Protocol of the Session on February 18, 2016

Diesem Grundsatz einer teilhabeorientierten Migrationspolitik sehen wir uns seit dem Regierungswechsel verpflichtet, und er hat auch im rot-grünen Koalitionsvertrag „Erneuerung und Zusammenhalt“ seinen Niederschlag gefunden.

(Zustimmung von Gerald Heere [GRÜNE])

Elementarer Bestandteil einer solchen Politik ist das Erlernen der deutschen Sprache. Daher erachten wir auch die Angebote der Erstaufnahmeeinrichtungen als sinnvoll. Getreu der Devise „Teilhabe für alle“, und zwar von Anfang an, gehören in den Rahmen der Erstaufnahme insbesondere die

angebotenen Wegweiserkurse, die Asylbewerberinnen und Asylbewerbern, Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern und jüdischen Migrantinnen und Migranten bessere Startbedingungen in Deutschland ermöglichen sollen.

In diesem Zusammenhang erscheint es mir wichtig, zu betonen, dass diese Kurse neben der Vermittlung von Deutschkenntnissen auch die Vermittlung der Werte unseres Gemeinwesens, unseres Grundgesetzes, aber auch von Informationen über das Asylverfahren und das hiesige Behördensystem vornehmen.

Wichtig ist auch, dass die Flüchtlinge - das erfolgt in der Regel bereits jetzt - in einem Erstgespräch durch die örtliche Sozialarbeit darauf aufmerksam gemacht werden, dass es dieses Kursangebot gibt. Die Kurse finden an fünf aufeinanderfolgenden Werktagen statt, in der Regel zwischen 8 und 12 Uhr bzw. 13 und 15 Uhr, und weisen in der Regel pro Kurs maximal 15 Personen auf, um ein enges Zusammenarbeiten miteinander zu ermöglichen.

Entsprechend der während der Ausschussberatungen erfolgten Unterrichtung durch die Landesregierung sind die Inhalte der Wegweiserkurse getrennt von denen zu betrachten, die an den Standorten zur Integration von Kindern in die Schule vorgehalten werden. Für diesen Personenkreis unter 16 Jahren ist ein Modell mit dem Namen „Interkulturelle Lernwerkstatt“ entwickelt worden, das der Vorbereitung auf den Besuch der Regelschule dient.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die von mir soeben skizzierten Kurse sind uns im Rahmen einer teilhabeorientierten Migrationspolitik wichtig. Gerade vor dem Hintergrund des erhöhten Zuzuges von Flüchtlingen während des letzten Jahres, bei dem als größtes Problem die Unterbringung der selbigen im Vordergrund stand, musste die Landesregierung den einen oder anderen Kursraum opfern - nicht allerdings, ohne tatkräftig nach Ausweichmöglichkeiten und räumlichen sowie personellen Kapazitäten zu suchen und Kooperationsmodelle einzugehen. So konnten beispielsweise am Standort Braunschweig für die Durchführung der Kurse Lehrkräfte der Oskar-KämmerSchule beauftragt und dort drei Schulungsräume hierfür zur Verfügung gestellt werden.

Ich halte daher fest: Die Landesregierung hat bereits Kooperationsmodelle umgesetzt, wobei wir sie hier und heute unterstützen wollen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Es freut mich ferner, dass es der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen trotz des erhöhten Zuzuges von Flüchtlingen aktuell gelungen ist, diese Kurse für Flüchtlinge wieder an allen Standorten der Landesaufnahmebehörde durchzuführen. Hierfür möchte ich Ihnen und Ihrem Haus, Herr Minister Pistorius, stellvertretend meinen herzlichen Dank aussprechen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, der ursprüngliche Antrag der FDP, der die Sicherstellung sowie Stärkung der Wegweiserkurse auch in Anbetracht dieser eben von mir skizzierten Entwicklung zum Ziel hatte, konnte unsererseits in der Ursprungsfassung nicht unterstützt werden, da er die von mir soeben erwähnten Anstrengungen seitens der Landesregierung gänzlich ausblendete.

In den Ausschussberatungen im federführenden Innenausschuss sowie den Beratungen der Parlamentskommission zu Fragen der Migration und Teilhabe ist dies auch deutlich herausgearbeitet worden. Daher steht dieser Ursprungsantrag heute auch nicht mehr zur Abstimmung, sondern wird einmütig als erledigt betrachtet.

(Christian Grascha [FDP]: Die Kom- mission fand unseren Antrag richtig gut! Das ist die Wahrheit!)

In diesem Zusammenhang möchte ich ausdrücklich dem niedersächsischen Flüchtlingsrat danken, der einen wertvollen Beitrag in Form eines Änderungsantrags geleistet hat, der sich in der nun zur Abstimmung vorliegenden Fassung eines Antrags der Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP wiederfindet.

Auch möchte ich meinen Dank an Herrn Oetjen für die ausgesprochen gute Zusammenarbeit aussprechen. Mit ihm konnte der vorliegende Entschließungsantrag erarbeitet werden, der nun zur Abstimmung vorliegt. Der Antrag konnte auch das einstimmige Votum sowohl der Kommission zu Fragen der Migration und Teilhabe als auch des federführenden Innenausschusses erzielen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, im Sinne einer teilhabeorientierten Migrationspolitik wollen wir alle - auch unter erschwerten Bedingungen und im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten - die Lan

desregierung bei der Zielvorgabe einer Erstorientierung von Flüchtlingen unterstützen.

Wir wollen daher erstens im Sinne dieser Zielvorgabe die Durchführung der Wegweiserkurse in den Erstaufnahmeeinrichtungen auch weiterhin ermöglichen.

Zweitens wollen wir, dass im Rahmen der Möglichkeiten die räumlichen Kapazitäten dafür geschaffen werden. Hierbei sollen auch Möglichkeiten der kommunalen Kooperation, beispielsweise mit Trägern der Erwachsenenbildung - die Volkshochschulen seien hier exemplarisch genannt -, ausgelotet werden.

Drittens soll eine ausreichende Personalausstattung auch externer Dienstleister gewährleistet werden.

Viertens soll das Lernmaterial kontinuierlich überprüft und gegebenenfalls überarbeitet werden.

Fünftens soll bei Ankunft der Flüchtlinge konkret auf das Angebot der Wegweiserkurse hingewiesen werden, und diese sollen beworben werden.

Vor diesem Hintergrund bitte ich Sie alle um Unterstützung des vorliegenden Antrags der Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP.

Ich beantrage entsprechend der Geschäftsordnung die sofortige Abstimmung und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Pantazis. - Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Oetjen das Wort.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Wegweiserkurse sind ja seinerzeit unter der schwarz-gelben Landesregierung entstanden und zunächst in Friedland angeboten worden. Sie waren dort ein großer Erfolg. Wir hatten das Ziel, mit diesen Wegweiserkursen Flüchtlingen, die nach Deutschland kommen, gleich am Anfang - auch wenn das eigentlich keine originäre Aufgabe des Landes ist - erste Deutschkenntnisse und die Grundlagen dazu, wie unser Staat funktioniert, welche Behörden es bei uns gibt usw., zu vermitteln.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Und welche Grundwerte wir haben!)

Ich halte es nach wie vor für sinnvoll, dass wir jedem Flüchtling, der nach Niedersachsen kommt, eine solche Erstinformation, solche Wegweiserkurse angedeihen lassen. Das muss das Ziel sein, das wir auch im Landtag verfolgen sollten.

(Zustimmung bei der FDP, bei der CDU sowie bei den GRÜNEN)

Im Mai 2015, also zu einem Zeitpunkt, zu dem es - anders als der Kollege Pantazis es gerade gesagt hat - keine Wegweiserkurse gegeben hat, weil alle Räumlichkeiten, die zur Verfügung standen, mit Betten vollgestellt waren - das war eine akute Notsituation -, haben im Rahmen des Zukunftstages für Mädchen und Jungen die Mädchen und Jungen, die bei uns in der FDP zu Gast waren, diesen Antrag entwickelt. Sie haben gesagt: Wir müssen dafür sorgen, dass das, was eigentlich sinnvoll ist, aber gerade nicht funktioniert, weil kein Platz ist, für die Flüchtlinge wieder auf den Weg gebracht wird.

Das Ergebnis waren intensive Beratungen auch in der Kommission für Fragen der Migration und Teilhabe. Ich bedanke mich sehr für die Unterstützung seitens aller Beteiligten, auch des Flüchtlingsrats. Denn die Zusammenarbeit des Flüchtlingsrats und der Kollegin Eilers von der FDP ist in ein gemeinsam überarbeitetes Papier gemündet, das dann dem Innenausschuss zur Beratung vorgelegt wurde. Dann ist man einmal mit Weichspüler durch den Antrag gegangen, was dazu geführt hat, dass das eine oder andere nicht mehr so scharf formuliert ist, wie es eine Oppositionsfraktion gerne hätte - das sage ich sehr deutlich.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Aus ökolo- gischen Gründen würden wir nie Weichspüler verwenden!)

Aber das Signal, das wir aus dem Landtag senden wollen, ist, dass die Landesregierung wieder dazu kommen muss, dass in allen Erstaufnahmeeinrichtungen Wegweiserkurse durchgeführt werden. Das ist das Signal, das Sie mitnehmen sollen, Herr Pistorius.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Und ich will darüber hinausgehen: Wenn wir alle uns gemeinsam darin einig sind, dass die Sprachvermittlung der Schlüssel zur Integration ist, dann muss diese Landesregierung nacharbeiten, und zwar auch im Bereich der Notunterkünfte und Behelfsunterkünfte. Dort sind derzeit 4 500 Kinder untergebracht, die keine Sprachvermittlung bekommen, verehrte Kolleginnen und Kollegen.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Die Landesregierung hat aktuell kein Konzept dafür, wie eine solche Sprachvermittlung für diese Kinder umgesetzt werden kann. Das ist dramatisch, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Landesregierung muss endlich handeln und dafür sorgen, dass auch allen Kindern, die in Notunterkünften oder Behelfsunterkünften sind, Deutschkurse angeboten werden, damit sich diese integrieren können! Das Ihr Auftrag, sehr geehrter Herr Minister.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Übrigens ist im Kultusausschuss die Frage, Herr Minister, ob die Landkreise, die die Unterbringung in Amtshilfe durchführen, diese Deutschkurse anbieten und dies dann beim Land abrechnen könnten, vom Innenministerium verneint worden; ein solcher Auftrag könnte nicht im Rahmen der Amtshilfe von den Landkreisen durchgeführt werden. Ich hielte es für ein gutes Modell - ich sage das hier sehr klar -, wenn die Landkreise auch diese Sprachvermittlung vor Ort durchführen könnten und das Land das dann bezahlt. Wenn Sie es durch eigene Organisation im MK nicht hinbekommen, den Kindern Deutschkurse angedeihen zu lassen, dann lassen Sie es doch die Kommunen machen, und geben Sie denen das Geld! Die kriegen das auf die Reihe. Das verspreche ich Ihnen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, uns liegt ein insgesamt guter Antrag vor. Wir müssen dafür sorgen, dass wir die Wegweiserkurse wieder auf den Weg bringen. Dort findet nicht nur Sprachvermittlung statt, sondern auch die Vermittlung grundlegender Kenntnisse über unser Rechtssystem, darüber, wie es bei uns funktioniert.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Und Wertevermittlung!)

Ich nenne das einmal Staatsbürgerkunde. Auch das ist sehr wichtig.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Und Wertevermittlung!)

- Eine Vermittlung unserer Werte muss dort stattfinden.

(Zustimmung bei der CDU)

Von daher bedanke ich mich für die konstruktive Zusammenarbeit an diesem Antrag bei allen Fraktionen. Wir wünschen uns, dass Integration gelingen kann. Dafür brauchen wir die Wegweiserkurse,

und dafür muss die Landesregierung die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen.