Protocol of the Session on February 17, 2016

Bevor es hier zum Wechsel in der Sitzungsleitung kommt, rufe ich noch auf den

Tagesordnungspunkt 11: Abschließende Beratung: Gleichstellungspolitik strategisch denken und wirksam umsetzen - Für eine zukunftsfähige Neuauflage des NGG - Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/4957 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Migration - Drs. 17/5062

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag unverändert anzunehmen.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Wir treten in die Beratung ein. Als Erste hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Elke Twesten das Wort. Bitte schön!

(Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta übernimmt den Vorsitz)

Herr Präsident und Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Männer und Frauen sind gleichberechtigt; das ist keine Frage. Das Grundgesetz und auch die Niedersächsische Verfassung sprechen für sich.

Unsere Gleichberechtigungsgesetze quer durch die Republik feiern einen runden Geburtstag nach dem anderen. Nur am Ziel einer wirklichen, einer tatsächlichen und einer echten Teilhabe von Frauen in Wirtschaft, Verwaltung und Politik sind wir noch nicht. Um es noch deutlicher zu sagen: Den Jahresberichten der Europäischen Kommission zufolge führt eine Gleichstellungspolitik zu einer messbaren Steigerung der Effizienz in allen Branchen. Davon profitiert auch der öffentliche Dienst.

Ergo brauchen wir ein klares Bekenntnis zur Frauenförderung.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD - Unruhe)

Einen Moment, bitte, Frau Kollegin! - Wir haben hier einen neuen Tagesordnungspunkt. Es herrscht große Unruhe. Damit wir alle der Debatte aufmerksam folgen können, bitte ich um Ruhe im Plenarsaal, bevor wir fortfahren. - Bitte!

Vielen Dank, Frau Präsidentin.

Ergo brauchen wir ein klares Bekenntnis zur Frauenförderung. Deshalb wollen und werden wir ab sofort alles daransetzen, uns wieder zukunftsfähig aufzustellen. Deshalb wird es jetzt ernst. Deshalb geht es bei unserem neuen Gleichberechtigungsgesetz um Frauenförderung auf allen Ebenen. „Fifty-fifty“ heißt das Zauberwort. Wo das nicht klappt, muss die Quote her, die der Unterrepräsentanz auf die Sprünge hilft. Deshalb wird das neue Gleichberechtigungsgesetz auf der Grundlage verbindlicher Gleichstellungspläne auf das Ziel von 50 % Frauen in allen Bereichen ausgerichtet.

Seit 2014 stellen wir auf der Grundlage des vierten Berichts zur Durchführung des NGG fest, dass sich der Anteil von Frauen in den Verwaltungen zwar erhöht hat, aber die eigentlichen Ziele des NGG noch lange nicht erreicht sind. Viel zu viele Frauen stoßen sich auch im öffentlichen Dienst den Kopf an der berühmten gläsernen Decke und wundern sich, warum ihre männlichen Kollegen sicher an ihnen vorbei befördert werden.

An dieser Stelle, meine Damen und Herren, verwundert es schon sehr, dass die frauenpolitische Kollegin der CDU-Fraktion Frau Joumaah, die ich gerade nicht sehe - doch, hier vorne -, im Rahmen der Ausschussberatung kundgetan hat, dass sie die zielgerichtete Förderung von Frauen im Rahmen der jetzt anstehenden Novellierung für grundfalsch hält. In was für einer Welt leben Sie eigentlich? Diese Frage muss an dieser Stelle genauso erlaubt sein.

Alle Welt redet quer durch die Republik von Frauenförderung. Selbst Unternehmensberatungen stellen seit 2010 fest, dass mithilfe von flexiblen Arbeitszeiten, einem weiteren Ausbau der Kinderbetreuung, Telearbeit und diskriminierungsfreier Teilzeitbeschäftigung vor allem der drohende

Fachkräftemangel, der auch den öffentlichen Dienst betreffen wird, nahezu ausgeglichen werden kann. Gleichwohl stellen Sie sich hier hin und appellieren auf eine ewig gestrige Art und Weise, dass das Ziel von Frauen in Führung eine gemeinsame Aufgabe von Männern und Frauen ist. - Das hört sich gut an und verfängt vielleicht, aber es funktioniert nicht.

Sie übersehen schlichtweg, dass Frauen nach wie vor gravierenden Benachteiligungen ausgesetzt sind. Alle freiwilligen Selbstverpflichtungen der Wirtschaft und auch der Verwaltung für mehr Frauenbeteiligung sind gescheitert.

So begrüßenswert es ist, die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit zu fördern, so wenig reicht das aus, um die strukturelle Benachteiligung von Frauen im Beruf zu beseitigen.

(Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE])

Das neue Gleichstellungsgesetz wird für mehr Verbindlichkeit und Klarheit sorgen. Es ist eine zukunftsfähige Grundlage, um die Geschlechtergerechtigkeit im öffentlichen Dienst voranzubringen, weil es Frauen beim Aufstieg in höhere Gehalts- und Besoldungsgruppen unterstützt.

Unsere Personalpolitik wird ab jetzt deutlich herausstellen, dass die Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf kein individuelles Problem und vor allem kein Frauenproblem ist. Bei allen Diskussionen rund um die Quote muss der Staat als Arbeitgeber mit gutem Beispiel vorangehen. Es ist in der Politik nicht ohne die Quote gegangen. Es ist in der Wirtschaft nicht ohne sie gegangen. Es wird auch in der Verwaltung nicht ohne sie gehen.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Das ist lei- der richtig!)

Meine Damen und Herren, damit komme ich zum Schluss. Es ist völlig klar, dass wir trotz Gleichberechtigungsgesetz im öffentlichen Dienst nach nunmehr 20 Jahren auf eines nicht verzichten können und auch nicht wollen. Ich bin sehr zufrieden, wie hoch engagiert und kompetent unsere Gleichstellungsbeauftragten in Niedersachsen die gesamte Bandbreite des NGG vertreten und uns jetzt und bei den im Gesetzgebungsverfahren anstehenden Beratungen für ein zukunftsfähiges NGG unterstützen werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Twesten. - Nun hat das Wort für die FDP-Fraktion Frau Kollegin Bruns. Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir reden über ein Gleichstellungsgesetz und nicht über ein Frauenförderungsgesetz. Wir haben jetzt ganz viel über Frauenförderung gesprochen. Aber ein Gleichstellungsgesetz muss eindeutig mehr können. Sie haben ja das Frauenministerium in Gleichstellungsministerium umbenannt. Die Begründung dazu war gut und richtig. Deswegen finde ich die Fokussierung alleine auf das Thema Frauen und Gleichstellung etwas befremdlich und merkwürdig.

Ich kann auch gleich mit der Mär aufräumen, unter der letzten Landesregierung habe es einen Kahlschlag gegeben, wie es in Ihrem Antrag steht. Während der Haushaltsplanberatung haben wir darüber diskutiert, dass wir das Geld herausgestrichen haben. Ich bin nicht von meiner Fraktion überstimmt worden. Es war unser gemeinsamer Wille. Man muss auch einmal den Wunsch und die Möglichkeit haben, Schwerpunkte zu setzen. Die Kommunen müssen einen Teil der Kosten für die Gleichstellungsbeauftragten selbst tragen. Sie haben zurzeit andere Probleme. Deswegen war es gut und richtig, den Betrag herauszustreichen. Das war ein gemeinsamer Wille der Fraktion und kein überstimmter Wille meinerseits.

(Beifall bei der FDP)

Zum Thema Familie und Beruf, auf dem beim letzten Gesetz der Fokus lag: Ich würde das durchaus kritisch beurteilen. Die Zahlen sind richtig. Es bleiben immer mehr Männer zu Hause. Aber im Durchschnitt gehen immer noch mehr Frauen in die Elternzeit oder arbeiten Teilzeit weiter. Das hat natürlich Auswirkungen auf die Erwerbsbiografien.

Ich würde das durchaus dezidiert betrachten. Ich möchte aber anmerken: Es stört mich in der Gesellschaft zurzeit unglaublich, dass der Fokus dahin geht, alle Frauen müssen berufstätig sein, alle Frauen wollen das und müssen das ständig machen. Jeder, der Kinder hat weiß, es ist im Grunde genommen nicht vereinbar, weil man ständig mit sich und seinem schlechten Gewissen durch die Gegend geht. Das wird auch ein Gesetz nicht verändern können. Ich möchte, dass man die freie Wahl hat und auch das Zuhausebleiben okay ist. Ich möchte, dass es nicht zum gesellschaftlichen

Impetus wird, dass alle Frauen ständig wieder arbeiten gehen müssen. Für viele ist es auch okay, zu Hause zu bleiben.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich habe noch eine andere Anmerkung. Ich dachte, ich muss schauen, ob der Antrag aus dem Jahr 2016 ist. Für mich wirkte er eher wie 1990. Bei Punkt 2, der festzusetzenden 50-%-Quote, habe ich zuerst gedacht, dass sie auch für Männer gilt. Wir haben ja z. B. Probleme bei den Grundschullehrern und bei Erziehern in Kitas. Das sind hauptsächlich weiblich durchmischte Berufe. Wir hätten durchaus gerne mehr Männer, die dort tätig sind. Das fände ich super und schön. Auch darum muss sich ein Gesetz kümmern.

Der andere Punkt zeigt: Es geht um die Frauenquote und nicht um eine Quote, mit Hilfe derer man sich in allen Berufsbildern um einen Ausgleich kümmert. Das fände ich durchaus wichtig. Deswegen ist mir das einfach zu flach gesprungen und müsste durchaus ergänzt werden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Zum Thema Quote nehme ich durchaus auch im persönlichen Umfeld wahr, dass viele Männer an den Frauen vorbeiziehen. Eine Freundin von mir ist an der Uni beschäftigt. Sie sagt: Sieh mal, bis hierhin komme ich eben. Die Professoren und die anderen Männer treffen sich und fahren zusammen Fahrrad. Da verteilen sich die Forschungsgelder und die Posten. - Handlungsbedarf gibt es also durchaus. Ich war immer ein Vertreter der FlexiQuote, die verbindlich mit anderen Anteilen festgelegt wird.

Mir ist auch bei den kommunalen Betrieben eines völlig unklar. Ich kenne die Zahlen aus Hannover. Man kann wirklich nicht von Hannover sagen, dass einmal jemand anderes regiert hätte. Wenn Sie wirklich eine 50-%-Quote in Hannover wollen, dann brauchen Sie dafür kein Gesetz. Handeln Sie einfach!

Wenn es wirklich um die Verteilung von Posten geht, kann ich nur fragen: Wer ist denn die Frau, Herr Lies oder Herr Weil? - Dafür brauchen Sie doch kein Gesetz! Dafür hätten Sie einfach sagen können: „Wir schicken pari-pari.“ Dafür brauchen Sie kein Gesetz. Machen Sie doch einfach!

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Bruns. - Nun hat das Wort für die CDU-Fraktion Frau Kollegin Joumaah. Bitte, Frau Kollegin!

Vielen Dank. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich nutze meine Redezeit, um Frau Twesten ganz kurz mit einer kleinen Bemerkung zu antworten. Ich bin nicht gegen Frauenförderung, wie Sie es mir unterstellt haben. Ich bin nur gegen falsche Frauenförderung.

(Elke Twesten [GRÜNE]: Schauen Sie mal ins Protokoll! Das haben Sie ge- sagt!)

Das zu Ihren Ausführungen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, „Gleichstellungspolitik strategisch denken und wirksam umsetzen - Für eine zukunftsfähige Neuauflage des NGG“. So heißt Ihr Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen. Angesichts der in dem Antrag erhobenen Forderungen müsste der Antrag aber heißen: „Einen Schritt zurück bei der Neuauflage des NGG - Rolle rückwärts in die Zeit der lila Latzhose“.

(Zustimmung bei der CDU)

Dabei ist Ihre Situationsanalyse an sich gar nicht falsch; denn eine Beurlaubung aus familiären Gründen wird überdurchschnittlich häufig von Frauen in Anspruch genommen. Frauen gehen überdurchschnittlich häufig einer Teilzeitbeschäftigung nach. Die Gleichstellungsziele umzusetzen, kann sicher nicht die alleinige Aufgabe von Gleichstellungsbeauftragten sein. Aber Ihre Schlussfolgerung, dass man das nur ändern könne, wenn man eine gleichstellungspolitische Rolle rückwärts macht und zur reinen Frauenförderung zurückkehrt, ist ein echter Denkfehler.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Elke Twesten [GRÜNE]: Dann gucken Sie sich mal die Zahlen an!)

Das 1994 von Rot-Grün verabschiedete NGG war lange auf eine reine Frauenförderung fokussiert.