Protocol of the Session on March 9, 2016

Tagesordnungspunkt 11: Mitteilungen des Präsidenten

Ich darf die Beschlussfähigkeit des Hauses schon jetzt feststellen.

Heute haben wir wieder ein Geburtstagskind: Geburtstag hat die Abgeordnete Gerda Hövel.

(Beifall)

Liebe Kollegin, ich darf Ihnen im Namen des ganzen Hauses sehr herzlich gratulieren und Ihnen für das neue Lebensjahr alles, alles Gute wünschen!

Zur Tagesordnung: Wir beginnen die heutige Sitzung mit Tagesordnungspunkt 12, der Aktuellen Stunde. Anschließend setzen wir die Beratungen in der Reihenfolge der Tagesordnung fort.

Die Nachwuchsjournalistinnen und -journalisten der Multi-Media Berufsbildende Schule werden im Laufe der kommenden Tage wieder Sendungen im Rahmen des Projektes „Landtagsradio“ erstellen. Sie halten sich während der Plenarsitzungstage im Vorraum zum Raum der Landespressekonferenz sowie im Raum der Landespressekonferenz auf und führen dort auch ihre Interviews durch. Die einzelnen Sendungen stehen im Internet auf der Homepage der Schule bereit und sollen über den Regionalsender LeineHertz 106.5 und den Fernsehsender h1 ausgestrahlt werden.

Die heutige Sitzung soll gegen 19.20 Uhr enden.

Die mir zugegangenen Entschuldigungen teilt Ihnen nunmehr der Schriftführer Herr Belit mit.

(Björn Thümler [CDU]: Immer noch Onay! - Zustimmung bei der SPD)

Es haben sich entschuldigt: von der Landesregierung Frau Wissenschaftsministerin Dr. HeinenKljajić ab 15 Uhr, von der SPD-Fraktion Herr Schwarz, von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Scholing und von der FDP-Fraktion Frau von Below-Neufeldt.

Vielen Dank. - Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 12: Aktuelle Stunde

Für diesen Tagesordnungspunkt sind mir vier Themen benannt worden, deren Einzelheiten Sie der Tagesordnung entnehmen können.

Die in unserer Geschäftsordnung für den Ablauf der Aktuellen Stunde geregelten Bestimmungen setze ich bei allen Beteiligten - auch bei der Landesregierung - als bekannt voraus.

Ich eröffne die Besprechung zu

a) 5 Jahre Fukushima, 30 Jahre Tschernobyl und auch Fessenheim zeigen: Sicher ist nur das Risiko! - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/5320

Das Wort hat Frau Kollegin Staudte, Bündnis 90/Die Grünen.

(Unruhe)

- Und Sie alle bitte ich jetzt um Aufmerksamkeit.

(Jens Nacke [CDU]: Endlich wieder Atom, Frau Staudte, wie schön! - An- haltende Unruhe)

Frau Kollegin, wir starten, wenn etwas mehr Ruhe eingekehrt ist. - Ich bitte alle Kolleginnen und Kollegen, die der Debatte folgen möchten, sich zu setzen.

(Jens Nacke [CDU]: Ich bleibe trotz- dem hier!)

Bitte, Frau Kollegin!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ganz sicher werden einige von Ihnen beim Titel des Antrages für die Aktuelle Stunde gedacht haben: Ach, die Grünen wieder! - Herr Nacke hat gerade ja auch schon wieder einen entsprechenden Zwischenruf gemacht.

(Jens Nacke [CDU]: Eigentlich habe ich gedacht: Ach, Frau Staudte wie- der!)

Das war ja erwartbar, dass die Grünen zum Fukushima-Jahrestag Atomkraft als Thema wählen.

Aber ich sage Ihnen: Wir machen das nicht zur Selbstvergewisserung, sondern zur Mahnung. Und ich glaube, das ist auch sehr angebracht.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Der Atomausstieg ist weder vollendet - siehe: unbefristete Genehmigung für die Atomfabriken in Gronau oder Lingen - noch rechtlich abgesichert.

Ich weiß nicht, wie es in Ihren Landkreisen ist: Bei mir in Lüneburg und Lüchow-Dannenberg finden seit dem Unglück in Fukushima jeden Montag Montagsmahnwachen statt. Winters wie sommers erinnern die Menschen dort daran, dass ein GAU jeden Tag weiter möglich ist. Ein Satz ist beim Thema Atomkraft noch für die nächsten 1 Million Jahre gültig, und der lautet: Sicher ist nur das Risiko.

Die Atomenergie ist eine Hochrisikotechnologie, und ein Staat, der diese Technik zugelassen hat, wird schnell zum Unrechtsstaat.

(Zurufe von der CDU: Was?)

Die Katastrophe von Fukushima hat 150 000 Menschen aus ihrem Zuhause vertrieben. Dabei wurden die Evakuierungsradien dort viel zu klein gewählt, weil man keine Großstädte evakuieren wollte oder konnte. Es müssten in Wirklichkeit also viel mehr Menschen umgesiedelt werden.

Damit die Grenzwerte eingehalten werden können, hat man sie kurzerhand hochgesetzt: Ein Kind im Kindergarten darf jetzt der gleichen Strahlung ausgesetzt werden wie bei uns ein Mitarbeiter in einer Atomanlage.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Unglaublich! - Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Die Folgen - und an der Stelle sollten Sie mit dem Schmunzeln bzw. Lachen aufhören -: 115 Kinder mussten in der Präfektur Fukushima schon wegen Schilddrüsenkrebs operiert werden. Statistisch wären in diesem Zeitraum 4 Fälle zu erwarten gewesen. Und die Arbeiter in Japan, die dort aufräumen müssen, dürfen inzwischen einer 13-fach höheren Strahlung ausgesetzt werden als die AKW-Arbeiter bei uns. Langfristig rechnet die WHO mit bis zu 66 000 Krebstoten, andere gehen von 80 000 aus.

Der Staat schützt also nicht seine Menschen, sondern die Atomkonzerne.

(Unruhe)

Einen Moment, bitte, Frau Staudte! Die Zeit wird Ihnen gutgeschrieben. - Ich muss noch einmal um etwas mehr Ruhe bitten. Es ist sehr schwierig für die Rednerin am Redepult, sich Aufmerksamkeit zu verschaffen. Das gilt für alle: rechts, in der Mitte, links. - Bitte, Frau Kollegin!

Danke. - Anderthalb Jahre nach der Katastrophe in Fukushima hat die japanische Regierung 10 Milliarden Euro auf den Tisch gelegt, um eine Insolvenz des Betreibers abzuwenden; sie ist also Mehrheitsanteilseigner geworden. Tepco ist seit der Atomkatastrophe ruiniert: Das Unternehmen - jetzt eigentlich die Regierung - muss anderthalb Millionen Menschen entschädigen. Hinzu kommen die Einnahmeausfälle und natürlich die Aufräumarbeiten. Tepco geht davon aus, dass die Aufräumarbeiten bis zu 40 Jahre dauern werden - und das ist noch optimistisch gesehen, wenn man einmal in Richtung Tschernobyl guckt.

Auf dem Reaktorgelände lagern inzwischen 750 000 t verstrahltes Wasser in gigantischen Tanks - niemand weiß, wohin damit. Und Dekontaminationstrupps tragen den Oberboden in der Umgebung ab. Die Menschen trauen sich trotzdem nicht, in die evakuierten Gebiete zurückzugehen, obwohl die Behörden beteuern, es sei alles in Ordnung. Ich muss sagen: Ich würde der Regierung auch nicht trauen; denn da sie jetzt mitverantwortlich für die Entschädigungen ist, hat sie natürlich auch ein Interesse daran, dass möglichst wenige Entschädigungen für Umsiedlungen etc. gezahlt werden müssen.

Meine Redezeit reicht nicht aus, um auch ausführlich auf Tschernobyl einzugehen. Für mich war das Schlimmste an Tschernobyl der Einsatz von Zehntausenden jungen Liquidatoren, die dort von einem autoritären Regime gezwungen wurden, den geborstenen Reaktor mit der Schaufel zuzuschütten. Nahezu alle von ihnen sind an der Strahlenkrankheit zugrunde gegangen. Das muss man so sagen; von „gestorben“ zu sprechen, wäre beschönigend.

Wie würde man in Deutschland mit einer solchen Situation umgehen? Vertuschen wie in Fessenheim? Sind wir wirklich sicher, dass bei uns die Grenzwerte nicht hochgesetzt werden würden? Wer würde bei uns die Aufräumarbeiten machen? Die freiwillige Feuerwehr von Herrn Bachmann?

Oder die jungen Soldatinnen und Soldaten von Ursula von der Leyen?

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Würden bei uns die Unternehmen etwa nicht insolvent werden? - Bei uns ist es doch schon jetzt so - auch ohne GAU -, dass die Kosten der Abwicklung der Atomkraft übernommen werden sollen. Doch wenn der Staat in dem wahrscheinlichen Fall, dass die Rückstellungen nicht ausreichen, bei der Entsorgung einspringen soll, wer garantiert uns dann eigentlich, dass der Atomausstieg nicht doch wieder rückgängig gemacht wird, um Geld für die Entsorgung des Atommülls zu verdienen?

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Um Geld für die Entsorgung des Atommülls zu verdienen, wird in der Schweiz genauso argumentiert: Wir müssen die AKWs länger laufen lassen, weil wir inzwischen leider noch nicht genug Rückstellungen gebildet haben.

Insofern hat der BUND eine sehr bekannte, aber sehr aktuelle Forderung wieder aufgestellt. Der Atomausstieg muss ins Grundgesetz, damit die Hürden, ihn rückgängig zu machen, höher werden.

(Björn Thümler [CDU]: Ins Grundge- setz? - Christian Grascha [FDP]: Das ist doch wirklich lächerlich!)