte Damen und Herren, unser Vorschlag zur Gewährung eines vorübergehenden humanitären Schutzes wäre ein echter Beitrag zur Entlastung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge und für schnellere Verfahren bei Asylanträgen in Deutschland.

(Beifall bei der FDP)

Heute klatschen Sie nicht mehr, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD und von den Grünen. Damals haben Sie geklatscht. Die Kollegin Tiemann hat sogar das Schaubild der FDP-Fraktion hoch gehalten und gesagt, dass das ein guter Vorschlag sei.

Sie haben auf Ihrem SPD-Bundesparteitag übrigens ein ganz ähnliches Modell beschlossen - ich weiß nicht, ob Sie hier alle Bundesparteitagsdelegierte sind und das wissen. Ich habe gedacht: Mensch, die Kollegen von der SPD machen sich jetzt auch auf den Weg! Die kommen bestimmt nach ihrem Bundesparteitag auf mich zu, so wie sie es auch in den Beratungen im Ausschuss angekündigt haben, und dann können wir endlich einmal zu einem konstruktiven Vorschlag zur Beschleunigung der Asylverfahren und zur Neuaufstellung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge kommen.

(Glocke des Präsidenten)

Was ist gewesen? - Nichts, verehrte Kolleginnen und Kollegen!

(Jörg Bode [FDP]: Was?)

Es hieß dann: Ja, wir finden das ja gar nicht schlecht. Lieber Jan-Christoph, wir kommen in der nächsten Plenarsitzung auf dich zu. - Ich habe gewartet und dann gefragt: Habt ihr einen Vorschlag? - Es hieß: Ja, wir sind noch am Formulieren; das muss noch mit dem Ministerium abgestimmt werden.

(Jörg Bode [FDP]: Ach!)

Das kenne ich ja; das ist nicht immer ganz einfach. Das weiß ich. Das war schon zu schwarz-gelben Zeiten nicht immer einfach.

(Zurufe von der SPD: Oh! - Belit Onay [GRÜNE]: Ein Offenbarungseid!)

Ich habe gedacht: Irgendwann kommt der konstruktive Vorschlag. - Irgendwann kam dann auch ein Papier, in dem stand, man solle doch die Anträge von Frauen und Kindern vorziehen.

(Glocke des Präsidenten)

Aber von vorübergehendem humanitärem Schutz oder von dem, was Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen, auf Ihrem Bundesparteitag beschlossen haben, war leider überhaupt nichts zu sehen. Das ist nicht nur schade, meine Damen und Herren, sondern das führt dazu, dass wir weiterhin beim BAMF das große Problem haben, dass sich die Anträge stapeln und nicht abgearbeitet werden,

weil es zu wenig Entscheider gibt. Hier liegt ein Vorschlag auf dem Tisch, der das konstruktiv beheben will, weil wir die Verantwortung sehen -

Kein neuer Anlauf mehr! Gucken Sie einmal auf die Uhr!

- ich bringe den Satz zu Ende, Herr Präsident -, dass wir uns in der Debatte konstruktiv und nicht nur mit Schuldzuweisungen zu Wort melden müssen. Aber leider schlagen Sie diese ausgestreckte Hand aus, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Es gibt keine konstruktive Beratung, sondern letztendlich nur die Ablehnung unseres Antrags. Das ist viel zu wenig.

(Beifall bei der FDP - Christian Dürr [FDP]: So ist es! Sehr, sehr gut!)

Vielen Dank, Kollege Oetjen. - Das Wort hat jetzt für die SPD-Fraktion Herr Kollege Dr. Christos Pantazis.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Oetjen, wo sitzen Sie denn? - Ach, da hinten. Wunderbar.

Es geht mir hauptsächlich darum, der Legendenbildung, an der Sie eben begonnen haben zu stricken, entgegenzuwirken. Ich fange einfach einmal mit ein paar Fragen an, die es gilt, jetzt zu beantworten. Ich habe schon bei der ersten Beratung zwar die Grundtendenz des Antrags gelobt, weil er im Sinne einer teilhabeorientierten Migrationspolitik gestrickt ist. Aber ich habe gleichzeitig acht Kritikpunkte genannt, die wir in der Ausschussberatung nicht widerlegen und nicht ausräumen konnten. Von daher kommen wir zu diesem Votum, so wie es sich jetzt in der Hinsicht darstellt.

Aber lassen Sie mich zunächst noch einmal zu der aktuellen Situation kommen: Was erwarten die Bürgerinnen und Bürger in Anbetracht der aktuellen Herausforderung von der Politik?

Herr Dr. Pantazis, bei Ihnen ist das bei der Geschwindigkeit Ihrer Reden besonders schwierig zu unterbrechen, aber ich habe eben die Chance